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Texel – Nordsee-Insel zum Knuddeln

Das west-friesische Eiland Texel gehört zur Provinz Nordholland und ist ein Ort, der einfach gut tut, inklusive Lämmerkuscheln nicht nur für Kinder. Zur Idylle trägt traditionelle niederländische Architektur bei. Für Nachhaltigkeit steht nicht nur die Renaturierung von Land für Vögel. Speziell maritim wird es im Strandgutmuseum Flora und beim Krabbenfischen.

Eine Stunde Yoga am Strand läutet den Tag ein. Es ist neun Uhr, der Himmel blau, der Wind frisch. Er treibt trockenen feinen Sand vor sich her. Typisch raues Nordsee-Wetter im hohen holländischen Norden. So bläst es an dem Mai-Morgen an Texel’s Westküste am Strand-Paal 19 im Örtchen De Koog. Die Sonne lässt wie bestellt das hin– und herwogende Meer glitzern. Yoga-Lehrerin Eva turnt bedächtig vor, positioniert sich dabei so, dass die Gruppe sie sieht und unbedingt auch das Meer hinter ihr. „In den Stunden am Strand schalten auch bei mir Geist und Körper um auf Abschalten“, sagt Eva, die mit ihrem Yoga-Studio zur Surfschool Foamball gehört.

Yoga Texel mit Eva on the Beach_Foto Ulrike Wirtz
Entspannung bei Yoga am Strand mit Eva – vor dem Hintergrund Foto Ulrike Wirtz

Yoga on the Beach ist eher kein typisches Urlaubs-Highlight, das der Texel-Neuling auf der west-friesischen Insel erwartet. Aber als solches entwickelt sich die Stunde, da war sich die Yoga-Gruppe einig – so wie sich ihr sportliches Tun im Sand und davor nur Meer entspannend auswirken; egal dass es bei manchem Teilnehmer im Bewegungsapparat hier und da klemmt. Am Ende fügt sich das Yoga nahtlos ins Wohlfühlgefühl ein, das die Insel seit Ankunft vor einigen Tagen vermittelt, ob am Meer unterwegs, auf Streifzügen im Inselinnern oder im Naturschutzgebiet, ob eingekehrt in schick gemütliche Lokale wie den Strandpavillon Paal 9 in Den Hoorn im Südwesten oder an einer guten Adresse wie De Smulpot in Den Burg im Inselinnern.

Eiland kurzer Wege und stressfreier Abwechslung

Und jenseits von Beach, Baden und Lukullischem wird es auf der kleinen Insel auch nicht langweilig – ohne dass es stressig wird. Klein, weil das Eiland an seiner breitesten Stelle nur acht Kilometer, in der Länge gerade mal 25 Kilometer misst. In der Fläche hat Texel rd. 460 Quadratkilometer, an Einwohnern etwa 14.000, macht spärliche 30 Einwohner pro Quadratkilometer. Ein rein rechnerischer Wert, da sich die Einwohner konzentrieren: mit rd. 7.600 Einwohnern, also mehr als der Hälfte, in Den Burg, Sitz von Verwaltung, Schulen, Ärzten und mit seiner mittelalterlichen Architektur vielerorts malerisch.

Dorf-Idylle hier in Oosterend Foto Ulrike Wirtz
Viel Dorf-Idylle auf Texel – hier in Oosterend Foto Ulrike Wirtz

Oder De Koog mit 1.525 Einwohnern und die Beachtown Texels mit Lokalen, Boutiquen etc. Gerade mal 50 Locals wohnen im Hafen ‚t Horntje im Süden, wo die Fähren vom Festland ab Den Helder an- und ablegen. Nicht gezählt die Touristen über das ganze Jahr, die sich auf Hotels, Ferienhäuser und Campingplätze verteilen. Aber keine Bettenburgen weit und breit. Stattdessen Örtchen wie Den Hoorn im Süden, einst das Zuhause von Lotsen und Walfängern, wo seit dem 15. Jahrhundert eine Kirche in weiß wie ein Leuchtturm Heimat signalisierte und heuer Blumenzwiebeln gezogen werden.

Texel heißt auch  alter Stil -modern interpretiert Foto Ulrike Wirtz
Schöne neue Architektur, angelehnt an alt-niederländischen Stil Foto Ulrike Wirtz

Nicht langweilig wird es, weil es sogar spezielle maritime Geschichten gibt, kein Seemannsgarn, sondern ganz real, wie sie das Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora erzählt mit Tausenden Artefakten von Strandgut aus den letzten 75 Jahren, inklusive Strandräuberei. Oder der Ausflug auf einem Krabbenkutter, denn einige Fischer nehmen regelmäßig Interessierte gegen Entgelt mit aufs Wasser zum Garnalenvissen. Ein weiteres großes Texeler Thema: der Naturschutz mit bestehenden und neuen Renaturierungsprojekten, die den Ruf der Insel als Vogel-Paradies – mit 350 Vogelarten laut eigener Angaben – stärken. Daran geht auf dem Eiland kein Weg vorbei.

Windmolen-Idylle vor dem Deich in Cocksdorp Foto Ulrike Wirtz
Ohne Molen geht es auch auf Texel nicht – hier in Cocksdorp Foto Ulrike Wirtz

Stressfrei wird ein Aufenthalt schon deshalb, weil die Wege kurz sind und wie gewohnt vom niederländischen Festland gut erschlossen: mit Landstraßen, befestigten Feldwegen, mit 146 Kilometer Rad- und 250 Kilometer Wanderwegen und dazu ein Nummernsystem namens Fietsknooppunten, das bei der Orientierung hilft.

Zwei maritim entfernte Welten ganz nah

Was Texel besonders macht: dass die westfriesische Insel zwei Meeres-Welten hat und dazwischen gerade mal maximal acht Kilometer Inselbreite. Das heißt tagtäglich 24/7 Nordsee an der Westküste und an der Ostküste im Rhythmus der Gezeiten weites Wattenmeer. Und tagtäglich die zwei Natur-Phänomene der zwei Welten: im Westen kilometerlange breite Sandstrände, davor immer Meer, dahinter Dünen, alles top für Tage erfüllt mit Schwimmen, Sandburgen bauen, Strandspaziergängen und so weiter. Im Osten dagegen je nach Ebbe und Flut mal Meer, mal Watt und sein nass-sandiges Biotop, das zum Betrachten oder gar Wandern einlädt.

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Auch „schwarze“ Schafe leben am Wattenmeer Foto Ulrike Wirtz

Watt heißt auf Texel auch Deiche auf Kilometer, begrast und daher besiedelt von Schafen und ihren Lämmern, die wie Rasenmäher die Deiche pflegen. Parallel dazu etliche Kilometer zum Radeln und Laufen. Was für ein Kontrastprogramm quasi Tür an Tür, noch dazu morgens den Sonnenaufgang an der Watten-Küste genießen und abends bestaunen, wie die Sonne in der Nordsee versinkt. Ein Stopp dazwischen vielleicht im romantisch-alten Ort Oosterend mit seinen extrem engen Gassen, mit Cafés und dem Insider-Shop Wijnhuis Oosterend, der berühmt ist wegen seiner Kräuterliköre und Kräuterbitter, denen manche wahre Heilkräfte nachsagen.

Texels Kraeuterbitter für und gegen alles Foto Ulrike Wirtz
Kräuterbitter hilft für und gegen fast alles Foto Ulrike Wirtz

Doch der Reihe nach, zunächst zu Anreise und ersten Eindrücken. So stellt sich schon auf der 20-minütigen Überfahrt mit der Autofähre ein erholsames Gefühl ein, da einfach schön die Schiffsfahrt übers Meer und das Gefühl, durch die Insellage mehr Abstand zur Hektik Zuhause aufzubauen. Verzichtbar wären auf der Fähre wohl einige Drängler, denen die Fahrt vom Schiff hinunter mit ihren Autos nicht schnell genug ging, die fast Stoßstange an Stoßzange hingen. Dafür kann die Traditions-Reederei Teso nichts, die seit Jahrzehnten die Strecke von Den Helder zum Hafen ‚t Horntje in Texels Süden bedient. „Come on, no stress“, signalisierte der Ordner den Eiligen durch entsprechend abwehrende Handbewegungen.

Texel ist hundefreundlich - hier am Strand vor den Eijerlandse Duinen_Foto Ulrike Wirtz.
Die westfriesische Insel ist hundefreundlich – hier die Küste der Eijerlandse Duinen Foto Ulrike Wirtz

Die ersten eigenen Erfahrungen nach dem Anlegen sind die zwölf Kilometer Autofahrt zum Strandort De Koog an der Westküste, zum Hotel Strandplevier Suites. Das stellt sich als feines Haus mit schick-zeitlosem Ambiente in den geräumigen Suiten und öffentlichen Räumen heraus und gefällt noch mehr durch guten Service und Toplage: fünf Gehminuten durch die Dünen bis zum Sandstrand. Und schön festzustellen, dass die erste Fahrt über Insel-Land den eigenen Rhythmus umstellt – noch wie von der Hand des Ordners an Bord gesteuert auf langsame Insel-Zeit. Ein Klischee sicher, aber zutreffend.

Tempo nimmt in den Tagen auf Texel immer wieder das Umfeld heraus: Felder, Wiesen und Wald, hier Kanälchen, in deren Ufer-Schilf Bötchen schaukeln. Dort auf dem Acker ein Traktor, der so gleichmäßig seine Bahnen zieht, dass sich beim Zuschauen meditative Momente einstellen. Das Bild erinnert an Spielzeug-Land, aber trügt natürlich. Traktoren begegnen einem nämlich ganz real auch auf Texels Straßen, was auch bedeutet, dass die Insel nicht nur vom Tourismus lebt. Vielmehr prägen das Leben seit Jahrhunderten neben dem Fischfang noch Ackerbau und Schafzucht. Beides brachte zum Glück mit sich, was nun Teil der Texel-typischen Idylle ausmacht.

Einst Insel der Walfänger, Jahrhunderte alter Polder für Bauern

Zum Beispiel romantisch aussehende Gehöfte aus dem 18./19. Jahrhundert wie etwa die Alexanderhoeve im alten Nordholland-Stil. Das Gehöft liegt beim Ort Den Hoorn abseits der Landstraße und macht neugierig, es aus der Nähe anzusehen. Achtung langsam, der Weg wird schmal, trotzdem Gegenverkehr. Ein Traktor rollt heran, am Steuer fast wie bestellt Jan Bakker, der Chef der Alexanderhoeve, wie sich herausstellt. Bereit für einen Plausch am Feldrand grüßt er erst freundlich, stellt dann den Traktor ab, lässt sein Fenster herunter und erzählt auch: „Meine Familie bewirtschaftet den Hof seit 1919. Erbaut wurde das Gehöft 1848 in der Tradition jener Zeit.“

Alexanderhoeve Foto Ulrike Wirtz
Fein anzusehen, erbaut 1848 und Zeichen von Wohlstand – die Alexanderhoeve Foto Ulrike Wirtz

Das Wohnhaus ist opulent in seinen Maßen, gepflegt und hat ein reetgedecktes Dach in Form einer Pyramide. „Der Stil war bei gut situierten Bauern im Norden der Niederlande angesagt bis nach Texel“, so der Landwirt. Er weiß auch: Fein restauriert in ihrer Pracht zeugen die Alexanderhoeve vom Wohlstand auf der Insel damals noch ohne Feriengäste, damals noch mit viel mehr Schafen als Einwohner. „In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verhältnis zuungunsten der Schafe verändert. Das liegt am Naturschutz.“ Das sagt er ganz sachlich, fährt fort, dass er sich mit Agrarpartnern der Auswirkungen von Wetter und Klima auf die Ernten annimmt und auf einer Versuchsfläche auf seinem Land Kartoffelsorten testet.

Forscher und Entwickler auf Texel

Überdies überlässt er ein Hektar seines Grund und Bodens dem kleinen Spezialunternehmen Salt Doctors als Outdoor-Labor, um die Reaktionen landwirtschaftlicher Produkte in salinen, meint salzhaltigen Böden zu untersuchen. Jan Bakker: „Die Böden haben wir hier durch Nordsee und Watt.“ Der leitende Kopf der Salt Doctors ist der Biologe Dr. Arjen de Vos und selbst oft vor Ort. Die Lage: Immer mehr Ackerland auf der Welt ist so salzhaltig, sprich hat so hohe PH-Werte, dass Aussaaten und Pflanzen nicht mehr gedeihen bzw. ihr Ertrag signifikant zurückgeht. Bakker: „Das geht zu Lasten der Versorgung der Weltbevölkerung.“ Die Salt Doctors um Dr. de Vos gehen mit ihrem Know-how, auch gewonnen auf Texel, in betroffene Länder, um der Landwirtschaft zu helfen, ob in Ägypten, Vietnam oder auf Kuba.

Ganz typischl Texels Schapenboeten Foto Ulrike Wirtz
Schapenboeten sind Kulturgut und Windschutz der Schafe Foto Ulrike Wirtz

Typisch traditonelles Texel und urig-witzig anzusehen sind die seltsamen Scheunen aus Holz und Stein auf manchen Weiden und verdienen mehr als einen flüchtigen Blick. Schließlich sind sie auf alten Ölgemälden verewigt, stehen unter Denkmalschutz und gefallen einfach ob ihrer kleinen Größe und raren Form: Die Scheunen sehen aus wie halbiert, nicht zu Ende gebaut. Sie sind aber genauso fertig, heißen Schapenboeten – übersetzt Schafsscheunen – und scheinen sich irgendwie so ins Land zu kuscheln, dass man sich gleich dazu kuscheln möchte. So würde man es den Schafen nachtun. „Viele Schapenboeten sind schon ein, zwei Jahrhunderte alt und dienen den Bauern seit jeher dazu, um Heu zu lagern etc. Draußen bieten sie den Schafen Schutz vor dem Wetter“, hatte Jan Bakker erklärt. Wie das geht, fragt sich der Laie. Und wieso sehen sie aus wie halbiert?

Form follows function – schon seit langem auf Texel

Beides hat mit ihrem Dach zu tun. Das besteht aus drei Seiten, richtet sich aus nach Nord, Süd und West und trotzt so bestens dem meist aus Westen wehenden Wind. Form follows function – das moderne Design-Prinzip kannten schon die alten Texelaner. Die Ostseite der Scheune liegt nämlich durch die Dachform im Windschatten, auf dass die Schafe genau an der Seite draußen vor den Wetterunbilden Schutz finden. Notfalls kauert man sich auch dran. Texel-Kennerin und Buchautorin Felicitas van Daalen schätzt: „Von den Scheunen gibt es noch gut 50.“ Und weiß, dass diese Schapenboeten ob ihrer einladenden Urigkeit heute auch andere Begehrlichkeiten wecken. „Mancher Besucher möchte eine kaufen und zu Wohnzwecken umbauen. Doch da lassen die Texelaner einen nicht ran.“

Lamm turnt auf_Mama rum Foto Ulrike Wirtz
Lamm turnt auf Mama rum – einfach zu süß …
Schafbauer Lennart verkauft auch Wollenes von seinen Schafen Foto Ulrike Wirtz
… Schafbauer Lennart beide Fotos Ulrike Wirtz

Überhaupt die Schafe. Texel ist seit Jahrhunderten ihre Heimat, weit vor Kühen. Heuer gibt es sogar eine eigene Insel-Rasse, genannt Texelaars und bestens ausgerüstet fürs Klima mit ihrer von Wind und Wetter geprägten Wolle. Die Tiere sind große Sympathieträger und für vieles mehr gut, auch als nachhaltiger Lifestyle in Form von Schals, Pullovern und Decken etc. aus ihrer Wolle. Bei Schafsbauer Lennart Witte können Besucher Lämmer knuddeln und tun es, sichtlich egal ob junger oder älterer Gast. Dafür reserviert Lennart Witte Stunden, in denen seine Hütehunde zig Schafe in eine offene Halle treiben, die gemütlich mit Strohballen ausstaffiert ist. Da sitzen die Zweibeiner, während Lennart von diversen Schafsrassen und den Vorzügen von Schafsprodukten erzählt.

Das ganze begleitet vom Blöcken der Tiere und manchem Wort der Entzückung aus dem zweibeinigen Plenum, wenn der Bauer ab und an ein Lämmchen greift und selbst knuddelt. Das Entzücken mag auch ihm gelten, sieht er einfach gut aus: hochgewachsen, blauäugig und ein gewinnendes Lächeln im Gesicht. Aber auch die wolligen Tiere sind zu knuffig und mehr als das, liefern sie doch außer Wolle für Naturkleidung auch Milch für leckeren Schafskäse, zu kaufen nicht nur im Hofladen der Schapenboerderij von Schäfer Lennart. Er erklärt auch, dass Schafswolle nach der Schur das typische Fett Lanolin entzogen und zu hautfreundlicher Naturkosmetik verarbeitet wird, zum Beispiel der Kosmetikmarke Noordkroon – made on Texel.

Ein anderes Business mit Texeler Schafswolle betreibt der Betrieb TexelWool der Familie de Veij. Der fertigt im Ort Oudeschild an der süd-östlichen Küste unter anderem kuschelige Bettdecken und Kissen, zeitlos-ansprechend im Design, haptisch überhaupt nicht kratzig und auch gleich vor Ort käuflich zu erstehen.

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TexelWool macht kuschelige Bettdecken und mehr für einen guten Schlaf
Entspannen und Haut pflegen - im Wollspa von Boutique Hotel Texel_Foto_Ulrike_Wirtz
Entspannen und die Haut pflegen – im Wollspa von Boutique Hotel Texel beide Fotos Ulrike Wirtz

Oudeschild ist heute eher kleiner Fischereihafen, war vom 16. bis 18. Jahrhundert berühmter Handelshafen, weil hier die Texeler Reede war, wo die Handelsschiffe der berühmten Ostindien-Kompagnie be- und entladen an- und ablegten. Doch die Zeiten sind vorbei, der Hafen wirkt klein, gemütlich und bevölkert nur von Touristen, die Fischkutter besteigen, oder von Yachties, deren Segel- und Motorboote hier dauerhaft oder auf der Durchreise liegen.

Zurück zur Wolle. Damit ließ sich, da nicht kratzig, das schicke Boutique Hotel Texel mit Spa nahe Cocksdorp Folgendes einfallen: eine Wellness-Behandlung, bei der der ganze Körper in gereinigte Schafswolle eingewickelt wird, das ganze warm und wahlweise für 60 bzw. 90 Minuten. In einer Art Holzkiste liegt es sich wie im Schaumbad einer Badewanne. Entspannung pur stellt sich ein, Muskeln und nicht zuletzt die Seele entspannen. Im Anschluss dankt die Haut es mit zartem Glanz und gutem Gefühl, Hautfett und Feuchtigkeit getankt zu haben. „Das kommt vom wolleigenen Fett Lanolin, das in den von uns verwendeten Wollfasern erhalten bleibt“, so Hotelchefin Marianne. Ganz schön trendy der angenehme Nutzen von Schafswolle und nachhaltig, da sie und ihr Fett wieder nachwachsen.

