Der Ort Tignes auf 2.100 Meter gelegen. Höchster Punkt der Pisten knapp unterhalb der 3.456 hohen Gletscherspitze La Grande Motte, zugleich Endstation der Seilbahn. Die oberen Hänge auf 3.000 Meter Höhe aktuell von der Winterwetter-Fee mit gut 160 Zentimeter Neuschnee bedacht. Im Ort selbst frische weiße Pracht von inzwischen bis zu 80 Zentimeter. Da leuchten die Augen nicht nur von regelrechten Brettl-Freaks, sondern auch von denen, die Skifahren einfach mögen. Eine weitere gute Nachricht: Das Wintersportrevier Tignes ist heuer wie jedes Jahr früh dran – die Lifte laufen in Tignes seit 23. November. Nur eine Woche später, also ab sofort, heißt es auch Ski und Rodel möglich im mit Liften verbundenen Revier von Val D’ Isère, dem Nobelort Frankreichs für Wintersport und auf 1.785 Meter gelegen.
Wenn Tignes und Val D‘ Isère ihr gesamtes Skiparadies öffnen, erwarten den Gast wieder insgesamt 300 Kilometer Pisten mit 159 Abfahrten für alle Stufen des Könnens auf zwei Brettern oder einem Brett; auf den Pistenplänen oder draußen im Schnee markiert von grün (einfach) über blau (mittelschwer) bis rot (schwer) und schwarz (nur Experten). Wer es gut kann, der überwindet bei seinen Sausefahrten imposante Höhenunterschiede von bis zu 1.900 Meter. Vom höchsten Skigipfel über den Ort Tignes, bekannt auch als Tignes Val Claret, geht es noch einige hundert Meter tiefer Richtung Tal – mit dem Ort Brèvières auf 1.550 Meter als Endstation fürs winterliche Treiben im Areal.
Das Gesamtrevier Tignes/Val D’Isère umfasst 3.680 Hektar hochalpines Gelände in den schönen Savoier Alpen nahe der Schweizerischen Grenze jenseits von Genf. Davon 480 Hektar markierte beaufsichtigte Pisten und 2.600 Hektar off-pist – unbewachtes Gelände also, in dem sich nur die wirklichen Könner aufhalten sollten, um im Tiefschnee auf Skiern und Snowboards ihre Zöpfchen in den Tiefschnee zu flechten oder um auf Touren durch das winterliche Hochgebirge zu streifen. Was für Möglichkeiten.
Mehr als nur Fun auf Skiern und Snowboard
Die lassen einen auch schnell vergessen, dass Tignes und Val Claret wegen ihrer Lage in luftiger Höhe keine natürlich gewachsenen Orte sind, die mit alter Tradition und gemütlicher Architektur als Schneeziele locken wie bekannt aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. In diesem Teil der Dreitäler – der Trois Vallées, wie die Region im französischen Teil der Savoier Alpen auch heißt und zu der noch Val Thorens und Meribel gehören – fing der Skitourismus erst in den 1960er/1970er Jahren an; zu Zeiten, als Jean Claude Killy das Maß aller Dinge unter den Skirennfahrern weltweit war. Mit Unterkünften damals in ultramodernen Hochhäusern, die später als unansehnlich galten.
Doch viele Bausünden aus den Anfängen ließ man hinter sich, bietet nun eine ganze Palette – vom modernen, umweltfreundlichen Komfort der Résidences Le Kalinda bis zur stilvollen Eleganz des Fünf-Sterne-Hotels VoulezVous. Ganz neu ab dieser Saison: das schicke Chalet Hôtel Quartz in Val Claret.
Und war anfangs lange nur Skifahren die Hänge und Pisten hinunter angesagt, werden nunmehr auch andere Winteraktivitäten geboten, auch für Kids. So frönen Free-Styler ihrem Brettlsport im eigens angelegten DC Park. Für Langläufer werden Loipen gespurt. Andere wiederum entspannen sich vom sportlichen Tun in dünner Höhenluft beim Schlittenfahren – das gilt für Große wie Kleine.
Wieder andere nehmen als Fußgänger Lifte in die Höhe, genießen oben das Bergpanorama verschneiter Gipfel inklusive Mont Blanc, der höchste Berg Europas. Man relaxt oben ( und natürlich auch in den Orten unten) auf Terrassen unter blauem Himmel und genießt Lunch und/oder Drinks zum Après-Ski im Angesicht schroffer Gipfel mit und ohne Schneekuppen. Zum geselligen Treff lädt zum Beispiel auch die Berghütte Le Palet auf 2.431 Höhenmeter ein und das bei stimmungsvoller Live-Musik.
Besonders genüsslich blieb einem selbst vor Ort in Erinnerung, wenn nach der letzten Talfahrt ein leckeres heißes Gericht wartet – in Landesmanier am besten ein Fondu oder Raclette mit dem berühmten Käse der Savoier Alpen.
Anreise Per Auto zum Ziel geht es schön durch die Schweiz – am besten am idyllischen Lac d’ Annecy im hübschen französischen Städtchen Annecy vorbei. Der nächstgelegene Flughafen ist Chambéry rund zwei Auto-Stunden von Tignes. Alternativen: drei Stunden entfernt die Flughäfen Genf (Schweiz) und Lyon. Wer im Zug anreist, fährt bis zum Städtchen Bourg-Saint-Maurice und nimmt von hier für die 30 Kilometer bis Tignes Bus oder Taxi.
Lifttickets Hier einige Varianten. So kostet ein Skipass bis Weihnachten nur für das Skirevier Tignes 366 Euro für 6/7 Tage (bis 20.12.24). Der Skipass für die Skireviere Tignes/Val D‘ Isère zusammen kostet in der Zeit bei 6/7Tagen 426 Euro. Wer nur einen Tag das ganze Revier erkunden möchte, zahlt im gleichen Zeitfenster für den eintägigen Skipass 71 Euro. Der Fußgänger-Pass für Lift bzw. Gondel kostet in Tignes für einen Tag 26 Euro. Damit geht es hinauf zu höchstgelegenen Aussichtspunkten mit Blick auf den fernen Mont Blanc und den nahen La Passe.
Ausrüstung leihen Skier und Skistöcke sowie Snowboards, jeweils plus Ski-Stiefel können bei mehreren Anbietern vor Ort geliehen werden. Leihe ist schon vorab online möglich.
Schlechtwetter oder nach dem Skitag Dann gilt als Treffpunkt das Tignespace mit 3.500 Quadratmeter für Wellness und Fitness. Hier kommen bequem wieder alle Könner-Gruppen zusammen, auch die Kids, die tagsüber in der Skischule waren. Perfekt auch das Aqua-Center Le Lagon im Tignespace.
Unsere Autorin Ulrike Wirtz war für Lebensart-Reise.com vor Ort. Alle Fotos Ulrike Wirtz, außer anders vermerkt.
Die Hafen- und Universitätsstadt Charleston ist mit 150.000 Einwohnern für US-Verhältnisse klein – und gilt als großes Reiseziel. Das liegt am Historic District mit seiner Dichte schön restaurierter Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert, mit schmucken Gärten und schattigen Alleen. Und dann die maritime Lage am Charleston Bay, einer Ausbuchtung des Atlantiks. Und obschon Charleston heute fast kleinstädtisch-idyllisch wirkt: Groß waren vor Ort Ereignisse zu Zeiten der Sklaverei – mit Folgen bis zur Gegenwart.
1. Tag früher Morgen – einstimmen mit Walk zum Bay
Der erste Morgen beginnt mit einem Spaziergang durch das historische Downtown – vorbei an hübsch restaurierten Wohnhäusern und Amtsgebäuden, an alten Gemäuern mit Hotels und Shops aller Art. Vieles ist echt alte Südstaaten-Architektur, erzeugt Beschaulichkeit und führt auf eine Zeitreise. Das Flanieren lässt sich genießen – über einladende Bürgersteige. Ziel: das Charleston Bay, an dem die Stadt liegt.
Viel Attraktives im Historic District ist fußläufig zu erreichen, gerade auch von den zahlreichen Hotels im Viertel aus wie das Mills House Charleston, ein Boutiquehotel der Curio Collection by Hilton, die Bleibe meiner Wahl und seit 1853 Grand Hotel am Platze. Von außen kommt das Traditionshaus im blassen Pink wie typisch im Süden daher. Drinnen ist alles modern-elegant, auch die Zimmer und Bäder.
Das Mills House Hotel liegt zentral an der Ecke Meeting Street/Queen Street (St.), so dass es zum Bay-Ufer nur wenige hundert Meter Spaziergang sind – die Queen St. East immer geradeaus. An ihrem Ende wartet der fünf Hektar große Water Front Park und sein Pineapple Fountain: ein mehrstöckiger Brunnen in Form einer Ananas und beliebt bei Hochzeiten fürs Gelübde. www.visit-historic-charleston.com
Kein Wunder vor dem Panorama: Bay, sprich Wasser bis zum Horizont. Überhaupt die Lage: Das Bay fängt die Flüsse Ashley, Cooper und Wando River auf, die vom Binnenland im Norden kommend ins Bay münden. Die Stadt Charleston verteilt sich über eine grüne Halbinsel zwischen Ashley und Cooper River. Und wenige Seemeilen südlich der Stadt geht das Bay in den offenen Atlantik über. Die gute Lage ließ die Stadt im 17. Jahrhundert entstehen und prosperieren.
Einst Charles Town nach dem britischen König
Es begann damit, dass 1663 der britische König Charles seinen Freunden Land in den Südstaaten schenkte, auch genau am Ort. Einer davon – ein gewisser Ashley – schickte 1670 erste Siedler in die Übersee-Latifundien. Die Leute benannten den Fluss vor Ort Ashley River nach ihrem Landlord und besiedelten das heutige Stadtgebiet – benannt anfangs Charles Town nach dem König. Später wurde daraus Charleston. Zurück im Hier und Jetzt sind zu früher Stunde auf dem Wasser Boote von Fischern zu sehen, die ihrem Job nachgehen, und in Ufer-Nähe Regatta-Boote, die trainieren. Am Wasser nach rechts kommen Water St. und East Battery St. mit Wohnhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Hot Spots für Wohlstand, Sklaverei und Civil War
Weil die später Teil der City Tour, sind , heißt es nun links – parallel zum Bay über die Concord St. Richtung Charleston Harbor, einem großen Handelshafen. Zuvor kommt das Maritime Center mit einer Marina für Privatboote (bis hierher ab Mills House rund 1,6 Kilometer). An den Stegen der Marina sind Segel- und Motoryachten von klein bis groß fest gemacht, schaukeln leicht hin und her. Im Moment unvorstellbar, dass über das Idyll Hurrikans peitschen wie anno 1989 Hurrikan Hugo oder 1954 Hurrikan Hazel.
Von der Marina starten auch die Ausflugsboote der Charleston Harbor Tours und die Shuttles zur FestungsinselFort Sumter, ein Hot Spot des Civil War von 1861 bis 1865 zur Abschaffung der Sklaverei. Am Marine Center befindet sich auch das International African American Museum (IAAM) zur Geschichte der Sklaven und ihrer Nachfahren, die sich heute African Americans nennen. Da Befestigungsanlage und IAAM Ziele am 2. Tag sind, geht es nun wieder zum Hotel – bei Durst auf Kaffee oder Tee über die Kings St., wo zum Beispiel an der Nummer 387 ein Starbucks lockt und vieles andere mehr.
1. Tag ab zehn Uhr bis 12 Uhr – Ante Bellum Mansionmit Führung
Das nächste Ziel am Morgen: das Edmondston–Alston-House an der 21 East Battery St. zehn Geh-Minuten vom Mills House. Das einst private Stadthaus dient heute als Museum in Sachen Ante Bellum Pracht im Süden ab Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Civil War. Das lateinische Ante Bellum bedeutet „vor dem Bürgerkrieg“ und findet sich oft zur Einordnung von Ära und Architektur und markiert damit auch Sklaverei, Reichtum der Sklavenbesitzer und scharfe Zäsur. Das Edmondston–Alston-House hat Bay-Lage und öffnet täglich um zehn Uhr – außer montags ab 13 Uhr. Erbaut 1825, ist die Villa nur ein Beispiel von vielen in Charleston für den Pomp bei Architektur und Wohnqualität Ante Bellum.
Draußen begrüßt einen eine geräumige Terrasse mit breitem Vordach auf Säulen und mit Schaukelstühlen, typisch damals und immer noch ein Anblick, der Lust auf Müßiggang macht. In der Etage darüber Balkone wieder mit Säulen und Dach drüber. Drinnen schmücken das Haus antik-elegantes Mobiliar, üppige Gardinen, kostbares Porzellan, geschliffene Gäser, Besteck und Kerzenleuchter aus Silber und jede Menge Gemälde.
Guide Jeff zeigt auf sein Namensschild, da steht auch Chicago: „Da komme ich her. Aber mir gefällt das gute Wetter hier im Süden besser.“ Keine Frage: In Charleston erreichen die Temperaturen 23 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt, über den Sommer spielend auch gut 30 Grad. Im Hinterland, wo die Brise vom Bay fehlt, ist es noch heißer. Jeff: „Daher leistete man sich Ante Bellum außer einem Mansion auf der Plantage oft auch ein Stadthaus, um vor der Sommerhitze zu flüchten. Und in der Stadt war mehr Entertainment.“ Film und Roman „Vom Winde verweht“ lassen grüßen.
Auf den Plantagen in South Carolina drehte sich fast alles um den Reisanbau. „Und es ging um den Farbstoff Indigo. Und den Handel mit beidem“, so Guide Jeff. „Baumwolle und Zuckerrohr wuchsen bevorzugt in den benachbarten Südstaaten Louisiana, Alabama, Mississippi und Georgia.“ Und hier wie dort das gleiche: Die Plantagenbesitzer ließen vor allem aus Westafrika Menschen als Sklaven herbeischaffen und auf ihren Feldern schuften. Diese Großgrundbesitzer und Geschäftsleute, die unmittelbar oder mittelbar am Plantagen-Business mitverdienten, wurden reich und reicher. Man wohnte in den Städten oft als Nachbarn in den Städten – in den Vierteln des Geldadels. Bis der Civil War der Barbarei und dem Business 1865 ein Ende setzte: mit dem Sieg der Union der Nordstaaten gegen die Konföderierten der Südstaaten, die sich von den USA losgesagt hatten und weiter an der Sklaverei festhielten.
In South Carolina wuchs vor allem Reis auf den Plantagen
Guide Jeff kehrt bei seinem Erzählen zurück zum Edmondston–Alston-House: „Sein Bauherr war vor fast 200 Jahren Transportunternehmer Charles Edmondston. Der verkaufte sein Stadthaus 1838 an den Reis-Plantagenbesitzer Charles Alston.“ Daher der Doppelname. „Alston besaß sechs Plantagen außerhalb von Charleston. Viele Einrichtungsstücke von heute gehören original zum Haus. Alles andere stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde für den Museumszweck zusammengestellt.“ 6000 Square Feet, also fast 600 Quadratmeter, ist das Stadthaus groß und hatte ausreichend Platz auch für die damals größte Privatbibliothek weit und breit.
