Alkmaar - Käsemarkt zwischen Grachten

Alkmaar – nicht alles Käse

Der historische Käsemarkt machte die nordholländische Stadt Alkmaar bekannt. Er hat Tradition seit 1622 und findet immer Freitag von Ende März bis Ende September statt. Aber Alkmaar bietet mehr, ob historische Leckerbissen oder Lukullisches, da Trendsetter Altes neu interpretieren. Drei Tage vor Ort lohnen, so lange kann das eigentliche Ziel warten: acht Kilometer westlich die Nordsee und kilometerlange Sandstrände, landeinwärts Wälder und Polder-Landschaft.  Lebensart-Reise war vor Ort.

Alkmaarer Käsemarkt

Mit ihren Strohhüten auf dem Kopf wirken die Männer auf den ersten Blick mediterran. Die Strohhüte kommen in Gelb oder Grün, in Blau oder Rot daher oder haben entsprechend fabrige Bänder. Die Männer haben aber nichts mit Spanien, Italien oder ähnlichen Mittelmeer-Ländern zu schaffen. Vielmehr rauschen die Hutträger mit ihren bunten Kopfbedeckungen und ansonsten in Weiß gekleidet über den Waagplein in Alkmaar, gelegen in Nordholland. Sie schleppen Käseräder auf Tragen hin und her. Seit 28. März ist nämlich wieder allwöchentlich am Freitagmorgen traditioneller Käsemarkt in Alkmaar – am gleichen Fleck seit gut 500 Jahren und heute das schöne alte Zentrum von Alkmaar mit seinen schmalen Gassen, malerischen Grachten und kleinen Häusern aus alt-niederländischer Zeit, mit Geschäften, Boutiquen, Lokalen und Wohnungen. Und mit einigen imposanten historischen Gebäuden.

Alkmaarse Kaasmarkt mit Waaggebow Foto Ulrike Wirtz 4255
Tradition seit mehr als 500 Jahren hat der Alkmaarer Käsemarkt. Ähnlich alt ist das Waagebow mit seinen großen Waagen drinnen Foto Ulrike Wirtz

Darunter das Waaggebow. Das Gebäude hat einen Turm, aber auch Tore, die an eine Markthalle erinnern. Aber drinnen warten große Waagen und sind seit 1582 in der Funktion im Einsatz. Damals bekam Alkmaar das offizielle Wiegerecht verliehen. Nur dass inzwischen die Tore des Waaggebow meist zu sind, weil das Wiegen von Amts wegen anders geht. Und dann tun sich alljährlich ab dem letzten Freitag im März jeden Freitagmorgen die Tore auf, öffnen den Blick auf die alte Tradition und ihre Rituale, auch die nicht Sichtbaren, mit denen das ganze seit einem halben Jahrtausend einhergeht.

Beim Alkmaarse Kaasmarkt nach alter Manier finden sich jeweils Hunderte, je nach Saison und Wetter gar Tausende Zuschauer ein – obschon sie bei diesem Markt nicht mal Käse kaufen können. Denn heute ist alles mehr Spektakel – zwischen zehn und 13 Uhr.

Kaesetraeger vor der Waage drinnen Foto Ulrike Wirtz 4405
Die Gilde der Käseträger besteht seit 1593. Die Käseträger haben einiges zu schleppen. Das tun sie im Angesicht ihres Schweisses for show Foto Ulrike Wirtz

Mit den Details dazu kennt sich einer der in weiß gekleideten Männer bestens aus: Daan Vrees und Träger eines gelben Huts. „Ich bin seit meinem 50. Lebensjahr Kaasdrager und nun 78. Aktuell haben wir rund 30 Käseträger jeden Alters. Alles nach wie vor Männer. Jeder hat einen Spitznamen. Meiner ist Jockey. Schleppen muss ich nicht mehr.“ Und was hat es mit den verschiedenen Hutfarben auf sich? Daan: „Die vier Farben stehen für die vier Gruppen unserer Käseträger-Gilde, die sich das Tragen teilen. So sind sie leicht zu erkennen und ihren Gruppen, den Veemen, zuzuordnen.“ Die Gilde wurde 1593 gegründet. Ihre Vorsitzenden führen die Bezeichnung Kaasvader, also Käsevater.

Väterliche Strenge und gewisse Hierarchie

Ihr  Präsident heuer ist Willem Boost und ebenfalls ein Senior der Gilde. „Manche Träger nennen mich kurz Paps.“ Er ist gut daran zu erkennen, dass er als Präsident einen 200 Jahre alten Stock hält – eine traditionelle Insignie des Amtes. Allerdings sind inzwischen die Gilden-Mitglieder Angestellte der Stadt, boten ihre Käseträger-Kunst schon ab und an als Show etwa in Japan oder England dar und gehen alle außer freitags von Ende März bis Ende September anderen Arbeiten nach.

Während Daan und Willem erzählen, geben die Männer mit den roten, grünen, blauen oder gelben Hüten alles. Die Käseträger arbeiten paarweise, haben sich dafür zusammen ein spezielles Geschirr mit Brett angelegt, auf welchem die Käseräder zu liegen kommen, und laufen so beladen emsig hin und her. Und das zwischen Waagplein, wo die Käse verteilt in schnurgeraden Reihen auf dem Boden liegen, und den Waagen im Waagebow, dann retour und wieder aufs Neue. Bis all der Käse auf wartende Lastkarren verladen ist. Und wehe, jemand von der Gilde kommt unpünktlich. Start ist je nach Einteilung für manche ab sieben Uhr, für andere ab 9.45 Uhr. Zehn Uhr geht es offiziell los.

Alkmaarer Käsemarkt - Daan Vrees mit Schandbord Foto Ulrike Wirtz 4362.jpg
Käseträger Daan Vrees ist seit über 20 Jahren Käseträger und genießt Respekt auch beim Führen des Schandbord Foto Ulrike Wirtz

Daan: „Wer sich verspätet, kommt aufs „Schandbord“ und zahlt zwei Euro. Die Käseträger zahlen das Doppelte.“ Er hält das Schandbord, das mit Kreide geführt wird,  hoch. Es liegt im Waaggebow im für die Gilde reservierten Raum. Hier können die Träger verschnaufen und Kaffee trinken. Denn sie kommen ganz schön ins Schwitzen: Jedes Käserad wiegt zwölf Kilo; jede Fuhre pro Geschirr hat sechs bis acht Räder, macht bis zu 100 Kilo pro Tour. „Alles in allem liegen draußen auf dem Platz 30.000 Kilo“, so Daan. „1920 etwa, noch zu Zeiten echter Markttage, waren es 130.000 Kilo.“ Damals herangebracht von den Bauern in Booten über die Grachten und Kanäle aus dem Umland.

Heutzutage wird vor allem Gouda geschleppt Foto Ulrike Wirtz  4310.
Nordhollands salzige Nordsee-Luft beschert dem hiesigen Gouda und dem Beemster tolle Aromen Foto Ulrike Wirtz

Zum emsigen Treiben gehören auch Männer mit weißem Hut, die fast nicht auffallen. Daan: „Das sind neue Käseträger, praktisch Lehrlinge.“ Und in blauen Jacken: „Die stapeln die Käseräder auf dem Waagplein und helfen beim Beladen der Tragen.“ Und braunen: „Die tragen den Käse nachher zum Karren.“ Und weißen Kitteln: „Die Qualitätsprüfer.“ Sie gehen auf dem Platz durch die Reihen, nehmen einzelne Käseräder auf Beschädigungen außen in Augenschein und entnehmen Proben mittels Stich des Käsebohrers ins Gelb.

Käse-Prüfer Eric Duijff Foto Ulrike Wirtz 4296
Auch Teil des Traditionsmarkts – Käseprüfer wie Eric Duijff testen die Ware Foto Ulrike Wirtz

Eric Duijff ist einer dieser Prüfer, erklärt, wie es geht: „Man sieht sich zuerst die Probe an, riecht dran, reibt sie zwischen den Fingern, riecht wieder dran und lässt sie auf der Zunge zergehen.“ Gesagt, getan. „Hmm, lecker, oder?“, fragt Eric und meint es eher rhetorisch.

Der heuer präsentierte Käse ist vor allem Gouda, dazwischen einige Räder Royaal by Beemster. Eric: „Die Böden in Nordholland waren immer schon und sind nach wie vor ideal für Viehzucht und Milchwirtschaft zur Käseproduktion. Daher entstand der Käsemarkt 1622 hier in Alkmaar als Zentrum des umliegenden Bauernlands.“ 35 Kilometer hinter Amsterdam. Um 1920 habe es hier oben 125 Käsereien gegeben. „Nun gibt es noch zwei große Produzenten. Beide stellen pro Tag zusammen 250.000 Kilo her – aus 2,5 Mio. Liter Milch.“ Die Firmen sind Lutjewinkel1916 sowie Cono, der Beemster-Käse macht. Gouda und Beemster aus Nordholland galten und gelten immer schon als besonders aromatisch. Eric: „Das liegt am salzigen Klima der Nordsee. Das macht das Gras in den Poldern besonders schmackhaft und damit die Milch und den Käse daraus.“ www.kaasmarkt.nl/de

Durch das historische Zentrum mit Tour-Guide Tineke Korver

Die waschechte Alkmaarerin verweist auf Schätze, Kleinode und Typisches, sei es schön, rar, historisch und/oder nicht direkt augenfällig. www.visitalkmaar.com/de/vvv-Touristeninformatie

1. Stopp: beim Waaggebow an der Zugbrücke Ecke Apelsteeg/Zijdam; die Brücke ist eine derjenigen, die mit Ketten gehoben und gesenkt werden und das von Hand. Dafür kommen eigens Hafenmeisterin oder -meister.

2. Stopp: das Wohnhaus von 1609 mit der Hausnummer 110 an der Gracht Luttik Oudorp nahe Kooltuin; es ist eines von Alkmaars 400 Baudenkmälern und ein Prachtexemplar in Sachen althergebrachter Treppengiebel.

Treppengiebel sind typisch alt-niederlaendische Architektur Foto Ulrike Wirtz 4636
Blick nach oben – der Treppengiebel ist ausgesuchte alt-niederländische Architektur Foto Ulrike Wirtz

Das heißt: Zum Giebel verjüngt sich das Haus auf seinen Seiten stufenartig, wird immer schmaler bis zum Dachfrist. Die Hausfront ziert ein Relief dreier Kochlöffel-Symbole. Die stehen für die Feinbäcker, die einst im Haus Backware produzierten und verkauften. Der Takelhaken am Dachfirst ist alt-niederländische Tradition, um Lasten in die oberen Etagen zu hieven, einst Getreidesäcke fürs Backen, heute Möbel etc.

3. Stopp: die Straße Kooltuin; sie steht für den Garten einst an Ort und Stelle und gehörte zu Schloss Torenburg, erbaut im 13. Jahrhundert und später demoliert. Es folgt die Ecke Zijdam/Achterdam, letzteres eine Mini-Gasse, die Polizei-Kameras überwachen, die auch anzeigen: Achtung, Beginn des Rotlichtmilieus.

Fertig für familiäre Grachtentouren Foto Ulrike Wirtz
Solche Boote sind ideal für familiäre Grachtentouren (siehe ganz unten) Foto Ulrike Wirtz

4. Stopp:  am Brückchen Platte Stenenbrug, Ecke Hatzelstraat/Oude Straat zur Verdronkenoord. Am Grachten-Ufer versammeln sich Restaurant-Terrassen, wo es sich sehr schön sitzt, weil das Wasser Frischluft mit sich bringt. Seitlich der Platte Stenenbrug stehen mehrere meterlange Steinplatten, die an Tische erinnern, weil restaurantartig eingedeckt. Hier war lange der Fischmarkt. Der bekam 1755 die Steinplatten, genannt Visbanken, um darauf das frisch gefangene Meeresgetier feilzubieten. 1882 kam ein Brunnen hinzu. Den Vismarkt gibt es lange nicht mehr. Stattdessen sind die Bänke inklusive Brunnen Rijksmonument und sind auch Teil des Lokals de Buren, das auch auf den Steinplatten Getränke und Essen serviert.