An der Wattseite an den Wind aus Westen denken

Andererseits – siehe oben – müssen Schafe auf Texels Boden im Sinne des Naturschutzes, im Interesse der Artenvielfalt bei Vögeln, Insekten und Wildpflanzen weichen. „Die Zahl der Schafe auf Texel hat sich auf rd. 9.500 reduziert“, schätzt TexelWool-Eigentümer Martijn de Veij. „Daher müssen wir für unsere Produktion Wolle vom Festland dazukaufen.“ Mit Fokus auf die Artenvielfalt ist damit allerdings eine Jahrhunderte geltende Konstante verloren, dass Texel mehr Schafe hat als Einwohner. Trotz Rückgangs aber bleiben die Wolltiere mit ihren süßen Lämmern auf Texel treue Begleiter und typisches Fotomotiv gerade an der Watt-Seite.

Radeln am Wattenmeer entlang Foto Ulrike Wirtz
Radeln am Wattenmeer entlang Foto Ulrike Wirtz

Mal laben sich Schafe am Gras auf den Deichen. Mal dösen Artgenossen liegend vor sich hin, während manche Jungtiere spielerische kleine Fights austragen. Andere blicken erwartungsvoll nahenden Touristen entgegen, ob eine Streicheleinheit rausspringt. Füttern aber verboten, warnen manchmal Schilder. Gen Osten zum Watt radelt es sich übrigens leicht, weil der Wind meist ja von Westen weht. Daher ist das Wetter an der Watt-Seite überhaupt gern etwas milder, nutzt die dem Wind abgewandte Seite, wie das die Bauern für ihre Schapenboeten tun. In umgekehrter Richtung entpuppt sich der Wind dann aber als steife Brise gegenan, selbst wenn per E-Bike unterwegs.  

Hobby_Vogelkundlerin an der Wattseite auf dem Deich vor Cocksdorp_Foto_Ulrike_Wirtz_6668.JPG
Hobby-Vogelkundlerin an der Watt-Seite auf dem Deich vor Cocksdorp
renaturiertes Areal Ottersaat Foto Ulrike Wirtz 6545
Gegenüber zieht das renaturierte Ottersaat Vögel und Wildblumen an beide Fotos Ulrike Wirtz

Während die Schafe weniger werden, nimmt die Zahl der Vögel und ihrer Schutzgebiete auf Texel zu. Was gewollt ist und vermehrt Hobby-Vogelkundler anlockt, die mit speziellen Ferngläsern hantieren. Die Attraktion der Vogelvielfalt auf Texel ruft ins Bewusstsein, dass Vögel hier ganz leben, andere nur zum Brüten herkommen und wieder andere auf ihren langen Flügen im Herbst gen Süden, nach Norden im Frühjahr nur einen Zwischenstopp einlegen. Die Insulaner stellen eigens Posten mit lohnendem Ausguck bereit und halten dort viele Informationen vor, so etwa am nordöstlichen Zipfel vor dem Leuchtturm, dem Vuurtoren in De Cocksdorp. Hier klärt das Vogelinformatiecentrum übers Watt und seine Vögel auf, die zu Hauf bei Ebbe dabei zu beobachten sind, wie sie im Steilflug in den vom Wasser befreiten Sandboden picken, um Würmer und so weiter zu fassen und zu verspeisen.

Ein weiterer Ausguck liegt im Südosten, wo jüngst das Gebiet Ottersaat genau vorm Deich bei Oudeschild renaturiert wurde und anschließt ans alte Naturschutzareal Dijkmanshuizen. Am Ottersaat ermöglichen nun kleine Haltebuchten schnelle Stopps und lange Blicke über Dijkmanshuizen mit seiner altniederländischen Naturidylle von Wiesen und Windmühlen. Zur Renaturierung im Ottersaat wurde eigens eine Zufuhr zum Meer angelegt, auf dass, was lange nicht gewünscht war, nun wieder Salzwasser ins Gebiet gelangt und sich mit süßem Regenwasser zu Brackwasser vereinigt. Auf dass sich wieder traditionelle Vögel und Wildblumen ansiedeln. Soweit gelungen: Vögel versammeln sich zu Zig am neuen Hotspot, vom neuen Ambiente angelockt, als wäre Futter ausgelegt.

Das Ottersaat erweitert den schon um 1970 angelegten Vogelboulevard an der Ostküste, der inzwischen vom Fährhafen im Süden bis zum Leuchtturm im hohen Norden reicht. Unübersehbar ist also das Engagement auf der Insel, die zum einen intensiv Landwirtschaft betreibt, zum anderen heuer zu einem Drittel aus zugänglichen Schutzgebieten besteht und die Natur hegt und pflegt. Wie das auf dem Festland der Niederlande auch geschieht mit inzwischen mehr als 20 Nationalparks – vom Lauwersmeer Nationalpark bei Groningen/Friesland bis Van Gogh Nationalpark in Brabant. Dabei zieht Texel nicht nur nach, sondern ist auch Pionier.

Gut ein Drittel Insel-Land für den Naturschutz

Zum Beispiel entstand Anfang des 20. Jahrhunderts bereits das Naturschutzgebiet Waalenburg im Inselinnern und mutierte zum Paradies für See-, Weide- und Singvögel – von der Uferschnepfe über die Lerche, die so schön singen kann, bis zum räuberischem Wanderfalken. Plus weniger bekannte Arten und Gewächse, deren Namen wenig dem Laien, umso mehr Hobby-Botanikern und Profis etwas sagen. Schmetterlinge, Insekten usw. hielten auf Texel wieder Einkehr, wo früher Salzwiesen waren, wo 1645 durch die Eindeichung Polder trockengelegt wurde.

Das Gebiet Waalenburg liegt nördlich vom Ort De Waal und wurde seinerzeit von der holland-weiten Vereinigung Natuurmonumenten initiiert. Das Paradies darf per Rad oder zu Fuß erkundet werden, ist aber auch an mancher Stelle nicht zugänglich und stellt sich als Ort mit viel Ruhefaktor auch für den Besucher heraus. Empfehlenswert ist es, sich bei Ankunft im liebevoll gestalteten Naturzentrum De Marel zu informieren, wo einem beim Betreten gefiederte Wesen extrem nahe kommen – als ausgestopfte Exemplare. Am Zentrum starten gebuchte Exkursionen. Im Café lohnt die Verschnaufpause bei einem guten Kopje Koffie.

Koffie verkeerd -lekker mit extra wenig Kaffee und mehr Milch-so-serviert ihn das-Boutiique Hotel Texel Foto Ulrike Wirtz
Lekker – Koffie verkeerd (wenig Kaffee, viel Milch) im Boutique Hotel Texel Foto Ulrike Wirtz

Trotz schönem Strandleben auf langen, breiten Sandstränden an der Westküste ist auch hier viel Raum für Naturschutz. So wurde 2002 die Dünenlandschaft hinter den Sandstränden zum Nationaal Park Duinen van Texel erkoren – auf 22 Kilometer Länge Land, das nicht bebaubar ist, schon gar nicht mit hohen Apartment-Häusern. Die Dünenlandschaft ist zum Wandern auf ihren Pfaden frei zugänglich und zieht im Herbst speziell in ihren Bann, wenn Heidefelder rosa-bunt blühen. Mit Informationen zu Flora, Fauna und Geologie versorgt bei De Kog das Naturkundemuseum und Aquarium Ecomare. Hier ist auch Europas älteste Seehundauffangstation zu Hause und hält öffentliche Fütterungen der Seehunde ab.

Bei Koog findet sich noch eine Rarität, geht es doch in den Wald, den Dennen. Wald an Nordsee-Küsten ist selten. Den Dennen legten um 1912 umtriebige Texelaner als Nutzwald an, indem sie eigens Strandkiefern anpflanzten. Später kamen Laubbäume hinzu, da war der Dennen aber schon als reines Erholungsgebiet deklariert worden.

Wofür eine Kerbe in der Düne gedacht ist

Nicht weit ist der Paddje 14 im Südwesten im geschützten Dünennationalpark. Hier wurde jüngst die Düne mit Bagger auf einer Länge von 150 Meter nach innen um zwei Meter geöffnet, bekam quasi eine Kerbe, aber so, dass Salzwasser nicht eindringt. Mittels Öffnung sollen nun bestenfalls Pflanzen und Tiere früherer Zeiten wieder Zugang zu den Dünen finden, die inzwischen verschwunden sind, weil von Sträuchern und Gräsern überwuchert, die besser mit dem hohen Stickstoffgehalt im Boden zurechtkamen. Eigens wurden jenseits der Kerbe in den Dünen die Störenfriede gerodet und entfernt, auf dass sich die ursprüngliche empfindliche Dünenvegetation, die Graudünenvegetation mit ihren Kräutern und Dünenveilchen, wieder ausbreiten kann. Auftraggeber der Kerbe ist der Staatsbosbeheer als oberste Behörde im Staat für die Verwaltung und Überwachung von Wäldern und Landschaften mitsamt Naturschutzgebieten.

Naturschutzinsel Texel - hier seine Vogel-Karte Foto Ulrike Wirtz
Kleine Insel groß bei Naturschutz – hier ihre Vogelkarte Foto Ulrike Wirtz

Bis die Maßnahme wirke, dauere Jahre, in denen „wir das Dünengebiet an der Kerbe beobachten und bewirtschaften müssen“, erklärt Thomas van der Es, Förster für Ökologie vom Staatsbosbeheer Texel. Der Stickstoff sei mit der Rodung nicht weg, die invasiven Sträucher könnten wieder wachsen. „Wir mähen die Bereiche daher regelmäßig und setzen gezielt Schafe zur Druckbeweidung ein.“ Wo die Wolltiere doch überall nützlich sind, echt zum Knuddeln die Viecher. Hätten die ihre Arbeit getan, würde das Gebiet wieder für Kaninchen geeignet sein, so Förster van Es: „Die siedeln wir hierher um aus anderen Arealen, lassen sie grasen und ihre Höhlen graben. Dort können dann Steinschmätzer wieder brüten. Und vielleicht kommen Kräuter und Schmetterlinge wie der Große Perlmuttfalter zurück.“ Die Begeisterung von Fachmann van der Es spricht für Außergewöhnliches.

Wo kein Seemannsgarn gesponnen wird

Als einmalig weltweit sogar ordnet sich das Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora in De Koog ein. Es widmet sich Strandräubereien, was Niederländer jutten nennen, und versetzt einen einfach ins Staunen. Zunächst wegen der rechtlichen Regeln, dass Strandgut dem Strandvogt der Gemeinde übergeben werden muss, der den rechtmäßigen Eigentümer sucht und das Gefundene zugunsten der Gemeinde versteigern lässt, wenn der sich nicht findet. Die Jutter aber jutten, heißt behalten Gefundenes. Ob das sich lohnt, liegt im Auge des Jutters.

Das Strandgutmuseum Flora zeigt,, was Leute so alles verlieren etwa Helme Foto Ulrike Wirtz
Was Leute so alles verlieren, etwa Helme Foto Ulrike Wirtz

Und was so alles verloren geht und gefunden wird: alte Bojen in bunten Farben, die draußen am Museum wie Zierkugeln an einem Baum hängen oder zur Pyramide gestapelt sind. Leuchtfeuer und sogar die verrostete Spitze eines Leuchtturms, die ins Meer flogen. Und dann rostige kleine Anker, ordentlich nebeneinander in ein altes Ruderboot drapiert. Mehr noch: Hunderte von Flip Flops, von Turnschuhen, Arbeitsschuhen, Schutzhelmen, ob weiß, blau, rot oder gelb, wie von technischem Personal der Berufsschifffahrt oder auf Plattformen auf hoher See getragen.

In einer Halle schmücken Rettungsringe aller Art die Wände. Daneben alte Taue, zerbeult-rostige Warnschilder, gar Teile alter Funktechnik von Booten und eine Kiste mit Druckplatten, anno 2000 aus dem Meer gefischt. Zu sehen sind überdies Relikte aus kriegerischen Zeiten auch auf und um Texel herum – alles zufällig als Strandgut angeschwemmt oder Beifang aus Fischernetzen, auch alte Waffentechnik wie Seeminen, Teile eines Torpedos, der Rolls-Royce-Motor eines Militärflugzeugs. Mehr zu Texels alter Militärgeschichte erklärt das Luchtvaart- und Oorlogsmuseum am kleinen Flughafen, der mitten im Polder Eijerland liegt.

Exponat im Strandgutmuseum Flora - eine echte Rettungskapsel, Foto Ulrike Wirtz
Eine echte Rettungskapsel als Exponat im Strandgutmuseum Flora. Bizzar von außen…
Strandgutmuseum Flora Rettungskapsel innen Foto Ulrike Wirtz
…innen extrem eng beide Fotos Ulrike Wirtz

Zurück zum Jutter-Museum, wo Fotos gestrandeter Fischerboote wie von der Emma von 1919 und Texte dazu erzählen, dass manche Funde für gefährliche, traurige, sogar tödliche Schicksale stehen, von Drogenfunden ganz zu schweigen. Regelrecht beklemmende Gefühle lässt das Exponat mit der Kennung JB114 entstehen: eine echte Rettungskapsel, deren Inneres auch besichtigt werden kann. Da war es gut, vorher auf der Infotafel zu lesen, dass sie nicht im Rettungseinsatz verloren ging. Was für eine Enge und Kargheit innen, alles nur auf ihren Zweck zugeschnitten, Leben zu retten.

Fast 100 Menschen finden im Ernstfall Platz, angeschnallt auf schmalsten Sitzen. Per Miniruderanlage wird der Lebensretter gesteuert. Seine Maße: 3,60 Meter hoch, 9,35 Meter lang, 6,5 Tonnen schwer. Laut Infotafel gehörte sie im Jahr 2011 zu einer Ölbohr-Plattform in der Nordsee bei IJmuiden, wo ihre Befestigung bei einem orkanartigen Sturm riss, sie ins Meer stürzte und abtrieb. Bis sie am Strand von Noordwijk an Land gespült und dem Juttersmuseum Flora gestiftet wurde.

Garnalenvissen im Wattenmeer vor Texel

Eine ganz andere Erfahrung: eine Tour mit einem originalen Kutter zum Krabbenfischen. Diverse Boote starten zu festen Tageszeiten am Hafen Oudeschild an der Wattseite. So auch das Boot TX 10 Emmie. Es ist zwei Stunden unterwegs, vermittelt einen Eindruck, wie das leckere kleine Meeresgetier namens Nordsee-Garnalen es vom Meeresboden in den Handel und auf den Essteller schafft. „Wir verkaufen unsere Fänge auf dem Festland“, sagt Kapitän Herman, 51 Jahre. Sein Deck-Hand ist Roland, 61. Die zwei haben die Arbeit aufgeteilt: Herman steuert das Boot, Roland verteilt die großen und kleinen Gäste so, dass sie bestens sehen können. Dann betätigt er die Winschen und Winden für ein Netz, jeweils acht Meter breit und 16 Meter lang. jeweils eines pro Bootsseite.

Garanalenvissen auf Texelmit der Emmie Foto Ulrike Wirtz
Vögel riechen Beute am Kutter TX 10 Emmie Foto Ulrike Wirtz

Roland bereitet sie vor, lässt dann die Technik ihre Arbeit tun, überwacht alles, während die Netze suzessive ins Wasser gleiten. Bis sie der fahrende Kutter über den Sandboden zieht. Roland: „Das Wasser hier ist zehn Meter tief. Seht die Vögel, die freuen sich schon.“ Sie kennen das, schwärmen um die Netze herum, die teils aus dem Wasser ragen, warten auf den Moment, wo sie aus den hochfahrenden Netzen den einen oder anderen Fang klauben können. Wie gesagt, so getan. En masse sind kleine Nordsee-Krabben ins Netz gegangen, die in ihrem Rohzustand grauschwarz sind. Plus kleinere Fische und irgendwelches Gewürm und Gewächs. Bevor die Netze hochfahren, hat Roland Töpfe mit Wasser zum Erhitzen auf einen Ofen gestellt und Behälter bereit gestellt, in die der Fang dann hineingleitet.

Deckhand Roland im Einsatz Foto_Ulrike Wirtz
Schwerarbeit für Deck-Hand Roland auf der Emmie Foto Ulrike Wirtz

In den Behältern sortiert der kräftige Mann mit gekonnt-schnellen Handbewegungen aus, was nicht taugt. Der gute Rest wandert in die Töpfe, köchelt im Wasser kurz vor sich hin, nimmt dabei die rosa Farbe verzehrfertiger Nordsee-Krabben an. „Die werden immer an Bord gekocht, auch wenn wir unsere üblichen Fangfahrten ohne Gäste machen“, so Kapitän Herman. Die Touristen-Touren finden Sonntag bis Donnerstag statt. „Seit 30 Jahren bin ich Garnalenvisser. Ich bin auf Texel geboren wie meine Vorfahren“ (Herman). Sein Tipp vom Fachmann, wie die kleine, feine Meeresfrucht am besten verzehrbereit poulen? „Leicht drauf drücken, drehen und den Kopf abziehen“, so Herman. Wie er sie am liebsten isst: „Abkühlen lassen und ganz ohne Zutaten. Dazu einen Weißwein, egal welcher.“ Hmm, lekker.

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Yoga on the Beach bei Strandpaal 19 – Tafel beachten Foto Ulrike Wirtz

So reiht sich auf Texel eine Erfahrung an die andere, stressfrei und schön ergänzt ums Yoga am Strand. Während des relaxenden Tuns fährt eine Flottille Fischkutter in Sichtweite vorbei. Sie haben ihre Netze ausgefahren wie zuvor die Emmie von Kapitän Herman. Ob er schon mal Yoga on the Beach gemacht hat? Ob er die Frage belächelt hätte? Nun ist es zu spät, ihn zu fragen. Er könnte jedenfalls spontan mitmachen, sähe er die Yoga-Gruppe zufällig in Action. Sagt nämlich Eva: “Walk Ins welcome.“

Websites und noch wichtig zu wissen

Informationen zu Insel und Unterkünften www.texel.net/de; hier können direkt Unterkünfte gebucht werden. Hier auch Details zum Naturschutzgebiet Waalenburg. Mehr zum Dünennationalpark Texel www.npduinenvantexel.nl; zu Ottersaat und Vogelboulevard www.natuurmonumenten.nl, zu Wald und Dünen auf Texel www.staatsbosbeheer.nl

Details zum Yoga on the Beach https://surfschoolfoamball.com. Zum Schafsbauernhof von Lennart www.schapenboerderijtexel.nl/de. Zu Aquarium Ecomare www.ecomare.nl/de; zu Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora www.juttersflora.nl; zu Garnelenfischen https://garnalenvissenoptexel.nl/de

In Wolle eingewickelt entspannen, essen und trinken plus Extra-Tipp: Das Boutiquehotel Texel bietet im Spa nicht nur die Ganzkörperbehandlung in Wraps aus gereinigter Schafswolle. Top auch sein Restaurant, auch vegetarische Genüsse www.hoteltexel.nl. Das Restaurant Smulpot kredenzt gute niederländische Küche. Und sein Boutiquehotel im gleichen Haus vermietet schick-moderne, geräumige Zimmer www.smulpot.nl. Im Strandlokal Paal 9 sitzt es sich immer fein und besonders, wenn abends stimmungsvoll die Sonne in der Nordsee versinkt www.paal9.nl. Mehr zu Strandplevier Suites Texel www.strandplevier.nl.

