Unsere Autorin Ulrike Wirtz war für Lebensart-Reise.com vor Ort. Alle Fotos Ulrike Wirtz, außer anders vermerkt.
Die Hafen- und Universitätsstadt Charleston ist mit 150.000 Einwohnern für US-Verhältnisse klein – und gilt als großes Reiseziel. Das liegt am Historic District mit seiner Dichte schön restaurierter Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert, mit schmucken Gärten und schattigen Alleen. Und dann die maritime Lage am Charleston Bay, einer Ausbuchtung des Atlantiks. Und obschon Charleston heute fast kleinstädtisch-idyllisch wirkt: Groß waren vor Ort Ereignisse zu Zeiten der Sklaverei – mit Folgen bis zur Gegenwart.
1. Tag früher Morgen – einstimmen mit Walk zum Bay
Der erste Morgen beginnt mit einem Spaziergang durch das historische Downtown – vorbei an hübsch restaurierten Wohnhäusern und Amtsgebäuden, an alten Gemäuern mit Hotels und Shops aller Art. Vieles ist echt alte Südstaaten-Architektur, erzeugt Beschaulichkeit und führt auf eine Zeitreise. Das Flanieren lässt sich genießen – über einladende Bürgersteige. Ziel: das Charleston Bay, an dem die Stadt liegt.
Viel Attraktives im Historic District ist fußläufig zu erreichen, gerade auch von den zahlreichen Hotels im Viertel aus wie das Mills House Charleston, ein Boutiquehotel der Curio Collection by Hilton, die Bleibe meiner Wahl und seit 1853 Grand Hotel am Platze. Von außen kommt das Traditionshaus im blassen Pink wie typisch im Süden daher. Drinnen ist alles modern-elegant, auch die Zimmer und Bäder.
Das Mills House Hotel liegt zentral an der Ecke Meeting Street/Queen Street (St.), so dass es zum Bay-Ufer nur wenige hundert Meter Spaziergang sind – die Queen St. East immer geradeaus. An ihrem Ende wartet der fünf Hektar große Water Front Park und sein Pineapple Fountain: ein mehrstöckiger Brunnen in Form einer Ananas und beliebt bei Hochzeiten fürs Gelübde. www.visit-historic-charleston.com
Kein Wunder vor dem Panorama: Bay, sprich Wasser bis zum Horizont. Überhaupt die Lage: Das Bay fängt die Flüsse Ashley, Cooper und Wando River auf, die vom Binnenland im Norden kommend ins Bay münden. Die Stadt Charleston verteilt sich über eine grüne Halbinsel zwischen Ashley und Cooper River. Und wenige Seemeilen südlich der Stadt geht das Bay in den offenen Atlantik über. Die gute Lage ließ die Stadt im 17. Jahrhundert entstehen und prosperieren.
Einst Charles Town nach dem britischen König
Es begann damit, dass 1663 der britische König Charles seinen Freunden Land in den Südstaaten schenkte, auch genau am Ort. Einer davon – ein gewisser Ashley – schickte 1670 erste Siedler in die Übersee-Latifundien. Die Leute benannten den Fluss vor Ort Ashley River nach ihrem Landlord und besiedelten das heutige Stadtgebiet – benannt anfangs Charles Town nach dem König. Später wurde daraus Charleston. Zurück im Hier und Jetzt sind zu früher Stunde auf dem Wasser Boote von Fischern zu sehen, die ihrem Job nachgehen, und in Ufer-Nähe Regatta-Boote, die trainieren. Am Wasser nach rechts kommen Water St. und East Battery St. mit Wohnhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Hot Spots für Wohlstand, Sklaverei und Civil War
Weil die später Teil der City Tour, sind , heißt es nun links – parallel zum Bay über die Concord St. Richtung Charleston Harbor, einem großen Handelshafen. Zuvor kommt das Maritime Center mit einer Marina für Privatboote (bis hierher ab Mills House rund 1,6 Kilometer). An den Stegen der Marina sind Segel- und Motoryachten von klein bis groß fest gemacht, schaukeln leicht hin und her. Im Moment unvorstellbar, dass über das Idyll Hurrikans peitschen wie anno 1989 Hurrikan Hugo oder 1954 Hurrikan Hazel.