Einst Visbaken, heute Teil eines denkmals Foto_Ulrike_Wirtz 4655.jpg
Als hier noch der Fischmarkt war, waren das Visbanken. Heute sind sie Teil eines Restaurants, der alte Fischmarkt samt Brunnen Rijksmonument Foto Ulrike Wirtz

5. Stopp: die Synagoge an der Hofstraat 15-17; erstmals fertiggestellt 1844. Die Jüdische Gemeinschaft ist in Alkmaar seit dem 17. Jahrhundert verwurzelt, seit die Stadt sie aufnahm, weil sie andernorts flüchten mussten. 1940 kamen die Nazis in die Stadt, deportierten die jüdische Gemeinde und führten die Synagoge anderen Zwecken zu. Seit 2010 ist hier wieder die Synagoge einer wieder wachsenden jüdischen Gemeinde. https://alkmaarsesynagoge.nl

6. Stopp: die Molen van Piet; so genannt nach dem Familiennamen derer, die sie seit 1884 bewohnen. Ihr eigentlicher Name: Molen de Groot und erbaut 1769 als Getreidemühle genau auf der Stadtmauer. Sie war nur eine von zehn Mühlen, die auf dem Schutzwall von Alkmaar errichtet wurden, um besser den Wind einzufangen, und sie blieb als einzige übrig. www.molenvanpiet.nl

7. Stopp: in Sachen Rudi Carell am Munnikenbolwerk, ein Park an der Singelgracht im alten Alkmaar; hier steht seine Büste und lässt ihn übers Wasser zum Stadtteil Spoorburt blicken. Hier wurde der 2006 in Bremen verstorbene Show-Master, Sänger und Schauspieler 1934 geboren, wuchs hier auf und verzückte später in seinem Beruf die Deutschen mehr als die Holländer; das mit von ihm entwickelten TV-Shows wie „Am laufenden Band“ und „Verflixte 7“.

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Rudi Carrell – in Alkmaar geboren, in Deutschland zu TV-Ruhm gekommen, später auch in der Heimat geehrt Foto Ulrike Wirtz

Rudi Carell trat schon als Jugendlicher in die Fußstapfen seines Vaters André, ebenso Komiker und Conférencier von Beruf. Das war in Alkmaars Theater im damaligen Hotelsaal des „De Gulden Vlies“. Heute gedenkt Alkmaar seiner auch mit einem Rudi Carrell Plaats und einer Rudi-Carrell-Laan.

8. Stopp: das Stedelijk Museum am Canadaplein – daneben das Theater De Vest – im modernen Gebäude. Die sind rar im alten Alkmaar. Das Museum wartet mit Historie seit 1873 auf. In dem Jahr wurde das Stedilijk gegründet und ist damit eines der ältesten Museen Hollanda. Es zeigt alte und neue Kunst. „Alte“ Highlights: Werke aus und zu den Zeiten der Spanier in den Niederlanden – siehe unten. „Neue“ Highlights: Gemälde der Bergener Schule von 1915 bis 1925 und berühmt für ihren Hauch bereits von Expressionismus und Kubismus. https://stedelijkmuseumalkmaar.nl

Ausgestellt im Stedelijk Museum von Alkmaar - Künstler der Bergense Foto Ulrike Wirtz
Kunst der Bergense School im Stedelijk Museum Alkmaar – Foto Ulrike Wirtz

Sie heißt Bergense School, weil sich die Künstler seinerzeit in Bergen, ein Nachbarort von Alkmaar, einnisteten und den Austausch untereinander suchten.  

9. Stopp: die Laurenskerk, eröffnet 1518 als De Grote SintLaurenskerk. Ihren schlichten Namen führt die Ex-Kirche, seit sie 1996 entwidmet wurde. Seither ist die Laurenskerk angesagte Location für Events, Festivitäten und Ausstellungen. Ihr eilt ein Ruf voraus, als Konzertsaal sensationell zu sein; nämlich ob ihrer Hauptorgel, erbaut 1639 bis 1646, seither mehrfach restauriert und ein Instrument von Weltruf. Hinzu kommt die so auch genannte kleine Orgel, 1511 fertiggestellt und heute die älteste bespielbare Orgel der Niederlande. Ob beider Schätze finden sich regelmäßig international bekannte Organisten ein, um die Orgeln zu spielen.

10. Stopp: in der Laurenskerk das Fenster, das die Alkmaarer sich 2023 zum 450. Jahrestag der Befreiung von Spanien gönnten. Sie nennen es bedeutungsvoll Het Licht van de Vrijheid –  das Licht der Freiheit. Allein seine Größe: 23 Meter hoch und sechs Meter breit. Wunderbar ist sein gläsernes Spiel aus Farben und Licht. Dann die Handwerkskunst: Das Fenster wurde aus 214 einzelnen Feldern zusammengesetzt, die aus je 250 handgeschnittenen Glasstücken bestehen. Ein Geduldsspiel und eine Kunst, das alles zusammenzufügen. Das Design stammt von der Künstlerin Fiona Tan, gebürtig aus Indonesien und wohnhaft in Amsterdam. Zum Leben gebracht haben es die Derix Glasstudios, Glasmanufaktur seit 1866 in Taunusstein bei Wiesbaden. Die Spezialisten realisierten auch das 2007 eingeweihte Richter-Fenster des großen Gerhard Richter im Kölner Dom. https://hetgrooteraam.nl

Eine besonderer Erfolg, geschlagene Spanier und süße Belohnungen

Die Strohhüte vom Kaasmarkt haben nichts mit Spanien zu tun. Trotzdem hat es mit dem Land im tiefen Süden eine besondere Bewandnis. Daran erinnert die Stadt sogar mit einem besonderen Feiertag: der Alkmaar Onzet am 8. Oktober. Der steht nämlich für die Befreiung der Niederlande in toto im 16. Jahrhundert – nachdem die Spanier das Land an der Nordsee 80 Jahre unter ihre Knute zwingen wollten. Alkmaars Rolle: Hier setzte es für die Spanier die entscheidende erste Niederlage. Für Details geht es ins alt-ehrwürdige Rathaus: das Stadthuis, erbaut anno 1520 an der Langestraat und damit schon steinerner Zeitzeuge. Der Prachtbau in Gotik und ebenfalls Rijksmonument dient heute mehr repräsentativen Zwecken der Stadtoberen. So auch wenn Robert te Beest als Wethouder einlädt, da der große Feiertag der Stadt seine Schatten wirft.

Stadtoberer Robert Te Beest Foto Ulrike Wirtz 4202.
Stadtvertreter Robert Te Beest empfängt zum Anlass mit Victorientjes Foto Ulrike Wirtz

Rund um den besonderen Tag kredenzen Konditoreien etc. eigens eine süße Verführung: das Victorien-Gebak, liebevoll genannt „Victorientjes“, so auch von Stadtvertreter Robert te Beest. Er zeigt auf die Törtchen mit roter Fruchtmasse und Sahnecreme, schön auf Teller drapiert. Die verteilen sich über den antiken Holztisch, der den Prunksaal des Stadthuis ziert. Robert Te Beest freut sich sichtlich schon aufs Süße: „I love it.“ Die Törtchen sehen aber auch zu appetitlich aus, die Aussicht darauf lässt sichtlich bei allen am Tisch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Robert te Beest: „Am 8. Oktober feiern wir den Tag anno 1573, an dem die Bürger von Alkmaar die Spanier verjagten. Der Alkmaarer Sieg war der entscheidende Auftakt zur Befreiung der ganzen Nation.“ Die Besatzer hielten damals Holland im Griff bis zum hohen Norden, die Niederlande; so genannt weil die Region eigentlich unter dem Wasserspiegel liegt.

Der Stadtrat zeigt auf die Flagge an der Wand mit dem Stadtwappen. „Hier steht Alcmaria victrix. Das bedeutet die Siegreiche – wegen unseres Siegs.“ Man merkt, dass er die Story gern erzählt. Zumal die Bewohner, damals vor allem Bauern, plattes Land sozusagen, die Spanier durch eine List vertrieben haben, bevor seinerzeitige Topstädte es richten konnten. Die List hat damit zu tun, dass die Niederlande durch ihre Lage unterm Meeresspiegel je nach Regenmenge überflutet wurden. Wären da nicht die Deiche. Schon damals. Da war das zusätzliche System von Wasserläufen und von durch Windmühlen-Kraft betriebenen Pumpen, um das Wasser abzupumpen und zur Nordsee zu leiten, noch Zukunft.

Widerstand und Wasser los einst in Alkmaar

Robert Te Beest: „Die Spanier lagerten im Außenbereich von Alkmaar. Auf einmal drang en masse Wasser durch die Deiche, weil die Bürger sie genau in der Absicht durchlöchert hatten. Das Wasser überflutete den Lagerplatz der Spanier. Die machten sich am 8. Oktober davon.“ Zu den schon damals als top geltenden Städten, die erst später siegreich waren, gehörte etwa Leiden im Süden und wurde dafür seitens der Politik mit einer Universität belohnt. Die wurde 1575 gegründet, ist damit die älteste der Nation und genießt heute Weltruf. Die Bürger von Alkmaar haben ihren Stolz und das leckere Törtchen. Es schmeckt nach Himbeere, Erdbeere und dazu die Sahne – echt lecker.

Während die einen naschen, betont Stadtvertreter Robert te Beerst, ganz Tourismusförderer: „Unsere Region hat Strand, Wald und Käsemarkt. Grachten und Windmühlen. Die deutschen Gäste sind wichtig für Alkmaar, kommen zu Millionen nach Nordholland und tun das immer wieder – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Dann kommen sie mit den eigenen Kids.“ Stimmt, unsereins gehört in vierter Generation zu den Wiederholern, locken doch wenige Kilometer gen Westen die Nordsee und lange Sandstrände, landeinwärts der Polder mit Wiesen, Weiden, Wasserläufen, Windmühlen und kleinen Dörfern. Der wird bei Alkmaar das Land van Leeghwater genannt.

Einkehrschwünge … kulinarisch

Für langjährige Holland-Reisende gehört ein Schälchen Patate, wie Fritten auf Holländisch auch heißen, dazu; zudem Bitterballen und Kaaskroketten. Nach solchem Basisprogramm könnte es in Alkmaar wie folgt weitergehen, etwa im Restaurant Turfmarkt am Gracht-Ufer (Turfmarkt 11-23) mit Lounge-Charakter und guter Auswahl an Meeresfrüchten, Fleisch, Salaten und Alkoholischem. https://turfmarkt-alkmaar.nl

Oder im Restaurant Soepp, versteckt in einer Gasse (Hekelstraat 31) und voller Mobiliar der 1960er und 1970er Jahre. Es serviert vegetarische und auf Wunsch gluten- und zuckerfreie Küche; als Suppen, aber auch Burger vegetarisch und knackig-frische Salate. https://soepp.nl

Einfach speziell – das Restaurant Neder

Feine Küche, sehr individuell und seit letztem Herbst ausgezeichnet mit einem grünen Michelin-Stern gibt‘s im Neder von Brian Luikel (Laat 85) im 200 Jahre alten Ex-Weinkantor. Mit dem Grünen Stern ehrt die renommierte Organisation aus Frankreich international Restaurants, die anspruchsvoll kochen und zugleich nachhaltig wirtschaften. Indem sie zum Beispiel fachgerecht Reste kompostieren und im eigenen Bio-Garten verwenden wie das Neder. „Um beides kümmert sich meine Frau“, so Brian. „Wir haben uns alles selbst beigebracht. Ich bin an sich gelernter Filmemacher.“

Zwiebelgemüse à la Neder Foto Ulrike Wirtz 4758.
Schlicht und lecker eine Zwiebel als Gemüse à la Neder und fein serviert Foto Ulrike Wirtz

Bis er sich akribisch, leidenschaftlich und erfolgreich reinkniete in alte Kochmethoden und in die Auswahl regionaler Produkte. „Bei uns kommt alles nur vom heimischen Boden. Ich suche und sammele selbst im Umland in Dünen, Wäldern und Polder Wildkräuter, Pilze, Beeren etc.“

Das Neder und ein Amuse Bouche Foto Ulrike Wirtz 4716.
Das Neder arbeitet kreativ-nachhaltig; hier ein Amuse Bouche Foto Ulrike Wirtz

Speziell ist auch, dass Küchenchef Brian Gesammeltes und auch Überbleibsel vom Putzen von Fisch, Fleisch und Gemüse selbst in Essig oder Laktose fermentiert – für delikate Saucen oder späteren Gebrauch, da das Fermentieren gut konserviert. Brian: „Wie hier die kleingehackten Pilze, eingelegt in Salzlacke, serviert als Amuse Bouche.“ Oder Gemüsezwiebel mit Wildmajoran auf pürierten roten Beeten. „Das gart athergebracht in Lehm.“ Und zergeht köstlich auf der Zunge.