Selbst für heutige Zeiten wirkt die private Bücherei groß – „Bildung schrieb man groß“ (der Guide). „Zum angesagten Lebensstil gehörten auch Reisen nach Europa. Und es war en vogue zu musizieren. So hielten es auch die Alstons.“ In den nächsten Zimmern stehen denn auch Piano und Harfe, herangeschafft damals wie das feine Mobiliar aus New York oder Europa. Im Esszimmer gibt’s einen Tisch zu bewundern: mit feinem Silber bestückt, Teetassen, Weingläsern aus Kristall. „Alles ist echt alt“, betont Jeff. Was seine Zuhörer hörbar beeindruckt: „Wenn der Tisch ausgezogen ist, passen 22 Leute dran.“ Wow. www.edmonstonalston.org
1. Tag über Mittag – Market St. und City Market Hall
Über Mittag bietet sich die Market St. an – wegen ihrer Lokale und Geschäfte und der historischen City Market Hall an der Ecke Market St./Meeting St. Der Markt besteht sein 1807 und hat neben Ständen draußen auch geräumige Verkaufshallen mit Ständen rechts und links – mit vielerlei Tinnef für Touristen. Ein Stand verkauft aber schicke Hüte der US-Kultmarke Stetson.
Das Hauptgebäude des Marktes ist ein von vier Säulen verziertes Gebäude, zu dem zwei schmale steile Treppen hinauf führen. Es erinnert an einen Tempel, wurde in der Tat einem Vorbild in Athen nachgebaut und zwar 1841. Damals beherbergte das Gebäude die Verwaltung des Marktes, heute ein Confederate Museum mit Waffen etc. und erinnert an die Verfechter und Verteidiger der Sklaverei. www.thecharlestoncitymarket.com.
1. Tag nach 14 Uhr – Stadtführung mit Guide
Auf Stadttouren mit professionellen City Guides gibt es den besten Überblick über die Alt-Stadt, ihre architektonischen Highlights sowie Historie und Histörchen. Unser Guide: Gordon von Bulldog Tours. Er macht seine Touren bevorzugt an Nachmittagen – „dann kühlt es sich schon wieder ab. Ihr wisst, es wird hier ziemlich heiß.“ Und betont, was unser Spaziergang am Morgen schon gezeigt hat: „Charleston hat viele schöne Ante Bellum Häuser, auch im Hinterland finden sich Mansions aus der Ära und können besichtigt werden. Das alles zieht viele Touristen an – auch die nahen Strände von South Carolina wie Myrtle Beach im Süden von Charleston oder Hilton Head Island im Norden. Meist kombinieren Besucher beides.“ Genau.
Mit Guide Gordon wandern wir durch lauschige Sträßchen an Wohnhäusern vorbei, die es schon Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts gab. Manche Sträßchen führen schön am Ufer entlang, haben manchmal noch das alte Kopfsteinpflaster vergangener Zeiten. Alles ist gepflegt. Hier blassgelbe Fassaden mit grünen Fensterläden, dort weiße Fassaden und Fensterläden in zartem Beige, hier Balkone aus kunstvoll geschmiedetem Eisen, dort ebensolche Zäune um Vorgärten und Grundstücke.
South of Broad nennt sich die Gegend, war schon früher das Viertel für Reiche und Schöne und ist es auch heute. Der Guide: „Die Häuser aus dem 18. Jahrhundert sind Georgian Style und weniger üppig wie der danach angesagte Greek-Roman-Style. Alle sind Ante Bellum und stehen als Historic Landmarks unter Denkmalschutz. Und sie sind schnell einige Millionen Dollar wert.“
Nur ein Beispiel: das Heyward-Washington House in rotem Backstein an der 87 Church St.. Das ließ Reis-Farmer Daniel Hayward 1772 errichten. Den Doppelnamen trägt das Haus heute, weil 1791 US-Präsident George Washington drin nächtigte; einer der Gründervater der Vereinigten Staaten von Amerika, ihr 1. US-Präsident von 1789 bis 1797 und verehrt als Ikone der Demokratie, auch wenn Washington selbst einst als Plantagenbesitzer Sklaven beschäftigte, aber frühzeitig der Sklaverei abschwor.
Weiter geht‘s zur Tradd St. und Bedons Alley, wo Wohnhäuser noch pompöser werden, auch sie renoviert, als Denkmäler geschützt und original Ante Bellum. Gordon: „Sie sind Greek-Roman-Revival. Der Stil kam rund 1830 in Mode und war en vogue bis zum Bürgerkrieg. Das galt für die Mansions auf dem Land wie für die Stadthäuser.“ Römisch-griechisch bedeutete vor allem mächtige Säulen und verzierte Kapitele – alles in Weiß, um dem Marmor der Antike zu entsprechen. Sie waren wohl aus Holz, nur weiß gestrichen. Die Säulen schmückten die Fronten und Terrassen vor und hinter den Häusern und auch das Innere der Hallen und Flure. Gordon. „Unsere alten Stadthäuser in Charleston haben oftmals größere Grundstücke mit Gärten und kosten dann oft noch einige Millionen Dollar mehr.“
Ein amtliches Gemäuer in dem Stil und regelrecht wuchtig ist das United States Custom Houseam Hafen 200 E Bay St. Es steht jedoch auch für eine andere Seite der damaligen Ära, weil nämlich schon lange vor Kriegsbeginn die politischen Zeichen auf Sturm standen. Gordon: „Denn mit seinem Bau wurde 1852, also neun Jahre vor dem Civil War, begonnen. Noch vor Kriegsbeginn ruhte die Baustelle wegen Geldmangels – bis 1879“. In dem Jahr wurde der Monumentalbau wieder in Angriff genommen und abgeschlossen und dient seither und bis heute seinem Zweck als Zollamt. www.bulldogtours.com
1. Tagspäter Nachmittag – Mrs. Whaley’s Garden
Weil sich die Gärten der Ante Bellum Stadthäuser hinter Mauern und Hecken verstecken, empfiehlt sich folgender Abstecher auf eigene Faust: zur historischen Villa an der 58 Church St.. Denn hier steht Mrs. Whaley’s Garden jedem offen – gegen zehn Dollar Eintritt. Er ist offiziell der einzige seiner Art und das ganze Jahr geöffnet jeweils nachmittags von Donnerstag bis Sonntag. Die Anlage stellt sich heraus als feine Oase mit Brunnen und Wasserspeier, mit Blumenrabatten aus Rosen und Azaleen, mit schmalen Pfaden und Rasen. Hier Vogelzwitscher, da Bienensummen. Im Teich spiegelt sich kitschig-schön der Himmel über Charleston.
2. Tag morgens – der einstige Sklavenmarkt
Der 2. Tag in Charleston steht im Zeichen der Sklaven und des Krieges um ihre Befreiung. Der erste Weg führt zum einstigen Markt, an dem Sklaven wie Ware gehandelt wurden: der Old Slave Mart an der 6 Chalmers St. und ebenfalls im Historic Distric (350 Meter zu Fuß vom Mills House). Die Sklaven waren zuvor aus Afrika auf Galeerenschiffen unter unmenschlichen Bedingungen „angereist“. Sie gingen am Bay nahe heutigem Maritime Center von Bord und zogen die wenigen hundert Meter zum Markt – über die Jahrzehnte zu Tausenden. Das Entrée zum Old Slave Market ist damals wie heute ein steinernes Tor, danach folgt eine Art Galerie. Das Tor wurde 1856 in der Prunkarchitektur des Ante Bellum erbaut.
Dabei war die Sklaverei seit 1808 bereits gesetzlich verboten – vom Parlament der USA. Tonangebend waren hier die Nordstaaten, die Union, und schafften die Sklaverei ab. Die Südstaaten dagegen hielten weiter daran fest, schlossen sich daher als Konföderierte Staaten zusammen und sagten sich 1861 von den USA los. Um das Verbot durchzusetzen, begann im gleichen Jahr der Bürgerkrieg. Aber selbst dieser Civil War stoppte vorerst nicht die Sklaverei der Süd-Staatler quer durch den Deep South, auch nicht in South Carolina. Am Old Slave Markt wurden Menschen noch bis 1863 verkauft. Da tobte der Krieg schon zwei Jahr, bevor er 1865 mit einer desaströsen Niederlage der Südstaaten endete.
2. Tag vormittags – International African American Museum
Ein weiterer Ort des Erinnerns und ein Muss: das IAAM – siehe oben – am Marine Center. Aber anders als der Old Slave Mart ist es hochmodern, wurde 2023 – nach 20 Jahren Planungs- und Bauzeit – am Bay eröffnet. Sein Gebäude ist modern-schlicht, auch durch Fassaden in sandfarbenen Ziegelsteinen. Auffällig ist, dass der Bau auf 18 Säulen ruht. Sie sind vier Meter hoch und schützen vor Überflutungen vom nahen Bay. Drinnen warten diverse Hallen mit modernem Ausstellungskonzept.
So erzählen Videos auf wandhohen High-Tech-Screens die Geschichten versklavter Menschen und ihrer Nachfahren, unterlegt das ganze mit Klängen ihrer alten Heimat und ihrer Musik bis heute. Fotografien und Schautafeln, auch interaktiv bzw. virtuell gestaltet, stellen geschichtliche Kontexte her und bringen den Betrachtern auch die Heimat der Vorfahren der African Americans näher; sowohl ihre Geografie als auch ihre Geschichte seit 300 v.Chr. bis heute.
Fotografien, Dokumente, Bücher und Videos zeigen auf, wie Bürger afrikanischer Herkunft ihre neue Heimat seit Jahrhunderten mitgestalten und beeinflussen: kulturell, politisch, in der Musik, der Sprache, zudem auch bei der Kulinarik – bis hinein also ins tägliche Leben in den USA, wo sie vor 300 Jahren mit Gewalt unterjocht anlandeten. Zum Programm des IAAM gehören daher auch Wechselausstellungen mit Werken zeitgenössischer afro-amerikanischer Künstler. Und einzigartig: Nachfahren der African Americans können in einem großen Bereich im Museum systematische Ahnenforschung betreiben: mittels einer Fülle akribisch zusammengetragener Dokumente, auch von Soldaten unter den Sklaven, die als Freiwillige im Bürgerkrieg bei den Nordstaaten kämpften, nachdem ihre „Herren“ sie in die Freiheit entlassen hatten.
Aktivster Hafen einst für den Sklavenhandel
Warum genau hier das moderne Museum – an der 14 Wharfside St.? „Hier war einst das Schiffspier, wo Abertausende Sklaven an Land kamen“, betont Jamilah Frazier vom IAAM. Von hier ging es für viele weiter zum Old Slave Mart, um wie Ware versteigert zu werden. Oder sie wurden zu anderen Märkten der Südstaaten gebracht, um auch dort als Sklaven verkauft zu werden. Am Pier in Charleston landeten laut offizieller Statistik rund 40 Prozent der aus Afrika verschleppten Menschen an. „Damit war Charleston der aktivste nordamerikanische Hafen für den Sklavenhandel“, besagt eine Infotafel im Museum.
Den Ort der Ankunft in Unfreiheit markiert heute draußen am Museum ein Brunnen, um den herum steinerne Wege führen. Darin sind Mosaiken aus Muscheln eingelassen und stellen liegende Menschen dar. Jamilah Frazier: „Das erinnert daran, wie die Sklaven liegend – man muss sich das mal vorstellen – wie übereinander gestapelte Kisten unter Deck über Wochen angekettet transportiert wurden.“ Auch Bilder im Museum dokumentieren die grausamen Transporte, lassen einen erschüttert zurück.
Noch mehr Symbole, noch mehr Mahnmale draußen am Gebäude auf seinen hohen Säulen. Hier ein Garten aus Süßgras und afrikanischen Palmen und mit Bänken zum Verweilen. Dort ein Feld von Stelen aus Metall – ähnlich den Stelen in Berlin, die dort an die Verfolgung der Juden im Dritten Reich erinnern. Aber doch auch nicht nur das, betont Jamilah. „Drinnen wie draußen verschmilzt alles beim IAAM zu einer Erinnerung an das dunkle Kapitel der US-Geschichte. Zugleich wollen wir ein Ort der Hoffnung sein und zeigen, was die früheren Sklaven bis heute alles bewegt haben.“
Genau die Botschaft vermittelt auch die große Skulptur aus schwarzem Granit, bestehend aus zwei langen Mauern, die zusammen einen Gang bilden. Der Granit der Mauer außen ist matt und innen poliert wie ein Spiegel. Man kann durch den Gang gehen, vorbei an Statuen in Weiß. Sie stellen Menschen in geduckter Haltung dar. Aber außen an den Mauern steht in Stein gemeißelt: „I Rise“. Ich erhebe mich. https://iaamuseum.org
2. Tag ab Mittag – Bootstour nach Fort Sumter
Im Meer vor Charleston wartet mehr große Südstaaten-Historie zur Befreiung der Sklaven. Dafür geht es per Boot nach Fort Sumter – heute Gedenkstätte und Teil eines National Monument und National Park. Genau am Fort hat nämlich der Bürgerkrieg offiziell begonnen: am 12. April 1861. Der Ausflug hierher startet nahe IAAM ab Maritime Center und beginnt anders als einst für die Soldaten für unsereins heute mit Sightseeing. So passiert das Boot das Pier der Kreuzfahrt-Schiffe. Den Flugzeugträger USS Yorktown – ein schwimmender Gigant von 266 Meter Länge, 1940 in Dienst gestellt und seit 1970 im Hafen von Charleston als Museumsschiff vertäut.
Fährt vorbei an Frachtschiffen, die vielleicht gar deutsche Automarken (BMW produziert in Spartanburg/South Carolina und Mercedes in Montvale/Georgia) transportieren. Und Delphine kreuzen den Weg, drehen sich wie bei einem schön anzusehenden Tanz raus aus dem Wasser und wieder rein, wieder raus und rein – fast wie bestellt. 150 solcher Bottle Nose Dolphins sollen im Bay zu Hause sein.