Von der Marina starten auch die Ausflugsboote der Charleston Harbor Tours und die Shuttles zur Festungsinsel Fort Sumter, ein Hot Spot des Civil War von 1861 bis 1865 zur Abschaffung der Sklaverei. Am Marine Center befindet sich auch das International African American Museum (IAAM) zur Geschichte der Sklaven und ihrer Nachfahren, die sich heute African Americans nennen. Da Befestigungsanlage und IAAM Ziele am 2. Tag sind, geht es nun wieder zum Hotel – bei Durst auf Kaffee oder Tee über die Kings St., wo zum Beispiel an der Nummer 387 ein Starbucks lockt und vieles andere mehr.
1. Tag ab zehn Uhr bis 12 Uhr – Ante Bellum Mansion mit Führung
Das nächste Ziel am Morgen: das Edmondston–Alston-House an der 21 East Battery St. zehn Geh-Minuten vom Mills House. Das einst private Stadthaus dient heute als Museum in Sachen Ante Bellum Pracht im Süden ab Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Civil War. Das lateinische Ante Bellum bedeutet „vor dem Bürgerkrieg“ und findet sich oft zur Einordnung von Ära und Architektur und markiert damit auch Sklaverei, Reichtum der Sklavenbesitzer und scharfe Zäsur. Das Edmondston–Alston-House hat Bay-Lage und öffnet täglich um zehn Uhr – außer montags ab 13 Uhr. Erbaut 1825, ist die Villa nur ein Beispiel von vielen in Charleston für den Pomp bei Architektur und Wohnqualität Ante Bellum.
Draußen begrüßt einen eine geräumige Terrasse mit breitem Vordach auf Säulen und mit Schaukelstühlen, typisch damals und immer noch ein Anblick, der Lust auf Müßiggang macht. In der Etage darüber Balkone wieder mit Säulen und Dach drüber. Drinnen schmücken das Haus antik-elegantes Mobiliar, üppige Gardinen, kostbares Porzellan, geschliffene Gäser, Besteck und Kerzenleuchter aus Silber und jede Menge Gemälde.
Guide Jeff zeigt auf sein Namensschild, da steht auch Chicago: „Da komme ich her. Aber mir gefällt das gute Wetter hier im Süden besser.“ Keine Frage: In Charleston erreichen die Temperaturen 23 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt, über den Sommer spielend auch gut 30 Grad. Im Hinterland, wo die Brise vom Bay fehlt, ist es noch heißer. Jeff: „Daher leistete man sich Ante Bellum außer einem Mansion auf der Plantage oft auch ein Stadthaus, um vor der Sommerhitze zu flüchten. Und in der Stadt war mehr Entertainment.“ Film und Roman „Vom Winde verweht“ lassen grüßen.
Auf den Plantagen in South Carolina drehte sich fast alles um den Reisanbau. „Und es ging um den Farbstoff Indigo. Und den Handel mit beidem“, so Guide Jeff. „Baumwolle und Zuckerrohr wuchsen bevorzugt in den benachbarten Südstaaten Louisiana, Alabama, Mississippi und Georgia.“ Und hier wie dort das gleiche: Die Plantagenbesitzer ließen vor allem aus Westafrika Menschen als Sklaven herbeischaffen und auf ihren Feldern schuften. Diese Großgrundbesitzer und Geschäftsleute, die unmittelbar oder mittelbar am Plantagen-Business mitverdienten, wurden reich und reicher. Man wohnte in den Städten oft als Nachbarn in den Städten – in den Vierteln des Geldadels. Bis der Civil War der Barbarei und dem Business 1865 ein Ende setzte: mit dem Sieg der Union der Nordstaaten gegen die Konföderierten der Südstaaten, die sich von den USA losgesagt hatten und weiter an der Sklaverei festhielten.