Neder-Chef Brian Foto Ulrike Wirtz
Neder-Chef Brian macht auch alkoholfreie Schnäpse selbst, auch die nur mit heimischen Ingredienzien Foto Ulrike Wirtz

Der Autodidakt: „Das sind alte Methoden, die wiederkommen, um nachhaltig zu kochen.“ Das Neder kredenzt nach Jahreszeit und Angebot wechselnde Menus, dazu nur Getränke von niederländischem Boden, daher keinen Kaffee, aber Weine und Schnäpse, letztere auch von ihm hergestellt, alkoholfrei und geschmacklich begleitet etwa von frischer Fichtennadel. Das herbe Aroma mundet fremd, aber gelungen. www.nederrestaurant.nl

Ganz alter Stil – das Sweets & Antiques

Einmalig ist hier das Süße – in Form selbst hergestellter Kuchen. Esther ist die Chefin des Hauses und Quereinsteiger wie Brian vom Neder. Sie wirbelt unübersehbar durchs Haus, da gewandet in ein rotes Kleid mit weißen Punkten wie Walt Disney’s Daisy. „Wir backen alles selbst und machen auch unseren Teig etc. selbst. Nach traditionellen Rezepten, ob Apfelkuchen, Schokoladentarte oder Sahnetorte mit Früchten, ob Waffeln oder diese Mini-Waffeln, genannt Poffertjes.“ Passend zum traditionellen Backen befinden sich Laden und Café im altehrwürdigen Gemäuer mit Anfängen im 16. Jahrhundert. Das Haus erscheint schmal wie ein Handtuch, schwupp, man wäre fast vorbeigelaufen (Hekelstraat 8).

Esther vor ihrem suessen Geschaeft Foto Ulrike Wirtz 5277
Lecker backen mit Tradition – Esther vor ihrem Geschäft Foto Ulrike Wirtz

So schmal von außen, so sehr eng von innen. Daher kann, wer möchte, alles auch „to go“ kaufen. Innen ist alles antik oder auf antik gemacht, das Licht gedimmt. Esther: „Meine Backkünste nahmen mit Plätzchenbacken ihren Anfang. Das war vor neun Jahren. Inzwischen wurde mein Apfel-Kirsch-Kuchen mehrfach preisgekrönt.“ Inzwischen wirkt auch Esthers Tochter Amber mit, die sich ob der Nachfolge ins erfolgreiche Business als Patissière ausbilden ließ.

Kuchen traditionell lecker Foto Ulrike Wirtz  5264
Die Qual der Wahl im Sweets Foto Ulrike Wirtz

Der Blick wandert genüsslich durch die Auslagen. Hmm, der Apfelkuchen kommt auch mit Nüssen, wie verführisch. Guten Kaffee servieren Esther und Tochter Amber auch. Aber auch verwöhnte Teetrinker bekommen Gutes. https://sweetsantiques.nl

Wohnen ganz anders

Wer sein Haupt ungewöhnlich betten möchte, ist im The Fallon Hotel richtig. Nicht weil es im Park am Stadtrand liegt, und es trotz ruhiger Lage nur knapp zehn Minuten per Fahrrad zum alten Zentrum sind. Vielmehr war der Komplex an der Prins Bernhardlaan einmal der Knast für Almaar und über die Region hinaus. Nun hängt ein Schild mit vier Sternen am Fallon Hotel außen. Nichts sieht auf den ersten Blick mehr aus nach Gefängnis, auch drinnen. Hier wartet eine geschmackvoll möblierte Lobby und das Restaurant mit Bar, das D’Àrret.

Hotel-Lobby des Fallon Foto Ulrike Wirtz 4099
Früher Knast, heute Vier-Sterne-Hotel: das Fallon, hier die Lobby Foto Ulrike Wirtz

In der Lobby steht auch Ineke Haan, eine Frau mit grauem, langem Haar, eher klein von Gestalt, nun in Rente und in ihrem Berufsleben 15 Jahre Wärterin in diesem Knast. Sie fungiert heutzutage ab und an als Guide. „Das Gefängnis hieß Schutterwei. Die Strafen reichten von sechs Monaten bis lebenslänglich. Hier saßen also auch echt schwere Jungens ein. Seit vier Jahren ist der Komplex ein Hotel und stand vorher zehn Jahre leer.“

Die Tour durchs Haus mit Ineke kann beginnen. Die große Frage: Wie muss man sich die Arbeit vorstellen, dass sie schwere Jungens beaufsichtigte? „Es herrschte eine Macho-Kultur. Aber bei den Mitwärtern, nicht bei den Insassen. Tagsüber waren 25 Wächter für 125 Häftlinge im Einsatz, nachts nur vier. Ich war die einzige Wächterin. Angst hatte ich keine.“

Guide Ineke, hier einst Knast-Wärterin  Foto Ulrike WIrtz 4144
Guide Ineke war Knastwärterin, als das Hotel Fallon noch Gefängnis war Foto Ulrike WIrtz

Andererseits zog sie Zuhause Kinder groß: „Der Job war schon belastend. Ich nahm, wie man so sagt, viel mit nach Hause.“ Im hinteren Bereich des Hotels schließen die Gänge zu den Gästezimmern an. Hier erinnert einiges an früher, ist von Architekten und Interior-Designern aber kunstvoll zum ansprechenden Ganzen für Hotelgäste zusammengefügt. Erhalten blieben lange Gänge, metallene Treppen zu den oberen Etagen, alles offen, übersichtlich und heute weiß gestrichen. Jenseits der Geländer die Zellen, heute die Gästezimmer. Inneke: „Pro Zimmer sind zwei Zellen zusammengelegt und die Zwischenwände zerlegt worden. Heute sind die Zimmer hell und schön möbliert. Gar kein Vergleich zu früher.“

Weiß sind auch die Türen zu den Gästezimmern, haben aber immer noch diese Klappen – „damit Wärter in die Zellen gucken, Essen anreichen oder Handschellen anlegen konnten. Die sind natürlich nun verschlossen“ (Ineke). Es gab auch Isolierzellen – „wir hatten genug Einsitzende, die psychisch ausrasten konnten“. Räume für Leibesvisitationen – „die fanden beim Einchecken statt und später auch, weil das Einschmuggeln von Drogen und deren Gebrauch immer Thema waren“. Ein Zimmer für die Treffen der Insassen mit ihren Anwälten  – „für vertrauliche Gespräche und Beratung“.

Hotel Fallon war einst ein Knast Foto Ulrike Wirtz 4090
Was dunkler Zellentrakt war, strahlt heute in Weiß und ist schick möbliert, auch hinter den Türen Foto Ulrike Wirtz

Heute ist von all dem nichts mehr zu sehen, bedauert Ineke: „Keine Zelle wurde im Original erhalten.“ Und wie war es mit Ausbrüchen? „Die gab es, gerade weil das Gefängnis alt war. Und versehentlich blieb mal eine Außentür offen, etwa an der Remise, wo Häftlinge draußen arbeiteten. Dann wurden die Ausbrecher nicht für den Ausbruch bestraft.“ Und was blieb ihr am meisten in Erinnerung? „Noch heute habe ich es nicht gern, wenn Leute in meinem Rücken stehen. Du siehst auch hier mit Euch, da stehe ich gegen die Wand.“ https://sheetz.nl/thefallonalkmaar/de

Weitere wichtige Info und Websites

Allgemeines: Auf der Website der Stadt finden sich Informationen zu allem Möglichen, was Gäste aus nah und fern wissen möchten. Im VVV am Waaggebow gibt’s auch persönliche Beratungen. www.visitalkmaar.com/de

Grachtenrundfahrt: Wer etwas Besonderes sucht, checkt außerhalb der Stadt ein bei Windmühlen-Müller Han Kuijper. Der startet mit alten Holzbooten (Foto oben) mitten im Grünen an seiner historischen Molen, fährt erst über Kanäle, dann durch Grachten bis hinein ins alte Alkmaar. Die Route führt durch die freie Natur, vorbei an weiteren alten Windmolen und Hausbooten. Es kommen neuere Wohnanlagen,danach folgen das alte Alkmaar und seine Grachten mit Zugbrücken oder Brückchen, unter denen das Boot so gerade durchpasst. www.ilovewindmills.com

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Arnheims nachhaltiger Kreativ-Kosmos

Kleidung und Wohnliches einzukaufen ist das eine. Noch dazu am gleichen Ort den Prozess des Entwerfens, der Materialauswahl oder Materialaufarbeitung mit zu erleben, das ist das andere. Solche Kreativ-Shopping-Events bei den Designern eröffnet Arnheim, die südholländische Stadt am Nederrijn nahe der deutschen Grenze. Denn hier am Sitz der tradierten Akademie der Künste ArtEZ wartet ein so auch heißendes „Modekwartier“ mit 60 Studios und Shops individueller Macher von Mode, Taschen und Wohn-Accessoires. Noch dazu mit Fokus auf Nachhaltigkeit – anders also als das, was als Fast-Fashion um die Welt kreist. Auch hat das Arnheimer Mode-Viertel so gar nichts von Glamour oder Exaltiertheit, wie beides der Branche oft zugeschrieben wird.

Vielmehr draußen relaxtes Flair, während sich drinnen in Sachen Mode gutes Design mit handwerklichem Können vereint. Die Besucher finden sich nämlich nicht weit von den Ufern des Nederrijn in einer typischen Alt-Holland-Beschaulichkeit wieder. Hier verteilt sich schön fußläufig das Modekwartier in einem Gewirr enger Straßen mit oft kleinen Wohnhäusern und kleinen Handwerksbetrieben aller Art wie typisch in Wohnvierteln. Das Flair verstärken Cafés und Restaurants wie das Goed Proeven im historischen Gebäude, in dem einst die Post residierte.

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Auch nachhaltig: neuer Zweck für altes Gebäude – Restaurant Goed Proeven im einstigen Postkantor (alle Fotos Ulrike Wirtz, soweit nicht anders vermerkt)

Das Modekwartier begann 2006 als Projekt zur Stadtentwicklung und wurde von der Politik gefördert mit dem Ziel, individuelle kleine Studios und Ateliers nahe Zentrum anzusiedeln. Das ist knapp 20 Jahre her und gelungen.

Designer-getrieben und nachhaltig-ambitioniert

Inzwischen ist das Kreativ-Quartier das ganze Jahr über busy und das gerade auch in den Wochen bis Weihnachten und alljährlich im Juni mit einem Monat voller Events zu Mode, Design und Kultur, genannt Modemaand. Um nur einige etablierte Fashion-Designer zu nennen: das Schneideratelier Aarden mit Mode für sie und ihn, das auch vegane Maßanzüge offeriert.