Das Fort kommt in Sicht, sein Bootsanleger näher. Ein Park Ranger begrüßt am Eingang die neue Besuchergruppe. Dienst heuer hat laut Namensschild Robert Reinhard. Nach kurzem Welcome zählt er Fakten und mehr Erhellendes zur Befestigungsanlage auf: erbaut 1860 auf einer befestigten Sandbank am Übergang vom Bay in den Atlantik. Benannt nach Thomas Sumter, ein General im Unabhängigkeitskrieg gegen England. Militärisch genutzt bis 1948. Seither Teil des Fort Sumter National Monument. Ranger Robert: “Weitere Info findet Ihr unterwegs auf Infotafeln. Zudem gibt es hier ein Museum mit Fotos, Landkarten, Bauplänen und alten Kanonen. Und seht Euch den Film an – er lohnt sich.“ Und: Man könne sich nicht verlaufen, alles sei zugänglich, wenn nicht explizit verboten. „Und verpasst nicht die Rückfahrt.“
Auf eigene Faust geht es also durch das Fort und auf seine hohen Mauern hinauf: Dafür gilt es, steile Treppen zu erklimmen. Oben auf einer Art Plattform angekommen, wartet ein 360-Grad-Panorama übers Meer wie zu Zeiten der Schlacht vom April 1861. Was damals geschah: Die Unions-Truppen hatten das Fort gebaut und harrten hier in Vorbereitung des Krieges gegen die Konföderierten Truppen aus. Als den Unionisten der Nachschub ausging, machte sich für sie schlagkräftige Hilfe auf den Weg.
Angesichts dessen eröffneten die Konföderierten das Feuer auf das noch geschwächte Fort, setzten es in Brand und brachten die Unionisten am 13. April zur Aufgabe. Denn deren Pulvermagazin drohte zu explodieren. Doch so erfolgreich blieben die Sklavenhalter nicht und mussten sich am 9. April 1865 weiter nördlich im Bundesstaat Virginia ergeben. https://fortsumtertours.com
3. Tag vormittags – das Gibbes Museum of Art
Zum Ausklang dreht sich alles um die schönen Künste im Gibbes Museum (135 Meeting St). Sein Gebäude von anno 1905 beeindruckt in der eleganten Architektur der Beaux Art. Das heißt, alles, auch seine Säulen, sind filigraner als beim zuvor angesagten Greek Roman Revival. Drinnen sind gut 10.000 Kunstwerke aus vier Jahrhunderten ausgestellt, viele davon Gemälde mit Bezug zur Region. Sie stammen teils von „alten Meistern“ aus der Gegend. Darunter vor allem Jeremy Theus, geboren 1716 als Jeremiah im Schweizerischen Chur, verstorben 1774 in Charleston und berühmt als Maler von Porträts, die sogar das weltberühmte Metropolitan Museum of Art in New York zeigt.
Zeitgeschichte und auch spannend anzusehen: Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts. Sie zeigen auch die Zerstörungen in der Stadt durch ein heftiges Erdbeben von 1886. Andere lassen gut erkennen, wie seither Charleston wieder auferstanden ist – als internationales Ziel am Bay mit viel mehr als Kleinstadt-Beschaulichkeit. www.gibbesmuseum.org
Das Hotel Mills House Charleston liegt zentral im historischen Distrikt, gefällt drinnen durch Eleganz und draußen durch große Terrasse mit Bar, mit Pool und Cabanas. www.millshousehotel.com; www.hilton.com
Extratipps Essen – Bintu Atelier Der Einfluss der African Americans auf die Kulinarik zeigt sich an der Gullah Geechee Cuisine. Wobei Gullah auch der Name der Sprache ist, die von den versklavten Afrikanern einst nach ihrer Ankunft in der neuen Welt entwickelt wurde. Die sprechen sie teils auch noch heute. Typische Gullah Geechee Speisen kredenzt Küchenchef Bintu im Cottage namens Bintu Atelier. Das Hauptgemüse ist Okra. Zum Reis gesellen sich Meeresfrüchte wie Krebse und lokaler Fisch gegrillt oder frittiert. www.bintuatelier.com
Leon’s Austern und Geflügel sind die Spezialitäten im Lokal, dessen ganzer Name Leon’sFine Poultry and Oysters selbiges besagt. Aber Locals sagen nur kurz Leon’s zur Location an der 698 King Street in einer einstigen Autogarage. Das Erbe wird gepflegt durch offen zur Schau gestellte Eisenträger.
Der Laden ist riesig und brummt – wegen gebratener Hähnchen, roher frischer Austern und Shrimps, jeweils mit leckeren Saucen, wegen Sandwiches mit Chicken, mit gegrilltem Fisch oder gebackenen Austern. An Drinks kredenzt Leon’s Weine aus alter und neuer Welt, Biere national wie international und Cocktails. www.leonsoystershop.com
Charleston ist als kleinere Stadt ein Ort sogenannter Dive Bars, was in deutschen Landen so viel meint wie Kneipe um die Ecke. Das besagt nicht, dass eine Dive Bar in Charleston ein kleiner Laden ist. Aber es heißt meist: bis 2 am – also weit nach Mitternacht – geöffnet. Eine Auswahl:
A.C.’s Bar & Grill,467 Kings St.; www.acsbarcom. Burn’s Alley Tavern, 354 King St.; https://Burnsalley.com. Local 616, 616 Meeting St.;www.charlestonguru.com. Recovery Room Tavern, 685 King St.; www.recoveryroomtavern.com. The Griffon, 18 Vendue Range; www.griffoncharleston.com
Kleidung und Wohnliches einzukaufen ist das eine. Noch dazu am gleichen Ort den Prozess des Entwerfens, der Materialauswahl oder Materialaufarbeitung mit zu erleben, das ist das andere. Solche Kreativ-Shopping-Events bei den Designern eröffnet Arnheim, die südholländische Stadt am Nederrijn nahe der deutschen Grenze. Denn hier am Sitz der tradierten Akademie der Künste ArtEZ wartet ein so auch heißendes „Modekwartier“ mit 60 Studios und Shops individueller Macher von Mode, Taschen und Wohn-Accessoires. Noch dazu mit Fokus auf Nachhaltigkeit – anders also als das, was als Fast-Fashion um die Welt kreist. Auch hat das Arnheimer Mode-Viertel so gar nichts von Glamour oder Exaltiertheit, wie beides der Branche oft zugeschrieben wird.
Vielmehr draußen relaxtes Flair, während sich drinnen in Sachen Mode gutes Design mit handwerklichem Können vereint. Die Besucher finden sich nämlich nicht weit von den Ufern des Nederrijn in einer typischen Alt-Holland-Beschaulichkeit wieder. Hier verteilt sich schön fußläufig das Modekwartier in einem Gewirr enger Straßen mit oft kleinen Wohnhäusern und kleinen Handwerksbetrieben aller Art wie typisch in Wohnvierteln. Das Flair verstärken Cafés und Restaurants wie das Goed Proeven im historischen Gebäude, in dem einst die Post residierte.
Das Modekwartier begann 2006 als Projekt zur Stadtentwicklung und wurde von der Politik gefördert mit dem Ziel, individuelle kleine Studios und Ateliers nahe Zentrum anzusiedeln. Das ist knapp 20 Jahre her und gelungen.
Designer-getrieben und nachhaltig-ambitioniert
Inzwischen ist das Kreativ-Quartier das ganze Jahr über busy und das gerade auch in den Wochen bis Weihnachten und alljährlich im Juni mit einem Monat voller Events zu Mode, Design und Kultur, genannt Modemaand. Um nur einige etablierte Fashion-Designer zu nennen: das Schneideratelier Aarden mit Mode für sie und ihn, das auch vegane Maßanzüge offeriert.
Oder Begane Grond mit den Studios Net-A und Angel Hard, die beide Neues aus Getragenem schaffen.
Oder das Studio von Elsien Gringhuis, die Hochwertiges zum angemessenen Preis in Kleinstmengen fertigt.
Oder Fraenck: Das Taschen-Studio schafft aus Gebrauchtem wie ausgemusterten Stoffen und Filzen von Möbelherstellern und aus Kunstleder schicke Handtaschen, Rucksäcke und Shopper. Das Studio ist als Vegan-Betrieb zertifiziert, daher eben nur Kunstleder.
Studio Hul le Kes
Der Besuch im Studio Hul le Kes zeigt exemplarisch, wie in diesem kreativen Kosmos in Arnheim der besondere Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt wird. Unter der Marke Hul le Kes macht ein Männer-Duo Mode für „m/v/x“ und legt dabei Wert auf neue Paradigmen für ihre Kreationen. Das Duo sind Sjaak Hullekes und Sebastiaan Kramer; ersterer der kreative Part und das Gesicht nach außen, letzterer studierter Designer, zudem der Mann für Strategie und Zahlen.
Die zwei und ihr Hul-le-Kes-Team schaffen Nachhaltiges in minimalistischem Design, indem sie zum Beispiel aus ehemaligen Bettlaken hochwertige Hemden und Blusen schneidern oder aus einstigen Wolldecken Jacken und Mäntel für Herbst und Winter. Zudem fabrizieren sie Mode aus Kaschmir und Baumwolle für Kinder im Babyalter, machen aus Wollstoffen Taschen und Wohn-Accessoires, etwa Kissen. „Mehr als 95 Prozent unseres Materials diente zuvor anderen Zwecken“, so Sjaak von Hul le Kes.
Alles ist im internationalen Jargon der Branche up-cycling, also gute Qualität in Schnitt und Stoff – „with Focus on Character“, so Sebastiaan. Up-cycling heißt gerade auch: „Wir arbeiten bei den Bettlaken zum Beispiel nur mit altfranzösischem Leinen. Das finden wir in Holland und Deutschland und natürlich vor allem in Frankreich“, so Sjaak. „Und die Wolldecken sind handgemacht und kommen meist aus Holland.“ Das Duo setzt auf Klasse, kombiniert mit Nachhaltigkeit, so dass ihre Mode made in Arnhem im mittleren bis hohen Preis-Segment liegt.
Unter der Modemarke Hul le Kes werden Kollektionen von der Tunika über Mäntel bis zu Kleidern, Röcken, Hosen und Tops entworfen und geschneidert. Ihre Größen reichen von null bis fünf, passen und getragen werden soll alles über Geschlechter hinweg. Der Name steht zudem für Maßgeschneidertes nach Kundenwunsch, sogar mit eigenem Material der Kunden. Hul le Kes fertigt teils auch „made to order – das heißt, Stücke werden erst nach dem Kauf komplett nach Kundenwunsch gestaltet. So vermeiden wir Überproduktion und Wegwerfartikel“, so Sjaak.
Made in Arnheim für internationale Kunden
Das Duo zeigt seine Stücke international an renommierten Fashion-Adressen in Paris, Florenz und Düsseldorf und hat Handelspartner in Boutiquen von Rotterdam über Zürich bis Tokio und Kapstadt. Sie selbst verkaufen an Endverbraucher in ihrem Hul le Kes-Flagship-Store in einer einstigen Werkshalle in Arnheim und über ihren Online-Shop in Europa und bis nach USA. Und es gibt nicht jede Saison eine neue Kollektion. Zur Philosophie gehört, dass sie Materialien selbst umfärben und dabei experimentieren – „umweltschonend mit Naturstoffen, seien es Zwiebel, Nüsse und ähnliche Naturwerkstoffe“ (Sebastiaan).
Nachhaltig und mit Ethos bei der Arbeit
Überdies bieten sie Flick- und Änderungsservice an. Diese Arbeiten erfolgen im auf den ersten Blick überhöht genannten Recovery Studio. So heißt es, weil Recovery auch die Erholung von Menschen meint. Denn Sjaak und Sebastiaan setzen sich auch für soziale Komponenten ein, indem sie sozial Schwache, die etwa ein Burnout erlitten haben, im Handwerklichen anlernen. „Das geschieht bei uns als Safe Space. Das heißt, die Betreffenden arbeiten ohne Leistungs- und Termindruck“, so Sjaak, von Haus aus studierter Sozialarbeiter. „Dafür kooperieren wir mit anerkannten Sozialorganisationen. Das Soziale gehört zu unserer Philosophie von Nachhaltigkeit und Ethos.“
Um das Handwerklich-Individuelle jedes einzelnen Stücks der Modemarke Hul le Kes zu betonen, haben Sjaak und Sebastiaan ein originelles Markenschild erdacht. Das informiert zur Herkunft des Produkts aus ihrem Haus, enthält Angaben, woher sein Material kommt oder wann das Teil fertiggestellt wurde. Das Schild ähnelt optisch einem Pass – nur dass es an einem Bändchen am Produkt befestigt ist.
Und was passiert, wenn jemand genug hat von seinem Modestück? Sjaak: “Der kann es uns zurückgeben. Wir machen wieder etwas Neues daraus, halten damit also den Lebenszyklus des Materials so langlebig wie möglich.“
Websites und weitere Info
Die Geschäfte und Studios liegen auf der gleichen Seite des Nederrijn wie der Hauptbahnhof Arnhem Centraal und sind von dort gut zu Fuß, per Bus oder Leihfahrrad erreichbar. Details zum Modekwartier und seine 60 Studios und Shops, zu Adressen, Anfahrt und Öffnungszeiten www.modekwartier.nl. Die quasi garantierten Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags; einige Geschäfte öffnen an weiteren Tagen.
Die genannten Studios/Ateliers: Aarden, Sonsbeeksingel 147, @aarden_responsible_wear; www.aarden.space. Begane Grond – Studios Net-A und Angel Hard, Klarendalseweg 476, www.net-a.nl. Elsien Gringhuis, Klarendalseweg 182, @elsiengringhuis, www.elsiengringhuis.com. Fraenck, Beekstraat 30, www.fraenck.com, @fraenck www. Hul le Kes, Wezenstraat 5, www.hullekes.com/hul-le-kes-store
Arnheim positioniert sich als Zentrum der Mode in Holland – auch durch die Initiative „Mode Partners 025“: eine Zusammenarbeit im Bereich Kreativer Kunst und Industrie von Museum Arnheim, Universität der Künste ArtEZ, Rijn Ijssel Creative Industry sowie State of Fashion und Fashion+Design Festivals Arnhem. Ihr Fokus liegt auf nachhaltiger und fairer Textilmode und Forschung und Entwicklung dazu auch auf internationaler Ebene https://stateoffashion.org.
Hoteltipp: das Fünf-Sterne-Hotel Haarhuis am Bahnhof, weil zentral gelegen und schick-relaxt bei Ambiente und Atmosphäre . Es wird gemanagt von Best Western und geht zurück auf das einstige Koffiehuis der Familie Haarhuis von 1918 am gleichen Ort.
Mit Rooftop-Bar Blou; mit der Wein- und Whiskey-Bar Storage im Keller; dem Restaurant Locals mit üppigem Kräutergarten, dem etliche klimatisierte Glas-Container als Gewächshäuschen dienen; und natürlich mit dem Café Hoek für Coffie und Patisserie. https://hotelhaarhuis.nl
Der neue Park ist eine Traumlandschaft im Süden Hollands in der Provinz Noord-Brabant – und eine Hommage an den weltberühmten holländischen Maler. Der wurde hier in einem kleinen Dorf geboren und entdeckte später hier seine Affinität zum Malen.