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Zeitos-modern, geräumig – eine Suite im Strandplevier Foto Ulrike Wirtz

Extra-Tipp: Pastorie de Waal Hier kochen Profi Wessel Holleman und die Teilnehmer seiner Koch-Workshops, was die Insel an saisonalen Zutaten hergibt. Das Haus heißt Pastorie de Waal, weil lange das Pfarrhaus. Es wurde 1650 erbaut und ist nun das Zuhause von Wessel und Partnerin. Top die geräumige professionell ausgestattete Küche. Für Gemütlichkeit später beim gemeinsamen Essen sorgen ein massiver Holztisch, eine Vitrine mit altniederländischem Porzellan und jede Menge Bücher. Maximal acht Leute können teilnehmen. „Ich mache auch Catering und koche bei anderen Zuhause. Familien in ihren Ferienwohnungen buchen mich gern, gerade dann, wenn sie mit kleinen Kindern reisen, weil sie dann nicht so einfach ausgehen können.“

Kochprofi auf Texel im Einsatz Foto Ulrike Wirtz
Kochprofi Wessel vermittelt, was Texels Land und Wasser hergibt Foto Ulrike Wirtz

Was bei meinem Koch-Workshop im Mai Texels Land und Meer saisonal hergaben, was der Kochprofi für den Workshop einkaufte, wie wir es unter seiner Anleitung zubereiteten, zauberte am Ende ein köstliches Viergang-Menu auf den Tisch: Krabben-Pannacotta zu Algensalat; Herzmuscheln; Lammsteak mit Texelse Spargel und zum Nachtisch Merengue mit Gelee von Sanddorn aus den Dünen am Ort. Wessel ist Selfe-Made-Cook: „Oma und Mutter waren gute Schule. Meine Mutter hat auch Kochbücher geschrieben.“ Was Texel bietet: „So viele gute Produkte, ob Meeresfrüchte, Fleisch oder Wild zur Jagdzeit.“ Und dann gewusst wie kochen www.pastoriedewal.nl  

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Niederlande: Flevolands junges Wasser-Wunderwerk

Flevoland ist die 12. und jüngste Provinz der Niederlande und von Menschenhand gemacht. Speziell sind ihr Marschland Oostvaardersplassen und die Insel Schokland, die keine mehr ist und daher UNESCO-Welterbe wurde. Zu beidem gibt es Spannendes zu erfahren. Urtypisch Holländisches bietet das neu entstandene Land auch: Spazier- und Radwege, Idylle aus Kanälen, Wald und Wiesen und schönen Gärten. Lebensart-Autorin Ulrike Wirtz war vor Ort.

Das Wasser liegt ruhig in der Mittagssonne. Überhaupt herrscht Stille in den Oostvaardersplassen, Marschland von Menschenhand initiiert und spezielles Naturschutzgebiet im Nationalpark Nieuw Land. Die Marschen grenzen an die Ostseiten von Markermeer und Ijsselmeer, beide Binnenseen, die hintereinander von Norden nach Süden die Niederlande quasi teilen. Der genaue Standort ist ein Aussichtspunkt nahe dem Südtor zum Feuchtgebiet Oostvaardersplassen. Auf dem Wasser schaukeln Vögel im Rhythmus des leichten Wellengangs. Wie gemalt ruhen rechterhand auf festem Boden im Feuchtgebiet direkt am Wasser dunkelbraune Rinder. Alles ist friedlich. Fast meditativ ruhig. Doch unvermittelt bricht Hektik unter den Vögeln aus.

Im neuen Land der Ooostvaardersplassen leben Hunderte Vogelarten Foto Ulrike Wirtz
Im neu geschaffenen Feuchtgebiet Oostvaardersplassen leben Hunderte Vogelarten, auch Seeadler. Wenn der Raubvogel sich nähert, flüchten andere Foto Ulrike Wirtz

Sie schlagen ihre Flügel, kreischen geradezu, heben sich in die Lüfte. Hunderte flattern lautstark davon, suchen als ganzer Pulk wie von Geisterhand gesteuert linkerhand das Weite. Der Besucher staunt – was ist passiert in der Naturidylle? Der zufällig in der Nähe stehende Mann Mitte 50 mit dem Spezialfernglas für Vogelkundler weist mit der Hand in die Lüfte voraus. „Seht auf 12 Uhr, die zwei schwarzen Punkte. Ein Adlerpaar, das ist auch in den Oostvaardersplassen zu Hause.“ Das Paar kommt näher. Der eigene Blick ins entliehene Fernglas zeigt die Adler deutlicher in ihrer Größe, Pracht und Herrlichkeit. Die anderen Vögel seien vor den übermächtigen Raubvögeln geflüchtet, weiß René, fährt griemelnd fort: „Die haben noch nicht gefrühstückt. Hier in den südlichen Marschen haben die Adler große Auswahl. Wir sagen Zeearend. Ihr Seeadler. Auf Englisch White Tailed Eagle.“

Renè kennt sich aus, beschreibt sich als Hobby-Ornithologen und nur einen von vielen, die in diesem Teil der Provinz Felvoland, die 12. und jüngste Provinz der Niederlande, ihrer Leidenschaft frönen. René wohnt gleich um die Ecke vom Südtor in Almere, der größten Stadt der 1986 gegründeten Provinz. Er komme fast täglich her und habe schon öfter die Adler einfliegen sehen: „Sie leben im Norden der Oostvaardersplassen, fliegen dann die 20, 30 Kilometer Luftlinie gen Süden her, um zu jagen. Das ist für die Adler keine Entfernung. Sie haben im Norden des Marschlands ihre Nester, weil dort mehr Bäume wachsen. Hier im Süden gibt es kaum Bäume, aber die besten Aussichten, um Futter zu finden.“

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Hobby-Ornithologe René (li.) beobachtet fast täglich die vielen Vögel im neuen Naturgebiet, oft mit Gleichgesinnten Foto Ulrike Wirtz

Im Marschland von Flevoland folgt alles alten Regeln unberührter Natur. Das ist so gewollt und von Menschenhand angeschoben – auf dass die echte Natur ihr eigenes Schauspiel aufzieht und dass auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint: echte Natur, von Menschenhand gemacht. Wie es dazu kam, hängt mit dem Polder zusammen, also dem Boden, den die Niederländer ihrem Meer östlich des Ijsselmeers abtrotzten. Dieses Ereignis basiert wiederum auf der Eindeichung des früher offenen Meeres namens Zuiderzee, nun der Binnensee Ijsselmeer. Mit dieser Landgewinnung hängt auch zusammen, dass Schokland nunmehr Festland statt Insel ist – mit einer neuen Landfläche meist fünf Meter unter dem Meeresspiegel.

Das alles zusammen ist eine Geschichte von Wasser-Wundern, möglich gemacht durch Werke modernster Ingenieurskunst der Niederländer, dem Meer Land abzutrotzen, durch das Know-How im kleinen Land und die Erfahrungen seit Generationen. Das alles und mehr wird trefflich erzählt im Museum Schokland 50 Autokilometer nördlich der Marschen, wo Seeadler auf Beutezug gehen. Doch dahin später.

Neues Land, neues extra geschütztes Naturentwicklungs-Gebiet

Noch steht das Feuchtgebiet Oostvaardersplassen an mit seinem Schatz an Biotopen aus Gräsern, Schilfen, Morast, Festland, Wiesen, Buschwerk und Bäumen; mit Vogel- und Fischarten und Getier aller Art, ob Mücke, Biene oder Schmetterling. Dazwischen Kilometer an Fußwegen, die zur Pirsch mit und ohne Fernglas einladen oder nur zur Erholung im Grünen mit romantischem Vogelzwitschern, es sei denn Raubvögel nähern sich. Im Marschland lassen sich bisher bis zu rund 220 unterschiedliche Vogelarten beobachten, darunter Blaukehlchen, Reiher, Watvögel, Stelzvögel, Gänse, Enten etc. und nicht zuletzt Seeadler. Natürlich das nicht an einem Tag auf einer Pirsch, betont Naturführer Geert van Rijkbroek, „aber gute Vogelbeobachter können 80 Arten an einem Tag erspähen.“ Profi-Ranger vor Ort bringen es an einem Morgen durchaus auf 116 Arten. Geert: „Die Zahl variiert außerdem je nach Jahreszeit, da manche Vogelarten nur im Areal brüten und andere nur überwintern.“

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Voll in seinem Mieter in den Oostvaardersplassen – Naturführer Geert van Rijbroek Foto Ulrike Wirtz

Was den Fischreichtum im Feuchtgebiet angeht, auch der nimmt zu, 17 Arten sind es bisher. Auf dem festen Land leben inzwischen auch Rothirsche, Heckrinder, wilde Konik-Pferde und Biber. All das erzählt Natur-Guide Geert, betont bei seiner Aufzählung das Wort „bisher“. Denn die Natur baue sich im Gebiet immer noch auf: „Es werden sich hoffentlich noch mehr Pflanzen-, Tier- und Fischarten einfinden. Die Heckrinder und Koniks haben wir eigens im Gebiet angesiedelt. Das sind alte Rassen, sie sollen das Ursprüngliche der Natur mit hervorbringen.“ Wir – damit meint Geert die für die Natur, für Naturmonumente und Nationalparks zuständige staatliche Organisation Staatsbosbeheer. Mit Gebiet meint der Guide nicht den ganzen Nationalpark Nieuw Land, sondern das spezielle Gebiet der Oostvaardersplassen im südlichen Nationalpark Nieuw Land.

Zweitjüngster Nationalpark der Niederlande

Was den jungen Nationalpark Nieuw Land insgesamt ausmacht, auch er abgetrotzt dem Meer. Der Nationalpark wurde auf dem neuen Land 2018 ofiziell gegründet, war damals der jüngste seiner Art im Staat und der erste in der neuen 12. Provinz, steht für Wälder, Wiesen, Kanäle, Teiche, Wander- und Radwege und eine Artenvielfalt auf in toto 29.000 Hektar, davon 7.500 die Oostvaardersplassen. Davon wiederum sind 1.600 Hektar ohne Auflagen öffentlich frei zugänglich: De Driehoek sowie das Oostvaardersveld. So auch der Aussichtspunkt, wo die Adler oft jagen. Der ist 15, 20 Gehminuten vom südlichen Parktor bei Almere entfernt, wo das Natuurbelevingcentrum de Oostvaarders mit Café und Restaurant zur angenehmen Rast einlädt. Das nördliche Tor mit dem Buitencentrum Oostvaardersplassen liegt bei Lelystad.

Das Feuchtegebiet der Oostvaardersplassen auf neu geschaffenem Land Foto NBTC
Natürlicher geht kaum im vom Menschen geschaffenen Flevoland und dem Feuchtgebiet Oostvaardersplassen Foto NBTC

Das Besondere der Oostvaardersplassen ist neben ihrer natürlichen Entwicklung generell das große Areal, das überhaupt nicht öffentlich zugänglich ist. Denn es ist ein sogenanntes N2000-Gebiet und damit ein offizielles, speziell geschütztes Naturentwicklungs-Gebiet. Der Status bedeutet laut Geert: „Auf dem Areal entwickeln sich durch das Zusammenspiel von Böden und Wasser Urlandschaften.“ Das heißt gerade auch, dass der Mensch, konkret der Staatsbosbeheer, seine Experten und Boswachters quasi nicht eingreifen. Ergänzt Hans-Erik Kuypers, Boswachter vom Staatsbosbeheer: „Wir betreiben aber seit 2018 ein aktives Populations-Mangement, um die Zahl der Tiere, sprich der Heckrinder, Konik-Pferde und Hirsche, auf einem Niveau von insgesamt 1.100 zu halten.“

Damit die natürliche Entwicklung geschehen kann, dürfen Besucher das Kerngebiet des N2000-Gebiets auf etwa 1.800 Hektar zwar betreten, aber nur zusammen mit Guides wie Geert. Der kutschiert Gruppen im lautlosen, da batteriegesteuerten Golf-Cart in Langversion durchs Gelände, erklärt Historie, Zielsetzungen und Erreichtes bei Fauna und Flora und stoppt am Aussichts- und Wachturm, der sich durch seine hölzerne Bauweise getarnt gekonnt ins neue Land einpasst. Cart-Touren starten am Südtor bei Almere sowie am Nordtor bei Lelystad. Wie aber konnte dieses Back to the Roots-Areal überhaupt entstehen, war doch hier lange Meer?

Polder statt Wasser, Festland statt Meer rund um Schokland

Die Antworten dazu finden sich trefflich erklärt im Schokland Museum auf der Ex-Insel Schokland. Zumal sie selbst durch Landgewinnung zu Festland mutierte und durch diese Entwicklung sogar von der UNESCO zu Weltkulturerbe erklärt wurde. Im Museum zeigt sich, dass diese Entwicklungen eng verflochten sind mit der Entstehungsgeschichte der neuen Provinz Flevoland östlich von Ijsselmeer und Markermeer, noch dazu, dass das alles mit dem Afsluijtdijk im hohen Norden begonnen hat.

Das Eiland Schokland, das zuletzt vier Kilometer in der Länge und kaum mehr in der Breite maß, derart fraß die Erosion durch die Zuiderzee an ihrem Land: Heute geht es per Auto quasi bis vor die Museumstür. Auf den letzten Kilometern Fahrt finden sich keine sichtbaren Anzeichen dafür, dass hier schon Meer war und es nur per Boot weiterging. Heuer kein Wasser weit und breit. Stattdessen Farmen, Felder, kleine Orte und Verkehrswegenetze für Autos, Fietsen und Fußgänger.

Nun Ackerland, einst Meer - Guide Niko de Boer erklärt Schoklands Mutation Foto Ulrike Wirtz
Einst Meer, nun Äcker und Weiden – Guide Niko de Boer erklärt Schoklands Mutation und die Symbolik einer Bronze von einer Frau mit Gepäck Foto Ulrike Wirtz

Im Museum kommt Klarheit in die spannende Sache: durch alte Bilder und Fotos, durch Dokumente, Artefakte und Videos und auch dank Nico de Boer, einer der Museumsführer. Er erzählt fesselnd und detailreich, erklärt alte Landkarten und neuere Fotos zur Lage der Insel und des Umlands, sagt: „Wir müssen weit zurückgehen.“ Einst war die Insel Schokland in der östlichen Zuiderzee dank ihres Leuchtturms und wegen der langgestreckten Form von Nord nach Süd wichtige Landmarke für Schiffe auf dem tief ins Land hineindrängende Teil der Zuiderzee, die immer mehr Boden auffraß und desaströse Sturmfluten schickte wie die vom Januar 1916.

Diese Flut gab denn auch den Ausschlag, endlich den länger geplanten Afsluitdijk im hohen Norden der Niederlande zu bauen: auf dass die wilde Zuiderzee durch den Damm eingehegt und zum gemäßigten Binnensee Ijsselmeer wurde. Das Bauwerk nach Entwurf des Ingenieurs Cornelis Lely war 1932 abgeschlossen.

Die Insel Schokland 1932 aus der Luft Foto vom Foto Ulrike Wirtz
1935, zu Zeiten der Luftaufnahme, war Schokland noch Insel und seit Dekaden unbewohnbar – Foto vom Foto Ulrike Wirtz

Geplant war auch, aus der Trockenlegung des Meeresgrunds Festland zur Besiedlung zu gewinnen. Daher wurde ein System aus Deichen, Wasserpumpanlagen und Kanälen, um das abgepumpte Wasser abzutransportieren, vorangetrieben: die Zuiderzeewerken, auf Deutsch ohne das n am Ende. So baute sich nach und nach Polder östlich der Binnenseen Ijsselmeer und Markermeer auf, genannt Noordoost-Polder und Flevopolder als der südlichere Teil. Deren Entstehung war 1942 soweit, somit die Basis für Flevoland gelegt. Deren Provinzfläche: rd. 1.410 Quadratkilometer Festland und ca. 1.000 Quadratkilometer Wassergebiet. Alles am Reißbrett geplant: Menschen zogen her, Städte wie Almere und Lelystad entstanden, zudem Dörfer wie Marknesse und Ens. Industriegebiete wurden erschlossen, ein Großteil des neuen Landes für die Landwirtschaft reserviert.

Eine 12. Provinz – geboren mittels High-Tech-Ingenieurskunst

So auch der zu Festland mutierte einstige Meeresgrund um die einstige Insel Schokland, wie der Blick vom Museum auf saftig-grüne Wiesen und Felder zeigt, auf rote Dächer von Farmhäusern und Scheunen hier und da. Der schönste Blick lässt sich vom Kirchlein gegenüber dem Museum genießen, von der Enserkerk von 1834. Den Blick ins Innere des Kirchleins nicht vergessen mit ihrer ansehnlichen Kanzel im holländisch-typischen Anstrich in Grachtengrün und ansonsten Weiß. Die Kirche heißt auch Waterstaatkerk – nach der mächtigen staatlichen Behörde Rijkswaterstaat, der alle niederländischen  Aktivitäten des Wassermanagements und der riesigen Bollwerke gegen das Meer obliegen.

Schoklands Historie handelt von Flutkatastrophen, untergegangenen Schiffen, von Feuersbrünsten, von Armut in den einfachen Wohnkaten, die auf Bildern verewigt sind und einen beim Betrachten die kargen Lebensverhältnisse fast körperlich spüren lassen, und von abwandernden Inselbewohnern. Was für ein Drama schrieb hier die Natur: Die Schokker waren Fischer und Bauern auf der immer kleineren Fläche des Eilands an der Ost-Seite der einstigen Zuiderzee. Durch deren wildes Tun verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Insulaner, viele zogen weg. Gab es rund 1775 noch ca. 650 Bewohner, sank deren Zahl noch weiter. Bis das Eiland Schokland 1859 mit amtlicher Verfügung zu räumen war. Guide Nico: „Es blieben der Hafenmeister im Hafen Emmeloord sowie einige Fischer und der Leuchtturmwärter am Zuidpunt. Und Deicharbeiter kamen je nach Jahreszeit.“

So klein die Insel, so unterschiedlich kleideten sich je nach Religion die Frauen vor Ort  Foto Ulrike Wirtz
So klein die Insel, so anders kleideten sich die Frauen je nach Religion. Relikte aus langen Insel-Zeiten machen Schokland zum UNESCO-Weltkulturerbe Foto Ulrike Wirtz

Was sich heute so einfach erzählt, bedeutete für die Betroffenen Entbehrungen, gar Verluste und schicksalhafte Zeiten. „Zumal die Schokker ihre eigene Identität hatten, nämlich einen eigenen Akzent, eigene Trachten und Tänze.“ Diese Vergangenheit pflegen die Nachkommen der Insulaner heute in der eigens 1985 gegründeten Schokkervereniging. Diese Entwicklungen bedeuteten aber auch neues Land und neue Möglichkeiten. Rund 70 Jahre nach Räumung der Insel war der Afsluitdijk fertig, der Wasserspiegel fiel, auch rund um die Insel mehr und mehr, die Polder schritt voran, bis sie 1942 Landfläche wurde. Nunmehr kam die Zeit der Land-  und Stadtplaner, der Architekten und Baugewerke in Flevoland.