In South Carolina wuchs vor allem Reis auf den Plantagen
Guide Jeff kehrt bei seinem Erzählen zurück zum Edmondston–Alston-House: „Sein Bauherr war vor fast 200 Jahren Transportunternehmer Charles Edmondston. Der verkaufte sein Stadthaus 1838 an den Reis-Plantagenbesitzer Charles Alston.“ Daher der Doppelname. „Alston besaß sechs Plantagen außerhalb von Charleston. Viele Einrichtungsstücke von heute gehören original zum Haus. Alles andere stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde für den Museumszweck zusammengestellt.“ 6000 Square Feet, also fast 600 Quadratmeter, ist das Stadthaus groß und hatte ausreichend Platz auch für die damals größte Privatbibliothek weit und breit.
Selbst für heutige Zeiten wirkt die private Bücherei groß – „Bildung schrieb man groß“ (der Guide). „Zum angesagten Lebensstil gehörten auch Reisen nach Europa. Und es war en vogue zu musizieren. So hielten es auch die Alstons.“ In den nächsten Zimmern stehen denn auch Piano und Harfe, herangeschafft damals wie das feine Mobiliar aus New York oder Europa. Im Esszimmer gibt’s einen Tisch zu bewundern: mit feinem Silber bestückt, Teetassen, Weingläsern aus Kristall. „Alles ist echt alt“, betont Jeff. Was seine Zuhörer hörbar beeindruckt: „Wenn der Tisch ausgezogen ist, passen 22 Leute dran.“ Wow. www.edmonstonalston.org
1. Tag über Mittag – Market St. und City Market Hall
Über Mittag bietet sich die Market St. an – wegen ihrer Lokale und Geschäfte und der historischen City Market Hall an der Ecke Market St./Meeting St. Der Markt besteht sein 1807 und hat neben Ständen draußen auch geräumige Verkaufshallen mit Ständen rechts und links – mit vielerlei Tinnef für Touristen. Ein Stand verkauft aber schicke Hüte der US-Kultmarke Stetson.
Das Hauptgebäude des Marktes ist ein von vier Säulen verziertes Gebäude, zu dem zwei schmale steile Treppen hinauf führen. Es erinnert an einen Tempel, wurde in der Tat einem Vorbild in Athen nachgebaut und zwar 1841. Damals beherbergte das Gebäude die Verwaltung des Marktes, heute ein Confederate Museum mit Waffen etc. und erinnert an die Verfechter und Verteidiger der Sklaverei. www.thecharlestoncitymarket.com.
1. Tag nach 14 Uhr – Stadtführung mit Guide
Auf Stadttouren mit professionellen City Guides gibt es den besten Überblick über die Alt-Stadt, ihre architektonischen Highlights sowie Historie und Histörchen. Unser Guide: Gordon von Bulldog Tours. Er macht seine Touren bevorzugt an Nachmittagen – „dann kühlt es sich schon wieder ab. Ihr wisst, es wird hier ziemlich heiß.“ Und betont, was unser Spaziergang am Morgen schon gezeigt hat: „Charleston hat viele schöne Ante Bellum Häuser, auch im Hinterland finden sich Mansions aus der Ära und können besichtigt werden. Das alles zieht viele Touristen an – auch die nahen Strände von South Carolina wie Myrtle Beach im Süden von Charleston oder Hilton Head Island im Norden. Meist kombinieren Besucher beides.“ Genau.
Mit Guide Gordon wandern wir durch lauschige Sträßchen an Wohnhäusern vorbei, die es schon Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts gab. Manche Sträßchen führen schön am Ufer entlang, haben manchmal noch das alte Kopfsteinpflaster vergangener Zeiten. Alles ist gepflegt. Hier blassgelbe Fassaden mit grünen Fensterläden, dort weiße Fassaden und Fensterläden in zartem Beige, hier Balkone aus kunstvoll geschmiedetem Eisen, dort ebensolche Zäune um Vorgärten und Grundstücke.