Veganer Anzug des Ateliers Aarden – sein Chef Erik Toenhake, gelernter Biologe, geht nachhaltige Wege

Oder Begane Grond mit den Studios Net-A und Angel Hard, die beide Neues aus Getragenem schaffen.

Begane Grond - zwei Ateleirs hinter einer Fassade Foto Ulrike Wirtz 4797.jpg
Begane Grond steht für die Macherinnen Annet Veerbeek und Mirte Engelhard

Oder das Studio von Elsien Gringhuis, die Hochwertiges zum angemessenen Preis in Kleinstmengen fertigt.

Modeschöpferin Elsien Foto Ulrike Wirtz 4735
Im besten Sinn klassisch – Modeschöpferin Elsien Gringhuis schafft Zeitloses

Oder Fraenck: Das Taschen-Studio schafft aus Gebrauchtem wie ausgemusterten Stoffen und Filzen von Möbelherstellern und aus Kunstleder schicke Handtaschen, Rucksäcke und Shopper. Das Studio ist als Vegan-Betrieb zertifiziert, daher eben nur Kunstleder.

Fraenck Vegane Taschen aus Kunstleder Foto Ulrike Wirtz 4545.jpg
Fraenck macht schicke Taschen aller Art aus Kunstleder und Filz, also vegan

Studio Hul le Kes

Der Besuch im Studio Hul le Kes zeigt exemplarisch, wie in diesem kreativen Kosmos in Arnheim der besondere Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt wird. Unter der Marke Hul le Kes macht ein Männer-Duo Mode für „m/v/x“ und legt dabei Wert auf neue Paradigmen für ihre Kreationen. Das Duo sind Sjaak Hullekes und Sebastiaan Kramer; ersterer der kreative Part und das Gesicht nach außen, letzterer studierter Designer, zudem der Mann für Strategie und Zahlen.

Porträt Sjaak (li.) und Sebastiaan Foto Scott_van_Kampen_Wieling-1.jpg
Das Duo hinter der Modemarke Hul le Kes – Sjaak (li.) und Sebastiaan Foto Scott van Kampen Wieling

Die zwei und ihr Hul-le-Kes-Team schaffen Nachhaltiges in minimalistischem Design, indem sie zum Beispiel aus ehemaligen Bettlaken hochwertige Hemden und Blusen schneidern oder aus einstigen Wolldecken Jacken und Mäntel für Herbst und Winter. Zudem fabrizieren sie Mode aus Kaschmir und Baumwolle für Kinder im Babyalter, machen aus Wollstoffen Taschen und Wohn-Accessoires, etwa Kissen. „Mehr als 95 Prozent unseres Materials diente zuvor anderen Zwecken“, so Sjaak von Hul le Kes.

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Mode made in Arnheim – ein Blick in den Hul le Kes-Flagship-Store Foto Scott van Kampen Wieling

Alles ist im internationalen Jargon der Branche up-cycling, also gute Qualität in Schnitt und Stoff – „with Focus on Character“, so Sebastiaan. Up-cycling heißt gerade auch: „Wir arbeiten bei den Bettlaken zum Beispiel nur mit altfranzösischem Leinen. Das finden wir in Holland und Deutschland und natürlich vor allem in Frankreich“, so Sjaak. „Und die Wolldecken sind handgemacht und kommen meist aus Holland.“ Das Duo setzt auf Klasse, kombiniert mit Nachhaltigkeit, so dass ihre Mode made in Arnhem im mittleren bis hohen Preis-Segment liegt.

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Sjaak zeigt, was bei Hul le Kes durch Up-Cycling entsteht – zum Beispiel elegant-rustikale Wolljacken

Unter der Modemarke Hul le Kes werden Kollektionen von der Tunika über Mäntel bis zu Kleidern, Röcken, Hosen und Tops entworfen und geschneidert. Ihre Größen reichen von null bis fünf, passen und getragen werden soll alles über Geschlechter hinweg.  Der Name steht zudem für Maßgeschneidertes nach Kundenwunsch, sogar mit eigenem Material der Kunden. Hul le Kes fertigt teils auch „made to order – das heißt, Stücke werden erst nach dem Kauf komplett nach Kundenwunsch gestaltet. So vermeiden wir Überproduktion und Wegwerfartikel“, so Sjaak.

Made in Arnheim für internationale Kunden

Das Duo zeigt seine Stücke international an renommierten Fashion-Adressen in Paris, Florenz und Düsseldorf und hat Handelspartner in Boutiquen von Rotterdam über Zürich bis Tokio und Kapstadt. Sie selbst verkaufen an Endverbraucher in ihrem Hul le Kes-Flagship-Store in einer einstigen Werkshalle in Arnheim und über ihren Online-Shop in Europa und bis nach USA. Und es gibt nicht jede Saison eine neue Kollektion. Zur Philosophie gehört, dass sie Materialien selbst umfärben und dabei experimentieren – „umweltschonend mit Naturstoffen, seien es Zwiebel, Nüsse und ähnliche Naturwerkstoffe“ (Sebastiaan).

Nachhaltig und mit Ethos bei der Arbeit

Überdies bieten sie Flick- und Änderungsservice an. Diese Arbeiten erfolgen im auf den ersten Blick überhöht genannten Recovery Studio. So heißt es, weil Recovery auch die Erholung von Menschen meint. Denn Sjaak und Sebastiaan setzen sich auch für soziale Komponenten ein, indem sie sozial Schwache, die etwa ein Burnout erlitten haben, im Handwerklichen anlernen. „Das geschieht bei uns als Safe Space. Das heißt, die Betreffenden arbeiten ohne Leistungs- und Termindruck“, so Sjaak, von Haus aus studierter Sozialarbeiter. „Dafür kooperieren wir mit anerkannten Sozialorganisationen. Das Soziale gehört zu unserer Philosophie von Nachhaltigkeit und Ethos.“

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Hul le Kes verwendet fürs Färben Naturstoffe

Um das Handwerklich-Individuelle jedes einzelnen Stücks der Modemarke Hul le Kes zu betonen, haben Sjaak und Sebastiaan ein originelles Markenschild erdacht. Das informiert zur Herkunft des Produkts aus ihrem Haus, enthält Angaben, woher sein Material kommt oder wann das Teil fertiggestellt wurde. Das Schild ähnelt optisch einem Pass – nur dass es an einem Bändchen am Produkt befestigt ist.

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Sjaak prüft Wollballen in der Schneiderei

Und was passiert, wenn jemand genug hat von seinem Modestück? Sjaak: “Der kann es uns zurückgeben. Wir machen wieder etwas Neues daraus, halten damit also den Lebenszyklus des Materials so langlebig wie möglich.“ 

Websites und weitere Info

Die Geschäfte und Studios liegen auf der gleichen Seite des Nederrijn wie der Hauptbahnhof Arnhem Centraal und sind von dort gut zu Fuß, per Bus oder Leihfahrrad erreichbar. Details zum Modekwartier und seine 60 Studios und Shops, zu Adressen, Anfahrt und Öffnungszeiten www.modekwartier.nl. Die quasi garantierten Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags; einige Geschäfte öffnen an weiteren Tagen.

Die genannten Studios/Ateliers: Aarden, Sonsbeeksingel 147, @aarden_responsible_wear; www.aarden.space. Begane Grond – Studios Net-A und Angel Hard, Klarendalseweg 476, www.net-a.nl. Elsien Gringhuis, Klarendalseweg 182, @elsiengringhuis, www.elsiengringhuis.com. Fraenck, Beekstraat 30, www.fraenck.com, @fraenck www. Hul le Kes, Wezenstraat 5, www.hullekes.com/hul-le-kes-store

Arnheim positioniert sich als Zentrum der Mode in Holland – auch durch die Initiative „Mode Partners 025“: eine Zusammenarbeit im Bereich Kreativer Kunst und Industrie von Museum Arnheim, Universität der Künste ArtEZ, Rijn Ijssel Creative Industry sowie State of Fashion und Fashion+Design Festivals Arnhem. Ihr Fokus liegt auf nachhaltiger und fairer Textilmode und Forschung und Entwicklung dazu auch auf internationaler Ebene https://stateoffashion.org.

Hoteltipp: das Fünf-Sterne-Hotel Haarhuis am Bahnhof, weil zentral gelegen und schick-relaxt bei Ambiente und Atmosphäre . Es wird gemanagt von Best Western und geht zurück auf das einstige Koffiehuis der Familie Haarhuis von 1918 am gleichen Ort.

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Nahe Bahnhof und relaxte Atmosphäre – das Hotel Haarhuis, hier die Lobby

Mit Rooftop-Bar Blou; mit der Wein- und Whiskey-Bar Storage im Keller; dem Restaurant Locals mit üppigem Kräutergarten, dem etliche klimatisierte Glas-Container als Gewächshäuschen dienen; und natürlich mit dem Café Hoek für Coffie und Patisserie. https://hotelhaarhuis.nl

Van Gogh Nationaal Park_Vincent Van Gogh_Foto_Visit_Brabant

Van Gogh bekommt eigenen Nationalpark

Der neue Park ist eine Traumlandschaft im Süden Hollands in der Provinz Noord-Brabant – und eine Hommage an den weltberühmten holländischen Maler. Der wurde hier in einem kleinen Dorf geboren und entdeckte später hier seine Affinität zum Malen.

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Landschaft wie gemalt im neuen Van Gogh Nationalpark Foto Visit Brabant

Das geschah auf seinen langen Wanderungen durch die Natur und die Weiler. Zu Noord-Brabant gehört noch heute ein Potpourri ausgedehnter Wälder, Wiesen und Bäche und vitales Bauernland, gehören prächtige Landgüter und idyllische Orte. All das macht den Van Gogh Nationalpark aus und wird flankiert von den Städten S’ Hertogenbosch, Helmond, Eindhoven, Tilburg und Breda.

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Alte Kultur im neuen Nationalpark und Teil moderner Naturparkkonzeption – genannt Niewe Stijl Foto Visit Brabant

Im Gebiet warten 46 Van-Gogh-Denkmäler auf Erkundung und zeigen auf, wie der berühmte Vincent van Gogh seine Heimat, das Landleben und die Leute bei der Arbeit in den Feldern und andernorts erkundete und in seinen Werken verewigte. Auf Van Goghs Spuren – im neuen Van Gogh Nationalpark – lässt sich gut zu Fuß oder per Fahrrad auf insgesamt 435 Kilometer wandeln. Am Weg liegen Motive des Meisters, die er suchte und fand. Oder es geht zu lokalen Museen wie dem Noordbrabants Museum, das Originale des berühmten Malers ausstellt. Oder es gibt die Opwettense Wassermühle im Ort Nuenen zu bestaunen, die Van Gogh einst malte. Alles ist gut zu finden, denn die Attraktionen sind ausgeschildert, die Fiets-Routen und Wanderwege markiert. 

De Niewe Stijl als Gesamtkonzept

Aber der neue Nationalpark ist viel mehr als das. Die Verantwortlichen nennen das „Niewe Stijl“ und den neuen Park sein internationales Aushängeschild. Dabei geht es um Gesamtkonzepte von Gebietsentwicklungen, auf dass eine gute Lebensumgebung für Mensch, Pflanze und Tier entsteht.

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Blick aus der Vogelperspektive bis nach Eindhoven Foto Hans Avontuur

Das bedeutet konkret: Ein Park im neuen Stil besteht nicht nur aus Naturschutzgebieten und schöner Landschaft, sondern in seinem Umfeld sind Wirtschaft und Gesellschaft mit der Natur und der Biodiversität in Einklang zu bringen.

Alle Player in einem Boot

Einbezogen sind die wirtschaftliche Entwicklung, der Wohnungsbau und eine vitale Landwirtschaft. Das alles soll als Mehrwert Natur, Wasser und Vielfalt von Flora und Fauna stärken. Den ganzheitlichen Ansatz verfolgt das dafür zuständige Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei, Ernährungssicherheit und Natur, kurz LVVN, und involviert alle möglichen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen wie Unternehmen, Landwirte und Naturschutzorganisationen.