Flusspferde in der Ijssel

Was Schokland speziell macht und UNESCO-Status brachte: Mit der Trockenlegung kam auch die Zeit der Archäologen etc.. Sie konnten den Ex-Meeresgrund nun zu Fuß durchstreifen, suchten ihn nach alten Zeugnissen von Entwicklung und Kultur der Bewohner ab, die schon vor 10.000 Jahren Schokland bewohnten, und über den Schiffsverkehr, der rund um die Insel unterwegs war, und fanden sogar noch ältere Spuren bis in die Eiszeit. Die Funde machten Schokland 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Guide Nico: „Es gibt über 160 archäologische Fundstellen. Darunter die versteinerten Fußabdrücke, die in einstigem Lehm hinterlassen wurden. Eine Rarität. Sie wurden 1984 entdeckt.“

Heute Land, davor Meer, davor Land - davon zeugen Knochenfunde rund um die einstige Insel Schokland Foto Ulrike Wirtz
Heute Land, davor Meer, davor Land, davor Eis, davon zeugen Knochenfunde rund um die einstige Insel Schokland Foto Ulrike Wirtz

Oder das männliche Skelett von geschätzt 2400 A.C., von Archäologen eingebettet in eine nachempfundene Grabstelle. Der Boden setzte auch Erkenntnisse frei, dass vor rund 125.000 Jahren das Eis der damaligen Eiszeit vor Ort schmolz, dass es heißer wurde, der Wasserspiegel stieg und tropische Flora und Fauna bescherte mitsamt Elefanten, Nashörnern und in der Ijssel schwimmenden Flusspferden. „Das wissen wir durch Knochenfunde.“

Das Museum zeigt Bilder von der Landwerdung der Insel Foto der Fotos Ulrike Wirtz
Das Museum zeigt Bilder von der Landwerdung Foto der Fotos Ulrike Wirtz

Die Geschichte mit ihren Eis- und Heißzeiten kommt einem bekannt vor, die Infotafel Klimaatverandering im Musuem bringt verständlich den Evolutionsrhythmus der Erde in Erinnerung. Dann fällt der Blick auf ein reliefartiges Modell an der Museumswand, das die Landgewinnung der Niderlande über Jahrzehnte verdeutlicht. Aber das erklärt noch nicht, warum die Trockenlegung hier und das Feuchtgebiet südlich irgendwie zusammengehören.

Erst Land gewinnen, dann die Natur machen lassen

Dafür geht‘s zu den Oostvaardersplassen zurück – zu Hans-Erik Kuypers, dem Boswachter vom Staatsbosbeheer. Und mit ihm ins Jahr 1968. „Das Feuchtgebiet mit dem Naturentwicklungsgebiet ist ganz zufällig entstanden. Denn 1968 stellte sich heraus, dass trotz der Eindeichungen und der weiteren Anlagen zum Wassermanagement ein Gebiet im neu entstehenden Flevoland einfach nicht trocken fiel. Das war am tiefsten Punkt des Flevopolder.“ Eigentlich habe in dem Areal ein Industriegebiet entstehen sollen. „Dann wurde es erst einmal in Ruhe gelassen.“ So konnten sich Brachflächen von allein entwickeln, der Wasserpegel machte sie zum Feuchtgebiet mit Morast etc.

So also löst sich der vermeintliche Widerspruch auf – hier trocken, da nass. Bis die Grundlage der Oostvaardersplassen richtig stand, griff auch der Mensch noch ein, baute unter anderem fünf Jahre Raps an, um den Brachen den Salzgehalt als Relikte der alten Zuiderzee zu entziehen. Das hatte Geert erzählt. Auch sei später dafür gesorgt worden, dass sich Schilf ansiedeln konnte – „damit sich der neu gewonnene Boden stabilisiert. Das Schilf wurde aus Flugzeugen abgeworfen und setzte sich dann von selbst“. Hobby-Ornothologe Renè hatte erklärt, was Plassen bedeutet: „Im Kontext hier Pfütze oder Tümpel.“ Hatte dann gegriemelt und ergänzt: „Es bedeutet aber auch pinkeln.“

Oostvaardersplassen Aussicchts- und Wachturm Foto NBTC
Der Aussichts- und Wachturm für gute Einblicke Foto NBTC

Und dann die zwei aus Belgien angereisten Hobbyornithologen John und Stefan – sie hatten nur geschwärmt: „Hier in den Oostvaardersplassen entstand das schönste Vogelgebiet weit und breit und ist noch nicht fertig. Wir sind überall in Europa auf der Jagd nach Vögeln.“ Auch sie bewaffnet mit Spezialfernglas, noch dazu Kamera mit langem Teleobjektiv und angetroffen nahe Nordeingang am Buitencentrum Oostvaardersplassen. „Wir haben hier heute Morgen schon einen jungen Seeadler gesehen“. Der habe noch kein weißes Gefieder gehabt – „daran ist er gut zu erkennen“, so die Belgier. Und dürfte sicher zum Nachwuchs des Paares gehören, das im Süden Futter jagt.

Mehr Info und wichtige Websites

Zwei Besonderheiten finden sich in der niederländischen Provinz Flevoland im Osten der Binnenseen Ijsselmeer und Markermeer.

1. Die Oostvaardersplassen genießen den Sonderstatus Naturentwicklungs-Gebiet, liegen nahe Lelystad und Almere östlich von Ijsselmeer und Markermeer und gehören zum National Park Nieuw Land www.nationaalparknieuwland.nl Zu Natur und Naturmonumenten www.staatsbosbeheer.nl. Karten mit Wander- und Fahrradwegen www.ovpalmere.nl; www.visitflevoland.nl; www.holland.com

Lukullischer Tipp: Das Südtor zum Marschland nahe Almere markiert das Natuurbelevingcentrum de Oostvaarders mit Café und Restaurant; es ist geschmackvoll eingerichtet, hat gute Küche und 1a-Blick übers Naturschutzgebiet. Bei Lelystad ist das Nordtor am Buitencentrum Oostvaardersplassen.

2. Die einstige Insel Schokland lag in der östlichen Zuiderzee, wurde zum Festland und hat es zum UNESCO-Weltkulturerbe gebracht. Dazu gehörte ein Kampf ums pure Überleben. Von dem und anderem mehr erzählt das Museum Schokland www.museumschokland.nl; https://schokland.nl; www.visitnoordoostpolder.nl

Extratipp: das Waldmuseum Waterloopbos und die Wasser-Bollwerke

Man stelle sich die Zeit ohne Computer vor und wie damals Bauwerke entwickeln, durchplanen und testen. Das gilt gerade auch für die mächtigen Bollwerke gegen die Urgewalten des Meeres an den niederländischen Nordsee-Küsten, unter anderem die Deltawerke. Ingenieure schufen damals aufwendig Modelle, um reale Bedingungen zu simulieren und die angedachten Lösungen zu testen. Solche Anlagen sind heute noch zu bewundern – mitten in einem lauschigen Wald nahe Marknesse in Flevoland: der Waterloopbos. Allein dieses Deltagoot, das einem als erstes ins Auge fällt, wenn man den Park am sogenannten Proeflab Waterloopbos, dem Café und Restaurant, betritt.

Waterloopbos mit dem Deltagoot Foto Ulrike Wirtz
Das Deltagoot war Testanlage im Kampf gegen zerstörerische Fluten; heute ist es Teil eines Naturmonuments und als Kunstwerk namens Deltawerk auferstanden Foto Ulrike Wirtz

Das Deltagoot war als Versuchsanlage komplett unter Erdhügeln begraben, war 240 Meter lang, fünf Meter breit und sieben Meter tief. Wellen in Höhe von zwei bis zweieinhalb Meter konnten duch die Betonanlage gepeitscht werden, um die Sturmverhältnisse an der Oosterschelde zu simulieren und um so zu erarbeiten, welches Bauwerk robust genug dagegen war. Heute ruht hier still das Wasser.

Das ist der opulente Auftakt im Waterloopbos, der einst der Ort eines Freiluftlabors für High-Tech Wasserinfrastruktur war und heute den Status als Natuurmonument trägt, der idyllisch mitten im Wald liegt und zwar nahe Schokland. Das Monument und der Wald dazu stehen jedem offen und können allein erkundet werden. Oder es geht auf Tour mit Guides wie Hermann Schilt von der Organisation Natuurmonumenten. Der einstige Dozent führt zu den Anlagen, erklärt sie und weiß viel überdies zu Fauna und Flora im Bos zu erzählen. „Hier wurden die Häfen von Rotterdam nachgebaut und sogar die berühmten Deltawerke – in viel kleineren Maßstäben natürlich. Und seht hier das Moos. Im Bos wachsen mehr als 90 Moosarten und Hunderte Pilzarten.“

Das Freiluftlabor im jungen Polderland hatte die niederländische Regierung um 1951 einrichten lassen – auf 90 Hektar Land und ausgestattet mit einer Manpower von 300, 400 Ingenieur-Wissenschaftlern. Sie forschten und entwickelten Lösungen gegen Überflutungen und Erosion durchs Meer und bauten entsprechende Testmodelle für Wehre, Hafenanlagen und ähnliches mehr. Guide Hermann: „Ihr Know-how zu Wasserinfrastruktur war aber auch in der ganzen Welt gefragt. Wie auch noch heute. So bauten die Ingenieure unter anderem auch den Hafen von Bangkok um und simulierten ihr Konzept anhand eines Modells im heutigen Waterloopbos.“

Waterloopbos-Ingenieure bei der-Arbeit Foto vom Foto Ulrike WIrtz
Heute ist der Waterloopbos ein Naturmonument, früher war er ein Freiluftlabor; ein Foto von Ingenieuren bei der Arbeit Foto vom Foto Ulrike WIrtz

Es entstanden zudem Modelle für einen Hafen in Laos oder für Schleusenanlagen am Persischen Golf und sind heute als Zeitzeugen hoher Ingenieurskunst wie in einem Outdoor-Technikmuseum zu bewundern. Und dann kamen die Computer, die Simulationen erfolgten mithilfe von Software, die Modelle wurden nicht mehr gebraucht. Das Freiluftlabor im Wald schloss seine Pforten und ist nun als Ort einer spannenden Zeitreise wieder auferstanden.

Vom 13. bis 14. September ist Open Monumentendag in den Niederlanden – auch im Waterloopbos. Dann fahren manche Anlagen Tests wie zu ihren frühen Tagen. Details www.natuurmonumenten.nl

Alkmaar - Käsemarkt zwischen Grachten

Alkmaar – nicht alles Käse

Der historische Käsemarkt machte die nordholländische Stadt Alkmaar bekannt. Er hat Tradition seit 1622 und findet immer Freitag von Ende März bis Ende September statt. Aber Alkmaar bietet mehr, ob historische Leckerbissen oder Lukullisches, da Trendsetter Altes neu interpretieren. Drei Tage vor Ort lohnen, so lange kann das eigentliche Ziel warten: acht Kilometer westlich die Nordsee und kilometerlange Sandstrände, landeinwärts Wälder und Polder-Landschaft.  Lebensart-Reise war vor Ort.

Alkmaarer Käsemarkt

Mit ihren Strohhüten auf dem Kopf wirken die Männer auf den ersten Blick mediterran. Die Strohhüte kommen in Gelb oder Grün, in Blau oder Rot daher oder haben entsprechend fabrige Bänder. Die Männer haben aber nichts mit Spanien, Italien oder ähnlichen Mittelmeer-Ländern zu schaffen. Vielmehr rauschen die Hutträger mit ihren bunten Kopfbedeckungen und ansonsten in Weiß gekleidet über den Waagplein in Alkmaar, gelegen in Nordholland. Sie schleppen Käseräder auf Tragen hin und her. Seit 28. März ist nämlich wieder allwöchentlich am Freitagmorgen traditioneller Käsemarkt in Alkmaar – am gleichen Fleck seit gut 500 Jahren und heute das schöne alte Zentrum von Alkmaar mit seinen schmalen Gassen, malerischen Grachten und kleinen Häusern aus alt-niederländischer Zeit, mit Geschäften, Boutiquen, Lokalen und Wohnungen. Und mit einigen imposanten historischen Gebäuden.

Alkmaarse Kaasmarkt mit Waaggebow Foto Ulrike Wirtz 4255
Tradition seit mehr als 500 Jahren hat der Alkmaarer Käsemarkt. Ähnlich alt ist das Waagebow mit seinen großen Waagen drinnen Foto Ulrike Wirtz

Darunter das Waaggebow. Das Gebäude hat einen Turm, aber auch Tore, die an eine Markthalle erinnern. Aber drinnen warten große Waagen und sind seit 1582 in der Funktion im Einsatz. Damals bekam Alkmaar das offizielle Wiegerecht verliehen. Nur dass inzwischen die Tore des Waaggebow meist zu sind, weil das Wiegen von Amts wegen anders geht. Und dann tun sich alljährlich ab dem letzten Freitag im März jeden Freitagmorgen die Tore auf, öffnen den Blick auf die alte Tradition und ihre Rituale, auch die nicht Sichtbaren, mit denen das ganze seit einem halben Jahrtausend einhergeht.

Beim Alkmaarse Kaasmarkt nach alter Manier finden sich jeweils Hunderte, je nach Saison und Wetter gar Tausende Zuschauer ein – obschon sie bei diesem Markt nicht mal Käse kaufen können. Denn heute ist alles mehr Spektakel – zwischen zehn und 13 Uhr.

Kaesetraeger vor der Waage drinnen Foto Ulrike Wirtz 4405
Die Gilde der Käseträger besteht seit 1593. Die Käseträger haben einiges zu schleppen. Das tun sie im Angesicht ihres Schweisses for show Foto Ulrike Wirtz

Mit den Details dazu kennt sich einer der in weiß gekleideten Männer bestens aus: Daan Vrees und Träger eines gelben Huts. „Ich bin seit meinem 50. Lebensjahr Kaasdrager und nun 78. Aktuell haben wir rund 30 Käseträger jeden Alters. Alles nach wie vor Männer. Jeder hat einen Spitznamen. Meiner ist Jockey. Schleppen muss ich nicht mehr.“ Und was hat es mit den verschiedenen Hutfarben auf sich? Daan: „Die vier Farben stehen für die vier Gruppen unserer Käseträger-Gilde, die sich das Tragen teilen. So sind sie leicht zu erkennen und ihren Gruppen, den Veemen, zuzuordnen.“ Die Gilde wurde 1593 gegründet. Ihre Vorsitzenden führen die Bezeichnung Kaasvader, also Käsevater.

Väterliche Strenge und gewisse Hierarchie

Ihr  Präsident heuer ist Willem Boost und ebenfalls ein Senior der Gilde. „Manche Träger nennen mich kurz Paps.“ Er ist gut daran zu erkennen, dass er als Präsident einen 200 Jahre alten Stock hält – eine traditionelle Insignie des Amtes. Allerdings sind inzwischen die Gilden-Mitglieder Angestellte der Stadt, boten ihre Käseträger-Kunst schon ab und an als Show etwa in Japan oder England dar und gehen alle außer freitags von Ende März bis Ende September anderen Arbeiten nach.

Während Daan und Willem erzählen, geben die Männer mit den roten, grünen, blauen oder gelben Hüten alles. Die Käseträger arbeiten paarweise, haben sich dafür zusammen ein spezielles Geschirr mit Brett angelegt, auf welchem die Käseräder zu liegen kommen, und laufen so beladen emsig hin und her. Und das zwischen Waagplein, wo die Käse verteilt in schnurgeraden Reihen auf dem Boden liegen, und den Waagen im Waagebow, dann retour und wieder aufs Neue. Bis all der Käse auf wartende Lastkarren verladen ist. Und wehe, jemand von der Gilde kommt unpünktlich. Start ist je nach Einteilung für manche ab sieben Uhr, für andere ab 9.45 Uhr. Zehn Uhr geht es offiziell los.

Alkmaarer Käsemarkt - Daan Vrees mit Schandbord Foto Ulrike Wirtz 4362.jpg
Käseträger Daan Vrees ist seit über 20 Jahren Käseträger und genießt Respekt auch beim Führen des Schandbord Foto Ulrike Wirtz

Daan: „Wer sich verspätet, kommt aufs „Schandbord“ und zahlt zwei Euro. Die Käseträger zahlen das Doppelte.“ Er hält das Schandbord, das mit Kreide geführt wird,  hoch. Es liegt im Waaggebow im für die Gilde reservierten Raum. Hier können die Träger verschnaufen und Kaffee trinken. Denn sie kommen ganz schön ins Schwitzen: Jedes Käserad wiegt zwölf Kilo; jede Fuhre pro Geschirr hat sechs bis acht Räder, macht bis zu 100 Kilo pro Tour. „Alles in allem liegen draußen auf dem Platz 30.000 Kilo“, so Daan. „1920 etwa, noch zu Zeiten echter Markttage, waren es 130.000 Kilo.“ Damals herangebracht von den Bauern in Booten über die Grachten und Kanäle aus dem Umland.

Heutzutage wird vor allem Gouda geschleppt Foto Ulrike Wirtz  4310.
Nordhollands salzige Nordsee-Luft beschert dem hiesigen Gouda und dem Beemster tolle Aromen Foto Ulrike Wirtz

Zum emsigen Treiben gehören auch Männer mit weißem Hut, die fast nicht auffallen. Daan: „Das sind neue Käseträger, praktisch Lehrlinge.“ Und in blauen Jacken: „Die stapeln die Käseräder auf dem Waagplein und helfen beim Beladen der Tragen.“ Und braunen: „Die tragen den Käse nachher zum Karren.“ Und weißen Kitteln: „Die Qualitätsprüfer.“ Sie gehen auf dem Platz durch die Reihen, nehmen einzelne Käseräder auf Beschädigungen außen in Augenschein und entnehmen Proben mittels Stich des Käsebohrers ins Gelb.

Käse-Prüfer Eric Duijff Foto Ulrike Wirtz 4296
Auch Teil des Traditionsmarkts – Käseprüfer wie Eric Duijff testen die Ware Foto Ulrike Wirtz

Eric Duijff ist einer dieser Prüfer, erklärt, wie es geht: „Man sieht sich zuerst die Probe an, riecht dran, reibt sie zwischen den Fingern, riecht wieder dran und lässt sie auf der Zunge zergehen.“ Gesagt, getan. „Hmm, lecker, oder?“, fragt Eric und meint es eher rhetorisch.

Der heuer präsentierte Käse ist vor allem Gouda, dazwischen einige Räder Royaal by Beemster. Eric: „Die Böden in Nordholland waren immer schon und sind nach wie vor ideal für Viehzucht und Milchwirtschaft zur Käseproduktion. Daher entstand der Käsemarkt 1622 hier in Alkmaar als Zentrum des umliegenden Bauernlands.“ 35 Kilometer hinter Amsterdam. Um 1920 habe es hier oben 125 Käsereien gegeben. „Nun gibt es noch zwei große Produzenten. Beide stellen pro Tag zusammen 250.000 Kilo her – aus 2,5 Mio. Liter Milch.“ Die Firmen sind Lutjewinkel1916 sowie Cono, der Beemster-Käse macht. Gouda und Beemster aus Nordholland galten und gelten immer schon als besonders aromatisch. Eric: „Das liegt am salzigen Klima der Nordsee. Das macht das Gras in den Poldern besonders schmackhaft und damit die Milch und den Käse daraus.“ www.kaasmarkt.nl/de

Durch das historische Zentrum mit Tour-Guide Tineke Korver

Die waschechte Alkmaarerin verweist auf Schätze, Kleinode und Typisches, sei es schön, rar, historisch und/oder nicht direkt augenfällig. www.visitalkmaar.com/de/vvv-Touristeninformatie

1. Stopp: beim Waaggebow an der Zugbrücke Ecke Apelsteeg/Zijdam; die Brücke ist eine derjenigen, die mit Ketten gehoben und gesenkt werden und das von Hand. Dafür kommen eigens Hafenmeisterin oder -meister.