South of Broad nennt sich die Gegend, war schon früher das Viertel für Reiche und Schöne und ist es auch heute. Der Guide: „Die Häuser aus dem 18. Jahrhundert sind Georgian Style und weniger üppig wie der danach angesagte Greek-Roman-Style. Alle sind Ante Bellum und stehen als Historic Landmarks unter Denkmalschutz. Und sie sind schnell einige Millionen Dollar wert.“
Nur ein Beispiel: das Heyward-Washington House in rotem Backstein an der 87 Church St.. Das ließ Reis-Farmer Daniel Hayward 1772 errichten. Den Doppelnamen trägt das Haus heute, weil 1791 US-Präsident George Washington drin nächtigte; einer der Gründervater der Vereinigten Staaten von Amerika, ihr 1. US-Präsident von 1789 bis 1797 und verehrt als Ikone der Demokratie, auch wenn Washington selbst einst als Plantagenbesitzer Sklaven beschäftigte, aber frühzeitig der Sklaverei abschwor.
Weiter geht‘s zur Tradd St. und Bedons Alley, wo Wohnhäuser noch pompöser werden, auch sie renoviert, als Denkmäler geschützt und original Ante Bellum. Gordon: „Sie sind Greek-Roman-Revival. Der Stil kam rund 1830 in Mode und war en vogue bis zum Bürgerkrieg. Das galt für die Mansions auf dem Land wie für die Stadthäuser.“ Römisch-griechisch bedeutete vor allem mächtige Säulen und verzierte Kapitele – alles in Weiß, um dem Marmor der Antike zu entsprechen. Sie waren wohl aus Holz, nur weiß gestrichen. Die Säulen schmückten die Fronten und Terrassen vor und hinter den Häusern und auch das Innere der Hallen und Flure. Gordon. „Unsere alten Stadthäuser in Charleston haben oftmals größere Grundstücke mit Gärten und kosten dann oft noch einige Millionen Dollar mehr.“
Ein amtliches Gemäuer in dem Stil und regelrecht wuchtig ist das United States Custom House am Hafen 200 E Bay St. Es steht jedoch auch für eine andere Seite der damaligen Ära, weil nämlich schon lange vor Kriegsbeginn die politischen Zeichen auf Sturm standen. Gordon: „Denn mit seinem Bau wurde 1852, also neun Jahre vor dem Civil War, begonnen. Noch vor Kriegsbeginn ruhte die Baustelle wegen Geldmangels – bis 1879“. In dem Jahr wurde der Monumentalbau wieder in Angriff genommen und abgeschlossen und dient seither und bis heute seinem Zweck als Zollamt. www.bulldogtours.com
1. Tag später Nachmittag – Mrs. Whaley’s Garden
Weil sich die Gärten der Ante Bellum Stadthäuser hinter Mauern und Hecken verstecken, empfiehlt sich folgender Abstecher auf eigene Faust: zur historischen Villa an der 58 Church St.. Denn hier steht Mrs. Whaley’s Garden jedem offen – gegen zehn Dollar Eintritt. Er ist offiziell der einzige seiner Art und das ganze Jahr geöffnet jeweils nachmittags von Donnerstag bis Sonntag. Die Anlage stellt sich heraus als feine Oase mit Brunnen und Wasserspeier, mit Blumenrabatten aus Rosen und Azaleen, mit schmalen Pfaden und Rasen. Hier Vogelzwitscher, da Bienensummen. Im Teich spiegelt sich kitschig-schön der Himmel über Charleston.
2. Tag morgens – der einstige Sklavenmarkt
Der 2. Tag in Charleston steht im Zeichen der Sklaven und des Krieges um ihre Befreiung. Der erste Weg führt zum einstigen Markt, an dem Sklaven wie Ware gehandelt wurden: der Old Slave Mart an der 6 Chalmers St. und ebenfalls im Historic Distric (350 Meter zu Fuß vom Mills House). Die Sklaven waren zuvor aus Afrika auf Galeerenschiffen unter unmenschlichen Bedingungen „angereist“. Sie gingen am Bay nahe heutigem Maritime Center von Bord und zogen die wenigen hundert Meter zum Markt – über die Jahrzehnte zu Tausenden. Das Entrée zum Old Slave Market ist damals wie heute ein steinernes Tor, danach folgt eine Art Galerie. Das Tor wurde 1856 in der Prunkarchitektur des Ante Bellum erbaut.