Beim neuen Van Gogh Nationalpark steht Niewe Stijl zum Beispiel dafür, das Gebiet bis in die Herzen der Städte in seinem Umfeld – siehe oben – zunehmend zu begrünen. Der neue Stil steht zum Beispiel dafür, im Einzugsgebiet des Van Gogh Nationalparks 1.000 Kilometer an Hecken, Teichen und Bäumen anzulegen, auch auf Bauernland, am besten in Kombination mit Wanderwegen, die auch über Bauernland führen dürfen.

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Des Wanderers Lust, zugleich Hommage an Van Gogh – der neue nach ihm benannte Nationalpark Foto Visit Brabant

Dieser grüne Faden wird sich durch alle Aktivitäten im Park und von dort bis in die Städte hinein ziehen. Das alles ist im neu ernannten Nationalpark Work in Progress. Doch schon jetzt können Besucher vor Ort Natur und Kultur genießen. 

Weitere Info und Websites:

Details zum neuen Van Gogh Nationalpark unter www.vangoghnationalpark.com sowie www.holland.com/de. Generelles zu Reisen in Brabant www.visitbrabant.de  

DDW 2024 -Dutch Design Week in Eindhoven Foto DDW24

Dutch Design Week in Eindhoven – 19.-27.10.24

Design-Metropole Eindhoven durch Campus und Historie Foto Ulrike Wirtz
Design-Metropole Eindhoven durch Campus und Historie. Gekonnt auch das architektonische Nebeneinander von alt und neu Foto Ulrike Wirtz

Der Anspruch der DDW an sich selbst ist hoch, getrieben durch die Design Academy Eindhoven, durch den High-Tech-Campus der Eindhoven University of Technology und durch die Tradition der Stadt mit ihrer Technik-Historie. Hier in der ländlichen Provinz Brabant in der Stadt Eindhoven hatte vor allem einst Philips seinen Sitz, entwickelte sich zum internationalen Elektrik- und Elektronik-Konzern und legte den Grundstein für den heutigen Status als High-Tech- und Design-Schmiede. An Philips erinnert manches, am sichtbarsten das Klokgebow, eine frühere Werkshalle von Philips. Denn nach wie vor thront von weithin sichtbar auf dem Gebäude das Firmen-Logo, darunter die alte Uhr; und beides scheint über das einstige Werksgelände rundum zu wachen, auf dem nun Wohnungen entstanden sind und entstehen, flankiert von schicken Shops und Lokalen. Das alles bildet den trendigen Distrikt namens StrijpS. Und genau hier hält die DDW ihre neuntägige Veranstaltung ab, auch in den Hallen des Klokgebow.

Klokgebouw - einst  Werkshalle mit Uhr von Philips, heute ein Zentrum der DDW als Show-Room und mehr Foto Ulrike Wirtz
Klokgebouw – einst Werkshalle von Philips, heute ein Hot Spot der DDW als Show-Room und mehr Foto Ulrike Wirtz

Zu den Besuchern gehören alljährlich neben interdiszplinären Design-Profis deren Berufsorganisationen sowie privat an künftigem Design Interessierte. Ihnen präsentieren sich moderne Form- und Function-Lösungen und neue Denkschulen. Dabei geht es der DDW ausdrücklich auch um eine bessere Zukunft und den dafür nötigen Wandel. Hier einige Beispiele von Programmpunkten, was es zu sehen und zu entdecken gibt: zum Beispiel unter dem Punkt Living Environment innovatives Mobiliar und Installationen für den Garten, hergestellt aus recyceltem Abfallmaterial. Oder unter dem Punkt Thriving Planet eine Kooperation zwischen Designer und Natur, um dem urbanen Hitzestress zu begegnen. Oder unter dem Punkt Pokka eine Chrom-Kreatur, die aufzeigt, wie sich die menschliche Verbindung aus digitaler Welt und evolutionärer Empathie fortentwickelt.      

Weitere Info und Websites:

Zur Dutch Design Week https://ddw.nl

Übernachtungstipp: das Hotel Pullman Eindhoven Cocagne in zentraler Lage mit angesagter Bar, schickem Interieur und gutem Service. https://www.pullman-eindhoven-cocagne.com

Lokaltipp: das frühere Energiehaus von Philips und nun das für seine französisch-deutsche Küche bekannte Restaurant Radio Royaal. Sein Ambiente ist Industrie-Design pur der alten Zeit, verteilt auf 1300 Quadratmeter. https://radioroyaal.be

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Gut essen, wo einst Energie erzeugt wurde – Restaurant Radio Royaal nahe Klokgebouw Foto Ulrike Wirtz

Was noch mehr: Eindhoven bietet Kultur und Shopping, auch jenseits des Department Store de Bijenkorf an der Piazza 1 in Downtown. Allein die Fassade des modernen Gebäudes in kunstvoller grüner Keramik lohnt den Besuch, gilt sie doch als ein Wahrzeichen der Stadt und als Symbol moderner Architektur. Drinnen hält der Bijenkorf hochwertige internationale Marken an Mode, Kosmetik etc. vor.

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Mit grüner Keramik-Fassade1962 errichtet als Symbol der Moderne – das Warenhaus de Bijenkorf Foto Ulrike Wirtz

Weitere Details, was die Stadt alles bietet unter www.thisiseindhoven.nl

Ikone der Ingenieurkunst - der Afsluitdijk und sein Schöpfer Cornelis Lely_Foto Merel Tuk.jpg

Niederlande – Großprojekt Fischwanderung

Vismigratierivier NL als weltweites Pilotprojekt

Chris Bakker ist in seinem Element, wenn er über sein Großprojekt am Afsluitdijk im Norden Hollands spricht. Der Abschlussdeich wehrt brachiale Flutwellen der Nordsee ab, seit er 1932 am Übergang von Nordsee und Zuiderzee, damals eine Ausbuchtung der Nordsee gen Süden, gebaut wurde. Mit dem Damm wurden Nordsee und Ausbuchtung getrennt, die Zuiderzee wurde Binnensee und umbenannt in Ijsselmeer. Das Ziel des neuen Projekts: „Wir bringen die Fischwanderung zurück, wie sie vor dem Bau des Afsluitdijk war“, so Bakker. Das Projekt heißt Vismigratierivier NL und ist ein Projekt der Provinz Friesland. Und Chris Bakker, Direktor der friesischen Naturschutzorganisation IT Fryske GEA, verantwortet das Vorhaben.

Chris Bakker wacht als,  ökologischer Porjektmanager über die neue Fischwanderhilfe am Afsluitdijk Foto Merel Tuk
Chris Bakker wacht für die Naturorganisation IT Fryske GEA über die neue Fischwanderhilfe am Afsluitdijk Foto Merel Tuk

Durch den Vismigratierivier NL sind auch die Fische wieder in ihrem Element. Das wortwörtlich und zwar konkret Aale, Lachse, Flundern, Meeresforellen, Stichlinge, Störe und weitere Arten. Denn die sind durch die Evolution „Wandervögel“. Das heißt: Sie wechseln zwischen Salzwasser – Meer – und Süßwasser – Flüsse und Seen – hin- und her. „Für diese Fische haben wir einen Wasserweg mitten durch den Afsluitdijk gebaut, damit sie wieder wandern können – von der Nordsee pbers Wattenmeer ins Ijsselmeer und in die verbundenen Flüsse wie Rhein und Maas und retour.“ 250 Mio. Fische, so Bakker, werden pro Jahr den Weg machen.

Wanderfische kamen 90 Jahre nicht von der Nordsee ins Ijsselmeer und zurück  Foto Ulrike Wirtz
Die meisten Wanderfische konnten 90 Jahre nicht mehr von der Nordsee ins Ijsselmeer und zurück schwimmen, weil der Afsluitdijk das verhinderte Foto Ulrike Wirtz

Initiatoren des Vismigratierivier NL sind neben der IT Fryske Gea etwa Waddenvereniging, NetVis Werk oder Sportvisserij Nederland. Finanziers unter anderen die Provinzen Friesland und Nord-Holland, der Waddenfonds, die nationale Postcode Loterij etc. Realisiert wird das Naturprojekt im Rahmen eines Gesamtprojekts rund um den Afsluitdijk, für den das Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft bzw. seine Organisationseinheit Rijkswaterstaat zuständig ist, die auch weitere Wassermanagement-Bauwerke betreut

Aale, Lachse und andere Fische brauchen Salz- und Süßwasser für Leben und Fortpflanzung

Die Kosten des Gesamtprojekts: 55 Mio. Euro. Dazu gehört De Nieuwe Afsluitdijk mit baulichen und technischen Maßnahmen am Bollwerk, um es für den Klimawandel und damit einhergehende höhere Wasserstände fitzuhalten. Etwa in Form eines neuen Rolltors von 52 Meter Länge, das als zusätzliche Absicherung ausfährt, wenn von der Nordsee immer mehr Wassermengen Richtung Ijsselmeer drücken.

Für paradiesische Zustände wie vor den 1930er Jahren steht der neue Vismigratierivier NL Foto Merel Tuk

Der Grund für das ökologische Projekt der Provinz Friesland: Die Migration der Wanderfische hat der Afsluitdijk seit gut 90 Jahren größtenteils bis ganz verhindert – mit Folgen bis in die Anrainer-Staaten Deutschland und Schweiz, wo bekanntlich der Rhein entspringt. Wirkt das Bauwerk nicht mehr als derartige Barriere, passiert alles wie früher: Die Wanderfische leben in der Nordsee, aber laichen im Süßwassergefilde Ijsselmeer und den verbundenen Flüssen. Ist der Nachwuchs groß, schwimmt er wie die Eltern zurück in die Nordsee, lebt dort. Wandert zum Laichen retour ins süße Nass, wenn geschlechtsreif. Experte Bakker: „Ein Zyklus von Fortpflanzung und Fortbestand, den der Afsluitdijk jäh unterbrach.“

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Präsentation zur Lage am Afsluitdijk ohne Vismigratierivier NL (li.) und mit (re.) Foto Ulrike Wirtz

Der Zyklus lebt nun also wieder auf. „Das ist positiv für den Naturschutz, die Berufsfischer und die Hobbyangler“ (Bakker). Zumal das Süßwasserrevier nun größer sei. Das Ijsselmeer ist nämlich Süßwasser pur, seit es nur noch von Flüssen und Regen gespeist wird, seit der Damm Wattenmeer und Nordsee aussperrt. So wurde es zum größten Trinkwasserreservoir weit und breit. Der Ökologie-Manager: „Wir hoffen, dass die Fische auch wieder in den Rhein nach Deutschland und bis in die Schweiz wandern.“

Bei Planung und Bau des Bollwerks gegen die Fluten damals musste jedoch das „ökologische Desaster“, wie Bakker die Folgen der Barriere für die Fischwelt benennt, zurücktreten. „Auch nahm man in Kauf, dass mangels Fischwanderung Tausende Fischer ihren Job verloren.“ Aber keine Frage, so Bakker: „Der Afsluitdijk ist und bleibt ein Wunder der Technik, auf das man zurecht stolz ist.“

Nordsee hie, da Ijsselmeer und mittendrin das Bollwerk Afsluitdijk  mit Autobahn on top Foto Merel Tuk_  2024 140.jpg
Nordsee mit Wattenmeer rechts, Ijsselmeer links – früher bauten sich hier desaströse Flutwellen auf, bis das Bollwerk Afsluitdijk entstand; inzwischen mit Autobahn on top Foto Merel Tuk

Sein Hauptzweck als Damm ging und geht vor und ist erreicht: den Fraß durch stürmische Nord- und Zuidersee am Land zu stoppen und Tausende Todesopfer in Folge von Überflutungen wie einst zu verhindern. „Das war umso wichtiger, da viel Land der nördlichen Niederlande sogar einige Meter unter dem Meeresspiegel liegt“, so Hans Boogert, verantwortlicher Ingenieur für den Afsluitdijk beim Rijkswaterstaat bis zu seinem Ruhestand und weiter am Bollwerk zu Diensten.