2. Stopp: das Wohnhaus von 1609 mit der Hausnummer 110 an der Gracht Luttik Oudorp nahe Kooltuin; es ist eines von Alkmaars 400 Baudenkmälern und ein Prachtexemplar in Sachen althergebrachter Treppengiebel.

Treppengiebel sind typisch alt-niederlaendische Architektur Foto Ulrike Wirtz 4636
Blick nach oben – der Treppengiebel ist ausgesuchte alt-niederländische Architektur Foto Ulrike Wirtz

Das heißt: Zum Giebel verjüngt sich das Haus auf seinen Seiten stufenartig, wird immer schmaler bis zum Dachfrist. Die Hausfront ziert ein Relief dreier Kochlöffel-Symbole. Die stehen für die Feinbäcker, die einst im Haus Backware produzierten und verkauften. Der Takelhaken am Dachfirst ist alt-niederländische Tradition, um Lasten in die oberen Etagen zu hieven, einst Getreidesäcke fürs Backen, heute Möbel etc.

3. Stopp: die Straße Kooltuin; sie steht für den Garten einst an Ort und Stelle und gehörte zu Schloss Torenburg, erbaut im 13. Jahrhundert und später demoliert. Es folgt die Ecke Zijdam/Achterdam, letzteres eine Mini-Gasse, die Polizei-Kameras überwachen, die auch anzeigen: Achtung, Beginn des Rotlichtmilieus.

Fertig für familiäre Grachtentouren Foto Ulrike Wirtz
Solche Boote sind ideal für familiäre Grachtentouren (siehe ganz unten) Foto Ulrike Wirtz

4. Stopp:  am Brückchen Platte Stenenbrug, Ecke Hatzelstraat/Oude Straat zur Verdronkenoord. Am Grachten-Ufer versammeln sich Restaurant-Terrassen, wo es sich sehr schön sitzt, weil das Wasser Frischluft mit sich bringt. Seitlich der Platte Stenenbrug stehen mehrere meterlange Steinplatten, die an Tische erinnern, weil restaurantartig eingedeckt. Hier war lange der Fischmarkt. Der bekam 1755 die Steinplatten, genannt Visbanken, um darauf das frisch gefangene Meeresgetier feilzubieten. 1882 kam ein Brunnen hinzu. Den Vismarkt gibt es lange nicht mehr. Stattdessen sind die Bänke inklusive Brunnen Rijksmonument und sind auch Teil des Lokals de Buren, das auch auf den Steinplatten Getränke und Essen serviert.

Einst Visbaken, heute Teil eines denkmals Foto_Ulrike_Wirtz 4655.jpg
Als hier noch der Fischmarkt war, waren das Visbanken. Heute sind sie Teil eines Restaurants, der alte Fischmarkt samt Brunnen Rijksmonument Foto Ulrike Wirtz

5. Stopp: die Synagoge an der Hofstraat 15-17; erstmals fertiggestellt 1844. Die Jüdische Gemeinschaft ist in Alkmaar seit dem 17. Jahrhundert verwurzelt, seit die Stadt sie aufnahm, weil sie andernorts flüchten mussten. 1940 kamen die Nazis in die Stadt, deportierten die jüdische Gemeinde und führten die Synagoge anderen Zwecken zu. Seit 2010 ist hier wieder die Synagoge einer wieder wachsenden jüdischen Gemeinde. https://alkmaarsesynagoge.nl

6. Stopp: die Molen van Piet; so genannt nach dem Familiennamen derer, die sie seit 1884 bewohnen. Ihr eigentlicher Name: Molen de Groot und erbaut 1769 als Getreidemühle genau auf der Stadtmauer. Sie war nur eine von zehn Mühlen, die auf dem Schutzwall von Alkmaar errichtet wurden, um besser den Wind einzufangen, und sie blieb als einzige übrig. www.molenvanpiet.nl

7. Stopp: in Sachen Rudi Carell am Munnikenbolwerk, ein Park an der Singelgracht im alten Alkmaar; hier steht seine Büste und lässt ihn übers Wasser zum Stadtteil Spoorburt blicken. Hier wurde der 2006 in Bremen verstorbene Show-Master, Sänger und Schauspieler 1934 geboren, wuchs hier auf und verzückte später in seinem Beruf die Deutschen mehr als die Holländer; das mit von ihm entwickelten TV-Shows wie „Am laufenden Band“ und „Verflixte 7“.

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Rudi Carrell – in Alkmaar geboren, in Deutschland zu TV-Ruhm gekommen, später auch in der Heimat geehrt Foto Ulrike Wirtz

Rudi Carell trat schon als Jugendlicher in die Fußstapfen seines Vaters André, ebenso Komiker und Conférencier von Beruf. Das war in Alkmaars Theater im damaligen Hotelsaal des „De Gulden Vlies“. Heute gedenkt Alkmaar seiner auch mit einem Rudi Carrell Plaats und einer Rudi-Carrell-Laan.

8. Stopp: das Stedelijk Museum am Canadaplein – daneben das Theater De Vest – im modernen Gebäude. Die sind rar im alten Alkmaar. Das Museum wartet mit Historie seit 1873 auf. In dem Jahr wurde das Stedilijk gegründet und ist damit eines der ältesten Museen Hollanda. Es zeigt alte und neue Kunst. „Alte“ Highlights: Werke aus und zu den Zeiten der Spanier in den Niederlanden – siehe unten. „Neue“ Highlights: Gemälde der Bergener Schule von 1915 bis 1925 und berühmt für ihren Hauch bereits von Expressionismus und Kubismus. https://stedelijkmuseumalkmaar.nl

Ausgestellt im Stedelijk Museum von Alkmaar - Künstler der Bergense Foto Ulrike Wirtz
Kunst der Bergense School im Stedelijk Museum Alkmaar – Foto Ulrike Wirtz

Sie heißt Bergense School, weil sich die Künstler seinerzeit in Bergen, ein Nachbarort von Alkmaar, einnisteten und den Austausch untereinander suchten.  

9. Stopp: die Laurenskerk, eröffnet 1518 als De Grote SintLaurenskerk. Ihren schlichten Namen führt die Ex-Kirche, seit sie 1996 entwidmet wurde. Seither ist die Laurenskerk angesagte Location für Events, Festivitäten und Ausstellungen. Ihr eilt ein Ruf voraus, als Konzertsaal sensationell zu sein; nämlich ob ihrer Hauptorgel, erbaut 1639 bis 1646, seither mehrfach restauriert und ein Instrument von Weltruf. Hinzu kommt die so auch genannte kleine Orgel, 1511 fertiggestellt und heute die älteste bespielbare Orgel der Niederlande. Ob beider Schätze finden sich regelmäßig international bekannte Organisten ein, um die Orgeln zu spielen.

10. Stopp: in der Laurenskerk das Fenster, das die Alkmaarer sich 2023 zum 450. Jahrestag der Befreiung von Spanien gönnten. Sie nennen es bedeutungsvoll Het Licht van de Vrijheid –  das Licht der Freiheit. Allein seine Größe: 23 Meter hoch und sechs Meter breit. Wunderbar ist sein gläsernes Spiel aus Farben und Licht. Dann die Handwerkskunst: Das Fenster wurde aus 214 einzelnen Feldern zusammengesetzt, die aus je 250 handgeschnittenen Glasstücken bestehen. Ein Geduldsspiel und eine Kunst, das alles zusammenzufügen. Das Design stammt von der Künstlerin Fiona Tan, gebürtig aus Indonesien und wohnhaft in Amsterdam. Zum Leben gebracht haben es die Derix Glasstudios, Glasmanufaktur seit 1866 in Taunusstein bei Wiesbaden. Die Spezialisten realisierten auch das 2007 eingeweihte Richter-Fenster des großen Gerhard Richter im Kölner Dom. https://hetgrooteraam.nl

Eine besonderer Erfolg, geschlagene Spanier und süße Belohnungen

Die Strohhüte vom Kaasmarkt haben nichts mit Spanien zu tun. Trotzdem hat es mit dem Land im tiefen Süden eine besondere Bewandnis. Daran erinnert die Stadt sogar mit einem besonderen Feiertag: der Alkmaar Onzet am 8. Oktober. Der steht nämlich für die Befreiung der Niederlande in toto im 16. Jahrhundert – nachdem die Spanier das Land an der Nordsee 80 Jahre unter ihre Knute zwingen wollten. Alkmaars Rolle: Hier setzte es für die Spanier die entscheidende erste Niederlage. Für Details geht es ins alt-ehrwürdige Rathaus: das Stadthuis, erbaut anno 1520 an der Langestraat und damit schon steinerner Zeitzeuge. Der Prachtbau in Gotik und ebenfalls Rijksmonument dient heute mehr repräsentativen Zwecken der Stadtoberen. So auch wenn Robert te Beest als Wethouder einlädt, da der große Feiertag der Stadt seine Schatten wirft.

Stadtoberer Robert Te Beest Foto Ulrike Wirtz 4202.
Stadtvertreter Robert Te Beest empfängt zum Anlass mit Victorientjes Foto Ulrike Wirtz

Rund um den besonderen Tag kredenzen Konditoreien etc. eigens eine süße Verführung: das Victorien-Gebak, liebevoll genannt „Victorientjes“, so auch von Stadtvertreter Robert te Beest. Er zeigt auf die Törtchen mit roter Fruchtmasse und Sahnecreme, schön auf Teller drapiert. Die verteilen sich über den antiken Holztisch, der den Prunksaal des Stadthuis ziert. Robert Te Beest freut sich sichtlich schon aufs Süße: „I love it.“ Die Törtchen sehen aber auch zu appetitlich aus, die Aussicht darauf lässt sichtlich bei allen am Tisch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Robert te Beest: „Am 8. Oktober feiern wir den Tag anno 1573, an dem die Bürger von Alkmaar die Spanier verjagten. Der Alkmaarer Sieg war der entscheidende Auftakt zur Befreiung der ganzen Nation.“ Die Besatzer hielten damals Holland im Griff bis zum hohen Norden, die Niederlande; so genannt weil die Region eigentlich unter dem Wasserspiegel liegt.

Der Stadtrat zeigt auf die Flagge an der Wand mit dem Stadtwappen. „Hier steht Alcmaria victrix. Das bedeutet die Siegreiche – wegen unseres Siegs.“ Man merkt, dass er die Story gern erzählt. Zumal die Bewohner, damals vor allem Bauern, plattes Land sozusagen, die Spanier durch eine List vertrieben haben, bevor seinerzeitige Topstädte es richten konnten. Die List hat damit zu tun, dass die Niederlande durch ihre Lage unterm Meeresspiegel je nach Regenmenge überflutet wurden. Wären da nicht die Deiche. Schon damals. Da war das zusätzliche System von Wasserläufen und von durch Windmühlen-Kraft betriebenen Pumpen, um das Wasser abzupumpen und zur Nordsee zu leiten, noch Zukunft.

Widerstand und Wasser los einst in Alkmaar

Robert Te Beest: „Die Spanier lagerten im Außenbereich von Alkmaar. Auf einmal drang en masse Wasser durch die Deiche, weil die Bürger sie genau in der Absicht durchlöchert hatten. Das Wasser überflutete den Lagerplatz der Spanier. Die machten sich am 8. Oktober davon.“ Zu den schon damals als top geltenden Städten, die erst später siegreich waren, gehörte etwa Leiden im Süden und wurde dafür seitens der Politik mit einer Universität belohnt. Die wurde 1575 gegründet, ist damit die älteste der Nation und genießt heute Weltruf. Die Bürger von Alkmaar haben ihren Stolz und das leckere Törtchen. Es schmeckt nach Himbeere, Erdbeere und dazu die Sahne – echt lecker.

Während die einen naschen, betont Stadtvertreter Robert te Beerst, ganz Tourismusförderer: „Unsere Region hat Strand, Wald und Käsemarkt. Grachten und Windmühlen. Die deutschen Gäste sind wichtig für Alkmaar, kommen zu Millionen nach Nordholland und tun das immer wieder – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Dann kommen sie mit den eigenen Kids.“ Stimmt, unsereins gehört in vierter Generation zu den Wiederholern, locken doch wenige Kilometer gen Westen die Nordsee und lange Sandstrände, landeinwärts der Polder mit Wiesen, Weiden, Wasserläufen, Windmühlen und kleinen Dörfern. Der wird bei Alkmaar das Land van Leeghwater genannt.

Einkehrschwünge … kulinarisch

Für langjährige Holland-Reisende gehört ein Schälchen Patate, wie Fritten auf Holländisch auch heißen, dazu; zudem Bitterballen und Kaaskroketten. Nach solchem Basisprogramm könnte es in Alkmaar wie folgt weitergehen, etwa im Restaurant Turfmarkt am Gracht-Ufer (Turfmarkt 11-23) mit Lounge-Charakter und guter Auswahl an Meeresfrüchten, Fleisch, Salaten und Alkoholischem. https://turfmarkt-alkmaar.nl

Oder im Restaurant Soepp, versteckt in einer Gasse (Hekelstraat 31) und voller Mobiliar der 1960er und 1970er Jahre. Es serviert vegetarische und auf Wunsch gluten- und zuckerfreie Küche; als Suppen, aber auch Burger vegetarisch und knackig-frische Salate. https://soepp.nl

Einfach speziell – das Restaurant Neder

Feine Küche, sehr individuell und seit letztem Herbst ausgezeichnet mit einem grünen Michelin-Stern gibt‘s im Neder von Brian Luikel (Laat 85) im 200 Jahre alten Ex-Weinkantor. Mit dem Grünen Stern ehrt die renommierte Organisation aus Frankreich international Restaurants, die anspruchsvoll kochen und zugleich nachhaltig wirtschaften. Indem sie zum Beispiel fachgerecht Reste kompostieren und im eigenen Bio-Garten verwenden wie das Neder. „Um beides kümmert sich meine Frau“, so Brian. „Wir haben uns alles selbst beigebracht. Ich bin an sich gelernter Filmemacher.“

Zwiebelgemüse à la Neder Foto Ulrike Wirtz 4758.
Schlicht und lecker eine Zwiebel als Gemüse à la Neder und fein serviert Foto Ulrike Wirtz

Bis er sich akribisch, leidenschaftlich und erfolgreich reinkniete in alte Kochmethoden und in die Auswahl regionaler Produkte. „Bei uns kommt alles nur vom heimischen Boden. Ich suche und sammele selbst im Umland in Dünen, Wäldern und Polder Wildkräuter, Pilze, Beeren etc.“

Das Neder und ein Amuse Bouche Foto Ulrike Wirtz 4716.
Das Neder arbeitet kreativ-nachhaltig; hier ein Amuse Bouche Foto Ulrike Wirtz

Speziell ist auch, dass Küchenchef Brian Gesammeltes und auch Überbleibsel vom Putzen von Fisch, Fleisch und Gemüse selbst in Essig oder Laktose fermentiert – für delikate Saucen oder späteren Gebrauch, da das Fermentieren gut konserviert. Brian: „Wie hier die kleingehackten Pilze, eingelegt in Salzlacke, serviert als Amuse Bouche.“ Oder Gemüsezwiebel mit Wildmajoran auf pürierten roten Beeten. „Das gart athergebracht in Lehm.“ Und zergeht köstlich auf der Zunge.

Neder-Chef Brian Foto Ulrike Wirtz
Neder-Chef Brian macht auch alkoholfreie Schnäpse selbst, auch die nur mit heimischen Ingredienzien Foto Ulrike Wirtz

Der Autodidakt: „Das sind alte Methoden, die wiederkommen, um nachhaltig zu kochen.“ Das Neder kredenzt nach Jahreszeit und Angebot wechselnde Menus, dazu nur Getränke von niederländischem Boden, daher keinen Kaffee, aber Weine und Schnäpse, letztere auch von ihm hergestellt, alkoholfrei und geschmacklich begleitet etwa von frischer Fichtennadel. Das herbe Aroma mundet fremd, aber gelungen. www.nederrestaurant.nl

Ganz alter Stil – das Sweets & Antiques

Einmalig ist hier das Süße – in Form selbst hergestellter Kuchen. Esther ist die Chefin des Hauses und Quereinsteiger wie Brian vom Neder. Sie wirbelt unübersehbar durchs Haus, da gewandet in ein rotes Kleid mit weißen Punkten wie Walt Disney’s Daisy. „Wir backen alles selbst und machen auch unseren Teig etc. selbst. Nach traditionellen Rezepten, ob Apfelkuchen, Schokoladentarte oder Sahnetorte mit Früchten, ob Waffeln oder diese Mini-Waffeln, genannt Poffertjes.“ Passend zum traditionellen Backen befinden sich Laden und Café im altehrwürdigen Gemäuer mit Anfängen im 16. Jahrhundert. Das Haus erscheint schmal wie ein Handtuch, schwupp, man wäre fast vorbeigelaufen (Hekelstraat 8).

Esther vor ihrem suessen Geschaeft Foto Ulrike Wirtz 5277
Lecker backen mit Tradition – Esther vor ihrem Geschäft Foto Ulrike Wirtz

So schmal von außen, so sehr eng von innen. Daher kann, wer möchte, alles auch „to go“ kaufen. Innen ist alles antik oder auf antik gemacht, das Licht gedimmt. Esther: „Meine Backkünste nahmen mit Plätzchenbacken ihren Anfang. Das war vor neun Jahren. Inzwischen wurde mein Apfel-Kirsch-Kuchen mehrfach preisgekrönt.“ Inzwischen wirkt auch Esthers Tochter Amber mit, die sich ob der Nachfolge ins erfolgreiche Business als Patissière ausbilden ließ.

Kuchen traditionell lecker Foto Ulrike Wirtz  5264
Die Qual der Wahl im Sweets Foto Ulrike Wirtz

Der Blick wandert genüsslich durch die Auslagen. Hmm, der Apfelkuchen kommt auch mit Nüssen, wie verführisch. Guten Kaffee servieren Esther und Tochter Amber auch. Aber auch verwöhnte Teetrinker bekommen Gutes. https://sweetsantiques.nl

Wohnen ganz anders

Wer sein Haupt ungewöhnlich betten möchte, ist im The Fallon Hotel richtig. Nicht weil es im Park am Stadtrand liegt, und es trotz ruhiger Lage nur knapp zehn Minuten per Fahrrad zum alten Zentrum sind. Vielmehr war der Komplex an der Prins Bernhardlaan einmal der Knast für Almaar und über die Region hinaus. Nun hängt ein Schild mit vier Sternen am Fallon Hotel außen. Nichts sieht auf den ersten Blick mehr aus nach Gefängnis, auch drinnen. Hier wartet eine geschmackvoll möblierte Lobby und das Restaurant mit Bar, das D’Àrret.