Dabei war die Sklaverei seit 1808 bereits gesetzlich verboten – vom Parlament der USA. Tonangebend waren hier die Nordstaaten, die Union, und schafften die Sklaverei ab. Die Südstaaten dagegen hielten weiter daran fest, schlossen sich daher als Konföderierte Staaten zusammen und sagten sich 1861 von den USA los. Um das Verbot durchzusetzen, begann im gleichen Jahr der Bürgerkrieg. Aber selbst dieser Civil War stoppte vorerst nicht die Sklaverei der Süd-Staatler quer durch den Deep South, auch nicht in South Carolina. Am Old Slave Markt wurden Menschen noch bis 1863 verkauft. Da tobte der Krieg schon zwei Jahr, bevor er 1865 mit einer desaströsen Niederlage der Südstaaten endete.
2. Tag vormittags – International African American Museum
Ein weiterer Ort des Erinnerns und ein Muss: das IAAM – siehe oben – am Marine Center. Aber anders als der Old Slave Mart ist es hochmodern, wurde 2023 – nach 20 Jahren Planungs- und Bauzeit – am Bay eröffnet. Sein Gebäude ist modern-schlicht, auch durch Fassaden in sandfarbenen Ziegelsteinen. Auffällig ist, dass der Bau auf 18 Säulen ruht. Sie sind vier Meter hoch und schützen vor Überflutungen vom nahen Bay. Drinnen warten diverse Hallen mit modernem Ausstellungskonzept.
So erzählen Videos auf wandhohen High-Tech-Screens die Geschichten versklavter Menschen und ihrer Nachfahren, unterlegt das ganze mit Klängen ihrer alten Heimat und ihrer Musik bis heute. Fotografien und Schautafeln, auch interaktiv bzw. virtuell gestaltet, stellen geschichtliche Kontexte her und bringen den Betrachtern auch die Heimat der Vorfahren der African Americans näher; sowohl ihre Geografie als auch ihre Geschichte seit 300 v.Chr. bis heute.
Fotografien, Dokumente, Bücher und Videos zeigen auf, wie Bürger afrikanischer Herkunft ihre neue Heimat seit Jahrhunderten mitgestalten und beeinflussen: kulturell, politisch, in der Musik, der Sprache, zudem auch bei der Kulinarik – bis hinein also ins tägliche Leben in den USA, wo sie vor 300 Jahren mit Gewalt unterjocht anlandeten. Zum Programm des IAAM gehören daher auch Wechselausstellungen mit Werken zeitgenössischer afro-amerikanischer Künstler. Und einzigartig: Nachfahren der African Americans können in einem großen Bereich im Museum systematische Ahnenforschung betreiben: mittels einer Fülle akribisch zusammengetragener Dokumente, auch von Soldaten unter den Sklaven, die als Freiwillige im Bürgerkrieg bei den Nordstaaten kämpften, nachdem ihre „Herren“ sie in die Freiheit entlassen hatten.
Aktivster Hafen einst für den Sklavenhandel
Warum genau hier das moderne Museum – an der 14 Wharfside St.? „Hier war einst das Schiffspier, wo Abertausende Sklaven an Land kamen“, betont Jamilah Frazier vom IAAM. Von hier ging es für viele weiter zum Old Slave Mart, um wie Ware versteigert zu werden. Oder sie wurden zu anderen Märkten der Südstaaten gebracht, um auch dort als Sklaven verkauft zu werden. Am Pier in Charleston landeten laut offizieller Statistik rund 40 Prozent der aus Afrika verschleppten Menschen an. „Damit war Charleston der aktivste nordamerikanische Hafen für den Sklavenhandel“, besagt eine Infotafel im Museum.
Den Ort der Ankunft in Unfreiheit markiert heute draußen am Museum ein Brunnen, um den herum steinerne Wege führen. Darin sind Mosaiken aus Muscheln eingelassen und stellen liegende Menschen dar. Jamilah Frazier: „Das erinnert daran, wie die Sklaven liegend – man muss sich das mal vorstellen – wie übereinander gestapelte Kisten unter Deck über Wochen angekettet transportiert wurden.“ Auch Bilder im Museum dokumentieren die grausamen Transporte, lassen einen erschüttert zurück.
