Der historische Käsemarkt machte die nordholländische Stadt Alkmaar bekannt. Er hat Tradition seit 1622 und findet immer Freitag von Ende März bis Ende September statt. Aber Alkmaar bietet mehr, ob historische Leckerbissen oder Lukullisches, da Trendsetter Altes neu interpretieren. Drei Tage vor Ort lohnen, so lange kann das eigentliche Ziel warten: acht Kilometer westlich die Nordsee und kilometerlange Sandstrände, landeinwärts Wälder und Polder-Landschaft. Lebensart-Reise war vor Ort.
Alkmaarer Käsemarkt
Mit ihren Strohhüten auf dem Kopf wirken die Männer auf den ersten Blick mediterran. Die Strohhüte kommen in Gelb oder Grün, in Blau oder Rot daher oder haben entsprechend fabrige Bänder. Die Männer haben aber nichts mit Spanien, Italien oder ähnlichen Mittelmeer-Ländern zu schaffen. Vielmehr rauschen die Hutträger mit ihren bunten Kopfbedeckungen und ansonsten in Weiß gekleidet über den Waagplein in Alkmaar, gelegen in Nordholland. Sie schleppen Käseräder auf Tragen hin und her. Seit 28. März ist nämlich wieder allwöchentlich am Freitagmorgen traditioneller Käsemarkt in Alkmaar – am gleichen Fleck seit gut 500 Jahren und heute das schöne alte Zentrum von Alkmaar mit seinen schmalen Gassen, malerischen Grachten und kleinen Häusern aus alt-niederländischer Zeit, mit Geschäften, Boutiquen, Lokalen und Wohnungen. Und mit einigen imposanten historischen Gebäuden.

Darunter das Waaggebow. Das Gebäude hat einen Turm, aber auch Tore, die an eine Markthalle erinnern. Aber drinnen warten große Waagen und sind seit 1582 in der Funktion im Einsatz. Damals bekam Alkmaar das offizielle Wiegerecht verliehen. Nur dass inzwischen die Tore des Waaggebow meist zu sind, weil das Wiegen von Amts wegen anders geht. Und dann tun sich alljährlich ab dem letzten Freitag im März jeden Freitagmorgen die Tore auf, öffnen den Blick auf die alte Tradition und ihre Rituale, auch die nicht Sichtbaren, mit denen das ganze seit einem halben Jahrtausend einhergeht.
Beim Alkmaarse Kaasmarkt nach alter Manier finden sich jeweils Hunderte, je nach Saison und Wetter gar Tausende Zuschauer ein – obschon sie bei diesem Markt nicht mal Käse kaufen können. Denn heute ist alles mehr Spektakel – zwischen zehn und 13 Uhr.

Mit den Details dazu kennt sich einer der in weiß gekleideten Männer bestens aus: Daan Vrees und Träger eines gelben Huts. „Ich bin seit meinem 50. Lebensjahr Kaasdrager und nun 78. Aktuell haben wir rund 30 Käseträger jeden Alters. Alles nach wie vor Männer. Jeder hat einen Spitznamen. Meiner ist Jockey. Schleppen muss ich nicht mehr.“ Und was hat es mit den verschiedenen Hutfarben auf sich? Daan: „Die vier Farben stehen für die vier Gruppen unserer Käseträger-Gilde, die sich das Tragen teilen. So sind sie leicht zu erkennen und ihren Gruppen, den Veemen, zuzuordnen.“ Die Gilde wurde 1593 gegründet. Ihre Vorsitzenden führen die Bezeichnung Kaasvader, also Käsevater.
Väterliche Strenge und gewisse Hierarchie
Ihr Präsident heuer ist Willem Boost und ebenfalls ein Senior der Gilde. „Manche Träger nennen mich kurz Paps.“ Er ist gut daran zu erkennen, dass er als Präsident einen 200 Jahre alten Stock hält – eine traditionelle Insignie des Amtes. Allerdings sind inzwischen die Gilden-Mitglieder Angestellte der Stadt, boten ihre Käseträger-Kunst schon ab und an als Show etwa in Japan oder England dar und gehen alle außer freitags von Ende März bis Ende September anderen Arbeiten nach.
Während Daan und Willem erzählen, geben die Männer mit den roten, grünen, blauen oder gelben Hüten alles. Die Käseträger arbeiten paarweise, haben sich dafür zusammen ein spezielles Geschirr mit Brett angelegt, auf welchem die Käseräder zu liegen kommen, und laufen so beladen emsig hin und her. Und das zwischen Waagplein, wo die Käse verteilt in schnurgeraden Reihen auf dem Boden liegen, und den Waagen im Waagebow, dann retour und wieder aufs Neue. Bis all der Käse auf wartende Lastkarren verladen ist. Und wehe, jemand von der Gilde kommt unpünktlich. Start ist je nach Einteilung für manche ab sieben Uhr, für andere ab 9.45 Uhr. Zehn Uhr geht es offiziell los.

