Corelstahl-Skulptur von Ruud v.d.Wint

De Nollen: Wie eine Stahlfeder vom Himmel fiel

Von Ulrike Wirtz

De Nollen ist keine Gemeinde, kein Campingplatz, sondern ein Garten Eden der Kreativität. Der Künstler hat Objekte und Landschaft als ein Ganzes gestaltet: Ruud van de Wint. Seine Monumental-Kunst Open Air versteckt sich im hohen Norden Hollands direkt bei Den Helder.

Ein niederländischer Nol kann Diverses sein: eine Knolle bzw. Haufen bzw. Hügel. Beim „De Nollen“ bei Den Helder ist das tiefgestapelt. Denn es ist ein Projekt mit monumentaler Kunst – vereint mit vom Künstler wie natürlich gestalteter Landschaft. „Das Ganze ist ein Gesamtkunstwerk“, schwärmt Rob Siesling, als er mit mir zur Führung durch den De Nollen startet.

Keine Knolle, sondern Monumental-Kunst

Der Garten Eden der Kunst nimmt ein 14 Hektar großes Naturareal ein; Rob Siesling ist einer der Guides, die bei Führungen das Besondere nahebringen. „Daher gibt es nur geführte Touren“, so der Guide, der sich als Natur- und Kunstfreund vorstellt. Das Projekt De Nollen scheint sich fast zu verstecken hier unweit der Küste.

De Nollen - Monumentalkunst Open Air

Noch dazu kommt erst ein opulentes Tor aus Cortenstahl im typisch-rostigen Look am Ende eines Pfads durchs Grüne. Das aufwändige Tor signalisiert aber auch: Hier warten größere Schätze. Nämlich meterhohe, abstrakte Skulpturen, die meisten aus besagtem Cortenstahl, einige aus Kupfer – allesamt gut 20 und namenlos, aber nummeriert. Und sonst nur schöne typisch nordholländische Landschaft – auf den ersten Blick wie von der Natur geformt als Dünenland: hier Gras, dort Gebüsch, hier Dünensand, dort Teiche und Bächlein. Doch Kunst und Land hat Reindert Wepko van de Wint – kurz Ruud v. d. Wint (1942-2006) – entworfen und gemacht bzw. bearbeitet und bepflanzt.

Königliche Bewunderin

Auf dass beide zur selbstverständlichen Einheit zusammenfinden; so sein Traum, so nachzulesen auf der Website „Project De Nollen“. Ruud v. d. Wint war Absolvent der Rijks-Akademie für bildende Künste in Amsterdam, war Maler, Bildhauer, Zeichner und Autodidakt als Schweißer und Landschaftsarchitekt. Guide Rob Siesling: „Beim Bau der Skulpturen griff er selbst zum Schweißgerät und fuhr zum Aufbau selbst den Kran. Aber für manches hatte er Helfer.“

Skulptur aus Bronze

Aber wieso so versteckt? „Als Ruud v. d. Wint das Areal 1980 erwarb, war das auch eine Art Rückzug, um seinen Traum zu realisieren.“ Da genoss der Künstler schon internationalen Ruf, war bekannt durch Wandgemälde in der Zweiten Kammer der niederländischen Regierung, hatte ausgestellt auf der Documenta in Kassel, in der Kunsthalle Basel etc. In seiner Heimat waren Werke von ihm im Stedelijk Museum in Amsterdam zu sehen oder im Kröller Müller Museum in Otterlo. Guide Rob Siesling: „Die frühere Königin Beatrix schmückte ihren Arbeitsplatz im Paleis Noordeinde mit seiner Kunst und besuchte ihn sogar im De Nollen.“

Kunst auch der Illusion

Mein Art Walk open Air dauert gut zwei Stunden und beginnt mit Vogel-Gezwitscher und quakenden Fröschen. Und dann kommen drei schmale, runde Säulen mit spitzen Enden in den Blick, ragen zehn Meter aus dem Rasen empor – die Nr. 0185.

Säulen-Skulptur Nr. 0185

Von nahem wird sichtbar, dass das Trio mit Kupferdraht so gleichmäßig umwickelt ist, als wäre der sperrige Draht eine filigrane, flexible Kordel. Was für eine Idee, was für eine Arbeit. Rob Siesling geht zu einem von Gebüsch versteckten Teich: „Stell‘ Dich mal hierher.“ Gesagt, getan. „Siehst Du, wie das Wasser die drei Säulen spiegelt.“

Sechs Säulen sind es nun – als eine von Standort und Sonnenstand abhängige Illusion. Bis sich auf einmal das Wasser nach einer Böe kräuselt, dabei seine drei Säulen verzerrt. Der Wind hat dieses andere Bild gemalt. Rob Siesling: „Das ist Absicht.“ Wie alles hier.