Noch mehr Symbole, noch mehr Mahnmale draußen am Gebäude auf seinen hohen Säulen. Hier ein Garten aus Süßgras und afrikanischen Palmen und mit Bänken zum Verweilen. Dort ein Feld von Stelen aus Metall – ähnlich den Stelen in Berlin, die dort an die Verfolgung der Juden im Dritten Reich erinnern. Aber doch auch nicht nur das, betont Jamilah. „Drinnen wie draußen verschmilzt alles beim IAAM zu einer Erinnerung an das dunkle Kapitel der US-Geschichte. Zugleich wollen wir ein Ort der Hoffnung sein und zeigen, was die früheren Sklaven bis heute alles bewegt haben.“
Genau die Botschaft vermittelt auch die große Skulptur aus schwarzem Granit, bestehend aus zwei langen Mauern, die zusammen einen Gang bilden. Der Granit der Mauer außen ist matt und innen poliert wie ein Spiegel. Man kann durch den Gang gehen, vorbei an Statuen in Weiß. Sie stellen Menschen in geduckter Haltung dar. Aber außen an den Mauern steht in Stein gemeißelt: „I Rise“. Ich erhebe mich. https://iaamuseum.org
2. Tag ab Mittag – Bootstour nach Fort Sumter
Im Meer vor Charleston wartet mehr große Südstaaten-Historie zur Befreiung der Sklaven. Dafür geht es per Boot nach Fort Sumter – heute Gedenkstätte und Teil eines National Monument und National Park. Genau am Fort hat nämlich der Bürgerkrieg offiziell begonnen: am 12. April 1861. Der Ausflug hierher startet nahe IAAM ab Maritime Center und beginnt anders als einst für die Soldaten für unsereins heute mit Sightseeing. So passiert das Boot das Pier der Kreuzfahrt-Schiffe. Den Flugzeugträger USS Yorktown – ein schwimmender Gigant von 266 Meter Länge, 1940 in Dienst gestellt und seit 1970 im Hafen von Charleston als Museumsschiff vertäut.
Fährt vorbei an Frachtschiffen, die vielleicht gar deutsche Automarken (BMW produziert in Spartanburg/South Carolina und Mercedes in Montvale/Georgia) transportieren. Und Delphine kreuzen den Weg, drehen sich wie bei einem schön anzusehenden Tanz raus aus dem Wasser und wieder rein, wieder raus und rein – fast wie bestellt. 150 solcher Bottle Nose Dolphins sollen im Bay zu Hause sein.
Das Fort kommt in Sicht, sein Bootsanleger näher. Ein Park Ranger begrüßt am Eingang die neue Besuchergruppe. Dienst heuer hat laut Namensschild Robert Reinhard. Nach kurzem Welcome zählt er Fakten und mehr Erhellendes zur Befestigungsanlage auf: erbaut 1860 auf einer befestigten Sandbank am Übergang vom Bay in den Atlantik. Benannt nach Thomas Sumter, ein General im Unabhängigkeitskrieg gegen England. Militärisch genutzt bis 1948. Seither Teil des Fort Sumter National Monument. Ranger Robert: “Weitere Info findet Ihr unterwegs auf Infotafeln. Zudem gibt es hier ein Museum mit Fotos, Landkarten, Bauplänen und alten Kanonen. Und seht Euch den Film an – er lohnt sich.“ Und: Man könne sich nicht verlaufen, alles sei zugänglich, wenn nicht explizit verboten. „Und verpasst nicht die Rückfahrt.“
Auf eigene Faust geht es also durch das Fort und auf seine hohen Mauern hinauf: Dafür gilt es, steile Treppen zu erklimmen. Oben auf einer Art Plattform angekommen, wartet ein 360-Grad-Panorama übers Meer wie zu Zeiten der Schlacht vom April 1861. Was damals geschah: Die Unions-Truppen hatten das Fort gebaut und harrten hier in Vorbereitung des Krieges gegen die Konföderierten Truppen aus. Als den Unionisten der Nachschub ausging, machte sich für sie schlagkräftige Hilfe auf den Weg.