Schon in den Jahrhunderten vor dem Dammbau versuchten die Holländer in ihrem Norden, das immer wieder überflutete bzw. unterm Meeresspiegel liegende Land mit kleinen Deichen, Kanälen und Windmühlen trocken zu halten und trocken zu legen. Und haben so schon viel neuen Grund und Boden dazugewonnen: die Polder. Dann wurde von 1927 bis 1932 der Afslutidijk zwischen den Gemeinden Den Oever im Westen und Harlingen im Osten gebaut und verbindet seither die Provinzen Friesland und Nord-Holland. Dafür die treibende Kraft: Ingenieur Cornelis Lely, damals Minister für Wasserwirtschaft. Ganz Ingenieur stellt Boogert klar: „Der Afsluitdijk ist fachlich gesehen ein Damm, da er Wasser von Wasser trennt und nicht Wasser von Land wie ein Deich.“

Die Lorentzsluisen sorgen seit 1932 für die Passage der Schifffahrt von Nordsee ins Ijsselmeer Foto Merel Tuk_ 2024 113.jpg
Die Lorentzsluisen besorgen seit 1932 die Passage der Schifffahrt zwischen Nordsee und Ijsselmeer Foto Merel Tuk

Und nennt einige wenige Daten zum Bollwerk: 32 Kilometer lang, an seiner breitesten Stelle 90 Meter, an der höchsten 7,8 Meter. Er bietet Platz für die vierspurige Autobahn A7 plus Rad- und Fußgängerweg. In zirka seiner Mitte wurde die Arbeitsinsel Kornwederzand künstlich angelegt. Hier verrichten auch die Lorentzsluizen ihre Arbeit als die Nordsee, Wattenmeer und Ijsselmeer verbindenden Schleusen für die Schifffahrt, ob Berufsschifffahrt oder Hobbysegelyacht.

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Wissenschaft für sich – Tests, wie Fische den neuen Weg durch das Ijsselmeer finden Foto Ulrike Wirtz

Nun also der neue Vismigratierivier NL, der außer Ökologie-Know-how auch ausgefeiltes Statik-Können in Sachen Wassertechnologien erfordert. Denn auch das ist keine Frage, so Ingenieur Boogert: „Für den Wasserdurchlass zugunsten der Fische mussten wir den Damm an einer Stelle dauerhaft öffnen. Ganz entgegen seiner ureigenen Aufgabe, dicht zu halten. Dass der Damm bei der Öffnung nachgeben könnte, hat mir schlaflose Nächte bereitet. Als konkret die Bohrung der Öffnung anstand, dachte ich, nicht dass ausgerechnet jetzt ein Jahrhundertsturm kommt. Aber alles hat geklappt.“ Nach Vorbereitungen seit 2011 mit Berechnungen, Modellierungen, akribischer Planung der Bauarbeiten und ihren Durchführungen.

Nun ist es vollbracht: Der Damm bekam eine Öffnung über eine Breite von 15 Meter, damit Süßwasser aus dem Ijsselmeer wie ein Kanal schnurgerade durch die Öffnung zur Nordsee fließt, wenn deren Wasser sich wegen Ebbe zurückzieht. Boogert: „Den Durchfluss steuert der Rhythmus der Gezeiten. Alles geht ohne Pumpen.“ Das geschieht 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Es sei denn, so Boogert, es kommt Sturm auf und könnte Salzwasser ins Ijsselmeer drücken. Das darf nicht passieren, weil das Ijsselmeer – siehe oben – die Region mit Trinkwasser versorgt. „Damit das nicht geschieht, schließen wir die Öffnung vorsorglich auf Zeit durch zwei neue Schotten. Die Schotten bzw. Schieber sind sechs Meter hoch und aus innovativem faserverstärktem Kunststoff angefertigt. Dadurch sind sie leichter im Handling und rostfrei.“

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Wissenschaft für sich – Modellierungen, wie der Vismigratierivier NL im Ijsselmeer die Gezeiten von Nordsee und Wattenmeer nutzt Foto Ulrike Wirtz

Im Ijsselmeer verläuft der Wasserstrom als Teil des Wanderwegs wie ein mäandernder Fluss – als eine Art Korridor für die Fische – von 4,5 Kilometer Länge. Soll heißen: Er fließt in großen Schleifen durch das Ijsselmeer bis zum Afsluitdijk und dann geradeaus durch die Durchflussöffnung. Bakker: „Durch die Länge bekommen die Fische Zeit, um sich vom Salzwasser ans Süßwasser und umgekehrt anzupassen.“ Überdies ist die reine Durchflussöffnung im Damm in zwei unterschiedlich breite Öffnungen aufgeteilt – quasi in zwei Schwimmbahnen fürs Hin und Her: Die eine ist für die starken Schwimmer unter den Wanderfischen wie Aal, Lachs oder Renke bestimmt.

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Loch im Damm für zwei Schwimmbahnen – eine schmale und eine breite, damit die großen wie die kleinen Fische ihren Weg machen können Foto Ulrike Wirtz

Die andere ist sichtlich schmaler und der Weg für schwache Schwimmer wie Glasaal, Heilbutt oder Stichling. Die Kleinen werden unterstützt durch die stärkere Wasserströmung, die der schmale Durchfluss erzeugt – ist also eine echte Wanderhilfe. Wenn man das alles hört und sieht, wird einem klar, dass auf Seiten der Ökologen ebenso jede Menge Analysen, Modellierungen etc. für den Vismigratierivier NL erforderlich waren. Zumal er ein Pilotprojekt bezüglich Biodiversität und technischen Möglichkeiten ist, an dem international Interesse besteht. Bakker: „Erstmals wird nämlich solch ein Fluss in einem Gezeitenrevier angelegt. Noch dazu genau auf der Grenze von Salz- und Süßwasser. Er gilt als wegweisend, wie Wassermanagement und Naturschutz Hand in Hand funktionieren können. Und wie auch die Fischerei profitieren kann.“

Wassermanagement und Naturschutz gehen Hand in Hand

Und das alles gerade auch, indem hydraulische Ingenieurskunst und natürliche Ingredienzien gekonnt austariert werden: sprich Wasserhöhen von Flüssen, Ijsselmeer und Nordsee, die Gezeiten des Meeres und das Wetter. Und natürlich weil den Wanderfischen der kraft Evolution erzeugte Drang nach Süßwasser nach wie vor in der Nase sitzt. Hin- und  herwandern am Afsluitdijk – das versuchten sie nach dem Dammbau daher zwar auch weiterhin, kamen von der Nordsee aber 90 Jahre nur bis zum Afsluitdijk und standen hier quasi vor verschlossener Tür.

Vogelschwärme lauern im Schwarm vor dem Damm auf fette Beute  Foto Ulrike Wirtz_3704.JPG
Vogelschwärme lauern bisher erfolgreich vor dem Damm auf leichte Beute Foto Ulrike Wirtz

Das war umso übler, weil die fischfressende Vogelschar das ausnutzte, sich auf die vergeblich vor dem verschlossenen Afsluitdijk wartenden Fische stürzte und verspeiste. Da half es nur wenig, dass sich die Schifffahrtsschleusen tagtäglich öffneten. Bakker: „Hier schafften es nur die stärksten Schwimmer unter den Fischen ins Ijsselmeer und die Flüsse und wieder zurück. Das alles kommt nun wieder ins ökologische Gleichgewicht.“ Dazu gehört auch, dass die Fischereiboote sich nun nicht einfach am Vismigratierivier positionieren dürfen, um fette Fänge zu machen. Bakker: „Das verhindert eine Bannmeile um die entscheidenden Stellen.“

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Gekonnt den Afsluitdijk durchbohrt, damit Aale, Lachse etc. wieder wandern können – als Schmuck am Gelände in 3D und im Wasser schwimmend in Natur Foto Ulrike Wirtz

Und warum ist die Öffnung des Damms um einige Meter breiter, als es der Durchfluss für die Fische ist. Bakker und Boogert unisono: „Damit Besucher ebenfalls durch den Damm wandern können wie die Fische.“ Das geht entlang der Schwimmbahnen der Fische. Also los. Zunächst auf Kornwederzand zum Wadden Center mit Museum, Restaurant und Toppblick auf das Ijsselmeer zur einen und Wattenmeer und Nordsee zur anderen Seite. Weiter über eine Plattform zu einer Treppe. Hier fällt der Blick auf das neue Stück Mauerwerk mit Fischsymbolen, die wie eine Statue in Stein gemeißelt sind (Foto oben).

Nun die Treppe hinab – da sind die Wanderfische ganz in ihrem Element. Aber auch die Ökologen nutzen die Infrastruktur – „für Studien, indem wir die Migration beobachten, welche Fische wann genau wie weit wandern. Wir können daraus wichtige Erkenntnisse ziehen“, so Bakker. Und ist ganz in seinem Element.  

Websites und wichtig zu wissen

Der Projekt Vismigratierivier NL wird 2026 komplett fertig gestellt sein, schon jetzt sind geführte Touren möglich. Ausführliche Info zum Projekt www.vismigratierivier.nl. Touren per Boot oder zu Fuß anzufragen über das Waddencenter https://afsluitdijkwaddencenter.nl; zur Naturschutzorganisation Fryske Gea www.itfryskegea.nl

Details zum Abschlussdeich https://theafsluitdijk.com; zum Waddencenter www.visitwadden.nl.

Das Wattenmeer gehört zum Unesco-Weltnaturerbe und umfasst das Gebiet vom niederländischen Festland bis zur Außenseite der Watteninseln. Dann erst beginnt streng genommen die Nordsee.

Das Waddencenter steht auf Kornwederzand und ist Startpunkt der Touren Foto Merel Tuk.2024 96.jpg
Das moderne Waddencenter auf Kornwederzand Foto Merel Tuk

Allgemeines zum Reiseland Holland www.holland.com; www.visitnetherlands.com @visitnetherlands #visitnetherlands

Wein und Austern auf Texel

Texel: Weinlese, Austern und Bockbier

Sobald der Herbst auf der Insel Texel einzieht, beginnt eine Zeit der besonderen Gaumenfreuden. Die niederländische Watteninsel lädt dann zur Verkostung ihrer kulinarischen Highlights ein. Seit 2005 ist auf Texel das Weingut De Kroon van Texel beheimatet. Neben Wein und Bier locken frische Austern zum Selbersammeln. Die westfriesische Nordseeinsel Texel gehört zu den beliebtesten Tourismuszielen der nördlichen Niederlande.

Wein vom Watten-Winzer und Bockbier auf Texel

Auf rund drei Hektar Grund produziert Winzer Jan-Jaap Kroon hier jährlich bis zu 6.000 Liter Weißwein, Rosé und Rotwein. Hier erfährt man alles über die Traubensorten, die Weinproduktion und die besonderen Herausforderungen des Weinanbaus auf Texel, inklusive Verkostung.

Weine auf Texel
Weine auf Texel

Neben den edlen Tropfen ist Texel aber auch die Heimat der kräftigen Gerstensäfte. Ganze fünf Brauereien zählt die Insel mittlerweile, die pünktlich zum Herbst mehrere besondere Bockbiere im Programm haben. So trumpft zum Beispiel die Brauerei Texels mit dem „Texels Bock“ auf, das bereits mehrfach Gold als bestes Bockbier der Niederlande erhielt.

Texeler Bockbier
Texeler Bockbier

Die Brouwerij TX produziert mit dem „TX Steambock“ das weltweit erste Bockbier, das nach Dampfbier-Methode (steam beer) gebraut wird und ein besonderes Röstmalz-Bouquet auszeichnet. Von der Tesselaar Familienbrauerei stammt der ebenfalls prämierte „Slufterbok“. Dann der exklusive “Skeepebock” (dt. Schafbock) der kleinen Brauerei „De Boei” – er ist limitiert und ausschließlich vor Ort vom Fass erhältlich.