Das geschah auf seinen langen Wanderungen durch die Natur und die Weiler. Zu Noord-Brabant gehört noch heute ein Potpourri ausgedehnter Wälder, Wiesen und Bäche und vitales Bauernland, gehören prächtige Landgüter und idyllische Orte. All das macht den Van Gogh Nationalpark aus und wird flankiert von den Städten S’ Hertogenbosch, Helmond, Eindhoven, Tilburg und Breda.
Im Gebiet warten 46 Van-Gogh-Denkmäler auf Erkundung und zeigen auf, wie der berühmte Vincent van Gogh seine Heimat, das Landleben und die Leute bei der Arbeit in den Feldern und andernorts erkundete und in seinen Werken verewigte. Auf Van Goghs Spuren – im neuen Van Gogh Nationalpark – lässt sich gut zu Fuß oder per Fahrrad auf insgesamt 435 Kilometer wandeln. Am Weg liegen Motive des Meisters, die er suchte und fand. Oder es geht zu lokalen Museen wie dem Noordbrabants Museum, das Originale des berühmten Malers ausstellt. Oder es gibt die Opwettense Wassermühle im Ort Nuenen zu bestaunen, die Van Gogh einst malte. Alles ist gut zu finden, denn die Attraktionen sind ausgeschildert, die Fiets-Routen und Wanderwege markiert.
De Niewe Stijl als Gesamtkonzept
Aber der neue Nationalpark ist viel mehr als das. Die Verantwortlichen nennen das „Niewe Stijl“ und den neuen Park sein internationales Aushängeschild. Dabei geht es um Gesamtkonzepte von Gebietsentwicklungen, auf dass eine gute Lebensumgebung für Mensch, Pflanze und Tier entsteht.
Das bedeutet konkret: Ein Park im neuen Stil besteht nicht nur aus Naturschutzgebieten und schöner Landschaft, sondern in seinem Umfeld sind Wirtschaft und Gesellschaft mit der Natur und der Biodiversität in Einklang zu bringen.
Alle Player in einem Boot
Einbezogen sind die wirtschaftliche Entwicklung, der Wohnungsbau und eine vitale Landwirtschaft. Das alles soll als Mehrwert Natur, Wasser und Vielfalt von Flora und Fauna stärken. Den ganzheitlichen Ansatz verfolgt das dafür zuständige Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei, Ernährungssicherheit und Natur, kurz LVVN, und involviert alle möglichen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen wie Unternehmen, Landwirte und Naturschutzorganisationen.
Beim neuen Van Gogh Nationalpark steht Niewe Stijl zum Beispiel dafür, das Gebiet bis in die Herzen der Städte in seinem Umfeld – siehe oben – zunehmend zu begrünen. Der neue Stil steht zum Beispiel dafür, im Einzugsgebiet des Van Gogh Nationalparks 1.000 Kilometer an Hecken, Teichen und Bäumen anzulegen, auch auf Bauernland, am besten in Kombination mit Wanderwegen, die auch über Bauernland führen dürfen.
Dieser grüne Faden wird sich durch alle Aktivitäten im Park und von dort bis in die Städte hinein ziehen. Das alles ist im neu ernannten Nationalpark Work in Progress. Doch schon jetzt können Besucher vor Ort Natur und Kultur genießen.
Alljährlich – seit 2002 – öffnet die Dutch Design Week in Eindhoven ihre Tore. Heuer vom 19. bis 27. Oktober. Und wieder pilgern an Form & Function Interessierte aus aller Welt in die holländische Universitäts- und Wirtschafts-Metropole. Die Dutch Design Week, kurz DDW, bietet Ausstellungen mit Vorführungen von Experimenten für interessierte Laien und genauso Vorträge und Talk-Runden für Design-Profis zu beruflichen Perspektiven. Auf der internationalen Plattform für innovatives und richtungsweisendes Design stellen sich verschiedenste Bereiche vor, ob nachhaltige Stoffentwicklungen auf Recycling-Basis oder Avantgarde-Formsprache für Dinge des Alltags. Die Rolle von Design wird analysiert und diskutiert, Expertisen werden ausgetauscht – sowohl in technischer Hinsicht als auch zu Effekten auf die Umgebung und die Gesellschaft.
Der Anspruch der DDW an sich selbst ist hoch, getrieben durch die Design Academy Eindhoven, durch den High-Tech-Campus der Eindhoven University of Technology und durch die Tradition der Stadt mit ihrer Technik-Historie. Hier in der ländlichen Provinz Brabant in der Stadt Eindhoven hatte vor allem einst Philips seinen Sitz, entwickelte sich zum internationalen Elektrik- und Elektronik-Konzern und legte den Grundstein für den heutigen Status als High-Tech- und Design-Schmiede. An Philips erinnert manches, am sichtbarsten das Klokgebow, eine frühere Werkshalle von Philips. Denn nach wie vor thront von weithin sichtbar auf dem Gebäude das Firmen-Logo, darunter die alte Uhr; und beides scheint über das einstige Werksgelände rundum zu wachen, auf dem nun Wohnungen entstanden sind und entstehen, flankiert von schicken Shops und Lokalen. Das alles bildet den trendigen Distrikt namens StrijpS. Und genau hier hält die DDW ihre neuntägige Veranstaltung ab, auch in den Hallen des Klokgebow.
Zu den Besuchern gehören alljährlich neben interdiszplinären Design-Profis deren Berufsorganisationen sowie privat an künftigem Design Interessierte. Ihnen präsentieren sich moderne Form- und Function-Lösungen und neue Denkschulen. Dabei geht es der DDW ausdrücklich auch um eine bessere Zukunft und den dafür nötigen Wandel. Hier einige Beispiele von Programmpunkten, was es zu sehen und zu entdecken gibt: zum Beispiel unter dem Punkt Living Environment innovatives Mobiliar und Installationen für den Garten, hergestellt aus recyceltem Abfallmaterial. Oder unter dem Punkt Thriving Planet eine Kooperation zwischen Designer und Natur, um dem urbanen Hitzestress zu begegnen. Oder unter dem Punkt Pokka eine Chrom-Kreatur, die aufzeigt, wie sich die menschliche Verbindung aus digitaler Welt und evolutionärer Empathie fortentwickelt.
Übernachtungstipp: das Hotel Pullman Eindhoven Cocagne in zentraler Lage mit angesagter Bar, schickem Interieur und gutem Service. https://www.pullman-eindhoven-cocagne.com
Lokaltipp: das frühere Energiehaus von Philips und nun das für seine französisch-deutsche Küche bekannte Restaurant Radio Royaal. Sein Ambiente ist Industrie-Design pur der alten Zeit, verteilt auf 1300 Quadratmeter. https://radioroyaal.be
Was noch mehr: Eindhoven bietet Kultur und Shopping, auch jenseits des Department Store de Bijenkorf an der Piazza 1 in Downtown. Allein die Fassade des modernen Gebäudes in kunstvoller grüner Keramik lohnt den Besuch, gilt sie doch als ein Wahrzeichen der Stadt und als Symbol moderner Architektur. Drinnen hält der Bijenkorf hochwertige internationale Marken an Mode, Kosmetik etc. vor.
Der Afsluitdijk in Nordholland entstand 1932 als Jahrhundertprojekt niederländischer Ingenieurkunst und schützt seither das Land vor Flutkatastrophen durch die Nordsee. Nun wird am Abschlussdeich mittels modernen Technik- und Natur-Know-how ein neues Wunder vollbracht, das die Fischwanderung wieder ermöglicht wie vor dem Bau des Damms. Besucher können das ganze bestaunen.
Vismigratierivier NL als weltweites Pilotprojekt
Chris Bakker ist in seinem Element, wenn er über sein Großprojekt am Afsluitdijk im Norden Hollands spricht. Der Abschlussdeich wehrt brachiale Flutwellen der Nordsee ab, seit er 1932 am Übergang von Nordsee und Zuiderzee, damals eine Ausbuchtung der Nordsee gen Süden, gebaut wurde. Mit dem Damm wurden Nordsee und Ausbuchtung getrennt, die Zuiderzee wurde Binnensee und umbenannt in Ijsselmeer. Das Ziel des neuen Projekts: „Wir bringen die Fischwanderung zurück, wie sie vor dem Bau des Afsluitdijk war“, so Bakker. Das Projekt heißt Vismigratierivier NL und ist ein Projekt der Provinz Friesland. Und Chris Bakker, Direktor der friesischen Naturschutzorganisation IT Fryske GEA, verantwortet das Vorhaben.
Durch den Vismigratierivier NL sind auch die Fische wieder in ihrem Element. Das wortwörtlich und zwar konkret Aale, Lachse, Flundern, Meeresforellen, Stichlinge, Störe und weitere Arten. Denn die sind durch die Evolution „Wandervögel“. Das heißt: Sie wechseln zwischen Salzwasser – Meer – und Süßwasser – Flüsse und Seen – hin- und her. „Für diese Fische haben wir einen Wasserweg mitten durch den Afsluitdijk gebaut, damit sie wieder wandern können – von der Nordsee pbers Wattenmeer ins Ijsselmeer und in die verbundenen Flüsse wie Rhein und Maas und retour.“ 250 Mio. Fische, so Bakker, werden pro Jahr den Weg machen.
Initiatoren des Vismigratierivier NL sind neben der IT Fryske Gea etwa Waddenvereniging, NetVis Werk oder Sportvisserij Nederland. Finanziers unter anderen die Provinzen Friesland und Nord-Holland, der Waddenfonds, die nationale Postcode Loterij etc. Realisiert wird das Naturprojekt im Rahmen eines Gesamtprojekts rund um den Afsluitdijk, für den das Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft bzw. seine Organisationseinheit Rijkswaterstaat zuständig ist, die auch weitere Wassermanagement-Bauwerke betreut
Aale, Lachse und andere Fische brauchen Salz- und Süßwasser für Leben und Fortpflanzung
Die Kosten des Gesamtprojekts: 55 Mio. Euro. Dazu gehört De Nieuwe Afsluitdijk mit baulichen und technischen Maßnahmen am Bollwerk, um es für den Klimawandel und damit einhergehende höhere Wasserstände fitzuhalten. Etwa in Form eines neuen Rolltors von 52 Meter Länge, das als zusätzliche Absicherung ausfährt, wenn von der Nordsee immer mehr Wassermengen Richtung Ijsselmeer drücken.
Der Grund für das ökologische Projekt der Provinz Friesland: Die Migration der Wanderfische hat der Afsluitdijk seit gut 90 Jahren größtenteils bis ganz verhindert – mit Folgen bis in die Anrainer-Staaten Deutschland und Schweiz, wo bekanntlich der Rhein entspringt. Wirkt das Bauwerk nicht mehr als derartige Barriere, passiert alles wie früher: Die Wanderfische leben in der Nordsee, aber laichen im Süßwassergefilde Ijsselmeer und den verbundenen Flüssen. Ist der Nachwuchs groß, schwimmt er wie die Eltern zurück in die Nordsee, lebt dort. Wandert zum Laichen retour ins süße Nass, wenn geschlechtsreif. Experte Bakker: „Ein Zyklus von Fortpflanzung und Fortbestand, den der Afsluitdijk jäh unterbrach.“
Der Zyklus lebt nun also wieder auf. „Das ist positiv für den Naturschutz, die Berufsfischer und die Hobbyangler“ (Bakker). Zumal das Süßwasserrevier nun größer sei. Das Ijsselmeer ist nämlich Süßwasser pur, seit es nur noch von Flüssen und Regen gespeist wird, seit der Damm Wattenmeer und Nordsee aussperrt. So wurde es zum größten Trinkwasserreservoir weit und breit. Der Ökologie-Manager: „Wir hoffen, dass die Fische auch wieder in den Rhein nach Deutschland und bis in die Schweiz wandern.“
Bei Planung und Bau des Bollwerks gegen die Fluten damals musste jedoch das „ökologische Desaster“, wie Bakker die Folgen der Barriere für die Fischwelt benennt, zurücktreten. „Auch nahm man in Kauf, dass mangels Fischwanderung Tausende Fischer ihren Job verloren.“ Aber keine Frage, so Bakker: „Der Afsluitdijk ist und bleibt ein Wunder der Technik, auf das man zurecht stolz ist.“
Sein Hauptzweck als Damm ging und geht vor und ist erreicht: den Fraß durch stürmische Nord- und Zuidersee am Land zu stoppen und Tausende Todesopfer in Folge von Überflutungen wie einst zu verhindern. „Das war umso wichtiger, da viel Land der nördlichen Niederlande sogar einige Meter unter dem Meeresspiegel liegt“, so Hans Boogert, verantwortlicher Ingenieur für den Afsluitdijk beim Rijkswaterstaat bis zu seinem Ruhestand und weiter am Bollwerk zu Diensten.
Schon in den Jahrhunderten vor dem Dammbau versuchten die Holländer in ihrem Norden, das immer wieder überflutete bzw. unterm Meeresspiegel liegende Land mit kleinen Deichen, Kanälen und Windmühlen trocken zu halten und trocken zu legen. Und haben so schon viel neuen Grund und Boden dazugewonnen: die Polder. Dann wurde von 1927 bis 1932 der Afslutidijk zwischen den Gemeinden Den Oever im Westen und Harlingen im Osten gebaut und verbindet seither die Provinzen Friesland und Nord-Holland. Dafür die treibende Kraft: Ingenieur Cornelis Lely, damals Minister für Wasserwirtschaft. Ganz Ingenieur stellt Boogert klar: „Der Afsluitdijk ist fachlich gesehen ein Damm, da er Wasser von Wasser trennt und nicht Wasser von Land wie ein Deich.“
Und nennt einige wenige Daten zum Bollwerk: 32 Kilometer lang, an seiner breitesten Stelle 90 Meter, an der höchsten 7,8 Meter. Er bietet Platz für die vierspurige Autobahn A7 plus Rad- und Fußgängerweg. In zirka seiner Mitte wurde die Arbeitsinsel Kornwederzand künstlich angelegt. Hier verrichten auch die Lorentzsluizen ihre Arbeit als die Nordsee, Wattenmeer und Ijsselmeer verbindenden Schleusen für die Schifffahrt, ob Berufsschifffahrt oder Hobbysegelyacht.
Nun also der neue Vismigratierivier NL, der außer Ökologie-Know-how auch ausgefeiltes Statik-Können in Sachen Wassertechnologien erfordert. Denn auch das ist keine Frage, so Ingenieur Boogert: „Für den Wasserdurchlass zugunsten der Fische mussten wir den Damm an einer Stelle dauerhaft öffnen. Ganz entgegen seiner ureigenen Aufgabe, dicht zu halten. Dass der Damm bei der Öffnung nachgeben könnte, hat mir schlaflose Nächte bereitet. Als konkret die Bohrung der Öffnung anstand, dachte ich, nicht dass ausgerechnet jetzt ein Jahrhundertsturm kommt. Aber alles hat geklappt.“ Nach Vorbereitungen seit 2011 mit Berechnungen, Modellierungen, akribischer Planung der Bauarbeiten und ihren Durchführungen.