Daan: „Wer sich verspätet, kommt aufs „Schandbord“ und zahlt zwei Euro. Die Käseträger zahlen das Doppelte.“ Er hält das Schandbord, das mit Kreide geführt wird, hoch. Es liegt im Waaggebow im für die Gilde reservierten Raum. Hier können die Träger verschnaufen und Kaffee trinken. Denn sie kommen ganz schön ins Schwitzen: Jedes Käserad wiegt zwölf Kilo; jede Fuhre pro Geschirr hat sechs bis acht Räder, macht bis zu 100 Kilo pro Tour. „Alles in allem liegen draußen auf dem Platz 30.000 Kilo“, so Daan. „1920 etwa, noch zu Zeiten echter Markttage, waren es 130.000 Kilo.“ Damals herangebracht von den Bauern in Booten über die Grachten und Kanäle aus dem Umland.

Zum emsigen Treiben gehören auch Männer mit weißem Hut, die fast nicht auffallen. Daan: „Das sind neue Käseträger, praktisch Lehrlinge.“ Und in blauen Jacken: „Die stapeln die Käseräder auf dem Waagplein und helfen beim Beladen der Tragen.“ Und braunen: „Die tragen den Käse nachher zum Karren.“ Und weißen Kitteln: „Die Qualitätsprüfer.“ Sie gehen auf dem Platz durch die Reihen, nehmen einzelne Käseräder auf Beschädigungen außen in Augenschein und entnehmen Proben mittels Stich des Käsebohrers ins Gelb.

Eric Duijff ist einer dieser Prüfer, erklärt, wie es geht: „Man sieht sich zuerst die Probe an, riecht dran, reibt sie zwischen den Fingern, riecht wieder dran und lässt sie auf der Zunge zergehen.“ Gesagt, getan. „Hmm, lecker, oder?“, fragt Eric und meint es eher rhetorisch.
Der heuer präsentierte Käse ist vor allem Gouda, dazwischen einige Räder Royaal by Beemster. Eric: „Die Böden in Nordholland waren immer schon und sind nach wie vor ideal für Viehzucht und Milchwirtschaft zur Käseproduktion. Daher entstand der Käsemarkt 1622 hier in Alkmaar als Zentrum des umliegenden Bauernlands.“ 35 Kilometer hinter Amsterdam. Um 1920 habe es hier oben 125 Käsereien gegeben. „Nun gibt es noch zwei große Produzenten. Beide stellen pro Tag zusammen 250.000 Kilo her – aus 2,5 Mio. Liter Milch.“ Die Firmen sind Lutjewinkel1916 sowie Cono, der Beemster-Käse macht. Gouda und Beemster aus Nordholland galten und gelten immer schon als besonders aromatisch. Eric: „Das liegt am salzigen Klima der Nordsee. Das macht das Gras in den Poldern besonders schmackhaft und damit die Milch und den Käse daraus.“ www.kaasmarkt.nl/de
Durch das historische Zentrum mit Tour-Guide Tineke Korver
Die waschechte Alkmaarerin verweist auf Schätze, Kleinode und Typisches, sei es schön, rar, historisch und/oder nicht direkt augenfällig. www.visitalkmaar.com/de/vvv-Touristeninformatie
1. Stopp: beim Waaggebow an der Zugbrücke Ecke Apelsteeg/Zijdam; die Brücke ist eine derjenigen, die mit Ketten gehoben und gesenkt werden und das von Hand. Dafür kommen eigens Hafenmeisterin oder -meister.
2. Stopp: das Wohnhaus von 1609 mit der Hausnummer 110 an der Gracht Luttik Oudorp nahe Kooltuin; es ist eines von Alkmaars 400 Baudenkmälern und ein Prachtexemplar in Sachen althergebrachter Treppengiebel.