Hotel-Lobby des Fallon Foto Ulrike Wirtz 4099
Früher Knast, heute Vier-Sterne-Hotel: das Fallon, hier die Lobby Foto Ulrike Wirtz

In der Lobby steht auch Ineke Haan, eine Frau mit grauem, langem Haar, eher klein von Gestalt, nun in Rente und in ihrem Berufsleben 15 Jahre Wärterin in diesem Knast. Sie fungiert heutzutage ab und an als Guide. „Das Gefängnis hieß Schutterwei. Die Strafen reichten von sechs Monaten bis lebenslänglich. Hier saßen also auch echt schwere Jungens ein. Seit vier Jahren ist der Komplex ein Hotel und stand vorher zehn Jahre leer.“

Die Tour durchs Haus mit Ineke kann beginnen. Die große Frage: Wie muss man sich die Arbeit vorstellen, dass sie schwere Jungens beaufsichtigte? „Es herrschte eine Macho-Kultur. Aber bei den Mitwärtern, nicht bei den Insassen. Tagsüber waren 25 Wächter für 125 Häftlinge im Einsatz, nachts nur vier. Ich war die einzige Wächterin. Angst hatte ich keine.“

Guide Ineke, hier einst Knast-Wärterin  Foto Ulrike WIrtz 4144
Guide Ineke war Knastwärterin, als das Hotel Fallon noch Gefängnis war Foto Ulrike WIrtz

Andererseits zog sie Zuhause Kinder groß: „Der Job war schon belastend. Ich nahm, wie man so sagt, viel mit nach Hause.“ Im hinteren Bereich des Hotels schließen die Gänge zu den Gästezimmern an. Hier erinnert einiges an früher, ist von Architekten und Interior-Designern aber kunstvoll zum ansprechenden Ganzen für Hotelgäste zusammengefügt. Erhalten blieben lange Gänge, metallene Treppen zu den oberen Etagen, alles offen, übersichtlich und heute weiß gestrichen. Jenseits der Geländer die Zellen, heute die Gästezimmer. Inneke: „Pro Zimmer sind zwei Zellen zusammengelegt und die Zwischenwände zerlegt worden. Heute sind die Zimmer hell und schön möbliert. Gar kein Vergleich zu früher.“

Weiß sind auch die Türen zu den Gästezimmern, haben aber immer noch diese Klappen – „damit Wärter in die Zellen gucken, Essen anreichen oder Handschellen anlegen konnten. Die sind natürlich nun verschlossen“ (Ineke). Es gab auch Isolierzellen – „wir hatten genug Einsitzende, die psychisch ausrasten konnten“. Räume für Leibesvisitationen – „die fanden beim Einchecken statt und später auch, weil das Einschmuggeln von Drogen und deren Gebrauch immer Thema waren“. Ein Zimmer für die Treffen der Insassen mit ihren Anwälten  – „für vertrauliche Gespräche und Beratung“.

Hotel Fallon war einst ein Knast Foto Ulrike Wirtz 4090
Was dunkler Zellentrakt war, strahlt heute in Weiß und ist schick möbliert, auch hinter den Türen Foto Ulrike Wirtz

Heute ist von all dem nichts mehr zu sehen, bedauert Ineke: „Keine Zelle wurde im Original erhalten.“ Und wie war es mit Ausbrüchen? „Die gab es, gerade weil das Gefängnis alt war. Und versehentlich blieb mal eine Außentür offen, etwa an der Remise, wo Häftlinge draußen arbeiteten. Dann wurden die Ausbrecher nicht für den Ausbruch bestraft.“ Und was blieb ihr am meisten in Erinnerung? „Noch heute habe ich es nicht gern, wenn Leute in meinem Rücken stehen. Du siehst auch hier mit Euch, da stehe ich gegen die Wand.“ https://sheetz.nl/thefallonalkmaar/de

Weitere wichtige Info und Websites

Allgemeines: Auf der Website der Stadt finden sich Informationen zu allem Möglichen, was Gäste aus nah und fern wissen möchten. Im VVV am Waaggebow gibt’s auch persönliche Beratungen. www.visitalkmaar.com/de

Grachtenrundfahrt: Wer etwas Besonderes sucht, checkt außerhalb der Stadt ein bei Windmühlen-Müller Han Kuijper. Der startet mit alten Holzbooten (Foto oben) mitten im Grünen an seiner historischen Molen, fährt erst über Kanäle, dann durch Grachten bis hinein ins alte Alkmaar. Die Route führt durch die freie Natur, vorbei an weiteren alten Windmolen und Hausbooten. Es kommen neuere Wohnanlagen,danach folgen das alte Alkmaar und seine Grachten mit Zugbrücken oder Brückchen, unter denen das Boot so gerade durchpasst. www.ilovewindmills.com

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Arnheims nachhaltiger Kreativ-Kosmos

Kleidung und Wohnliches einzukaufen ist das eine. Noch dazu am gleichen Ort den Prozess des Entwerfens, der Materialauswahl oder Materialaufarbeitung mit zu erleben, das ist das andere. Solche Kreativ-Shopping-Events bei den Designern eröffnet Arnheim, die südholländische Stadt am Nederrijn nahe der deutschen Grenze. Denn hier am Sitz der tradierten Akademie der Künste ArtEZ wartet ein so auch heißendes „Modekwartier“ mit 60 Studios und Shops individueller Macher von Mode, Taschen und Wohn-Accessoires. Noch dazu mit Fokus auf Nachhaltigkeit – anders also als das, was als Fast-Fashion um die Welt kreist. Auch hat das Arnheimer Mode-Viertel so gar nichts von Glamour oder Exaltiertheit, wie beides der Branche oft zugeschrieben wird.

Vielmehr draußen relaxtes Flair, während sich drinnen in Sachen Mode gutes Design mit handwerklichem Können vereint. Die Besucher finden sich nämlich nicht weit von den Ufern des Nederrijn in einer typischen Alt-Holland-Beschaulichkeit wieder. Hier verteilt sich schön fußläufig das Modekwartier in einem Gewirr enger Straßen mit oft kleinen Wohnhäusern und kleinen Handwerksbetrieben aller Art wie typisch in Wohnvierteln. Das Flair verstärken Cafés und Restaurants wie das Goed Proeven im historischen Gebäude, in dem einst die Post residierte.

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Auch nachhaltig: neuer Zweck für altes Gebäude – Restaurant Goed Proeven im einstigen Postkantor (alle Fotos Ulrike Wirtz, soweit nicht anders vermerkt)

Das Modekwartier begann 2006 als Projekt zur Stadtentwicklung und wurde von der Politik gefördert mit dem Ziel, individuelle kleine Studios und Ateliers nahe Zentrum anzusiedeln. Das ist knapp 20 Jahre her und gelungen.

Designer-getrieben und nachhaltig-ambitioniert

Inzwischen ist das Kreativ-Quartier das ganze Jahr über busy und das gerade auch in den Wochen bis Weihnachten und alljährlich im Juni mit einem Monat voller Events zu Mode, Design und Kultur, genannt Modemaand. Um nur einige etablierte Fashion-Designer zu nennen: das Schneideratelier Aarden mit Mode für sie und ihn, das auch vegane Maßanzüge offeriert.

Veganer Anzug des Ateliers Aarden – sein Chef Erik Toenhake, gelernter Biologe, geht nachhaltige Wege

Oder Begane Grond mit den Studios Net-A und Angel Hard, die beide Neues aus Getragenem schaffen.

Begane Grond - zwei Ateleirs hinter einer Fassade Foto Ulrike Wirtz 4797.jpg
Begane Grond steht für die Macherinnen Annet Veerbeek und Mirte Engelhard

Oder das Studio von Elsien Gringhuis, die Hochwertiges zum angemessenen Preis in Kleinstmengen fertigt.

Modeschöpferin Elsien Foto Ulrike Wirtz 4735
Im besten Sinn klassisch – Modeschöpferin Elsien Gringhuis schafft Zeitloses

Oder Fraenck: Das Taschen-Studio schafft aus Gebrauchtem wie ausgemusterten Stoffen und Filzen von Möbelherstellern und aus Kunstleder schicke Handtaschen, Rucksäcke und Shopper. Das Studio ist als Vegan-Betrieb zertifiziert, daher eben nur Kunstleder.

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Fraenck macht schicke Taschen aller Art aus Kunstleder und Filz, also vegan

Studio Hul le Kes

Der Besuch im Studio Hul le Kes zeigt exemplarisch, wie in diesem kreativen Kosmos in Arnheim der besondere Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt wird. Unter der Marke Hul le Kes macht ein Männer-Duo Mode für „m/v/x“ und legt dabei Wert auf neue Paradigmen für ihre Kreationen. Das Duo sind Sjaak Hullekes und Sebastiaan Kramer; ersterer der kreative Part und das Gesicht nach außen, letzterer studierter Designer, zudem der Mann für Strategie und Zahlen.

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Das Duo hinter der Modemarke Hul le Kes – Sjaak (li.) und Sebastiaan Foto Scott van Kampen Wieling

Die zwei und ihr Hul-le-Kes-Team schaffen Nachhaltiges in minimalistischem Design, indem sie zum Beispiel aus ehemaligen Bettlaken hochwertige Hemden und Blusen schneidern oder aus einstigen Wolldecken Jacken und Mäntel für Herbst und Winter. Zudem fabrizieren sie Mode aus Kaschmir und Baumwolle für Kinder im Babyalter, machen aus Wollstoffen Taschen und Wohn-Accessoires, etwa Kissen. „Mehr als 95 Prozent unseres Materials diente zuvor anderen Zwecken“, so Sjaak von Hul le Kes.

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Mode made in Arnheim – ein Blick in den Hul le Kes-Flagship-Store Foto Scott van Kampen Wieling

Alles ist im internationalen Jargon der Branche up-cycling, also gute Qualität in Schnitt und Stoff – „with Focus on Character“, so Sebastiaan. Up-cycling heißt gerade auch: „Wir arbeiten bei den Bettlaken zum Beispiel nur mit altfranzösischem Leinen. Das finden wir in Holland und Deutschland und natürlich vor allem in Frankreich“, so Sjaak. „Und die Wolldecken sind handgemacht und kommen meist aus Holland.“ Das Duo setzt auf Klasse, kombiniert mit Nachhaltigkeit, so dass ihre Mode made in Arnhem im mittleren bis hohen Preis-Segment liegt.

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Sjaak zeigt, was bei Hul le Kes durch Up-Cycling entsteht – zum Beispiel elegant-rustikale Wolljacken

Unter der Modemarke Hul le Kes werden Kollektionen von der Tunika über Mäntel bis zu Kleidern, Röcken, Hosen und Tops entworfen und geschneidert. Ihre Größen reichen von null bis fünf, passen und getragen werden soll alles über Geschlechter hinweg.  Der Name steht zudem für Maßgeschneidertes nach Kundenwunsch, sogar mit eigenem Material der Kunden. Hul le Kes fertigt teils auch „made to order – das heißt, Stücke werden erst nach dem Kauf komplett nach Kundenwunsch gestaltet. So vermeiden wir Überproduktion und Wegwerfartikel“, so Sjaak.

Made in Arnheim für internationale Kunden

Das Duo zeigt seine Stücke international an renommierten Fashion-Adressen in Paris, Florenz und Düsseldorf und hat Handelspartner in Boutiquen von Rotterdam über Zürich bis Tokio und Kapstadt. Sie selbst verkaufen an Endverbraucher in ihrem Hul le Kes-Flagship-Store in einer einstigen Werkshalle in Arnheim und über ihren Online-Shop in Europa und bis nach USA. Und es gibt nicht jede Saison eine neue Kollektion. Zur Philosophie gehört, dass sie Materialien selbst umfärben und dabei experimentieren – „umweltschonend mit Naturstoffen, seien es Zwiebel, Nüsse und ähnliche Naturwerkstoffe“ (Sebastiaan).

Nachhaltig und mit Ethos bei der Arbeit

Überdies bieten sie Flick- und Änderungsservice an. Diese Arbeiten erfolgen im auf den ersten Blick überhöht genannten Recovery Studio. So heißt es, weil Recovery auch die Erholung von Menschen meint. Denn Sjaak und Sebastiaan setzen sich auch für soziale Komponenten ein, indem sie sozial Schwache, die etwa ein Burnout erlitten haben, im Handwerklichen anlernen. „Das geschieht bei uns als Safe Space. Das heißt, die Betreffenden arbeiten ohne Leistungs- und Termindruck“, so Sjaak, von Haus aus studierter Sozialarbeiter. „Dafür kooperieren wir mit anerkannten Sozialorganisationen. Das Soziale gehört zu unserer Philosophie von Nachhaltigkeit und Ethos.“

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Hul le Kes verwendet fürs Färben Naturstoffe

Um das Handwerklich-Individuelle jedes einzelnen Stücks der Modemarke Hul le Kes zu betonen, haben Sjaak und Sebastiaan ein originelles Markenschild erdacht. Das informiert zur Herkunft des Produkts aus ihrem Haus, enthält Angaben, woher sein Material kommt oder wann das Teil fertiggestellt wurde. Das Schild ähnelt optisch einem Pass – nur dass es an einem Bändchen am Produkt befestigt ist.

Sjaak mit Stoffen in  Schneiderwerkstatt_4512 Foto Ulrike Wirtz
Sjaak prüft Wollballen in der Schneiderei

Und was passiert, wenn jemand genug hat von seinem Modestück? Sjaak: “Der kann es uns zurückgeben. Wir machen wieder etwas Neues daraus, halten damit also den Lebenszyklus des Materials so langlebig wie möglich.“ 

Websites und weitere Info

Die Geschäfte und Studios liegen auf der gleichen Seite des Nederrijn wie der Hauptbahnhof Arnhem Centraal und sind von dort gut zu Fuß, per Bus oder Leihfahrrad erreichbar. Details zum Modekwartier und seine 60 Studios und Shops, zu Adressen, Anfahrt und Öffnungszeiten www.modekwartier.nl. Die quasi garantierten Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags; einige Geschäfte öffnen an weiteren Tagen.

Die genannten Studios/Ateliers: Aarden, Sonsbeeksingel 147, @aarden_responsible_wear; www.aarden.space. Begane Grond – Studios Net-A und Angel Hard, Klarendalseweg 476, www.net-a.nl. Elsien Gringhuis, Klarendalseweg 182, @elsiengringhuis, www.elsiengringhuis.com. Fraenck, Beekstraat 30, www.fraenck.com, @fraenck www. Hul le Kes, Wezenstraat 5, www.hullekes.com/hul-le-kes-store

Arnheim positioniert sich als Zentrum der Mode in Holland – auch durch die Initiative „Mode Partners 025“: eine Zusammenarbeit im Bereich Kreativer Kunst und Industrie von Museum Arnheim, Universität der Künste ArtEZ, Rijn Ijssel Creative Industry sowie State of Fashion und Fashion+Design Festivals Arnhem. Ihr Fokus liegt auf nachhaltiger und fairer Textilmode und Forschung und Entwicklung dazu auch auf internationaler Ebene https://stateoffashion.org.

Hoteltipp: das Fünf-Sterne-Hotel Haarhuis am Bahnhof, weil zentral gelegen und schick-relaxt bei Ambiente und Atmosphäre . Es wird gemanagt von Best Western und geht zurück auf das einstige Koffiehuis der Familie Haarhuis von 1918 am gleichen Ort.

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Nahe Bahnhof und relaxte Atmosphäre – das Hotel Haarhuis, hier die Lobby

Mit Rooftop-Bar Blou; mit der Wein- und Whiskey-Bar Storage im Keller; dem Restaurant Locals mit üppigem Kräutergarten, dem etliche klimatisierte Glas-Container als Gewächshäuschen dienen; und natürlich mit dem Café Hoek für Coffie und Patisserie. https://hotelhaarhuis.nl

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Van Gogh bekommt eigenen Nationalpark

Der neue Park ist eine Traumlandschaft im Süden Hollands in der Provinz Noord-Brabant – und eine Hommage an den weltberühmten holländischen Maler. Der wurde hier in einem kleinen Dorf geboren und entdeckte später hier seine Affinität zum Malen.

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Landschaft wie gemalt im neuen Van Gogh Nationalpark Foto Visit Brabant

Das geschah auf seinen langen Wanderungen durch die Natur und die Weiler. Zu Noord-Brabant gehört noch heute ein Potpourri ausgedehnter Wälder, Wiesen und Bäche und vitales Bauernland, gehören prächtige Landgüter und idyllische Orte. All das macht den Van Gogh Nationalpark aus und wird flankiert von den Städten S’ Hertogenbosch, Helmond, Eindhoven, Tilburg und Breda.

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Alte Kultur im neuen Nationalpark und Teil moderner Naturparkkonzeption – genannt Niewe Stijl Foto Visit Brabant

Im Gebiet warten 46 Van-Gogh-Denkmäler auf Erkundung und zeigen auf, wie der berühmte Vincent van Gogh seine Heimat, das Landleben und die Leute bei der Arbeit in den Feldern und andernorts erkundete und in seinen Werken verewigte. Auf Van Goghs Spuren – im neuen Van Gogh Nationalpark – lässt sich gut zu Fuß oder per Fahrrad auf insgesamt 435 Kilometer wandeln. Am Weg liegen Motive des Meisters, die er suchte und fand. Oder es geht zu lokalen Museen wie dem Noordbrabants Museum, das Originale des berühmten Malers ausstellt. Oder es gibt die Opwettense Wassermühle im Ort Nuenen zu bestaunen, die Van Gogh einst malte. Alles ist gut zu finden, denn die Attraktionen sind ausgeschildert, die Fiets-Routen und Wanderwege markiert. 

De Niewe Stijl als Gesamtkonzept

Aber der neue Nationalpark ist viel mehr als das. Die Verantwortlichen nennen das „Niewe Stijl“ und den neuen Park sein internationales Aushängeschild. Dabei geht es um Gesamtkonzepte von Gebietsentwicklungen, auf dass eine gute Lebensumgebung für Mensch, Pflanze und Tier entsteht.

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Blick aus der Vogelperspektive bis nach Eindhoven Foto Hans Avontuur

Das bedeutet konkret: Ein Park im neuen Stil besteht nicht nur aus Naturschutzgebieten und schöner Landschaft, sondern in seinem Umfeld sind Wirtschaft und Gesellschaft mit der Natur und der Biodiversität in Einklang zu bringen.

Alle Player in einem Boot

Einbezogen sind die wirtschaftliche Entwicklung, der Wohnungsbau und eine vitale Landwirtschaft. Das alles soll als Mehrwert Natur, Wasser und Vielfalt von Flora und Fauna stärken. Den ganzheitlichen Ansatz verfolgt das dafür zuständige Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei, Ernährungssicherheit und Natur, kurz LVVN, und involviert alle möglichen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen wie Unternehmen, Landwirte und Naturschutzorganisationen.

Beim neuen Van Gogh Nationalpark steht Niewe Stijl zum Beispiel dafür, das Gebiet bis in die Herzen der Städte in seinem Umfeld – siehe oben – zunehmend zu begrünen. Der neue Stil steht zum Beispiel dafür, im Einzugsgebiet des Van Gogh Nationalparks 1.000 Kilometer an Hecken, Teichen und Bäumen anzulegen, auch auf Bauernland, am besten in Kombination mit Wanderwegen, die auch über Bauernland führen dürfen.

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Des Wanderers Lust, zugleich Hommage an Van Gogh – der neue nach ihm benannte Nationalpark Foto Visit Brabant

Dieser grüne Faden wird sich durch alle Aktivitäten im Park und von dort bis in die Städte hinein ziehen. Das alles ist im neu ernannten Nationalpark Work in Progress. Doch schon jetzt können Besucher vor Ort Natur und Kultur genießen. 