Nun ist es vollbracht: Der Damm bekam eine Öffnung über eine Breite von 15 Meter, damit Süßwasser aus dem Ijsselmeer wie ein Kanal schnurgerade durch die Öffnung zur Nordsee fließt, wenn deren Wasser sich wegen Ebbe zurückzieht. Boogert: „Den Durchfluss steuert der Rhythmus der Gezeiten. Alles geht ohne Pumpen.“ Das geschieht 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Es sei denn, so Boogert, es kommt Sturm auf und könnte Salzwasser ins Ijsselmeer drücken. Das darf nicht passieren, weil das Ijsselmeer – siehe oben – die Region mit Trinkwasser versorgt. „Damit das nicht geschieht, schließen wir die Öffnung vorsorglich auf Zeit durch zwei neue Schotten. Die Schotten bzw. Schieber sind sechs Meter hoch und aus innovativem faserverstärktem Kunststoff angefertigt. Dadurch sind sie leichter im Handling und rostfrei.“
Im Ijsselmeer verläuft der Wasserstrom als Teil des Wanderwegs wie ein mäandernder Fluss – als eine Art Korridor für die Fische – von 4,5 Kilometer Länge. Soll heißen: Er fließt in großen Schleifen durch das Ijsselmeer bis zum Afsluitdijk und dann geradeaus durch die Durchflussöffnung. Bakker: „Durch die Länge bekommen die Fische Zeit, um sich vom Salzwasser ans Süßwasser und umgekehrt anzupassen.“ Überdies ist die reine Durchflussöffnung im Damm in zwei unterschiedlich breite Öffnungen aufgeteilt – quasi in zwei Schwimmbahnen fürs Hin und Her: Die eine ist für die starken Schwimmer unter den Wanderfischen wie Aal, Lachs oder Renke bestimmt.
Die andere ist sichtlich schmaler und der Weg für schwache Schwimmer wie Glasaal, Heilbutt oder Stichling. Die Kleinen werden unterstützt durch die stärkere Wasserströmung, die der schmale Durchfluss erzeugt – ist also eine echte Wanderhilfe. Wenn man das alles hört und sieht, wird einem klar, dass auf Seiten der Ökologen ebenso jede Menge Analysen, Modellierungen etc. für den Vismigratierivier NL erforderlich waren. Zumal er ein Pilotprojekt bezüglich Biodiversität und technischen Möglichkeiten ist, an dem international Interesse besteht. Bakker: „Erstmals wird nämlich solch ein Fluss in einem Gezeitenrevier angelegt. Noch dazu genau auf der Grenze von Salz- und Süßwasser. Er gilt als wegweisend, wie Wassermanagement und Naturschutz Hand in Hand funktionieren können. Und wie auch die Fischerei profitieren kann.“
Wassermanagement und Naturschutz gehen Hand in Hand
Und das alles gerade auch, indem hydraulische Ingenieurskunst und natürliche Ingredienzien gekonnt austariert werden: sprich Wasserhöhen von Flüssen, Ijsselmeer und Nordsee, die Gezeiten des Meeres und das Wetter. Und natürlich weil den Wanderfischen der kraft Evolution erzeugte Drang nach Süßwasser nach wie vor in der Nase sitzt. Hin- und herwandern am Afsluitdijk – das versuchten sie nach dem Dammbau daher zwar auch weiterhin, kamen von der Nordsee aber 90 Jahre nur bis zum Afsluitdijk und standen hier quasi vor verschlossener Tür.
Das war umso übler, weil die fischfressende Vogelschar das ausnutzte, sich auf die vergeblich vor dem verschlossenen Afsluitdijk wartenden Fische stürzte und verspeiste. Da half es nur wenig, dass sich die Schifffahrtsschleusen tagtäglich öffneten. Bakker: „Hier schafften es nur die stärksten Schwimmer unter den Fischen ins Ijsselmeer und die Flüsse und wieder zurück. Das alles kommt nun wieder ins ökologische Gleichgewicht.“ Dazu gehört auch, dass die Fischereiboote sich nun nicht einfach am Vismigratierivier positionieren dürfen, um fette Fänge zu machen. Bakker: „Das verhindert eine Bannmeile um die entscheidenden Stellen.“
Und warum ist die Öffnung des Damms um einige Meter breiter, als es der Durchfluss für die Fische ist. Bakker und Boogert unisono: „Damit Besucher ebenfalls durch den Damm wandern können wie die Fische.“ Das geht entlang der Schwimmbahnen der Fische. Also los. Zunächst auf Kornwederzand zum Wadden Center mit Museum, Restaurant und Toppblick auf das Ijsselmeer zur einen und Wattenmeer und Nordsee zur anderen Seite. Weiter über eine Plattform zu einer Treppe. Hier fällt der Blick auf das neue Stück Mauerwerk mit Fischsymbolen, die wie eine Statue in Stein gemeißelt sind (Foto oben).
Nun die Treppe hinab – da sind die Wanderfische ganz in ihrem Element. Aber auch die Ökologen nutzen die Infrastruktur – „für Studien, indem wir die Migration beobachten, welche Fische wann genau wie weit wandern. Wir können daraus wichtige Erkenntnisse ziehen“, so Bakker. Und ist ganz in seinem Element.
Websites und wichtig zu wissen
Der Projekt Vismigratierivier NL wird 2026 komplett fertig gestellt sein, schon jetzt sind geführte Touren möglich. Ausführliche Info zum Projekt www.vismigratierivier.nl. Touren per Boot oder zu Fuß anzufragen über das Waddencenter https://afsluitdijkwaddencenter.nl; zur Naturschutzorganisation Fryske Gea www.itfryskegea.nl
Das Wattenmeer gehört zum Unesco-Weltnaturerbe und umfasst das Gebiet vom niederländischen Festland bis zur Außenseite der Watteninseln. Dann erst beginnt streng genommen die Nordsee.
Der Südstaat war im Südwesten bis zur Golf-Küste einst teilweise Niemands-Land. Heute gefallen am Weg hierher historische Gemäuer und Garten-Zauber. In alten Tanzhallen steppt der Bär, und wer will, tanzt mit. Sümpfe und Marschen sorgen für Begegnungen mit Alligatoren – sicher vom Boot aus. Und am Meer warten Sandstrände ohne Bettenburgen und Beach Boulevards. Ein Road-Trip als Rundkurs mit Rekord.
Erst kurz nach Norden, dann gen Westen
Die Sonne ist untergegangen am Lake Pontchartrain an diesem Mai-Abend. Der See dehnt sich von New Orleans nord-westlich aus. Und sein Wasser droht bei Hurrikans New Orleans im Südosten des Sees zu überfluten, so dass sechs Meter hohe Deiche errichtet wurden. 2005 vergebens, als Hurrikan Katrina Deiche brechen ließ und New Orleans von Flutwellen des Lake Pontchartrain getroffen wurde.
An dem Mai-Abend ist aber kaum Wind, es sind noch Wochen bis zur Hurrikan-Saison, und am nordöstlichen Seeufer schwappt das Wasser leicht gegen die steinerne Befestigung. Einige Boote sind auf dem Wasser unterwegs. Das ist schön anzusehen vom Logenplatz: der Balkon des Restaurants Rips on the Lake, gelegen am nordöstlichen Ufer im Städtchen Mandeville. Als Sun-Downer gibt‘s Cocktails, vielleicht Vodka Gimlet oder Rips Hurricane, aber dann doch lieber einen Sauvignon Blanc.
# New Orleans – IS 10 West, Pontchartrain Causeway North, LA 1087 East – Mandeville – 50 KM
Der See und Mandeville ist der erste Stopp des Road-Trips mit Rundkurs durch Louisianas Südwesten bis zur Küste des Golfs von Mexiko. Der Trip führt wegen Lake Pontchartrain erst kurz gen Norden – mit Start in New Orleans. In der ikonischen Südstaaten-Metropole stimmte der Trip mit angesagten Musts ein: blaue Stunden mit Jazz und Blues-Musik, mit Entdeckungstouren tagsüber durch das dann ruhige Amüsierviertel French Quarter und seiner berühmten Bourbon Street und illustren alten Häusern im Viertel. Und dazu der absolute Kontrast: der seit dem Civil War (1861-1865) angesagte Garden District von New Orleans mit schattigen Alleen und Villen in alter Südstaaten-Pracht, die unter Denkmalschutz stehen. Einige stammen noch aus dem frühen 19. Jahrhundert, von vor dem Krieg also, und sind schön restauriert. Sehr empfehlenswert: eine Tour mit Guide.
Ultimative Seebrücke
Danach geht es auf dem Weg nach Südwest erst über den Lake Pontchartrain. Es gibt zwei Optionen bei der Route – eine über die Interstate IS 10 East am östlichen Seeufer vorbei und am Ende des Sees links ab auf die IS 12 West. Die zweite Option folgt geradeaus gen Norden dem Lake Pontchartrain Causeway – und ist unsere Wahl, da als Rekordstrecke ultimativ für Road-Trip-Fans. Denn der Causeway ist eine Seebrücke und 38,442 Kilometer (23,75 Meilen) lang, führt die ganze Distanz immer nur über Wasser und ist damit die längste Seebrücke ihrer Art in der Welt. So nachzulesen etwa im Guinness-Buch der Rekorde.
Zum Vergleich: Aktuell entsteht im Ostsee-Bad Prerow eine 720 Meter lange Seebrücke, ist damit die längste über die Ostsee. Oder man stelle sich eine 40 Kilometer lange Brücke über den Bodensee vor. Der hat jedoch nur 536 Quadratkilometer Fläche. Lake Pontchartrain, der vom Mississippi River gespeist wird, misst mit 1839 Quadratkilometer gut das Dreifache. Die Autofahrt über diese Brücke ist mein persönlicher Rekord, da bisher nicht 40 Kilometer im Auto nur über Wasser gefahren. Den Trip begleitet noch dazu das Gefühl, als gleite der Wagen auf dem Wasser dahin wie ein Boot.
Das Gefühl stellt sich ein, weil die Wasseroberfläche zum Greifen nah scheint, da die Brücke so niedrig ist. Und da auch ihre Gelände so niedrig sind, verstellen sie kaum den Blick aufs Wasser. Als i-Tüpfelchen führt die Brücke in der Mitte über den riesigen See, d.h. rechts und links, vorne und hinten vom Auto nichts als Wasser. Kilometer für Kilometer. Nun danach am Abend stellt sich dank Logenplatz eigentlich Entspannung ein. Die Rekordbrücke ist aber am Horizont an Autolichtern erkennbar. Die wirken wie eine Prozession Glühwürmchen, aber mit Lücken je nach Abstand der Autos. Die Lücken werden größer je später der Abend. Bei dem Anblick stellt sich kurz erneut das mulmige Gefühl von der eigenen Fahrt wieder ein.
Gut, dass jetzt Kellner Billie gedünsteten grünen Spargel zu frischer See-Forelle serviert. Der Gang davor war Krebssuppe auf Basis von Senf-Sahnesauce. Derweil kommt Roslyn F. Prieto, die Restaurant-Chefin, auf einige Worte an den Tisch, fragt, ob es schmeckt, erzählt von den Anfängen ihres Lokals.
Zeigt dann in Richtung Brücke. „Die siehst Du im Dunkeln nicht ohne Autos.“ Und weiter: „Manchem unserer Gäste ist die lange Fahrt nur über Wasser nicht angenehm. Sie kommen daher lieber den längeren Weg am östlichen Seeufer entlang. Wie früher.“ Sie meint vor 1956, da wurde die Brücke über die Seemitte erbaut. Roslyn hat ihr Lokal im Jahr 2000 übernommen. „Anfangs bin ich auch nicht gern über den See gefahren. Nun bin ich dran gewöhnt. Und wohin fahrt Ihr als nächstes?“ Ich: „Durch den Südwesten.“ Sie: „Ihr sucht bestimmt nach dem Niemandsland. Da seid Ihr selbst nahe der Golf-Küste auch heute ziemlich allein.“
Noman‘s Land – das Areal lag Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Louisiana und Texas. Hier herrschte Gesetzlosigkeit, was Piraten und windiges Volk anzog. Der Grund für fehlende Regeln waren Streitigkeiten über die Aufteilung des Areals zwischen den USA und Spanien, beide damals die Herrscher in der Region. Die reichte der Länge nach von der heutigen Stadt Shreveport im Binnenland bis zur Golf-Küste im Süden. 1821 beendeten die Kontrahenten den Zustand per Vertrag. Roslyn: „Nun gingen immer mehr europäische Siedler dorthin. Aber die Küste und die Region davor blieben weiterhin fast menschenleer. Da ist es noch wie früher.“ Und meint natürlich nicht die Gesetzlosigkeit, sondern die Natur der Marschen und Sümpfe und die einsame Meeresküste.
# Mandeville – US 190 South, IS 12 East – Honey Island Swamp Tours Crawford Landing – 40 KM
Doch erst locken Marsch- und Sumpfland nahe Lake Pontchartrain. Auch hier ist viel typische Flora und Fauna alter Zeiten zu sehen, weil viel Naturschutz einzog und das, obschon unter Land und Wasser bis hin zum Meer und unter dem Meeresboden Öl gefördert wird. Mit dem Schutz der Natur kam das lizensierte Geschäft für Bootstouren mit Guides durch Sümpfe und Marschen und sind ideale Exkursionen.
Ein Anbieter seit 1982: Dr. Wagner’s Honey Islands Swamp Tours in Slidell, ein Nachbarort von Mandeville. Bei Dr. Wagner ist die nächste Generation am Ruder, Paul und Brenda Trahan. Paul: „Wir folgen dem ökologischen Ansatz von Dr. Wagner. Er war Geologe und Naturschützer. Die Boote heute sind aus leichtem Aluminium und flach wie eine Flunder und befahren die seichten Gewässer schonend.“
Früher menschenfeindliche Wildnis, heute Naturparadies
Während er erzählt, legt Paul mit 15, 16 Leuten an Bord ab, erklärt, dass er zunächst ein Stück über den Pearl River fährt, dann abbiegt in kleinere verzweigte Wasserläufe. „Ihr wisst es wahrscheinlich – die Wasserläufe der Südstaaten heißen Bayous. Die sind überall im Süden von Louisiana. Dazwischen liegen Asphaltstraßen – mal breiter, mal schmal, aber breit genug für ein Auto. Captain Paul danach eher rhetorisch: „Könnt Ihr Euch das frühe Leben hier vorstellen?“ Erst das der First Nations der Indianer, später der Europäer. „Alligatoren, Schlangen, giftige Pflanzen, Sümpfe und kaum Wege. Es war tropisch-heiß, Regen fiel en Masse. Und überall Mücken.“ Dass es heute genügend Straßen gibt, ist auch der Ölindustrie geschuldet, die gute Infrastruktur brauchte.