Das heißt: Zum Giebel verjüngt sich das Haus auf seinen Seiten stufenartig, wird immer schmaler bis zum Dachfrist. Die Hausfront ziert ein Relief dreier Kochlöffel-Symbole. Die stehen für die Feinbäcker, die einst im Haus Backware produzierten und verkauften. Der Takelhaken am Dachfirst ist alt-niederländische Tradition, um Lasten in die oberen Etagen zu hieven, einst Getreidesäcke fürs Backen, heute Möbel etc.
3. Stopp: die Straße Kooltuin; sie steht für den Garten einst an Ort und Stelle und gehörte zu Schloss Torenburg, erbaut im 13. Jahrhundert und später demoliert. Es folgt die Ecke Zijdam/Achterdam, letzteres eine Mini-Gasse, die Polizei-Kameras überwachen, die auch anzeigen: Achtung, Beginn des Rotlichtmilieus.

4. Stopp: am Brückchen Platte Stenenbrug, Ecke Hatzelstraat/Oude Straat zur Verdronkenoord. Am Grachten-Ufer versammeln sich Restaurant-Terrassen, wo es sich sehr schön sitzt, weil das Wasser Frischluft mit sich bringt. Seitlich der Platte Stenenbrug stehen mehrere meterlange Steinplatten, die an Tische erinnern, weil restaurantartig eingedeckt. Hier war lange der Fischmarkt. Der bekam 1755 die Steinplatten, genannt Visbanken, um darauf das frisch gefangene Meeresgetier feilzubieten. 1882 kam ein Brunnen hinzu. Den Vismarkt gibt es lange nicht mehr. Stattdessen sind die Bänke inklusive Brunnen Rijksmonument und sind auch Teil des Lokals de Buren, das auch auf den Steinplatten Getränke und Essen serviert.

5. Stopp: die Synagoge an der Hofstraat 15-17; erstmals fertiggestellt 1844. Die Jüdische Gemeinschaft ist in Alkmaar seit dem 17. Jahrhundert verwurzelt, seit die Stadt sie aufnahm, weil sie andernorts flüchten mussten. 1940 kamen die Nazis in die Stadt, deportierten die jüdische Gemeinde und führten die Synagoge anderen Zwecken zu. Seit 2010 ist hier wieder die Synagoge einer wieder wachsenden jüdischen Gemeinde. https://alkmaarsesynagoge.nl
6. Stopp: die Molen van Piet; so genannt nach dem Familiennamen derer, die sie seit 1884 bewohnen. Ihr eigentlicher Name: Molen de Groot und erbaut 1769 als Getreidemühle genau auf der Stadtmauer. Sie war nur eine von zehn Mühlen, die auf dem Schutzwall von Alkmaar errichtet wurden, um besser den Wind einzufangen, und sie blieb als einzige übrig. www.molenvanpiet.nl
7. Stopp: in Sachen Rudi Carell am Munnikenbolwerk, ein Park an der Singelgracht im alten Alkmaar; hier steht seine Büste und lässt ihn übers Wasser zum Stadtteil Spoorburt blicken. Hier wurde der 2006 in Bremen verstorbene Show-Master, Sänger und Schauspieler 1934 geboren, wuchs hier auf und verzückte später in seinem Beruf die Deutschen mehr als die Holländer; das mit von ihm entwickelten TV-Shows wie „Am laufenden Band“ und „Verflixte 7“.