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Austern zum Selbersammeln

Egal zu welchem Getränk: Als besondere Begleitung gelten im Herbst Texeler Austern. Sie gibt es auf der Insel jedoch nicht nur in speziellen Feinkostläden zu erstehen. Vielmehr kann sie jeder – ausgestattet mit Gummistiefeln und Eimer – direkt vor der Küste selber sammeln gehen. Dieses einmalige Erlebnis ermöglichen rund ums Jahr Ausflüge zu den Texeler Austernbänken. Natürlich inklusive Verkostung und ein paar raffinierter Tipps für ihre Zubereitung.

Austern selber sammeln auf Texel
Austern selber sammeln auf Texel

Schlemmerfestival im Herbst

Wer sich einen Überblick über die kulinarischen Köstlichkeiten der Insel verschaffen möchte, der ist bei Texel Culinar an der richtigen Adresse. Das dreitägige Schlemmerfestival findet alljährich am letzten September-Wochenende auf der Dorpsstraat in De Koog statt. Küchen-Crews aus allen Teilen der Insel präsentieren ihre Kochkunst in Form kleiner Gerichte, die überwiegend aus lokalen Produkten gefertigt sind. Der perfekte Startschuss also für den kulinarischen Insel-Herbst.

Websites und weitere wichtige Info

https://www.teso.nl/de/ ; Website https://www.texel.net/de/ ; Texel Culinair

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Van Gogh in Drenthe – Reise auf seinen Spuren

Vor 140 Jahren im Herbst reiste Vincent van Gogh ins ländliche Drenthe im Nordosten der Niederlande. Auf speziell markierten Van-Gogh-Routen kann man ihm durch Drenthe nachspüren und seine Motive in Natura bestaunen. Sie führen durch die herbstliche Holland-Idylle unserer Zeit, durch kleine Dörfer, vorbei an ruhig gelegenen Gehöften und durch besondere Natur. Was die Spurensuche aktuell besonders reizvoll macht: Van Gogh’s Gemälde aus und über Drenthe sind gerade im Drents Museum in Assen ausgestellt und wurden faür eigens aus aller Welt hierhergebracht.

20 Werke – zusammengetragen aus aller Welt

Als Vincent van Gogh am 11. September 1883 in den Nordosten seiner Heimat reiste, lagen seine weltberühmten Landschaftsbilder in den leuchtenden Farben der Provence noch in der Zukunft und sollten erst ab 1888 in Südfrankreich entstehen. Wie der Niederländer und spätere Meister der Moderne im Herbst 1883 die ländliche Provinz Drenthe wahrnahm und malte, das zeigt aktuell das Drents Museum in Assen, beschauliche Verwaltungsstadt der nach wie vor ländlichen Provinz. Das Museum stellt gut 20 Werke Van Gogh‘s aus: Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen – alle mit Motiven aus der Region und auf seiner Reise geschaffen. Das Drents Museum hat sie zum 140. Jahrestag der Reise eigens zusammengetragen und präsentiert sie bis 7. Januar 2024.

Weltberühmter Maler, weltberühmte Kollegen

Fast alle Werke kamen als Leihgaben aus aller Welt in die Provinz, so Annemiek Rens, die Kuratorin der Ausstellung. „Sie stammen aus Museen und Privatsammlungen. Die Arbeiten an der Ausstellung dauerten einige Jahre.“ Eigens nach Assen geholt wurden auch die gezeigten renommierten Zeitgenossen, die wie Van Gogh hierher an die Grenze zu Niedersachsen reisten – vor oder nach ihm – um zu malen, um wie er Natur und Menschen zu verewigen.

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Besondere Natur heute, wie sie schon Van Gogh gefiel Foto Ulrike Wirtz
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Alt-holländische Kate mit Riet-Dach, wie sie noch heute gefällt Foto Ulrike Wirtz

„Die außergewöhnliche Landschaft und das Licht zogen sie an“, sagt Kuratorin Rens. So etwa den Deutschen Max Liebermann oder die Niederländer Anton Mauve und Herman van der Weele. Der Titel der Ausstellung lautet schlicht „Op reis met Vincent“.

Dabei war der Trip, der bis 5. Dezember 1883, also rund drei Monate, dauerte, für ihn und die Kunstwelt besonders bedeutsam. Das sei der breiten Öffentlichkeit unbekannt, betont die Kuratorin: „Van Gogh entschied sich hier im abgelegenen Drenthe final dazu zu malen.“ Das ist in seinen Briefen aus der Zeit vor Ort an seinen Bruder Theodore nachzulesen. Kopien davon stellt unter anderem das Van Gogh Huis in Nieuw-Amsterdam aus, ein Provinz-Dorf 40 Kilometer südlich vom Drents Museum und ein spezieller Ort auf seiner Reise.

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Für Wochen Van Gogh’s Zimmer in Nieuw Amsterdam – mit Blick auf die Zugbrücke Foto Ulrike Wirtz

Denn in Nieuw-Amsterdam hatte Van Gogh den Großteil der drei Monate ein Zimmer in einer Herberge bewohnt, machte sich von hier in die Umgebung auf. Eine Reise auf seinen Spuren führt aber am besten erst ins Drents Museum und danach zu Van Gogh’s Zielen in Natura.

Moderne Videokunst zur Einführung

Schon die Einführung in seine Reise im Museum macht Lust, später wie er durchs Land zu streifen. So projiziert im ersten Ausstellungsraum moderne Videokunst bewegte Bilder großflächig auf hohe Wände – fast wie im 3D-Kino: angefangen damit dass Van Gogh als Mann mit Hut, Koffer und Staffelei einen Zug nimmt (zum Ort Hoogeveen), wo er einige Tage bleibt; bis er einige Tage später per Kahn, damals ein übliches Transportmittel für alles Mögliche, weiterreist (nach Nieuw-Amsterdam); um dann mit Staffelei unterm Arm durch die Region zu wandern: durch Wiesen und Weiden, wehendes Gras, durch Heidelandschaft, vorbei an Kanälchen, vereinzelten Häusern und Katen, die sich ins Land zu kauern scheinen, durch kleine Weiler. Bis sein Blick – und der unsrige als Betrachter des Videos – auf einmal zu schwarzem Moor wandert, zu Männer und Frauen, die arbeiten – im Moor genauso wie auf den Feldern.

Erst seine Bilder bewundern, später seinen Spuren folgen

„Op reis met Vincent“ – etwa durch die Landschaft von Drenthe, wie von Van Gogh festgehalten im Aquarell „Landschaft in Rostbraun und Lila“. Er malte in zarten Pinselstrichen eine einsame Gegend mit einer winzigen Hütte und wenigen Bäumchen. Als Farben der Natur dominieren Rostbraun und Lila – jeweils in Nuancen von hell bis dunkel. Das Lila steht für die im Herbst blühende Heide, von der Van Gogh so schwärmte.

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Van-Gogh-Aquarell „Landschaft in Rostbraun und Lila“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Im Hier und Jetzt warten solche Impressionen auf der markierten Van-Gogh-Route „Nieuw begin“ – Neubeginn. Sie führt an Kanälchen, Weiden und Wiesen vorbei, durch Alleen und Haine, wie auch im Video gezeigt. Von Grün bis braun ist die herbstliche Natur gefärbt – und von bunten Tupfern der Heide in Lila bis Pink. Inspirierend-schön prägt sich das alles ein, während es weitergeht auf der Route zu alten Katen und Gehöften, die in den Örtchen Stuifzand und Zwartschaap vom Ende des 17. Jahrhunderts stammen. Auch sie waren für Van Gogh motivierende Vorlagen.

In Zweeloo auf der Suche nach Max Liebermann

Oder sein Werk „Schafsherde vor kleiner Kirche in Zweeloo“, ein Ziel auf der Route „Symphonie van kleur“ (Symphonie der Farben). Van Gogh führte das Kirchlein aus dem 13. Jahrhundert mit Bleistift aus – mit grasenden Schafen und Hirte im Vordergrund. Zweeloo liegt 30 Kilometer südlich vom Drents Museum, bildet heute offiziell laut Euroart die Künstlerkolonie Zweeloo und feiert mit Infotafeln, Straßennamen etc. ihre berühmtesten Künstler: Van Gogh und Liebermann. Ersterer kam 1883 für einen Tag. Seit 1882 schon war Liebermann hier, blieb bis 1883 und schuf etwa „Die Rasenbleiche“. Das Werk in Öl auf Leinwand ist auch Teil der Ausstellung und Leihgabe des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Van Gogh, so schrieb er an Bruder Theo, wollte Liebermann besuchen, traf ihn aber nicht an. So wanderte er weiter und fand das Kirchlein.

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Vorlage für Van Gogh – das echte Kirchlein aus dem 13. Jahrhundert in Zweeloo Foto Ulrike Wirtz

Es steht noch am alten Platz im beschaulich-platten Land. Ebenso wie viele urig mit Riet gedeckte Häuser und Scheunen aus alter Zeit, die heute unter Denkmalschutz stehen; einige beherbergen nun Gastronomie, so etwa das feine Restaurant De Aelderstroom mit Wildgarten, in dem sich romantisch verweilen lässt.

In Nieuw-Amsterdam – Zuhause auf Zeit

Dann Van Gogh‘s Aquarell „Zugbrücke in Nieuw-Amsterdam“. Es stellt dar, was der Maestro laut Text zum Bild von seinem Zimmer aus sah: eine Zugbrücke, hinter der Brücke wenige gedrungene Häuser, vor der Brücke eine gebückt gehende Frau. Das Aquarell entstand im Abendlicht, vermittelt Kälte und Einsamkeit.

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Van-Gogh-Aquarell „Zugbrücke in Nieuw-Amsterdam“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Und heute? Die Brücke steht als modernere Version immer noch da. Die alten Häuser wichen neueren. Wohl blieb die Herberge, in der einst Van Gogh abstieg, in altholländischer Architektur schön restauriert erhalten. Sein Zimmer gibt es auch noch und ist zu besichtigen. So lässt sich Van Gogh’s Blick original nachverfolgen, sein Feeling damals irgendwie heute nachvollziehen. Zumal auch sein Zimmer noch so möbliert und mit Malutensilien bestückt ist, wie es gewesen sein muss. Die Herberge gehört zum Van Gogh’s Huis, das seit Oktober in neuem Glanz erstrahlt. Es wurde zum 140. Jubiläum renoviert, modernisiert und präsentiert nun gerade auch die Van-Gogh-Briefe an den Bruder zeitgemäß-ansprechend.

Im Moor – Menschen bei der Arbeit

Ganz wichtig war es Van Gogh, Menschen bei der Arbeit festzuhalten, so Kuratorin Rens. „Van Gogh sah ja seine Mission darin, ein Maler für das Leben auf dem Land zu werden.“ Zum Leben in Drenthe gehörte zu seiner Zeit, im Moor zu arbeiten. Es wurde als Brennstoff genutzt, noch nicht als Blumenerde. So entstand in Öl auf Leinwand „Kahn mit Torf“, mit einem Mann und einer Frau beim Beladen des Kahns.

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Van-Gogh-Ölgemälde „Kahn mit Torf im Drenther Moor“ von 1883 Foto Ulrike Wirtz

Der Maler stellt beide gebeugt dar, wie von der Arbeit geknechtet. Wobei „sie“ in der dunklen Umgebung mit weißer Mütze und roter Jacke auffällt, während er eine dunkle, gesichtslose Gestalt ist. Menschen, die im Moor von Drenthe arbeiten, finden sich noch immer. Aber deren Mühen gelten nun etwa im Reservat Bargerveen der Renaturierung des Moors.