Dösende Alligatoren
Unterwegs im Boot stellt sich zunehmend als angenehm heraus, dass die Swamp-Tour von der sicheren Position eines Profiboots mit Guide stattfindet. Denn in den Bayous ist alles dicht bewachsen, Ufer sind nicht mehr erkennbar, stattdessen Wasser, Sumpf und Marsch.
Da bleibt die Orientierung für Fremde schnell auf der Strecke. Und schon blinzelt einen ein Alligator aus wachsamen Augen an. Dabei scheint er zu dösen. Sie leben hier dank des hohen Süßwassergehalts (fresh water). Ebenso Schildkröten, von denen manche stoisch in der Morgensonne auf Baumstämmen ruhen. Nutrias paddeln vorbei. Am Himmel ziehen Vögel aller Art, auch Pelikane, ihre Bahnen. Auch Adler und Eulen sind heimisch. Im Wasser zeigen sich Seelilien im Naturschauspiel in ihrer exotischen Pracht. Bizarr wirken die Sumpf-Zypressen – wegen ihrer fürs nasse Umfeld entwickelten Wurzeln, die wie tote Baumstümpfe aus dem Wasser ragen.
Versteckt leben im Bayou
Dass Sehenswertes aufs Boot und seine Gäste zukommt, merkt man daran, dass der Kapitän den Motor drosselt, bis es lautlos nur noch im Schneckentempo weitergeht. Und so taucht auf einmal ein Häuschen auf hohen Stelzen auf, mit kleinem Bootssteg und Terrasse. Und das mitten im Outback. „Hier wohnten früher sogar Familien mit Kindern, die per Boot zur Schule gebracht wurden“, erklärt Captain Paul. „Heute sind das Wochenenddomizile und gehören meist noch den früheren Siedlerfamilien. Die halten daran fest. Daher können hier Fremde kaum etwas kaufen.“ Früher hier leben hieß kein Strom, Telefon oder TV, bis sich das mit Generatoren und Mobilfunk änderte. „Viele Häuser gibt es in den Bayous aber sowieso nicht.“ Und manche sind sichtlich Ruinen, zerstört durch Hurrikans, wie Paul erklärt.
# Honey Island Swamp Tours – US 190, US 11, Bayou Lane – Restaurant Palemettos on the Bayou – 10 KM
Mit dem Boot ginge es gut weiter zum Lunch im angesagten Palmettos on the Bayou in Slidell. Es liegt im Grünen direkt am Bayou Bonfuca – und hat einen Anleger, da oft Locals den Weg übers Wasser nehmen. Zumal Boote reguläres Verkehrsmittel sind. Wir nehmen das Auto wie viele andere das tun. Der Parkplatz ist gut besucht, das Lokal auch. Es ist in der Tradition der Südstaaten aus Holz und mit diversen Terrassen gebaut. Auf seinen Tischen drinnen liegen feine Stoffservietten.
Die Terrassen haben Böden in rustikalen Holzbohlen und sind ebenso rustikal möbliert. Hier wird casual serviert, ob Lunch, Dinner und am Wochenende Jazz-Brunch. Die Speisekarte führt gegrillte Austern, Fisch fangfrisch oder Rib-Eye, ebenso in Öl frittierten Alligator, sprich fried. Alligator ist typisch in Louisianas Küche, ebenso fried, ob Fleisch oder Gemüse. Ebenso typisch: „pan tossed“ – sprich in der Pfanne Gebackenes.
# Restaurant Palemettos – IS 12 West, IS 10 West, links ab HW 90 Süd – Lafayette – 240 KM
Mit der nächsten Etappe geht es auf einen langen Schlag in den Südwest und das fast immer geradeaus bis zur Stadt Lafayette. Sie hat 120.000 Einwohner, eine Universität mit Campus-Idylle und rund 19.000 Studenten. Am Weg war Baton Rouge, Louisianas Hauptstadt mit 227.000 Einwohnern und alles andere als verträumt wie Lafayette , links liegen geblieben. In Lafayette reist es sich gerade auch auf den Spuren der Acadians, die frühen Siedler mit französischer Abstammung.
Überall begegnet einem daher der Begriff Acadians. Mit ihnen haben denn auch noch heute Sprache, Kochstil und Kultur viel zu tun. Die ersten Acadians kamen um 1750 in die Region – nach weiten Umwegen, waren sie doch zuerst ins heutige kanadische Nova Scotia emigriert, von dort in die Karibik oder zur Ost-Küste der USA umgezogen und kamen erst danach in Louisianas Südwesten.
Lafayette und die Acadians
Die Acadians fanden hier eine Welt von Bayous, Sümpfen und Marschen vor – ähnlich wie die Siedler im Südosten von Louisiana, wo unser Road-Trip startete. 1820 wurde die Stadt Lafayette gegründet, anfangs unter dem Namen Vermilionville und umgetauft in Lafayette 1823. Das geschah in Erinnerung an den französischen Ahnen Marquis de la Fayette: dereinst Held der amerikanischen und französischen Revolution und in USA dem General George Washington zu Diensten, der erste Präsident der USA von 1789 bis 1797. Lafayette war Knotenpunkt für Eisenbahn und Handel und Ausgangspunkt vieler Acadians, die weiterzogen ins Noman’s Land, nachdem es gesetzlich geregeltes Terrain wurde.
Kulturelles Erbe
Die University of Louisiana at Lafayette entstand 1898. Ihre Gebäude und ihr Park stammen teils noch aus diesen Anfängen und geben dem Campus eine ansprechend alt-ehrwürdige Atmosphäre. Heuer ist Sonntag, Campus und Park sind fast menschenleer. Betrieb ist dagegen in Downtown mit dem Architektur-Mix aus ansehnlich-alten Gemäuern neben einigen wenigen gesichtslosen Bürohäusern. Große alte Bäume spenden Schatten. Das Wall Street Journal wählte kürzlich Lafayette zur Happiest City in America, das Gallup Institut zur Most Optimistic City. Das ist nachvollziehbar, ist das Flanieren angenehm, die Lokalszene ansprechend und die Auswahl an Boutiquen vielfältig. Ein spezieller Anziehungspunkt ehrt die frühen Siedler: das Acadiana Center for the Arts – kurz ACA – in der Vermilion Street im modernen Glasbau.
Es ist Location für Meetings, Ausstellungen und Festivals und dient zugleich als Kunst-Galerie, um Maler auch aus der Region zu fördern. Es wird als Non-Profit-Organisation getragen von acht Landkreisen im Südwesten, darunter Parish Acadia und Parish Vermilion (Parish ist so etwas wie ein Landkreis in Deutschland). Ausgestellt sind zeitgenössische Keramiken und Malereien, oft mit Bezug zur afrikanisch-französisch-spanischen Tradition in Louisiana. Dazu passt, dass in Lafayette an fast jeder Ecke das typische Französisch des Staats zu hören ist, wie schon in New Orleans. Und wie schon dort ist dem gesprochenen Wort mit deutschem Schulfranzösisch kaum zu folgen.
# Lafayette – HW 90 South – Vermilionville, Fisher Road – 20 KM
Der alte Name Vermilionville lebt heute fort 15 Autominuten südlich von Lafayette: im anschaulichen Open-Air-Museum namens Vermilionville. Es wurde 1990 als Kopie eines historischen Orts der frühen Acadians am Bayou Vermilion erbaut, um die früheren Lebensumstände der Siedler zu zeigen.
Historisches Dorf mit Tanzpalast
Das geschieht mit original alten Häuschen bzw. hübschen Nachbauten und mit typischen originalen Möbeln. Mit Fotos und Infotafeln, zum Beispiel zu den früheren Baustoffen Schlamm, Moss und Zypressenholz. Mit traditioneller Kleidung, Kochutensilien und Geräten, auch von früheren Fallenstellern, die im Sumpf ihrer Arbeit nachgingen, und von Bootsbauern, die die nötigen Fortbewegungsmittel für die Bayous fertigten.
Das Vermilionville informiert, dass weitere Siedlergruppen in die Region zogen: Briten, Deutsche und einstige Sklaven afrikanischer Herkunft, die sich seit ihrer Befreiung durch den Bürgerkrieg ab 1865 an den Bayous im Südwesten niederließen.
Le Bal du Dimanche
Und was ist da los im hallenartigen Gebäude? Seine Türen gehen ab und an auf, Musik ertönt, wird laut und wieder leise, wenn die Türen wieder zufallen. Performance Center steht am Eingang. Drinnen wird getanzt – „wie früher immer an Sonntagen. Come on, do it“, ruft ein Herr im Vorbeitanzen dem Neuankömmling zu. Alt und Jung schieben sich im Paartanz über das hölzerne Parkett. Andere steppen allein für sich umher – klack, klack, klack. Wer will, tanzt mit. Das mehr oder weniger gekonnte Treiben folgt der Musik von Fideln – live gespielt von einem Duo. Auf Plakaten ist zu lesen, wer bei nächsten Events auftritt: Namen, die unsereins nicht kennt. Die Events heißen traditionell-glamourös Le Bal du Dimanche, auch der Ball an diesem Sonntag im Mai. Aber statt Robe tun es heuer auch Jeans und T-Shirt.
Die Musiker demnächst spielen, wie Fotos des Programms zeigen, außer Geige auch Akkordeon – auch das in Tradition der aus Europa stammenden Arcadians. Und ganz anders als die Tradition des Blues, Gospel und Soul in den Südstaaten: das kulturelle Erbe der einst versklavten African Americans. Deren Musik lässt sich gut auf dem Mississippi Blues Trail von Louisiana bis in den östlichen Nachbarstaat Mississippi genießen, also nicht nur in Musik-Venues in New Orleans. Aber nicht zu verwechseln mit dem African American Heritage Trail: Der befasst sich mit dem Leid und Leben der Sklaven. Aber das sind andere Geschichten und Orte (siehe dazu Lebensart-Reise vom yxyx und vom xyxy)
# Vermilionville – HW 90 South (Richtung Morgan City) – New Iberia – 40 KM
Das nächste Ziel ist südlich von Vermilionville und Lafayette das Städtchen New Iberia, gegründet 1765. Hier lässt sich bequem durch mehr als 100 Millionen Jahre Erdgeschichte reisen, nämlich in den Rip van Winkle Gardens mit Villa: das Joseph Jefferson House; und am Lake Peigneur: ein See, der bei einem desaströsen Unfall 1980 auf einmal verschwand. Daran erinnert heute ein aus dem See ragender Kamin. Jeder kann auf diese Zeitreise gehen, da Garten, Villa und See gegen Eintritt offenstehen – anders als früher, als Villa, Jagdgründe und See ein in der Wildnis verstecktes Prachtdomizil für die Ferien waren.
Von der Wildnis zur Idylle
Doch der Reihe nach. Vor rund 165 Mio. Jahren: entstand ein Salt Dome im Innern der Erde nahe New Iberia, so offizielle geologische Zahlen. Hinzu kamen See und Eiland und das alles in Einsamkeit. 1870: Damals baute Joseph Jefferson – der bekannteste Comedian seiner Zeit, weit gereist und verliebt ins Jagen – auf der Insel eine Villa von viktorianischer Opulenz und nutzte sie einige Monate im Jahr vor allem für sein Hobby. Bis heute ist hier alles Idylle. Wie zu Jeffersons Zeiten ruht seine Villa inmitten alter Eichen, thront im ansonsten flachen Land ganz ungewöhnlich auf einer kleinen Anhöhe – wegen des Salz-Doms.
Im Haus umgab sich Jefferson mit französischen Empire-Möbeln. „Die sind original aus seiner Zeit. Und hier die Tapeten – sie sind auch original und von Hand gemalt“, so Guide Madeleine bei der Tour durch das Anwesen. Unter dem schattigen Vordach der Villa mit Terrasse laden auch heute Schaukelstühle antiker Art zum Relaxen ein. Madeleine: „Hier tauschte Jefferson mit Gästen Anekdoten von der Jagd oder von seinem Künstlerleben aus. – And so on.“ Viele Jahrzehnte später seien innerhalb des Salz-Doms Minen und ihre Höhlen entstanden, um das Salz abzubauen. „Der Abbau endete 1980. Mit der Jagd war es seit den 1950er Jahren vorbei“ (Madeleine).
Stattdessen entstand auf dem Areal 1950 nämlich ein Zaubergarten, der die Villa auch heute auf mehr als 800 Acres (rund 323 Hektar) umgibt, angelegt vom späteren Eigentümer John Lyle Bayless Junior. Und benannt nach der Erzählung von US-Schriftsteller Washington Irving über einen Bauern namens Rip Van Winkle, der sich aus England emigrierend in den Bergen von New York State sieht und in einen Zauberschlaf fällt und nach 20 Jahren erwacht – nun als freier Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika. Selbiger Joseph Jefferson spielte den Rip Van Winkle als seine Paraderolle in einer Adaption für Schauspielbühnen.
Zurück zu John Lyle Bayless Junior. Der baute in seinem feinen Garten auch ein gläsernes Konservatorium. Madelaine: „Darin wuchsen seinerzeit mehr als 3000 exotisch-tropische Pflanzenspezies.“ Im Garten, besser Park stolzieren heute Pfaue umher, spreizen ihr prächtiges Federkleid, ohne sich vor Jägern fürchten zu müssen. Blumenrabatte, Hecken, Rasen und Bäume – alles ist kunstvoll angelegt.
Skulpturen sind mit Sichtachsen gekonnt in Szene gesetzt. Ein japanisches Teehaus ist zu bewundern, ebenso ein altes Schulgebäude, alte Unterkünfte von Personal der Mine und eine Scheune für alte Kutschen, genannt das Acadian Carriage House. Der Garten reicht bis ans Seeufer. An einer Stelle ragt dann eben besagter Kamin trotz Wellen unübersehbar aus dem See empor.
Aus dem Desasterzu neuer Idylle
Madeleine klärt auf: Dass nämlich der Kamin zu einem von Bayless Junior neu erbauten Haus gehörte. Dass ein Bohr-Rigg der Firma Texaco auf dem See fahrend einen Teil der Mine der Diamond Crystal Salt Company versehentlich rammte und zwar derart, dass sich ein Loch mit Vakuumeffekt auftat, so dass ein Sog entstand und alles in seiner Nähe in die Tiefe saugte bzw. einstürzen ließ. Dass der See sich in Kettenreaktion des Sogs komplett in die unterirdischen Öffnungen ergoss, dass Boote nun ohne Wasser unterm Kiel trocken fielen, auf dem Boden des Sees zerschellten und das Haus von Bayless Junior in den Krater stürzte, ebenso das Konservatorium.
Nach dem Desaster musste der Verursacher den leeren See wieder füllen lassen – zum heute 3.000 Acres (1.200 Hektar) großen Gewässer. Der See trägt viel zur heutigen Idylle bei, jedenfalls oberflächlich betrachtet.