Rudi Carell trat schon als Jugendlicher in die Fußstapfen seines Vaters André, ebenso Komiker und Conférencier von Beruf. Das war in Alkmaars Theater im damaligen Hotelsaal des „De Gulden Vlies“. Heute gedenkt Alkmaar seiner auch mit einem Rudi Carrell Plaats und einer Rudi-Carrell-Laan.
8. Stopp: das Stedelijk Museum am Canadaplein – daneben das Theater De Vest – im modernen Gebäude. Die sind rar im alten Alkmaar. Das Museum wartet mit Historie seit 1873 auf. In dem Jahr wurde das Stedilijk gegründet und ist damit eines der ältesten Museen Hollanda. Es zeigt alte und neue Kunst. „Alte“ Highlights: Werke aus und zu den Zeiten der Spanier in den Niederlanden – siehe unten. „Neue“ Highlights: Gemälde der Bergener Schule von 1915 bis 1925 und berühmt für ihren Hauch bereits von Expressionismus und Kubismus. https://stedelijkmuseumalkmaar.nl

Sie heißt Bergense School, weil sich die Künstler seinerzeit in Bergen, ein Nachbarort von Alkmaar, einnisteten und den Austausch untereinander suchten.
9. Stopp: die Laurenskerk, eröffnet 1518 als De Grote Sint–Laurenskerk. Ihren schlichten Namen führt die Ex-Kirche, seit sie 1996 entwidmet wurde. Seither ist die Laurenskerk angesagte Location für Events, Festivitäten und Ausstellungen. Ihr eilt ein Ruf voraus, als Konzertsaal sensationell zu sein; nämlich ob ihrer Hauptorgel, erbaut 1639 bis 1646, seither mehrfach restauriert und ein Instrument von Weltruf. Hinzu kommt die so auch genannte kleine Orgel, 1511 fertiggestellt und heute die älteste bespielbare Orgel der Niederlande. Ob beider Schätze finden sich regelmäßig international bekannte Organisten ein, um die Orgeln zu spielen.
10. Stopp: in der Laurenskerk das Fenster, das die Alkmaarer sich 2023 zum 450. Jahrestag der Befreiung von Spanien gönnten. Sie nennen es bedeutungsvoll Het Licht van de Vrijheid – das Licht der Freiheit. Allein seine Größe: 23 Meter hoch und sechs Meter breit. Wunderbar ist sein gläsernes Spiel aus Farben und Licht. Dann die Handwerkskunst: Das Fenster wurde aus 214 einzelnen Feldern zusammengesetzt, die aus je 250 handgeschnittenen Glasstücken bestehen. Ein Geduldsspiel und eine Kunst, das alles zusammenzufügen. Das Design stammt von der Künstlerin Fiona Tan, gebürtig aus Indonesien und wohnhaft in Amsterdam. Zum Leben gebracht haben es die Derix Glasstudios, Glasmanufaktur seit 1866 in Taunusstein bei Wiesbaden. Die Spezialisten realisierten auch das 2007 eingeweihte Richter-Fenster des großen Gerhard Richter im Kölner Dom. https://hetgrooteraam.nl
Eine besonderer Erfolg, geschlagene Spanier und süße Belohnungen
Die Strohhüte vom Kaasmarkt haben nichts mit Spanien zu tun. Trotzdem hat es mit dem Land im tiefen Süden eine besondere Bewandnis. Daran erinnert die Stadt sogar mit einem besonderen Feiertag: der Alkmaar Onzet am 8. Oktober. Der steht nämlich für die Befreiung der Niederlande in toto im 16. Jahrhundert – nachdem die Spanier das Land an der Nordsee 80 Jahre unter ihre Knute zwingen wollten. Alkmaars Rolle: Hier setzte es für die Spanier die entscheidende erste Niederlage. Für Details geht es ins alt-ehrwürdige Rathaus: das Stadthuis, erbaut anno 1520 an der Langestraat und damit schon steinerner Zeitzeuge. Der Prachtbau in Gotik und ebenfalls Rijksmonument dient heute mehr repräsentativen Zwecken der Stadtoberen. So auch wenn Robert te Beest als Wethouder einlädt, da der große Feiertag der Stadt seine Schatten wirft.