Blickachsen des Maestro

So setzte Ruud v. d. Wint Wasser und Wind interaktiv-gestalterisch ein, ebenso den Wechsel von Licht und Schatten. Dieses Zusammenspiel der Elemente plante er akribisch auf Papier. Und plante ebenso – ganz Landschaftsarchitekt – Blickachsen. Daher fällt automatisch weiter hinten ein grün bewachsener Hügel ins Auge, auf seiner Kuppe eine Art meterhohe Haube aus Cortenstahl. „Mit den optischen Verbindungen setzte er Kunst und Landschaft optimal in Szene“ (Rob Siesling) – und verhilft dem Betrachter zu 1a-Genuss.

Cortensahl-Haube auf altem Bunker

So auch bei dem mehr als mannshohen Cortenstahl-Gebilde Nr. 0195. Es erinnert an eine ausgerollte Apfelschale und lässt sich von Hand unerwartet leicht in Schwingung versetzen; so macht der Guide es vor, ich es nach. Andererseits stellte der Künstler das Werk so auf, dass es – siehe oben – gerade auch der Wind bewegt. Der weht an diesem Sommermorgen leicht, genauso leicht schwingt das Werk und beschert meditative Augenblicke.

Skulptur Nr. 0195

Die Hügel übrigens sind nicht natürlich entstanden. Sie kaschieren die 24 Bunker aus der einstigen militärischen Nutzung des Areals. Der Künstler bepflanzte auch diese Relikte mit Rasen und Büschen, machte sie unsichtbar und setzte on top mal eine Skulptur, mal nichts. Vereinzelte Bunker schmückte er innen mit seiner Kunst: mal mit orange-roter Wandmalerei, mal mit Wänden ganz in Blau.

Alter Bunker mit kunstvollem Innern

Letzteres Werk ist neun Meter hoch und lässt das Blau oben in Weiß enden, als wäre dort ein bewölkter Himmel. „Das sorgt für ein Gefühl, dem Himmel echt nah zu sein.“ So erklärt Ralph Keuning, Direktor des Museums de Fundatie in Zwolle, die Wirkung des blauen Raums auf ihn bei seinem jüngsten Besuch vor Ort und festgehalten von Avrotros-TV.

Labor der Kunst

Das Blau erinnert an das berühmte International Blue des Malers Yves Klein, ist aber wie alles im De Nollen von Ruud v. d. Wint. Das unterscheidet seinen Garten der Kunst von anderen im Land, denn die versammeln oft Skulpturen verschiedener Künstler. Und nur beim De Nollen hat der Künstler selbst die Landschaft designt und angelegt von eigener Hand.

Cortenstahl im typisch rostigen Look

Kunsthistoriker Ralph Keuning nennt das ganze sogar „ein Labor für die Kunst. Und was für ein Erlebnis, hier durchzulaufen“.

Meine Tour rundet zum Ende Oeuvre Nr. 0198 ab: zehn Meter hoch und 14 Meter lang und einst für das Kröller-Müller Museum gedacht.Von weitem erinnert es an eine schwebende Feder. Der Maestro schuf es kunstvoll aus Cortenstahl – mit 25.000 Tonnen Gewicht. Rob Siesling: „Wir nennen es Harmonica. Es lässt sich wie eine leichte Feder bewegen.“ Wirklich? Und wieder gesagt und getan: Gemächlich fangen 25.000 Tonnen an, sich zu drehen – langsam und geräuschlos wie eine Feder, die vom Himmel schwebt.

Skulptur Nr. 0198

Wichtig zu wissen und Websites – auch weiterer Art Walks open Air in Holland

Ruud v. d. Wint kaufte das Areal 1980 für einen symbolischen Gulden und investierte Hundertausende Gulden bzw. Euro. An seinem Gesamtkunstwerk De Nollen arbeitete er bis zu seinem Tod 2006, seither halten es seine Söhne Gijs und Ruud hoch (https://projectdenollen.nl).

Weitere Kunst-Parks unter freiem Himmel: etwa Kröller-Müller Museum https://krollermuller.nl; Skulpturenpark am Kasteel het Niejenhuis www.museumdefundatie.nl/de/skulpturengarten; Land Art www.visitflevoland.nl

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