# New Iberia – HW 90 West, HW 14 nach Abbeville, dann HW 82 West – Cameron – 180 KM
Hinter New Iberia tun sich erneut Bayous, Sümpfe und immer mehr Marschland auf, je näher das Meer kommt. Folgte man nun dem HW 90 East, kämen die Städtchen Houma und Morgan City, wo Werften Schiffe und Bohrinseln bauen, wo von kleinen Marinas Flotten von Shrimp-Fischern ausschwärmen und ebenso Bootstouren durch die Flora und Fauna starten, Alligatoren inklusive (siehe Lebensart-Reise vom 7. Dezember 2023).
Unser Roadtrip folgt aber dem HW 82 West, der auf gut 200 Kilometer an der Golf-Küste vorbeigeht, bis Texas beginnt. Hier war einst das Noman’s Land, von dem Roslyn sprach. Und beschert immer noch eine Einsamkeit und dazu einen scheinbar nicht endenden wollenden Weitblick. Marschland liegt auf der einen Seite des HW 82 West, auf der anderen Straßenseite das Meer. Louisianas Sandstrände hier im Südwesten heißen Constance Beach, Little Florida Beach oder Holly Beach.
Und weit und breit keine Bettenburgen und Beach Boulevards wie andernorts so oft an der Golf-Küste. Wohl gibt es einen kleinen Store, um Beach Toys auszuleihen und etwas für den täglichen Bedarf einzukaufen wie etwa am Holly Beach.
Die Fahrt durch das einstige Noman‘s Land ist mangels Einsamkeit und Verkehr sogar so beschaulich, dass sich die bange Frage stellt: Wieviel Sprit ist im Tank? Der Blick auf die Tanknadel beruhigt, der Tank ist fast voll. Wasser- und Essensvorräte sollten auch immer reichlich an Bord sein. Wie erst mögen sich anno 1821 die Siedler auf ihrer Reise hierher in ihre neue Heimat gefühlt haben. Heute liegen am Weg ab und an Häuschen auf den typischen Stelzen, um damit den Flutwellen bei tropischen Stürmen und den noch stärkeren Hurrikans zu trotzen.
Das Örtchen Pecan Islands
Dann kommt auf einmal eine Ortschaft namens Pecan Islands, zählt laut Ortsschild 300 Einwohner und ist auch Adresse des Rockefeller Wildlife Refuge. In dem Naturschutzgebiet sind Stege ausgelegt, um trockenen Fußes Flora und Fauna bestaunen zu können. Es darf – kontrolliert – gejagt und gefischt werden. Für dieses Wildlife Refuge stiftete der Industrie-Magnat Rockefeller 1919 dem Bundesstaat Louisiana 86.000 Acres (35.000 Hektar). 1955 begann die Organisation des Wildlife Refuge, für den Naturschutz am Ort in Marschen und an Küsten wissenschaftlich zu forschen, tut das nach wie vor und kooperiert dabei zum Wohl der Region auch mit vor Ort tätigen Mineralöl-Gesellschaft. Das und vieles mehr ist auf der Website des Rockefeller Wildlife Refuge nachzulesen.
Das Örtchen Cameron
Der nächste Ort kommt 24 Kilometer weiter, heißt Cameron und hat 315 Einwohner. Gut doppelt so viele Menschen lebten in Cameron, bevor die Hurrikans Rita 2005 und Ike 2008 die Küste malträtierten. Die Region ist als Cameron Parish zusammengefasst, zählt in toto 5600 Bürger und ist damit der menschenleerste Parish in Louisiana. Bei so wenig Volk lässt sich mit einiger Phantasie ausmalen, wie sich Piraten in den Gegenden einst gut verstecken konnten und wie Trapper unbeobachtet ihre Fallen stellten; Museum Vermilionville und manche Western lassen grüßen. Bis ab 1821 Gesetze Einzug hielten und die Landvermesser kamen, um als Vorhut für die nunmehr beginnende Besiedlung Kilometer für Kilometer Grund und Boden und Wasser zu vermessen.
# Cameron – LA 27 West, genannt Creole Nature Trail – bis Holly Beach – 17 KM
Heute gelten Law & Order selbst für Details, wie ich von Shalisa erfahre. Sie steht an einem Bayou nicht weit von Holly Beach, hat einen Käscher in der einen Hand und eine lange Leine mit einem Köder in der anderen.
Sie sieht meinen neugierigen Blick: „Das ist eine rohe Hähnchenkeule. Sie ist ein guter Köder, um Blaukrebse zu fangen.“ Blue Crabs – dafür sei Fangsaison von Mai bis Oktober. „Du brauchst aber eine Lizenz dafür. Die musst Du dabei haben. Hier wird nämlich kontrolliert.“ Das heißt auch: So einsam ist es doch nicht. Lizenzen benötigen auch diejenigen, die zur Entenjagd oder zum Fischen von anderem Getier in der Gegend unterwegs sind. Und woher kommt Shalisa? „Ich bin aus Texas und arbeite jetzt in Lake Charles. Aber nicht bei einer Ölraffinerie, wie das viele hier tun. Die sind hier wichtige Arbeitgeber.“
Holly Beach – LA 108 North, LA 378, US 171 South, US 90, LA 385 South – Lake Charles 100 KM
Lake Charles liegt am gleichnamigen See, zählt 85.000 Einwohner, ist damit die größte Stadt der Region und hat Hotels für jeden Geldbeutel. Daher ist Lake Charles auch der Pit-Stopp zum Übernachten auf dem Rundkurs über Lafayette zurück nach New Orleans, wo der Road-Trip begann. Als Highlights in Lake Charles gelten das Hotel L’ Auberge wegen seiner schick-teuren Suiten und seines Casinos, die historische Downtown unter anderem wegen der Life-Music-Kneipe The Panorama Music House und die Uferpromenade des Sees mit den hübschen Villen.
Ein weiteres Highlight und das nicht nur für Fans alter Vinyl-Schallplatten findet sich genau neben dem Panorama Music House und heißt The Panorama Music Exchange. Der Laden ist nämlich eine wahre Fundgrube für alte Vinyl-Platten in ihren Originalhüllen von Top-Acts aus alten Zeiten. Schmeißt Bam Arceneaux den Laden, spielt er ab und an den DJ, legt in alter Manier auf dem Plattenspieler frühe Meister des Pop und Soul auf, ob Beatles oder Jimi Hendrix. Buy, Sell and Trade sei das Motto, sagt Bam und stöbern erwünscht. „Of course“, sagt Bam.
Sunset am Holly Beach
Vorher stehen noch Holly Beach und der Sonnenuntergang in Einsamkeit an. Fürs Bierchen ist im Cooler vorgesorgt. Nur was ist das? Am Strand verlaufen im beige-farbigen Sand mehrere Reifenspuren von Autos. Und tatsächlich – ein, zwei Vehikel fahren irgendwo weiter entfernt über den Holly Beach. Shalisa: „Das darf hier jeder. Besser gesagt, es ist nach wie vor nicht verboten.“
Weitere Info und wichtige Websites
Die offizielle Website für Reisen durch Louisiana finden sich unter www.explorelouisiana.com – auch mit Info zu Regionen und Städten wie Lafayette, Lake Charles oder New Iberia. Mehr zur Seebrücke Lake Pontchartrain Causeway www.worldatlas.com. Zur Bootstour in den Bayous bei Slidell www.honeyislandswamp.com. In und um Lafayette: die Kulturstätte Acadian Center for the Arts https://acadiancenterforthearts.org; die University of Louisiana Lafayette https://louisiana.edu; das Open-Air-Museum Vermilionville, auch die Tanzhalle https:// bayouvermiliondistric.org. In New Iberia: Rip Van Winkle Gardens und Joseph Jefferson Villa https://ripvanwinklegardens.com. Das Parish Cameron https://visitcameronparish.org. Das Rockefeller Wildlife Refuge www.wlf.louisiana. In und um Lake Charles: www.visitlakecharles.org; auch mit Info zum Louisiana Creole Nature Trail und zu den Stränden Holly Beach oder Little Florida Beach. Details zum Hotel L‘ Auberge Lake Charles: https://llakecharles.com.
Die Restaurant-Tipps: Rips on the Lake www.ripsonthelake.com. Palmettos on the Bayou www.palmettosonthebayou.com
Cajun und Creole Beide Begriffe begegnen einem immer wieder in Louisiana. Beide finden sich auch auf Speisekarten in vielen Restaurants des Südstaats. Das Wort Cajuns bedeutet Arcadians auf Französisch – siehe oben – und steht für die frühen Siedler mit prägender Rolle für Louisiana. Die spielen sie mit ihrer Herkunft aus Frankreich und ihrem Umweg über die Karibik bis heute bei Louisiana-typischen Speisen, vor allem Gumbo: ein mit dunklem Mehl angedickter Eintopf wahlweise mit Fleisch, Shrimps oder Alligator – und immer mit Gemüse. Und Po‘ Boys, die traditionellen Sandwiches und meist riesig. Zur Cajun-Küche gehören auch Würste mit Innenleben von Schwein oder Huhn – genannt Boudoins.
Dazu gesellte sich einst und gesellt sich bis heute die kreolische Küche mit ihren afrikanischen und karibischen Gewürzen und dem Gemüse Okra. Diese lukullische Richtung geht gerade auch auf die Herkunft der früheren Sklaven aus Westafrika zurück.
Die drei US-Südstaaten liegen hintereinander, sind alle drei Anrainer des Golfs von Mexiko. Doch ihre Uferregionen könnten unterschiedlicher kaum sein. Und was noch besonders ist: Wo sonst reihen sich in USA gleich drei Staaten auf so kurzer Distanz aneinander, wie das an Mississippis Golf-Küste der Fall ist.
Kurz und kurzweilig
Mississippis Golf-Küste ist per Auto nur gut 80 Meilen sprich gut 130 Kilometer lang – und schon beginnt im Westen Louisiana, im Osten Alabama. So nahe kommen sich drei US-Staaten selten. Bei klarer Sicht reicht der Blick vielleicht in beide Richtungen so weit von Biloxis Leuchtturm aus. Biloxi ist eine Kleinstadt an Mississippis Golf-Küste und bekannt für einige ambitionierte Projekte wie typisch für Metropolen. Nämlich renommierte Museen für Kunst und Geschichte und eine große Präsidenten-Bibliothek zu Jefferson Davis, der einzige Präsident der Konföderierten Staaten und aktiv im Bürgerkrieg der Nordstaaten gegen die Konföderierten, die am Sklavenhandel festhalten wollten. In der Stadt gibt es ein Dutzend Casinos und das Biloxi Visitors Center mit Museum im Stil eines Antebellum Mansion, diese pompösen Herrenhäuser der Südstaaten aus der Hochzeit der Sklaverei vor 1865. mehr
Die Attraktionen von Paris sind leicht zu entdecken, denn ihnen widmen sich Reiseführer en Masse. Den weniger bekannten schönen Seiten der Metropole an der Seine spürt ein neuer Bildband aus dem Schweizer Midas Verlag nach. Er liefert einen Leitfaden aus Fotos und Texten in animierender Optik, auf dass man sich am liebsten gleich auf den Weg machen und live mittendrin sein möchte.
Hier Fotos von Gassen und Gärtchen, von idyllischen Brunnen und Brückchen, dort Fotos opulent-alter Gemäuer und kleiner Cafés. Hier im Bild teure Läden und klassisch gekleidete Kellner, dort die Patisserie Odette, die Wein-Bar Le Comptoir, die eleganten Passagen Verdeau sowie Jouffroy. Hinzu kommen ausgearbeitete Spazierwege in Wort und Karten – in feinem Strich von Hand gemalt und nicht überladen. Sie skizzieren, was an Geschäften, Lokalen und schöner Architektur am Weg liegt.
Alles in allem verspricht der Bildband seinen Betrachtern und Lesern im Titel des Buchs: „Paris – wie es keiner kennt“. Selbst wenn das so nicht ganz stimmt, aber Lust aufs Entdecken und Erleben macht das Gesamtwerk allemal. Der Bildband aus Hardcover und mattem Papier hat 256 Seiten und hält mehr als 100 Tipps für außergewöhnliche Paris-Erlebnisse bereit.
Für das Oeuvre verantwortlich zeichnet die Fotografin Siobhan Ferguson, gebürtige Britin und wohnhaft in London. Sie bereist die Metropole Frankreichs seit vielen Jahren, widmet sich romantisch-verträumten Straßen und Plätzen in Nebenstraßen, spürt Einheimischen jenseits der Touristenströme nach und bewegt sich fern der gängigen Hot Spots, und seien sie nur wenige Schritte vom Hot Spot entfernt. Siobhan Ferguson ist Gründerin der etablierten Instagram-Accounts @prettycitylondon und – of course – @prettycityparis mit über einer Million Followers.
Das praktische am neuen Bildband: Er ist zwar nicht leicht wie ein kleiner Reiseführer, aber leicht genug, um ihn unterwegs mitzunehmen. Und mit seinen Maßen passt er in einen kleinen Rucksack oder die mittelgroße Handtasche, während man auf seinen Spuren die Seine-Metropole und ihre anderen Seiten entdeckt. Also los geht’s – on y va.
Der Bildband aus dem Schweizer Midas Verlag kostet 25 Euro, hat die ISBN 978-3-03876-260-7 (Midas Collection) und ist seit Juli ’24 in 3. Auflage im Handel. Die Website: www.paris-web; Leseprobe: www.paris-lex
Die drei US-Südstaaten liegen hintereinander, sind alle drei Anrainer des Golfs von Mexiko. Doch ihre Uferregionen könnten unterschiedlicher kaum sein. Und was noch besonders ist: Wo sonst reihen sich in USA gleich drei Staaten auf so kurzer Distanz aneinander, wie das an Mississippis Golf-Küste der Fall ist.
Kurz und abwechslungsreich
Mississippis Golf-Küste ist per Auto gut 80 Meilen sprich gut 130 Kilometer lang – und schon beginnt im Westen Louisiana, im Osten Alabama. So nahe kommen sich drei US-Staaten selten. Bei klarer Sicht reicht der Blick vielleicht in beide Richtungen so weit von Biloxis Leuchtturm aus.
Biloxi ist eine Kleinstadt an Mississippis Golf-Küste und bekannt für einige ambitionierte Projekte wie typisch für Metropolen. Nämlich renommierte Museen für Kunst und Geschichte und eine große Präsidenten-Bibliothek zu Jefferson Davis, der einzige Präsident der Konföderierten Staaten und aktiv im Bürgerkrieg der Nordstaaten gegen die Konföderierten, die am Sklavenhandel festhalten wollten. In der Stadt gibt es ein Dutzend Casinos und das Biloxi Visitors Center mit Museum im Stil eines Antebellum Mansion, diese pompösen Herrenhäusern der Südstaaten aus der Hochzeit der Sklaverei vor 1865.