Rund um den besonderen Tag kredenzen Konditoreien etc. eigens eine süße Verführung: das Victorien-Gebak, liebevoll genannt „Victorientjes“, so auch von Stadtvertreter Robert te Beest. Er zeigt auf die Törtchen mit roter Fruchtmasse und Sahnecreme, schön auf Teller drapiert. Die verteilen sich über den antiken Holztisch, der den Prunksaal des Stadthuis ziert. Robert Te Beest freut sich sichtlich schon aufs Süße: „I love it.“ Die Törtchen sehen aber auch zu appetitlich aus, die Aussicht darauf lässt sichtlich bei allen am Tisch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Robert te Beest: „Am 8. Oktober feiern wir den Tag anno 1573, an dem die Bürger von Alkmaar die Spanier verjagten. Der Alkmaarer Sieg war der entscheidende Auftakt zur Befreiung der ganzen Nation.“ Die Besatzer hielten damals Holland im Griff bis zum hohen Norden, die Niederlande; so genannt weil die Region eigentlich unter dem Wasserspiegel liegt.
Der Stadtrat zeigt auf die Flagge an der Wand mit dem Stadtwappen. „Hier steht Alcmaria victrix. Das bedeutet die Siegreiche – wegen unseres Siegs.“ Man merkt, dass er die Story gern erzählt. Zumal die Bewohner, damals vor allem Bauern, plattes Land sozusagen, die Spanier durch eine List vertrieben haben, bevor seinerzeitige Topstädte es richten konnten. Die List hat damit zu tun, dass die Niederlande durch ihre Lage unterm Meeresspiegel je nach Regenmenge überflutet wurden. Wären da nicht die Deiche. Schon damals. Da war das zusätzliche System von Wasserläufen und von durch Windmühlen-Kraft betriebenen Pumpen, um das Wasser abzupumpen und zur Nordsee zu leiten, noch Zukunft.
Widerstand und Wasser los einst in Alkmaar
Robert Te Beest: „Die Spanier lagerten im Außenbereich von Alkmaar. Auf einmal drang en masse Wasser durch die Deiche, weil die Bürger sie genau in der Absicht durchlöchert hatten. Das Wasser überflutete den Lagerplatz der Spanier. Die machten sich am 8. Oktober davon.“ Zu den schon damals als top geltenden Städten, die erst später siegreich waren, gehörte etwa Leiden im Süden und wurde dafür seitens der Politik mit einer Universität belohnt. Die wurde 1575 gegründet, ist damit die älteste der Nation und genießt heute Weltruf. Die Bürger von Alkmaar haben ihren Stolz und das leckere Törtchen. Es schmeckt nach Himbeere, Erdbeere und dazu die Sahne – echt lecker.
Während die einen naschen, betont Stadtvertreter Robert te Beerst, ganz Tourismusförderer: „Unsere Region hat Strand, Wald und Käsemarkt. Grachten und Windmühlen. Die deutschen Gäste sind wichtig für Alkmaar, kommen zu Millionen nach Nordholland und tun das immer wieder – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Dann kommen sie mit den eigenen Kids.“ Stimmt, unsereins gehört in vierter Generation zu den Wiederholern, locken doch wenige Kilometer gen Westen die Nordsee und lange Sandstrände, landeinwärts der Polder mit Wiesen, Weiden, Wasserläufen, Windmühlen und kleinen Dörfern. Der wird bei Alkmaar das Land van Leeghwater genannt.
Einkehrschwünge … kulinarisch
Für langjährige Holland-Reisende gehört ein Schälchen Patate, wie Fritten auf Holländisch auch heißen, dazu; zudem Bitterballen und Kaaskroketten. Nach solchem Basisprogramm könnte es in Alkmaar wie folgt weitergehen, etwa im Restaurant Turfmarkt am Gracht-Ufer (Turfmarkt 11-23) mit Lounge-Charakter und guter Auswahl an Meeresfrüchten, Fleisch, Salaten und Alkoholischem. https://turfmarkt-alkmaar.nl
Oder im Restaurant Soepp, versteckt in einer Gasse (Hekelstraat 31) und voller Mobiliar der 1960er und 1970er Jahre. Es serviert vegetarische und auf Wunsch gluten- und zuckerfreie Küche; als Suppen, aber auch Burger vegetarisch und knackig-frische Salate. https://soepp.nl
Einfach speziell – das Restaurant Neder
Feine Küche, sehr individuell und seit letztem Herbst ausgezeichnet mit einem grünen Michelin-Stern gibt‘s im Neder von Brian Luikel (Laat 85) im 200 Jahre alten Ex-Weinkantor. Mit dem Grünen Stern ehrt die renommierte Organisation aus Frankreich international Restaurants, die anspruchsvoll kochen und zugleich nachhaltig wirtschaften. Indem sie zum Beispiel fachgerecht Reste kompostieren und im eigenen Bio-Garten verwenden wie das Neder. „Um beides kümmert sich meine Frau“, so Brian. „Wir haben uns alles selbst beigebracht. Ich bin an sich gelernter Filmemacher.“