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Drenthes Moorlandschaft heute – im Naturreservat Bargerveen wird sie renaturiert Foto Ulrike Wirtz

Die 2.200 Hektar des Reservats sind inzwischen auch Erholungsgebiet mit Wanderwegen. „Das Moor wächst täglich einen Millimeter“, begeistert sich Ludo van Wijk, ein Guide des Reservats. Diese Arbeit im und mit dem Land heute könnte Van Gogh an Drenthe auch gefallen haben. 

Wichtige Websites und weitere Info:

Zur Ausstellung in Assen informiert das Drents Museum unter www.drentsmuseum.nl. Mehr Details, auch zu Van Gogh in Zweeloo https://www.vangogh-drenthe.nl und https://www.vanghoghdrenthe.nl. Zum Van Gogh Huis www.vangoghhuisdrenthe.nl.

Details zum Restaurant im alten Gehöft in Zweeloo www.aelderstroom.nl.

Die Wanderrouten – zu Fuß, aber auch per Fahrrad – finden sich unter www.besuchdrenthe.de. Unterwegs sind überall an den Routen zur Orientierung Marker mit Van Gogh-Porträt und Richtungspfeilen angebracht.

Info zum Naturreservat Bargerveen und seinen Wandermöglichkeiten unter www.bargerveen-schoonebeek.nl.

Allgemeine touristische Informationen zu den Niederlanden, auch zu Van Gogh www.holland.com

Mit Locaboat ohne Führerschein Boot fahren

Bootstour mit Locaboat – nicht mondän und easy

Für viele interessant, die – noch – keinen Sportboot-Führerschein gemacht haben. Oder diejenigen, die einmal einen ganz unkomplizierten, unkonventionellen Bootsurlaub mit der Familie machen möchten. Da bietet sich Locaboat an – mit seinen 330 Hausbooten, für die es keinen Führerschein braucht. Der Anbieter ist seit gut 40 Jahre tätig, verfügt über entsprechende Expertise im Bootsverleih-Geschäft und ist ansässig in Freiburg. Die Flotte liegt europaweit in schönen Urlaubsparadiesen: in Frankreich zum Beispiel am berühmten Canal du Midi, in Italien an der Lagune von Venedig. Auftakt toller Entdeckungsfahrten durch die Natur, zu historischen Attraktionen und nicht zuletzt zu regionaler Küche am Wasserweg. Insgesamt 200 Routen sind buchbar.

Neue Ziele ab 2024 und Frühbucher-Rabatte

Neu ab 2024 ist der Starthafen in Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt. Von hier aus starten Hausboot-Crews ihre Entdeckungsreise entlang der Saale durch Sachsen-Anhalt.

Der Locaboat-Ableger mit Basis befindet sich am Fuße des romantischen Schlosses Bernburg. Weitere Schlösser folgen am Weg, schön drapiert in die grünen Hügel. Ebenfalls neu im Programm; der Starthafen Saintes an der Charente in Frankreich.

Neues Ziel von Locaboat - Bernburg in Sachsen Anhalt  Foto Locaboat
Neues Ziel von Locaboat – Bernburg in Sachsen Anhalt Foto Locaboat

Am Bootskurs ab Saintes liegen historische Orte, idyllische Landschaften und Lokale à la Francaise. Die Charente fließt verschlungenen daher und führt sogar zum Naturpark Périgord-Limousin. Lukullisch geht die Reise zu regionalem Ziegenkäse und Meeresfrüchten in Rochefort, für Cognac-Freunde zu den einschlägig bekannten Häusern Martell, Remy Martin und Hennessy, aber auch zu weniger bekannten Namen.

Allzeit bereit zur Radtour Foto Locaboat
Allzeit bereit zur Radtour Foto Locaboat

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Website und weitere wichtige Info:

Die Boote zu mieten kostet je nach Kategorie ab 1120 Euro pro Woche. Diverse Rabatte sind möglich und kombinierbar. Und ergeben sich aus dem in Kürze erscheinenden Katalog 2024, der sowohl gedruckt als auch digital verfügbar ist.

Die Rabatte. Für Familien fünf Prozent bei einem Kind (unter 18 Jahren); zehn Prozent bei zwei oder mehr Kindern (unter 18 Jahren). – Für Paare zehn Prozent Rabatt bei einer Belegung mit zwei Personen. – Für Gruppen fünf Prozent bei gleichzeitiger Buchung von mindestens zwei Booten. – Rabatt je nach Reisedauer: ab zehn Tagen gestaffelt drei bis zehn Prozent. Die Rabatte können bei Buchung bis 30. November 2023 – kombiniert mit Frühbucherrabatt – bis zu 20 Prozent erreichen. www.locaboat.com. Telefon 0761 207 370

Vincent van Gogh im Drents Museum Foto_Ulrike_Wirtz_2954-Mittel.jpg

Drents Museum zeigt Van Gogh in Drenthe

Seine weltberühmten Gemälde im Gelb-Goldton – entstanden in Südfrankreich – sind in Drenthe nicht zu sehen. Doch im Nordosten der Niederlande – in der zu Zeiten Van Gogh’s dunklen und ärmlichen Moorlandschaft – entschied sich der Meister-Maler final dazu zu malen. So ist es durch seine Briefe an seinen Bruder Theo van Gogh belegt. Das macht seine Werke aus seiner Zeit in Drenthe so bedeutsam für das Gesamtkunstwerk des Meisters. Genau diese Bilder zeigt die neue Ausstellung des Drents Museum in Assen, der Provinzhauptstadt von Drenthe.

Ergänzend dazu stellt das Drents Museum Werke von Zeitgenossen Vincent van Gogh’s aus, unter anderem von Anton Mauve und Jacob van Ruisdael. Das geschieht in einer modernen Präsentation und ist ein Genuss nicht nur für Kunstkenner und Van-Gogh-Fans.

Vincent van Gogh Mooi Hutje Foto Ulrike_Wirtz
Vincent van Gogh malte Land und Leute in Drenthe – hier ein kärgliches Zuhause, genannt schöne Hüte – Mooi Hutje Foto Ulrike Wirtz

Seit 11. September 2023 und noch bis 7. Januar 2024 sind Vincent van Gogh’s Werke aus Drenthe zu sehen – insgesamt mehr als 20 Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen und zum speziellen Anlass zusammengetragen aus Museen und Privatsammlungen weltweit. Die Bilder zeigen Land und Leute zu seiner Zeit in Drenthe um 1880: Sie arbeiten auf den Feldern und im Moor. Ihre Arbeit ist hart, kärglich sind die Hütten, in denen sie leben. Nach wie vor geht es in der Provinz ländlich zu: mit Wiesen und Wäldern, mit Ackerbau und Viehzucht. Hinzu kommt heute die Renaturierung Hunderter Hektar von abgeerntetem Moor – auf dass hier wieder Moore entstehen.

Vincent van Gogh der Unkrautverbrenner Foto Ulrike_Wirtz
Vincent van Gogh’s Unkrautverbrenner hat das Drents Museum jüngst ersteigert Foto Ulrike Wirtz

140. Jahrestag von Vincent’s Reise nach Drenthe

Im packenden Gegensatz dazu steht das Drents Museum im alten palastähnlichen Gemäuer mit seinem zeitlos-modernen Anbau aus Glas. Anlass der Ausstellung ist der 140. Jahrestag von Van Gogh’s Reise in die Moorlandschaft quasi am Ende von Holland – an der Grenze zu Niedersachsen. Am 11. September 1883 nämlich stieg Vincent van Gogh im Ort Hoogeveen aus dem Zug, reiste über Kanäle per Barke weiter und blieb dann Wochen im Örtchen Nieuw-Amsterdam/Veenoord. Bis er nach drei Monaten wieder abreiste – inspiriert und zur Malerkarriere entschlossen.

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Perfekt zum Timing der Ausstellung passt der Neuerwerb durch das vergleichsweise kleine Drents Museum – vollzogen im letzten Jahr in New York. Dabei handelt es sich um einen Van Gogh aus seiner Zeit in Drenthe, gemalt in Öl auf Leinwand 1883. Titel des Bildes: Der Unkrautverbrenner – Het Onkruidverbrandertje. Der Kaufpreis: „Einige Millionen“ – näher legt man sich im Museum nicht fest.

Websites und wichtige Info:

Das Drents Museum hat die Webadresse: https://drentsmuseum.nl. Weitere Info zu Van Gogh in Drenthe: www.besuchdrenthe.de; der ländliche van Gogh: www.holland.com. Spaziergänge und Radtouren auf seinen Spuren in Drenthe wurden ausgearbeitet, sind übersichtlich markiert und daher einfach nachzuverfolgen. Ansonsten suchen Ausflügler in der Provinz Drenthe Ruhe und die Möglichkeiten, beim Wandern und Radfahren durchs Grüne abzuschalten.

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Flower-Power am Keukenhof – kurzer heftiger Rausch

Am 23. März, also heute, öffnet der Traditionsgarten in Holland seine Pforten – heuer bis 14. Mai 2023. In dieser Zeit entfaltet sich hier eine einzigartige Blütenpracht – die natürlich auch wieder vergeht. Daher diese recht kurzen Öffnungsdaten. Tulpen, auch ganz hohe, Narzissen, Krokusse und Hyazinthen – alles blüht nun auf in dezenten Farben, aber auch in Rot, Gelb oder Pink. Es sind Millionen an der Zahl.

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Der Rausch ist kurz und heftig – Tulpen fast aus Amsterdam Foto Luke Price

Der Keukenhof liegt im Ort Lisse mit knapp 25.000 Einwohnern – in Südholland zwischen Leiden und Haarlem. Die Geschichte des Keukenhof reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Damals zog Gräfin Jacoba von Bayern (1401-1436) – Tochter von Herzog Wilhelm II. von Straubing-Holland – auf dem Gelände Kräuter und Gemüse. Sie bewohnte das Schloss Teylingen. Später entstand am Garten auch ein Schloss namens Keukenhof – und der Garten drum herum wuchs und wuchs. Bis 1857 der berühmte Gartenarchitekt David Zocher und sein Sohn Louis Paul Zober Hand anlegten: Sie schufen einen Park im Englischen Landschaftsstil. Noch heute folgt der Keukenhof diesem Stil.

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Der Keukenhof öffnet seine Tore heuer ab 23.3. bis 14. Mai Foto Petr Kraktochvil

Der Ort Lisse hat sich seit dem 17. Jahrhundert sukzessive zur Region der Blumenzwiebel-Züchter entwickelt. Um 1900 siedelte sich die Reichsfachschule der Blumenzwiebel-Zucht an. Heute sind Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen Teil der Universität Wagenigen. Im Keukenhof präsentieren inzwischen 100 solcher Züchter ihren botanischen Katalog. 500 Blumenzüchter stellen zudem in 20 Blumenshows in sepziellen Pavillons Schnittblumen und Topfpflanzen in ihrer Vielfalt aus. 

Niederländisches Meer von Blüten

Die jetzt beginnende Frühjahrsausstellung hat ihre Anfänge 1949/1950. Damals schufen Blumenzwiebel-Züchter und Blumen-Exporteure erstmals dieses Schaufenster Niederländischer Blumenzucht, wie sich der Keukenhof auch nennt. So zeigten und zeigen sie das, was von ihnen gezüchtete Blumenzwiebeln in acht Wochen an farbenprächtigen Blüten hervorbringen – von sieben Millionen Blumenzwiebeln spricht der Keukenhof heute. Wahrlich ein Rausch.

Website und wichtige Info:

Der Keukenhof findet sich in Lisse/Südholland und hat in diesem Jahr vom 23. März bis 14. Mai täglich geöffnet – von 8.00 bis 19.30 Uhr. Was jeder sich klar machen sollte: Da Wachstum und Blüte von der oft genug launischen Natur abhängen, lässt sich keine beste Zeit für den Besuch des Keukenhof vorhersagen. Wieviel Zeit sollte man sich nehmen: drei Stunden, sagen die Experten. Der Ticket-Verkauf erfolgt online – mit genauem Zeitfenster an einem bestimmten Tag. www.keukenhof.nl.