Angesichts dessen eröffneten die Konföderierten das Feuer auf das noch geschwächte Fort, setzten es in Brand und brachten die Unionisten am 13. April zur Aufgabe. Denn deren Pulvermagazin drohte zu explodieren. Doch so erfolgreich blieben die Sklavenhalter nicht und mussten sich am 9. April 1865 weiter nördlich im Bundesstaat Virginia ergeben. https://fortsumtertours.com
3. Tag vormittags – das Gibbes Museum of Art
Zum Ausklang dreht sich alles um die schönen Künste im Gibbes Museum (135 Meeting St). Sein Gebäude von anno 1905 beeindruckt in der eleganten Architektur der Beaux Art. Das heißt, alles, auch seine Säulen, sind filigraner als beim zuvor angesagten Greek Roman Revival. Drinnen sind gut 10.000 Kunstwerke aus vier Jahrhunderten ausgestellt, viele davon Gemälde mit Bezug zur Region. Sie stammen teils von „alten Meistern“ aus der Gegend. Darunter vor allem Jeremy Theus, geboren 1716 als Jeremiah im Schweizerischen Chur, verstorben 1774 in Charleston und berühmt als Maler von Porträts, die sogar das weltberühmte Metropolitan Museum of Art in New York zeigt.
Zeitgeschichte und auch spannend anzusehen: Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts. Sie zeigen auch die Zerstörungen in der Stadt durch ein heftiges Erdbeben von 1886. Andere lassen gut erkennen, wie seither Charleston wieder auferstanden ist – als internationales Ziel am Bay mit viel mehr als Kleinstadt-Beschaulichkeit. www.gibbesmuseum.org
Weitere wichtige Info und Websites
Allgemeines für Reisen nach Charleston https://www.charlestoncvb.com; Reiseinfo zum Bundestaat South Carolina mitsamt Beaches https://discoversouthcarolina.com.
Das Hotel Mills House Charleston liegt zentral im historischen Distrikt, gefällt drinnen durch Eleganz und draußen durch große Terrasse mit Bar, mit Pool und Cabanas. www.millshousehotel.com; www.hilton.com
Extratipps Essen – Bintu Atelier Der Einfluss der African Americans auf die Kulinarik zeigt sich an der Gullah Geechee Cuisine. Wobei Gullah auch der Name der Sprache ist, die von den versklavten Afrikanern einst nach ihrer Ankunft in der neuen Welt entwickelt wurde. Die sprechen sie teils auch noch heute. Typische Gullah Geechee Speisen kredenzt Küchenchef Bintu im Cottage namens Bintu Atelier. Das Hauptgemüse ist Okra. Zum Reis gesellen sich Meeresfrüchte wie Krebse und lokaler Fisch gegrillt oder frittiert. www.bintuatelier.com
Leon’s Austern und Geflügel sind die Spezialitäten im Lokal, dessen ganzer Name Leon’s Fine Poultry and Oysters selbiges besagt. Aber Locals sagen nur kurz Leon’s zur Location an der 698 King Street in einer einstigen Autogarage. Das Erbe wird gepflegt durch offen zur Schau gestellte Eisenträger.
Der Laden ist riesig und brummt – wegen gebratener Hähnchen, roher frischer Austern und Shrimps, jeweils mit leckeren Saucen, wegen Sandwiches mit Chicken, mit gegrilltem Fisch oder gebackenen Austern. An Drinks kredenzt Leon’s Weine aus alter und neuer Welt, Biere national wie international und Cocktails. www.leonsoystershop.com
Charleston ist als kleinere Stadt ein Ort sogenannter Dive Bars, was in deutschen Landen so viel meint wie Kneipe um die Ecke. Das besagt nicht, dass eine Dive Bar in Charleston ein kleiner Laden ist. Aber es heißt meist: bis 2 am – also weit nach Mitternacht – geöffnet. Eine Auswahl:
A.C.’s Bar & Grill,467 Kings St.; www.acsbarcom. Burn’s Alley Tavern, 354 King St.; https://Burnsalley.com. Local 616, 616 Meeting St.;www.charlestonguru.com. Recovery Room Tavern, 685 King St.; www.recoveryroomtavern.com. The Griffon, 18 Vendue Range; www.griffoncharleston.com