Bis er sich akribisch, leidenschaftlich und erfolgreich reinkniete in alte Kochmethoden und in die Auswahl regionaler Produkte. „Bei uns kommt alles nur vom heimischen Boden. Ich suche und sammele selbst im Umland in Dünen, Wäldern und Polder Wildkräuter, Pilze, Beeren etc.“

Speziell ist auch, dass Küchenchef Brian Gesammeltes und auch Überbleibsel vom Putzen von Fisch, Fleisch und Gemüse selbst in Essig oder Laktose fermentiert – für delikate Saucen oder späteren Gebrauch, da das Fermentieren gut konserviert. Brian: „Wie hier die kleingehackten Pilze, eingelegt in Salzlacke, serviert als Amuse Bouche.“ Oder Gemüsezwiebel mit Wildmajoran auf pürierten roten Beeten. „Das gart athergebracht in Lehm.“ Und zergeht köstlich auf der Zunge.

Der Autodidakt: „Das sind alte Methoden, die wiederkommen, um nachhaltig zu kochen.“ Das Neder kredenzt nach Jahreszeit und Angebot wechselnde Menus, dazu nur Getränke von niederländischem Boden, daher keinen Kaffee, aber Weine und Schnäpse, letztere auch von ihm hergestellt, alkoholfrei und geschmacklich begleitet etwa von frischer Fichtennadel. Das herbe Aroma mundet fremd, aber gelungen. www.nederrestaurant.nl
Ganz alter Stil – das Sweets & Antiques
Einmalig ist hier das Süße – in Form selbst hergestellter Kuchen. Esther ist die Chefin des Hauses und Quereinsteiger wie Brian vom Neder. Sie wirbelt unübersehbar durchs Haus, da gewandet in ein rotes Kleid mit weißen Punkten wie Walt Disney’s Daisy. „Wir backen alles selbst und machen auch unseren Teig etc. selbst. Nach traditionellen Rezepten, ob Apfelkuchen, Schokoladentarte oder Sahnetorte mit Früchten, ob Waffeln oder diese Mini-Waffeln, genannt Poffertjes.“ Passend zum traditionellen Backen befinden sich Laden und Café im altehrwürdigen Gemäuer mit Anfängen im 16. Jahrhundert. Das Haus erscheint schmal wie ein Handtuch, schwupp, man wäre fast vorbeigelaufen (Hekelstraat 8).

So schmal von außen, so sehr eng von innen. Daher kann, wer möchte, alles auch „to go“ kaufen. Innen ist alles antik oder auf antik gemacht, das Licht gedimmt. Esther: „Meine Backkünste nahmen mit Plätzchenbacken ihren Anfang. Das war vor neun Jahren. Inzwischen wurde mein Apfel-Kirsch-Kuchen mehrfach preisgekrönt.“ Inzwischen wirkt auch Esthers Tochter Amber mit, die sich ob der Nachfolge ins erfolgreiche Business als Patissière ausbilden ließ.

Der Blick wandert genüsslich durch die Auslagen. Hmm, der Apfelkuchen kommt auch mit Nüssen, wie verführisch. Guten Kaffee servieren Esther und Tochter Amber auch. Aber auch verwöhnte Teetrinker bekommen Gutes. https://sweetsantiques.nl
Wohnen ganz anders
Wer sein Haupt ungewöhnlich betten möchte, ist im The Fallon Hotel richtig. Nicht weil es im Park am Stadtrand liegt, und es trotz ruhiger Lage nur knapp zehn Minuten per Fahrrad zum alten Zentrum sind. Vielmehr war der Komplex an der Prins Bernhardlaan einmal der Knast für Almaar und über die Region hinaus. Nun hängt ein Schild mit vier Sternen am Fallon Hotel außen. Nichts sieht auf den ersten Blick mehr aus nach Gefängnis, auch drinnen. Hier wartet eine geschmackvoll möblierte Lobby und das Restaurant mit Bar, das D’Àrret.