Weitere Info und Websites:

Details zum neuen Van Gogh Nationalpark unter www.vangoghnationalpark.com sowie www.holland.com/de. Generelles zu Reisen in Brabant www.visitbrabant.de  

DDW 2024 -Dutch Design Week in Eindhoven Foto DDW24

Dutch Design Week in Eindhoven – 19.-27.10.24

Design-Metropole Eindhoven durch Campus und Historie Foto Ulrike Wirtz
Design-Metropole Eindhoven durch Campus und Historie. Gekonnt auch das architektonische Nebeneinander von alt und neu Foto Ulrike Wirtz

Der Anspruch der DDW an sich selbst ist hoch, getrieben durch die Design Academy Eindhoven, durch den High-Tech-Campus der Eindhoven University of Technology und durch die Tradition der Stadt mit ihrer Technik-Historie. Hier in der ländlichen Provinz Brabant in der Stadt Eindhoven hatte vor allem einst Philips seinen Sitz, entwickelte sich zum internationalen Elektrik- und Elektronik-Konzern und legte den Grundstein für den heutigen Status als High-Tech- und Design-Schmiede. An Philips erinnert manches, am sichtbarsten das Klokgebow, eine frühere Werkshalle von Philips. Denn nach wie vor thront von weithin sichtbar auf dem Gebäude das Firmen-Logo, darunter die alte Uhr; und beides scheint über das einstige Werksgelände rundum zu wachen, auf dem nun Wohnungen entstanden sind und entstehen, flankiert von schicken Shops und Lokalen. Das alles bildet den trendigen Distrikt namens StrijpS. Und genau hier hält die DDW ihre neuntägige Veranstaltung ab, auch in den Hallen des Klokgebow.

Klokgebouw - einst  Werkshalle mit Uhr von Philips, heute ein Zentrum der DDW als Show-Room und mehr Foto Ulrike Wirtz
Klokgebouw – einst Werkshalle von Philips, heute ein Hot Spot der DDW als Show-Room und mehr Foto Ulrike Wirtz

Zu den Besuchern gehören alljährlich neben interdiszplinären Design-Profis deren Berufsorganisationen sowie privat an künftigem Design Interessierte. Ihnen präsentieren sich moderne Form- und Function-Lösungen und neue Denkschulen. Dabei geht es der DDW ausdrücklich auch um eine bessere Zukunft und den dafür nötigen Wandel. Hier einige Beispiele von Programmpunkten, was es zu sehen und zu entdecken gibt: zum Beispiel unter dem Punkt Living Environment innovatives Mobiliar und Installationen für den Garten, hergestellt aus recyceltem Abfallmaterial. Oder unter dem Punkt Thriving Planet eine Kooperation zwischen Designer und Natur, um dem urbanen Hitzestress zu begegnen. Oder unter dem Punkt Pokka eine Chrom-Kreatur, die aufzeigt, wie sich die menschliche Verbindung aus digitaler Welt und evolutionärer Empathie fortentwickelt.      

Weitere Info und Websites:

Zur Dutch Design Week https://ddw.nl

Übernachtungstipp: das Hotel Pullman Eindhoven Cocagne in zentraler Lage mit angesagter Bar, schickem Interieur und gutem Service. https://www.pullman-eindhoven-cocagne.com

Lokaltipp: das frühere Energiehaus von Philips und nun das für seine französisch-deutsche Küche bekannte Restaurant Radio Royaal. Sein Ambiente ist Industrie-Design pur der alten Zeit, verteilt auf 1300 Quadratmeter. https://radioroyaal.be

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Gut essen, wo einst Energie erzeugt wurde – Restaurant Radio Royaal nahe Klokgebouw Foto Ulrike Wirtz

Was noch mehr: Eindhoven bietet Kultur und Shopping, auch jenseits des Department Store de Bijenkorf an der Piazza 1 in Downtown. Allein die Fassade des modernen Gebäudes in kunstvoller grüner Keramik lohnt den Besuch, gilt sie doch als ein Wahrzeichen der Stadt und als Symbol moderner Architektur. Drinnen hält der Bijenkorf hochwertige internationale Marken an Mode, Kosmetik etc. vor.

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Mit grüner Keramik-Fassade1962 errichtet als Symbol der Moderne – das Warenhaus de Bijenkorf Foto Ulrike Wirtz

Weitere Details, was die Stadt alles bietet unter www.thisiseindhoven.nl

Ikone der Ingenieurkunst - der Afsluitdijk und sein Schöpfer Cornelis Lely_Foto Merel Tuk.jpg

Niederlande – Großprojekt Fischwanderung

Vismigratierivier NL als weltweites Pilotprojekt

Chris Bakker ist in seinem Element, wenn er über sein Großprojekt am Afsluitdijk im Norden Hollands spricht. Der Abschlussdeich wehrt brachiale Flutwellen der Nordsee ab, seit er 1932 am Übergang von Nordsee und Zuiderzee, damals eine Ausbuchtung der Nordsee gen Süden, gebaut wurde. Mit dem Damm wurden Nordsee und Ausbuchtung getrennt, die Zuiderzee wurde Binnensee und umbenannt in Ijsselmeer. Das Ziel des neuen Projekts: „Wir bringen die Fischwanderung zurück, wie sie vor dem Bau des Afsluitdijk war“, so Bakker. Das Projekt heißt Vismigratierivier NL und ist ein Projekt der Provinz Friesland. Und Chris Bakker, Direktor der friesischen Naturschutzorganisation IT Fryske GEA, verantwortet das Vorhaben.

Chris Bakker wacht als,  ökologischer Porjektmanager über die neue Fischwanderhilfe am Afsluitdijk Foto Merel Tuk
Chris Bakker wacht für die Naturorganisation IT Fryske GEA über die neue Fischwanderhilfe am Afsluitdijk Foto Merel Tuk

Durch den Vismigratierivier NL sind auch die Fische wieder in ihrem Element. Das wortwörtlich und zwar konkret Aale, Lachse, Flundern, Meeresforellen, Stichlinge, Störe und weitere Arten. Denn die sind durch die Evolution „Wandervögel“. Das heißt: Sie wechseln zwischen Salzwasser – Meer – und Süßwasser – Flüsse und Seen – hin- und her. „Für diese Fische haben wir einen Wasserweg mitten durch den Afsluitdijk gebaut, damit sie wieder wandern können – von der Nordsee pbers Wattenmeer ins Ijsselmeer und in die verbundenen Flüsse wie Rhein und Maas und retour.“ 250 Mio. Fische, so Bakker, werden pro Jahr den Weg machen.

Wanderfische kamen 90 Jahre nicht von der Nordsee ins Ijsselmeer und zurück  Foto Ulrike Wirtz
Die meisten Wanderfische konnten 90 Jahre nicht mehr von der Nordsee ins Ijsselmeer und zurück schwimmen, weil der Afsluitdijk das verhinderte Foto Ulrike Wirtz

Initiatoren des Vismigratierivier NL sind neben der IT Fryske Gea etwa Waddenvereniging, NetVis Werk oder Sportvisserij Nederland. Finanziers unter anderen die Provinzen Friesland und Nord-Holland, der Waddenfonds, die nationale Postcode Loterij etc. Realisiert wird das Naturprojekt im Rahmen eines Gesamtprojekts rund um den Afsluitdijk, für den das Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft bzw. seine Organisationseinheit Rijkswaterstaat zuständig ist, die auch weitere Wassermanagement-Bauwerke betreut

Aale, Lachse und andere Fische brauchen Salz- und Süßwasser für Leben und Fortpflanzung

Die Kosten des Gesamtprojekts: 55 Mio. Euro. Dazu gehört De Nieuwe Afsluitdijk mit baulichen und technischen Maßnahmen am Bollwerk, um es für den Klimawandel und damit einhergehende höhere Wasserstände fitzuhalten. Etwa in Form eines neuen Rolltors von 52 Meter Länge, das als zusätzliche Absicherung ausfährt, wenn von der Nordsee immer mehr Wassermengen Richtung Ijsselmeer drücken.

Für paradiesische Zustände wie vor den 1930er Jahren steht der neue Vismigratierivier NL Foto Merel Tuk

Der Grund für das ökologische Projekt der Provinz Friesland: Die Migration der Wanderfische hat der Afsluitdijk seit gut 90 Jahren größtenteils bis ganz verhindert – mit Folgen bis in die Anrainer-Staaten Deutschland und Schweiz, wo bekanntlich der Rhein entspringt. Wirkt das Bauwerk nicht mehr als derartige Barriere, passiert alles wie früher: Die Wanderfische leben in der Nordsee, aber laichen im Süßwassergefilde Ijsselmeer und den verbundenen Flüssen. Ist der Nachwuchs groß, schwimmt er wie die Eltern zurück in die Nordsee, lebt dort. Wandert zum Laichen retour ins süße Nass, wenn geschlechtsreif. Experte Bakker: „Ein Zyklus von Fortpflanzung und Fortbestand, den der Afsluitdijk jäh unterbrach.“

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Präsentation zur Lage am Afsluitdijk ohne Vismigratierivier NL (li.) und mit (re.) Foto Ulrike Wirtz

Der Zyklus lebt nun also wieder auf. „Das ist positiv für den Naturschutz, die Berufsfischer und die Hobbyangler“ (Bakker). Zumal das Süßwasserrevier nun größer sei. Das Ijsselmeer ist nämlich Süßwasser pur, seit es nur noch von Flüssen und Regen gespeist wird, seit der Damm Wattenmeer und Nordsee aussperrt. So wurde es zum größten Trinkwasserreservoir weit und breit. Der Ökologie-Manager: „Wir hoffen, dass die Fische auch wieder in den Rhein nach Deutschland und bis in die Schweiz wandern.“

Bei Planung und Bau des Bollwerks gegen die Fluten damals musste jedoch das „ökologische Desaster“, wie Bakker die Folgen der Barriere für die Fischwelt benennt, zurücktreten. „Auch nahm man in Kauf, dass mangels Fischwanderung Tausende Fischer ihren Job verloren.“ Aber keine Frage, so Bakker: „Der Afsluitdijk ist und bleibt ein Wunder der Technik, auf das man zurecht stolz ist.“

Nordsee hie, da Ijsselmeer und mittendrin das Bollwerk Afsluitdijk  mit Autobahn on top Foto Merel Tuk_  2024 140.jpg
Nordsee mit Wattenmeer rechts, Ijsselmeer links – früher bauten sich hier desaströse Flutwellen auf, bis das Bollwerk Afsluitdijk entstand; inzwischen mit Autobahn on top Foto Merel Tuk

Sein Hauptzweck als Damm ging und geht vor und ist erreicht: den Fraß durch stürmische Nord- und Zuidersee am Land zu stoppen und Tausende Todesopfer in Folge von Überflutungen wie einst zu verhindern. „Das war umso wichtiger, da viel Land der nördlichen Niederlande sogar einige Meter unter dem Meeresspiegel liegt“, so Hans Boogert, verantwortlicher Ingenieur für den Afsluitdijk beim Rijkswaterstaat bis zu seinem Ruhestand und weiter am Bollwerk zu Diensten.

Schon in den Jahrhunderten vor dem Dammbau versuchten die Holländer in ihrem Norden, das immer wieder überflutete bzw. unterm Meeresspiegel liegende Land mit kleinen Deichen, Kanälen und Windmühlen trocken zu halten und trocken zu legen. Und haben so schon viel neuen Grund und Boden dazugewonnen: die Polder. Dann wurde von 1927 bis 1932 der Afslutidijk zwischen den Gemeinden Den Oever im Westen und Harlingen im Osten gebaut und verbindet seither die Provinzen Friesland und Nord-Holland. Dafür die treibende Kraft: Ingenieur Cornelis Lely, damals Minister für Wasserwirtschaft. Ganz Ingenieur stellt Boogert klar: „Der Afsluitdijk ist fachlich gesehen ein Damm, da er Wasser von Wasser trennt und nicht Wasser von Land wie ein Deich.“

Die Lorentzsluisen sorgen seit 1932 für die Passage der Schifffahrt von Nordsee ins Ijsselmeer Foto Merel Tuk_ 2024 113.jpg
Die Lorentzsluisen besorgen seit 1932 die Passage der Schifffahrt zwischen Nordsee und Ijsselmeer Foto Merel Tuk

Und nennt einige wenige Daten zum Bollwerk: 32 Kilometer lang, an seiner breitesten Stelle 90 Meter, an der höchsten 7,8 Meter. Er bietet Platz für die vierspurige Autobahn A7 plus Rad- und Fußgängerweg. In zirka seiner Mitte wurde die Arbeitsinsel Kornwederzand künstlich angelegt. Hier verrichten auch die Lorentzsluizen ihre Arbeit als die Nordsee, Wattenmeer und Ijsselmeer verbindenden Schleusen für die Schifffahrt, ob Berufsschifffahrt oder Hobbysegelyacht.

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Wissenschaft für sich – Tests, wie Fische den neuen Weg durch das Ijsselmeer finden Foto Ulrike Wirtz

Nun also der neue Vismigratierivier NL, der außer Ökologie-Know-how auch ausgefeiltes Statik-Können in Sachen Wassertechnologien erfordert. Denn auch das ist keine Frage, so Ingenieur Boogert: „Für den Wasserdurchlass zugunsten der Fische mussten wir den Damm an einer Stelle dauerhaft öffnen. Ganz entgegen seiner ureigenen Aufgabe, dicht zu halten. Dass der Damm bei der Öffnung nachgeben könnte, hat mir schlaflose Nächte bereitet. Als konkret die Bohrung der Öffnung anstand, dachte ich, nicht dass ausgerechnet jetzt ein Jahrhundertsturm kommt. Aber alles hat geklappt.“ Nach Vorbereitungen seit 2011 mit Berechnungen, Modellierungen, akribischer Planung der Bauarbeiten und ihren Durchführungen.

Nun ist es vollbracht: Der Damm bekam eine Öffnung über eine Breite von 15 Meter, damit Süßwasser aus dem Ijsselmeer wie ein Kanal schnurgerade durch die Öffnung zur Nordsee fließt, wenn deren Wasser sich wegen Ebbe zurückzieht. Boogert: „Den Durchfluss steuert der Rhythmus der Gezeiten. Alles geht ohne Pumpen.“ Das geschieht 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Es sei denn, so Boogert, es kommt Sturm auf und könnte Salzwasser ins Ijsselmeer drücken. Das darf nicht passieren, weil das Ijsselmeer – siehe oben – die Region mit Trinkwasser versorgt. „Damit das nicht geschieht, schließen wir die Öffnung vorsorglich auf Zeit durch zwei neue Schotten. Die Schotten bzw. Schieber sind sechs Meter hoch und aus innovativem faserverstärktem Kunststoff angefertigt. Dadurch sind sie leichter im Handling und rostfrei.“

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Wissenschaft für sich – Modellierungen, wie der Vismigratierivier NL im Ijsselmeer die Gezeiten von Nordsee und Wattenmeer nutzt Foto Ulrike Wirtz

Im Ijsselmeer verläuft der Wasserstrom als Teil des Wanderwegs wie ein mäandernder Fluss – als eine Art Korridor für die Fische – von 4,5 Kilometer Länge. Soll heißen: Er fließt in großen Schleifen durch das Ijsselmeer bis zum Afsluitdijk und dann geradeaus durch die Durchflussöffnung. Bakker: „Durch die Länge bekommen die Fische Zeit, um sich vom Salzwasser ans Süßwasser und umgekehrt anzupassen.“ Überdies ist die reine Durchflussöffnung im Damm in zwei unterschiedlich breite Öffnungen aufgeteilt – quasi in zwei Schwimmbahnen fürs Hin und Her: Die eine ist für die starken Schwimmer unter den Wanderfischen wie Aal, Lachs oder Renke bestimmt.

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Loch im Damm für zwei Schwimmbahnen – eine schmale und eine breite, damit die großen wie die kleinen Fische ihren Weg machen können Foto Ulrike Wirtz

Die andere ist sichtlich schmaler und der Weg für schwache Schwimmer wie Glasaal, Heilbutt oder Stichling. Die Kleinen werden unterstützt durch die stärkere Wasserströmung, die der schmale Durchfluss erzeugt – ist also eine echte Wanderhilfe. Wenn man das alles hört und sieht, wird einem klar, dass auf Seiten der Ökologen ebenso jede Menge Analysen, Modellierungen etc. für den Vismigratierivier NL erforderlich waren. Zumal er ein Pilotprojekt bezüglich Biodiversität und technischen Möglichkeiten ist, an dem international Interesse besteht. Bakker: „Erstmals wird nämlich solch ein Fluss in einem Gezeitenrevier angelegt. Noch dazu genau auf der Grenze von Salz- und Süßwasser. Er gilt als wegweisend, wie Wassermanagement und Naturschutz Hand in Hand funktionieren können. Und wie auch die Fischerei profitieren kann.“

Wassermanagement und Naturschutz gehen Hand in Hand

Und das alles gerade auch, indem hydraulische Ingenieurskunst und natürliche Ingredienzien gekonnt austariert werden: sprich Wasserhöhen von Flüssen, Ijsselmeer und Nordsee, die Gezeiten des Meeres und das Wetter. Und natürlich weil den Wanderfischen der kraft Evolution erzeugte Drang nach Süßwasser nach wie vor in der Nase sitzt. Hin- und  herwandern am Afsluitdijk – das versuchten sie nach dem Dammbau daher zwar auch weiterhin, kamen von der Nordsee aber 90 Jahre nur bis zum Afsluitdijk und standen hier quasi vor verschlossener Tür.

Vogelschwärme lauern im Schwarm vor dem Damm auf fette Beute  Foto Ulrike Wirtz_3704.JPG
Vogelschwärme lauern bisher erfolgreich vor dem Damm auf leichte Beute Foto Ulrike Wirtz

Das war umso übler, weil die fischfressende Vogelschar das ausnutzte, sich auf die vergeblich vor dem verschlossenen Afsluitdijk wartenden Fische stürzte und verspeiste. Da half es nur wenig, dass sich die Schifffahrtsschleusen tagtäglich öffneten. Bakker: „Hier schafften es nur die stärksten Schwimmer unter den Fischen ins Ijsselmeer und die Flüsse und wieder zurück. Das alles kommt nun wieder ins ökologische Gleichgewicht.“ Dazu gehört auch, dass die Fischereiboote sich nun nicht einfach am Vismigratierivier positionieren dürfen, um fette Fänge zu machen. Bakker: „Das verhindert eine Bannmeile um die entscheidenden Stellen.“

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Gekonnt den Afsluitdijk durchbohrt, damit Aale, Lachse etc. wieder wandern können – als Schmuck am Gelände in 3D und im Wasser schwimmend in Natur Foto Ulrike Wirtz

Und warum ist die Öffnung des Damms um einige Meter breiter, als es der Durchfluss für die Fische ist. Bakker und Boogert unisono: „Damit Besucher ebenfalls durch den Damm wandern können wie die Fische.“ Das geht entlang der Schwimmbahnen der Fische. Also los. Zunächst auf Kornwederzand zum Wadden Center mit Museum, Restaurant und Toppblick auf das Ijsselmeer zur einen und Wattenmeer und Nordsee zur anderen Seite. Weiter über eine Plattform zu einer Treppe. Hier fällt der Blick auf das neue Stück Mauerwerk mit Fischsymbolen, die wie eine Statue in Stein gemeißelt sind (Foto oben).

Nun die Treppe hinab – da sind die Wanderfische ganz in ihrem Element. Aber auch die Ökologen nutzen die Infrastruktur – „für Studien, indem wir die Migration beobachten, welche Fische wann genau wie weit wandern. Wir können daraus wichtige Erkenntnisse ziehen“, so Bakker. Und ist ganz in seinem Element.  