Dabei wurde das Visitors Center erst 2011 erbaut. Dabei ist Biloxi ein Städtchen mit gerade mal 50.000 Einwohnern und gefällt bei allen Ambitionen weiterhin durch seine angenehme Atmosphäre einer Kleinstadt am Meer. Genauer gesagt am Mississippi Sound, so heißt der Golf hier, und seine Küste wird auch Secret Coast genannt.
Es geht beschaulich zu, auch weil es selbst das Umland, die Metropol-Region Gulfport-Biloxi, auf nur knapp 500.000 Einwohner bringt. Mitsamt weiterer Städtchen mit Badeort-Idylle: Bay St. Louis (9.000 Einwohner), Pass Christian (6. 000) oder Ocean Springs (18.500) und alle eng beieinander an der ohnehin kurzen Küste. Das Flair kommt sichtlich auch dadurch, dass die Ufer an vielen Meilen nicht bebaut sind. Das gilt gerade am Beach Boulevard in und um Biloxi, so der Name der Straße am Ufer entlang. Hier reihen sich keine Apartment-Blocks aneinander wie in anderen Staaten des Südens.
Auch stehen nicht reihenweise Lokale und Buden am Ufer, bevor man den Sandstrand und die Fluten sieht. Mit dem relaxten Vibe geht es in der Historischen Downtown von Biloxi weiter. Hier haben zwar Hurrikans wie andernorts auch manche der typischen Südstaaten-Gebäude des frühen 19. Jahrhunderts zerstört.
Manche blieben erhalten und sind schön restauriert wie das Clemens House von 1846, heute Biloxis ältestes Haus in der historischen Downtown, oder das Creole Cottage, ein Holzhaus von 1830. Beide sind Stopps der Historic Walking Tour. Die führt auch zu schmucken Bauten aus der Zeit nach 1900, etwa die Old Biloxi Library, erbaut 1924, oder das einstige Post- und Gerichtsgebäude von 1905. Beide sind Vertreter des einst angesagten Spanish Colonial Revival Style mit monumentalem Charakter. Dagegen ist der gerade mal 20 Meter hohe Leuchtturm von Biloxi bescheiden, steht aber wie gemalt in Alleinlage am Meer und bietet sich als Ausguck an.
Nur reicht es dann doch nicht bis zu den Staatsgrenzen im Osten und Westen – dafür sei es immer zu diesig, sagt später Kate im Biloxi Visitors Center: „Und warum überhaupt den Blick in die Ferne schweifen lassen?“ Stimmt – gerade auch nachdem die 57 Stufen der engen Wendeltreppe zur Turmspitze des Biloxi Lighthouse geschafft sind, nachdem außen der Rundlauf betreten und aus der Vogelperspektive die Lage quasi vor der Haustür gepeilt ist.
So sind Richtung Meer Silhouetten der bisher nicht überspülten fünf Barrier Islands zu sehen, die als Teil der Gulf Islands National Seashore geschützt und Mississippis Küste vorgelagert sind. Darunter Ship Island, das von Biloxi per Boots-Shuttle nach Fahrplan für Tagesausflüge gut erreichbar ist. Ship Island hat minimalste Infrastruktur, eine Ranger Station und sonst unberührte Natur mit Sanddünen. Erlaubt sind baden und hiken, schnorcheln und Vögel beobachten; und noch übers Fort Massachusetts kraxeln, seit 1812 eine Festung zur Verteidigung, nun Denkmal und offen zur Besichtigung.
Blick zurück aufs Festland. Unten am Leuchtturm vorbei verläuft der breite Strand mit weiß glitzerndem Sand und verheißt relaxte Stunden am Wasser unter der heißen Sonne des Südens. Der Strand sieht aus wie von der Natur geschaffen, wurde aber auf 25 Meilen Länge, also fast 50 Kilometer, künstlich angelegt. Das geschah in den 1950er Jahren, um Touristen an Mississippis Küste zu locken. Schon das war ambitioniert und ist gelungen, da Gäste aus nah und fern kommen und nun mehr als Meer und Sandstrand vorfinden.
Zum Beispiel auch ein Dutzend Golfplätze im Umkreis, designt teils von weltweiten Koryphäen im Metier wie Tom Fazio (Fallen Oak Golf Club) oder Jack Nicklaus (Grand Bear Golf Course). Und das Glücksspiel. Das erlaubt der Staat Mississippi seit den 1990ern – in Biloxi heute in zwölf Casinos, etwa das Treasure Bay Casino & Hotel und das Golden Nugget. Alle sind bestückt mit Slot-Maschinen, Roulette- und Black-Jack-Tischen und geöffnet 24/7. Trotzdem lässt nicht Las Vegas grüßen, Metropole des Glücksspiels im Wüsten-Staat Nevada.
Denn das Spiel läuft in Mississippi in viel kleineren Dimensionen ab, sichtlich auch baulich. Casinos und ihre Hotels sind nämlich nur einige der wenigen schmalen High-Riser auf der Uferseite des Beach Boulvard und wachsen weder im Stil noch bei der Bettenzahl in den Himmel wie in Las Vegas.
Wer nicht gambeln will, lässt die Spielhallen sowieso am Weg, dem Beach Boulevard, liegen und kommt automatisch zu den ambitionierten Museen von Biloxi. Der Beach Boulevard ist übrigens zugleich der berühmte Highway 90, der die Staaten Louisiana, Mississippi und Alabama an der Küste vorbei verbindet, und eher gemütlich zu fahren ist.
Biloxis Museen liegen auf der dem Meer abgewandten Seite des Beach Boulevard, versteckt hinter grünen Hecken und umrahmt von den typischen alten Baumriesen der Südstaaten, den Live Oaks. Angefangen beim Biloxi Visitors Center mit dem Museum zur Region. Multi-Media-Exponate, Filme, alte Dokumente und Fotos erzählen, dass Biloxi 1717 als eine der ersten Städte weißer Siedler von den Franzosen gegründet wurde und benannt ist nach den bis dato hier beheimateten Biloxi-Indianern; dass der Leuchtturm seit 1848 über das maritime Geschehen im Golf und seinen Buchten wacht; dass in den Gewässern Fischer traditionell leckeres Sea Food, auch Austern und Shrimps, fangen bzw. ernten. Zu dem Thema hält das Maritime & Seafood Industry Museum vier Kilometer weiter viel mehr spannende Exponate vor.
Große präsidiale Gedenkstätte
Für den einzigen Präsidenten der einstigen Konföderierten US-Staaten wurde in Biloxi die Jefferson Davis Presidential Library and Museum errichtet. Sie widmet sich dem Bürgerkrieg, dem Civil War, von 1861 bis 1865 und fokussiert sich auf die Seite der Konföderierten Staaten des Südens, die den Sklavenhandel damals noch ausbauen wollten. Die Nordstaaten, die Unionisten, dagegen wollten die Sklaverei ganz abschaffen, haben den Civil War bekanntlich gewonnen und die Sklaven befreit. Doch für African Americans galten im Süden lange noch immer keine gleichen Civil Rights.
Der Kampf darum erreichte hundert Jahre später seinen Höhepunkt, auch in Biloxi. Hier verbot man ihnen die Nutzung der Strände. Dagegen demonstrierten Schwarze und Weiße gemeinsam bei den „Civil Rights Wade-Ins“ von 1959 bis 1963 am Strand direkt an Biloxis Leuchtturm. Daran erinnert hier ein offizieller Historischer Marker, sprich eine Info-Tafel, und wirkt eher weniger ambitioniert.
So scheint es jedenfalls im Angesicht der Presidential Library für Jefferson Davis. Denn deren pompöser Komplex erscheint für die Kleinstadt mit Strandleben irgendwie überdimensioniert. Drinnen erinnern nicht nur, aber auch teils heroenhafte Darstellungen auf Ölgemälden an Davis und seine konföderierte Truppe. Der Bibliotheks-Shop verkauft Literatur, außerdem Bleistifte, Becher und Flaggen mit Motiv ähnlich dem einstiger konföderierter Banner. Nicht zu verwechseln mit der neuen offiziellen Bundesstaatsflagge von Mississippi mit Magnolien-Abbildung, die sich der Staat Mississippi Anfang 2021 verordnete.
Dass die präsidiale Bibliothek in Biloxi steht: Jefferson Davis hat im Ort nach dem Bürgerkrieg und seiner Niederlage gelebt. Seine frühere Villa liegt auf dem Areal der Bibliothek, ist bei Touren zu besichtigen und hieß und heißt wegen ihres Meerblicks Beauvoir. Sie wirkt jedoch bescheiden gemessen am Bibliotheksgebäude und bescheiden auch gemessen an den Antebellum Mansions, von denen sich noch viele original alte im Binnenland befinden. Das gesamte Areal der Gedenkstätte gehört zur Organisation The Mississippi Division – Sons of Confederate Veterans, die als konservativ gilt, und wird auch von ihr gemanagt.
In ganz anderer Sache ambitioniert: das Ohr-O’ Keefe Museum of Art, das 1989 am Beach Boulevard entstand. Initiiert hat es die im Ort ansässige Politiker-Familie Jerry O’ Keefe und mit Sponsoring-Events finanziert. Heraus kam ein Campus aus fünf Gebäuden: von außen in glänzendem Metall verkleidet, jedes in anderer teils abstrakter Form und selbst schon Kunst.
Ihr Architekt ist der weltberühmte Frank Gehry, der zum Werk sagte, dass die Gebäude mit den Bäumen tanzten. Er meinte die alten Live Oaks rundum auf dem Museumsgelände. Das Äußere des Museums ist schon so faszinierend, nur nicht darüber die Kunst drinnen vergessen: die Keramikarbeiten von George E. Ohr (1857-1918) und wechselnde Ausstellungen anderer Künstler. Ohr war ein Bürger von Biloxi und Vertreter der abstrakten Moderne, schuf bunte, aber auch graue, schwarze, braune und nicht nur abstrakte Gebilde. Ohr galt als exzentrisch und bildete in seiner Töpferwerkstatt Laien aus. Das geschieht heute auch am Campus im Licht durchfluten Center für Töpfer-Klassen.
Und immer auch die typischen Baumikonen der Live Oaks
Ein anderes Kunstgenre wird im Walter Anderson Museum of Art, kurz WAMA, gefeiert. Auch Walter war ein Bürger der Region. Sein Museum liegt zwei Meilen den HW 90-Beach Boulevard östlich im verträumten Ocean Springs jenseits der Biloxi Bay Bridge, die Hurrikan Katrina 2005 genauso zerstörte wie vieles andere im Ort. Seither blühte Ocean Springs, so genannt nach Quellen und offiziell gegründet 1843, wieder auf – mitsamt reparierter Brücke. Seinen Quellen verdankt der Ort den Namen und früh schon Touristen. Zur Idylle gehören natürlich Live Oaks, die Skulpturen gleich wachsen und gedeihen, und kleine Straßen mit Häusern in Cottage-Größe mit üppigen Blumenrabatten. Ocean Springs pflegt seit langem seinen Ruf als Ort für Künstler und Kunst mit Galerien und natürlich mit dem WAMA.
Architektonisch wirkt das Museum von außen wie eine Art modernes Cottage, hat innen hallenartige Räume mit hohen Decken und widmet sich der Kunst insbesondere von Walter Inglis Anderson (1903-1965). Daneben wird Töpfer- und Malkunst von Walters Brüdern Peter (1901-1984) und James (1907-1998) ausgestellt. Doch Walter steht im Fokus mit seinen berühmten Aquarellzeichnungen, mit seinen als meisterlich geltenden Wandmalereien, deren Motive die indianische Kunst der Ureinwohner von Ocean Springs aufleben lassen. Der Maestro schuf Kunst auch aus Linoleum, aus Stein und Holz. Pflanzen und Vögel in fast abstrakter Form liebte er als Motive und malte sie in den für ihn typischen Pastell-Tönen.
Guide Anthony betont bei seiner Führung, wie krank Walter in seiner Karriere wurde, welch‘ wirtschaftliche Misserfolge ihn plagten und wie er seine besten Jahre auch als Künstler in Ocean Springs erlebte. „Seinen künstlerischen Garten Eden fand er vor dem Ort im Meer“, sagt Guide Anthony, „nämlich auf dem Barrier Island namens Horn Island mit Dünen, Pinienbäumen, Lagunen und mit Getier von Enten über Alligatoren bis zu Manatees. Walter Anderson besuchte das Eiland zwischen 1946 bis 1965 und brachte dort Gesehenes auf die Leinwand.“ Die zwölf Meilen hin nach Horn Island und wieder zurück habe Walter im Ruderboot zurückgelegt. „Sehr hier an der Decke, hier hängt sein letztes Boot. Und er liebte die be- und verzaubernden Sunsets auf Horn Island.“
Eine gute Idee, um den Tag ausklingen zu lassen. Zumal Horn Island auch heute Naturidylle ist. Aber hin- und zurück rudern – nee. Lieber in Biloxi am Strand im Sand sitzen und genießen, wie die Sonne im Meer versinkt.
Websites und weitere wichtige Info
Hinter Biloxis Küste liegt die Kessler Air Force Base. Landeinwärts kommen Bayous, so heißen die verträumten Wasserwege.
Mehr Info zu: Maritim-Museum: maritimemuseum.org; Presidential Library und Villa: visitbeauvoir.org; den zwei Kunstmuseen Ohr-O‘ Keefe: georgeohr.org sowie Walter Anderson: walterandersonmuseum.org
Extratipps: Frühstück vom Greenhouse Biloxi angesagtes Frühstücks-Paradies mit Eier-Gerichten, Säften oder Avocado-Toast – alles frisch, alles Bio, alles to go: biscuits.com. Lunchin Lucy’s Retired Surfers Bar Üppige Burger, kaltes Bier, angesagte Live-Musik und Killer-Cocktails wie Shark Attack. Dazu lässt sich gut mit den Füßen im Sand direkt am Golf-Ufer abhängen: lucysurf.com.
Dinner im Bacchus on the Bayou Das Restaurant liegt im Hinterland von Ocean Springs an einem Bayou. Das Ambiente: modern-schick. Das Essen: Steaks und Seafood, auch Catch of the Day. Die Preise: nichts, was den Geldbeutel sprengt. Lecker: Kotelett mit Grünkohl! Empfehlenswert: Combo heimischer Austern von roh bis überbacken www.bacchusbayou.com
Übernachten Es gibt die ganze Bandbreite – von Casino-Hotels bis zum luxuriösen Boutique-Hotel Roost Ocean Springs im historischen Gemäuer inmitten alter Eichen: roostoceansprings.com. Schon speziell und sehr gefällig: das Beatnik Hotel in Ocean Springs, bestehend aus vier Zimmern in vier individuell-modernen Cabins mit viel Komfort, auch Regendusche drinnen und draußen: thehotelbeatnik.com