In der Lobby steht auch Ineke Haan, eine Frau mit grauem, langem Haar, eher klein von Gestalt, nun in Rente und in ihrem Berufsleben 15 Jahre Wärterin in diesem Knast. Sie fungiert heutzutage ab und an als Guide. „Das Gefängnis hieß Schutterwei. Die Strafen reichten von sechs Monaten bis lebenslänglich. Hier saßen also auch echt schwere Jungens ein. Seit vier Jahren ist der Komplex ein Hotel und stand vorher zehn Jahre leer.“
Die Tour durchs Haus mit Ineke kann beginnen. Die große Frage: Wie muss man sich die Arbeit vorstellen, dass sie schwere Jungens beaufsichtigte? „Es herrschte eine Macho-Kultur. Aber bei den Mitwärtern, nicht bei den Insassen. Tagsüber waren 25 Wächter für 125 Häftlinge im Einsatz, nachts nur vier. Ich war die einzige Wächterin. Angst hatte ich keine.“

Andererseits zog sie Zuhause Kinder groß: „Der Job war schon belastend. Ich nahm, wie man so sagt, viel mit nach Hause.“ Im hinteren Bereich des Hotels schließen die Gänge zu den Gästezimmern an. Hier erinnert einiges an früher, ist von Architekten und Interior-Designern aber kunstvoll zum ansprechenden Ganzen für Hotelgäste zusammengefügt. Erhalten blieben lange Gänge, metallene Treppen zu den oberen Etagen, alles offen, übersichtlich und heute weiß gestrichen. Jenseits der Geländer die Zellen, heute die Gästezimmer. Inneke: „Pro Zimmer sind zwei Zellen zusammengelegt und die Zwischenwände zerlegt worden. Heute sind die Zimmer hell und schön möbliert. Gar kein Vergleich zu früher.“
Weiß sind auch die Türen zu den Gästezimmern, haben aber immer noch diese Klappen – „damit Wärter in die Zellen gucken, Essen anreichen oder Handschellen anlegen konnten. Die sind natürlich nun verschlossen“ (Ineke). Es gab auch Isolierzellen – „wir hatten genug Einsitzende, die psychisch ausrasten konnten“. Räume für Leibesvisitationen – „die fanden beim Einchecken statt und später auch, weil das Einschmuggeln von Drogen und deren Gebrauch immer Thema waren“. Ein Zimmer für die Treffen der Insassen mit ihren Anwälten – „für vertrauliche Gespräche und Beratung“.

Heute ist von all dem nichts mehr zu sehen, bedauert Ineke: „Keine Zelle wurde im Original erhalten.“ Und wie war es mit Ausbrüchen? „Die gab es, gerade weil das Gefängnis alt war. Und versehentlich blieb mal eine Außentür offen, etwa an der Remise, wo Häftlinge draußen arbeiteten. Dann wurden die Ausbrecher nicht für den Ausbruch bestraft.“ Und was blieb ihr am meisten in Erinnerung? „Noch heute habe ich es nicht gern, wenn Leute in meinem Rücken stehen. Du siehst auch hier mit Euch, da stehe ich gegen die Wand.“ https://sheetz.nl/thefallonalkmaar/de
Weitere wichtige Info und Websites
Allgemeines: Auf der Website der Stadt finden sich Informationen zu allem Möglichen, was Gäste aus nah und fern wissen möchten. Im VVV am Waaggebow gibt’s auch persönliche Beratungen. www.visitalkmaar.com/de
Grachtenrundfahrt: Wer etwas Besonderes sucht, checkt außerhalb der Stadt ein bei Windmühlen-Müller Han Kuijper. Der startet mit alten Holzbooten (Foto oben) mitten im Grünen an seiner historischen Molen, fährt erst über Kanäle, dann durch Grachten bis hinein ins alte Alkmaar. Die Route führt durch die freie Natur, vorbei an weiteren alten Windmolen und Hausbooten. Es kommen neuere Wohnanlagen,danach folgen das alte Alkmaar und seine Grachten mit Zugbrücken oder Brückchen, unter denen das Boot so gerade durchpasst. www.ilovewindmills.com