Websites und wichtig zu wissen

Der Projekt Vismigratierivier NL wird 2026 komplett fertig gestellt sein, schon jetzt sind geführte Touren möglich. Ausführliche Info zum Projekt www.vismigratierivier.nl. Touren per Boot oder zu Fuß anzufragen über das Waddencenter https://afsluitdijkwaddencenter.nl; zur Naturschutzorganisation Fryske Gea www.itfryskegea.nl

Details zum Abschlussdeich https://theafsluitdijk.com; zum Waddencenter www.visitwadden.nl.

Das Wattenmeer gehört zum Unesco-Weltnaturerbe und umfasst das Gebiet vom niederländischen Festland bis zur Außenseite der Watteninseln. Dann erst beginnt streng genommen die Nordsee.

Das Waddencenter steht auf Kornwederzand und ist Startpunkt der Touren Foto Merel Tuk.2024 96.jpg
Das moderne Waddencenter auf Kornwederzand Foto Merel Tuk

Allgemeines zum Reiseland Holland www.holland.com; www.visitnetherlands.com @visitnetherlands #visitnetherlands

Wein und Austern auf Texel

Texel: Weinlese, Austern und Bockbier

Sobald der Herbst auf der Insel Texel einzieht, beginnt eine Zeit der besonderen Gaumenfreuden. Die niederländische Watteninsel lädt dann zur Verkostung ihrer kulinarischen Highlights ein. Seit 2005 ist auf Texel das Weingut De Kroon van Texel beheimatet. Neben Wein und Bier locken frische Austern zum Selbersammeln. Die westfriesische Nordseeinsel Texel gehört zu den beliebtesten Tourismuszielen der nördlichen Niederlande.

Wein vom Watten-Winzer und Bockbier auf Texel

Auf rund drei Hektar Grund produziert Winzer Jan-Jaap Kroon hier jährlich bis zu 6.000 Liter Weißwein, Rosé und Rotwein. Hier erfährt man alles über die Traubensorten, die Weinproduktion und die besonderen Herausforderungen des Weinanbaus auf Texel, inklusive Verkostung.

Weine auf Texel
Weine auf Texel

Neben den edlen Tropfen ist Texel aber auch die Heimat der kräftigen Gerstensäfte. Ganze fünf Brauereien zählt die Insel mittlerweile, die pünktlich zum Herbst mehrere besondere Bockbiere im Programm haben. So trumpft zum Beispiel die Brauerei Texels mit dem „Texels Bock“ auf, das bereits mehrfach Gold als bestes Bockbier der Niederlande erhielt.

Texeler Bockbier
Texeler Bockbier

Die Brouwerij TX produziert mit dem „TX Steambock“ das weltweit erste Bockbier, das nach Dampfbier-Methode (steam beer) gebraut wird und ein besonderes Röstmalz-Bouquet auszeichnet. Von der Tesselaar Familienbrauerei stammt der ebenfalls prämierte „Slufterbok“. Dann der exklusive “Skeepebock” (dt. Schafbock) der kleinen Brauerei „De Boei” – er ist limitiert und ausschließlich vor Ort vom Fass erhältlich.


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Austern zum Selbersammeln

Egal zu welchem Getränk: Als besondere Begleitung gelten im Herbst Texeler Austern. Sie gibt es auf der Insel jedoch nicht nur in speziellen Feinkostläden zu erstehen. Vielmehr kann sie jeder – ausgestattet mit Gummistiefeln und Eimer – direkt vor der Küste selber sammeln gehen. Dieses einmalige Erlebnis ermöglichen rund ums Jahr Ausflüge zu den Texeler Austernbänken. Natürlich inklusive Verkostung und ein paar raffinierter Tipps für ihre Zubereitung.

Austern selber sammeln auf Texel
Austern selber sammeln auf Texel

Schlemmerfestival im Herbst

Wer sich einen Überblick über die kulinarischen Köstlichkeiten der Insel verschaffen möchte, der ist bei Texel Culinar an der richtigen Adresse. Das dreitägige Schlemmerfestival findet alljährich am letzten September-Wochenende auf der Dorpsstraat in De Koog statt. Küchen-Crews aus allen Teilen der Insel präsentieren ihre Kochkunst in Form kleiner Gerichte, die überwiegend aus lokalen Produkten gefertigt sind. Der perfekte Startschuss also für den kulinarischen Insel-Herbst.

Websites und weitere wichtige Info

https://www.teso.nl/de/ ; Website https://www.texel.net/de/ ; Texel Culinair

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Van Gogh in Drenthe – Reise auf seinen Spuren

Vor 140 Jahren im Herbst reiste Vincent van Gogh ins ländliche Drenthe im Nordosten der Niederlande. Auf speziell markierten Van-Gogh-Routen kann man ihm durch Drenthe nachspüren und seine Motive in Natura bestaunen. Sie führen durch die herbstliche Holland-Idylle unserer Zeit, durch kleine Dörfer, vorbei an ruhig gelegenen Gehöften und durch besondere Natur. Was die Spurensuche aktuell besonders reizvoll macht: Van Gogh’s Gemälde aus und über Drenthe sind gerade im Drents Museum in Assen ausgestellt und wurden faür eigens aus aller Welt hierhergebracht.

20 Werke – zusammengetragen aus aller Welt

Als Vincent van Gogh am 11. September 1883 in den Nordosten seiner Heimat reiste, lagen seine weltberühmten Landschaftsbilder in den leuchtenden Farben der Provence noch in der Zukunft und sollten erst ab 1888 in Südfrankreich entstehen. Wie der Niederländer und spätere Meister der Moderne im Herbst 1883 die ländliche Provinz Drenthe wahrnahm und malte, das zeigt aktuell das Drents Museum in Assen, beschauliche Verwaltungsstadt der nach wie vor ländlichen Provinz. Das Museum stellt gut 20 Werke Van Gogh‘s aus: Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen – alle mit Motiven aus der Region und auf seiner Reise geschaffen. Das Drents Museum hat sie zum 140. Jahrestag der Reise eigens zusammengetragen und präsentiert sie bis 7. Januar 2024.

Weltberühmter Maler, weltberühmte Kollegen

Fast alle Werke kamen als Leihgaben aus aller Welt in die Provinz, so Annemiek Rens, die Kuratorin der Ausstellung. „Sie stammen aus Museen und Privatsammlungen. Die Arbeiten an der Ausstellung dauerten einige Jahre.“ Eigens nach Assen geholt wurden auch die gezeigten renommierten Zeitgenossen, die wie Van Gogh hierher an die Grenze zu Niedersachsen reisten – vor oder nach ihm – um zu malen, um wie er Natur und Menschen zu verewigen.

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Besondere Natur heute, wie sie schon Van Gogh gefiel Foto Ulrike Wirtz
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Alt-holländische Kate mit Riet-Dach, wie sie noch heute gefällt Foto Ulrike Wirtz

„Die außergewöhnliche Landschaft und das Licht zogen sie an“, sagt Kuratorin Rens. So etwa den Deutschen Max Liebermann oder die Niederländer Anton Mauve und Herman van der Weele. Der Titel der Ausstellung lautet schlicht „Op reis met Vincent“.

Dabei war der Trip, der bis 5. Dezember 1883, also rund drei Monate, dauerte, für ihn und die Kunstwelt besonders bedeutsam. Das sei der breiten Öffentlichkeit unbekannt, betont die Kuratorin: „Van Gogh entschied sich hier im abgelegenen Drenthe final dazu zu malen.“ Das ist in seinen Briefen aus der Zeit vor Ort an seinen Bruder Theodore nachzulesen. Kopien davon stellt unter anderem das Van Gogh Huis in Nieuw-Amsterdam aus, ein Provinz-Dorf 40 Kilometer südlich vom Drents Museum und ein spezieller Ort auf seiner Reise.

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Für Wochen Van Gogh’s Zimmer in Nieuw Amsterdam – mit Blick auf die Zugbrücke Foto Ulrike Wirtz

Denn in Nieuw-Amsterdam hatte Van Gogh den Großteil der drei Monate ein Zimmer in einer Herberge bewohnt, machte sich von hier in die Umgebung auf. Eine Reise auf seinen Spuren führt aber am besten erst ins Drents Museum und danach zu Van Gogh’s Zielen in Natura.

Moderne Videokunst zur Einführung

Schon die Einführung in seine Reise im Museum macht Lust, später wie er durchs Land zu streifen. So projiziert im ersten Ausstellungsraum moderne Videokunst bewegte Bilder großflächig auf hohe Wände – fast wie im 3D-Kino: angefangen damit dass Van Gogh als Mann mit Hut, Koffer und Staffelei einen Zug nimmt (zum Ort Hoogeveen), wo er einige Tage bleibt; bis er einige Tage später per Kahn, damals ein übliches Transportmittel für alles Mögliche, weiterreist (nach Nieuw-Amsterdam); um dann mit Staffelei unterm Arm durch die Region zu wandern: durch Wiesen und Weiden, wehendes Gras, durch Heidelandschaft, vorbei an Kanälchen, vereinzelten Häusern und Katen, die sich ins Land zu kauern scheinen, durch kleine Weiler. Bis sein Blick – und der unsrige als Betrachter des Videos – auf einmal zu schwarzem Moor wandert, zu Männer und Frauen, die arbeiten – im Moor genauso wie auf den Feldern.

Erst seine Bilder bewundern, später seinen Spuren folgen

„Op reis met Vincent“ – etwa durch die Landschaft von Drenthe, wie von Van Gogh festgehalten im Aquarell „Landschaft in Rostbraun und Lila“. Er malte in zarten Pinselstrichen eine einsame Gegend mit einer winzigen Hütte und wenigen Bäumchen. Als Farben der Natur dominieren Rostbraun und Lila – jeweils in Nuancen von hell bis dunkel. Das Lila steht für die im Herbst blühende Heide, von der Van Gogh so schwärmte.

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Van-Gogh-Aquarell „Landschaft in Rostbraun und Lila“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Im Hier und Jetzt warten solche Impressionen auf der markierten Van-Gogh-Route „Nieuw begin“ – Neubeginn. Sie führt an Kanälchen, Weiden und Wiesen vorbei, durch Alleen und Haine, wie auch im Video gezeigt. Von Grün bis braun ist die herbstliche Natur gefärbt – und von bunten Tupfern der Heide in Lila bis Pink. Inspirierend-schön prägt sich das alles ein, während es weitergeht auf der Route zu alten Katen und Gehöften, die in den Örtchen Stuifzand und Zwartschaap vom Ende des 17. Jahrhunderts stammen. Auch sie waren für Van Gogh motivierende Vorlagen.

In Zweeloo auf der Suche nach Max Liebermann

Oder sein Werk „Schafsherde vor kleiner Kirche in Zweeloo“, ein Ziel auf der Route „Symphonie van kleur“ (Symphonie der Farben). Van Gogh führte das Kirchlein aus dem 13. Jahrhundert mit Bleistift aus – mit grasenden Schafen und Hirte im Vordergrund. Zweeloo liegt 30 Kilometer südlich vom Drents Museum, bildet heute offiziell laut Euroart die Künstlerkolonie Zweeloo und feiert mit Infotafeln, Straßennamen etc. ihre berühmtesten Künstler: Van Gogh und Liebermann. Ersterer kam 1883 für einen Tag. Seit 1882 schon war Liebermann hier, blieb bis 1883 und schuf etwa „Die Rasenbleiche“. Das Werk in Öl auf Leinwand ist auch Teil der Ausstellung und Leihgabe des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Van Gogh, so schrieb er an Bruder Theo, wollte Liebermann besuchen, traf ihn aber nicht an. So wanderte er weiter und fand das Kirchlein.

Vorlage für Van Gogh - das echte Kirchlein aus dem 13. jahrhundert in Zweeloo Foto Ulrike Wirtz_3368.JPG
Vorlage für Van Gogh – das echte Kirchlein aus dem 13. Jahrhundert in Zweeloo Foto Ulrike Wirtz

Es steht noch am alten Platz im beschaulich-platten Land. Ebenso wie viele urig mit Riet gedeckte Häuser und Scheunen aus alter Zeit, die heute unter Denkmalschutz stehen; einige beherbergen nun Gastronomie, so etwa das feine Restaurant De Aelderstroom mit Wildgarten, in dem sich romantisch verweilen lässt.

In Nieuw-Amsterdam – Zuhause auf Zeit

Dann Van Gogh‘s Aquarell „Zugbrücke in Nieuw-Amsterdam“. Es stellt dar, was der Maestro laut Text zum Bild von seinem Zimmer aus sah: eine Zugbrücke, hinter der Brücke wenige gedrungene Häuser, vor der Brücke eine gebückt gehende Frau. Das Aquarell entstand im Abendlicht, vermittelt Kälte und Einsamkeit.

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Van-Gogh-Aquarell „Zugbrücke in Nieuw-Amsterdam“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Und heute? Die Brücke steht als modernere Version immer noch da. Die alten Häuser wichen neueren. Wohl blieb die Herberge, in der einst Van Gogh abstieg, in altholländischer Architektur schön restauriert erhalten. Sein Zimmer gibt es auch noch und ist zu besichtigen. So lässt sich Van Gogh’s Blick original nachverfolgen, sein Feeling damals irgendwie heute nachvollziehen. Zumal auch sein Zimmer noch so möbliert und mit Malutensilien bestückt ist, wie es gewesen sein muss. Die Herberge gehört zum Van Gogh’s Huis, das seit Oktober in neuem Glanz erstrahlt. Es wurde zum 140. Jubiläum renoviert, modernisiert und präsentiert nun gerade auch die Van-Gogh-Briefe an den Bruder zeitgemäß-ansprechend.

Im Moor – Menschen bei der Arbeit

Ganz wichtig war es Van Gogh, Menschen bei der Arbeit festzuhalten, so Kuratorin Rens. „Van Gogh sah ja seine Mission darin, ein Maler für das Leben auf dem Land zu werden.“ Zum Leben in Drenthe gehörte zu seiner Zeit, im Moor zu arbeiten. Es wurde als Brennstoff genutzt, noch nicht als Blumenerde. So entstand in Öl auf Leinwand „Kahn mit Torf“, mit einem Mann und einer Frau beim Beladen des Kahns.

Van Gogh Kahn mit Torf Foto Ulrike Wirtz 3060.JPG
Van-Gogh-Ölgemälde „Kahn mit Torf im Drenther Moor“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Der Maler stellt beide gebeugt dar, wie von der Arbeit geknechtet. Wobei „sie“ in der dunklen Umgebung mit weißer Mütze und roter Jacke auffällt, während er eine dunkle, gesichtslose Gestalt ist. Menschen, die im Moor von Drenthe arbeiten, finden sich noch immer. Aber deren Mühen gelten nun etwa im Reservat Bargerveen der Renaturierung des Moors.

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Drenthes Moorlandschaft heute – im Naturreservat Bargerveen wird sie renaturiert Foto Ulrike Wirtz

Die 2.200 Hektar des Reservats sind inzwischen auch Erholungsgebiet mit Wanderwegen. „Das Moor wächst täglich einen Millimeter“, begeistert sich Ludo van Wijk, ein Guide des Reservats. Diese Arbeit im und mit dem Land heute könnte Van Gogh an Drenthe auch gefallen haben. 

Wichtige Websites und weitere Info:

Zur Ausstellung in Assen informiert das Drents Museum unter www.drentsmuseum.nl. Mehr Details, auch zu Van Gogh in Zweeloo https://www.vangogh-drenthe.nl und https://www.vanghoghdrenthe.nl. Zum Van Gogh Huis www.vangoghhuisdrenthe.nl.

Details zum Restaurant im alten Gehöft in Zweeloo www.aelderstroom.nl.

Die Wanderrouten – zu Fuß, aber auch per Fahrrad – finden sich unter www.besuchdrenthe.de. Unterwegs sind überall an den Routen zur Orientierung Marker mit Van Gogh-Porträt und Richtungspfeilen angebracht.

Info zum Naturreservat Bargerveen und seinen Wandermöglichkeiten unter www.bargerveen-schoonebeek.nl.

Allgemeine touristische Informationen zu den Niederlanden, auch zu Van Gogh www.holland.com

Mit Locaboat ohne Führerschein Boot fahren

Bootstour mit Locaboat – nicht mondän und easy

Für viele interessant, die – noch – keinen Sportboot-Führerschein gemacht haben. Oder diejenigen, die einmal einen ganz unkomplizierten, unkonventionellen Bootsurlaub mit der Familie machen möchten. Da bietet sich Locaboat an – mit seinen 330 Hausbooten, für die es keinen Führerschein braucht. Der Anbieter ist seit gut 40 Jahre tätig, verfügt über entsprechende Expertise im Bootsverleih-Geschäft und ist ansässig in Freiburg. Die Flotte liegt europaweit in schönen Urlaubsparadiesen: in Frankreich zum Beispiel am berühmten Canal du Midi, in Italien an der Lagune von Venedig. Auftakt toller Entdeckungsfahrten durch die Natur, zu historischen Attraktionen und nicht zuletzt zu regionaler Küche am Wasserweg. Insgesamt 200 Routen sind buchbar.

Neue Ziele ab 2024 und Frühbucher-Rabatte

Neu ab 2024 ist der Starthafen in Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt. Von hier aus starten Hausboot-Crews ihre Entdeckungsreise entlang der Saale durch Sachsen-Anhalt.

Der Locaboat-Ableger mit Basis befindet sich am Fuße des romantischen Schlosses Bernburg. Weitere Schlösser folgen am Weg, schön drapiert in die grünen Hügel. Ebenfalls neu im Programm; der Starthafen Saintes an der Charente in Frankreich.

Neues Ziel von Locaboat - Bernburg in Sachsen Anhalt  Foto Locaboat
Neues Ziel von Locaboat – Bernburg in Sachsen Anhalt Foto Locaboat

Am Bootskurs ab Saintes liegen historische Orte, idyllische Landschaften und Lokale à la Francaise. Die Charente fließt verschlungenen daher und führt sogar zum Naturpark Périgord-Limousin. Lukullisch geht die Reise zu regionalem Ziegenkäse und Meeresfrüchten in Rochefort, für Cognac-Freunde zu den einschlägig bekannten Häusern Martell, Remy Martin und Hennessy, aber auch zu weniger bekannten Namen.

Allzeit bereit zur Radtour Foto Locaboat
Allzeit bereit zur Radtour Foto Locaboat

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Website und weitere wichtige Info:

Die Boote zu mieten kostet je nach Kategorie ab 1120 Euro pro Woche. Diverse Rabatte sind möglich und kombinierbar. Und ergeben sich aus dem in Kürze erscheinenden Katalog 2024, der sowohl gedruckt als auch digital verfügbar ist.

Die Rabatte. Für Familien fünf Prozent bei einem Kind (unter 18 Jahren); zehn Prozent bei zwei oder mehr Kindern (unter 18 Jahren). – Für Paare zehn Prozent Rabatt bei einer Belegung mit zwei Personen. – Für Gruppen fünf Prozent bei gleichzeitiger Buchung von mindestens zwei Booten. – Rabatt je nach Reisedauer: ab zehn Tagen gestaffelt drei bis zehn Prozent. Die Rabatte können bei Buchung bis 30. November 2023 – kombiniert mit Frühbucherrabatt – bis zu 20 Prozent erreichen. www.locaboat.com. Telefon 0761 207 370