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Leuchttürme in Alabama – viel mehr als Glamour

Martin Luther King, Rosa Parks, Wernher von Braun, Muscle Shoals und neuerdings Clotida: Die Namen stehen für Wegweisendes unterschiedlichster Art – so passiert im US-Staat Alabama. Was soll es, dass der Bundesstaat am Golf von Mexiko als nicht glamourös gilt – abgesehen von den Premiumautos der Marke Mercedes, welche die Deutschen seit 1995 im Werk in Tuscaloosa/Alabama fertigen. Alabamas Leuchttürme symbolisieren vielmehr den Kampf gegen die Sklaverei und für die Bürgerrechte. Stehen für High-Tech-Pioniertaten. Und für Welthits, entstanden im hohen Norden Alabama‘s.

Alabama Map - Kulturtripp von Süden nach Norden und retour
Kulturtripp von Süden nach Norden und retour
Südstaat Alabama und seine Nachbar-Staaten
US-Südstaat Alabama und seine Nachbar-Staaten

Wer auf deren Spuren durch den Südstaat Alabama reist, fährt im Auto einfach von Süden nach Norden und retour zum Meer. Hier warten zwar nicht unendlich lange, aber feine Sandstrände zur Entspannung. Und hier findet sich denn auch ein maritimer Leuchtturm – der einzige im Bundesstaat laut US-Coast Guard.

Sensationsfund zur Sklaverei: die Clotilda nahe Mobile

Clotilda ist der neueste Name unter den oben genannten und gilt als einmalig beim Thema Sklaverei in den Südstaaten. Bei der Clotilda handelt es sich um einen Schoner, auf dem 1860 illegal Männer, Frauen und Kinder aus ihrer Heimat Westafrika als Sklaven nach Alabama verschleppt wurden. Was den Fund so bedeutsam macht: „Die Clotilda ist das letzte bekannte Sklavenschiff überhaupt. Dass es gefunden wurde, das ist wie eine Nadel im Heuhaufen zu finden“, so Darron Patterson von der Clotilda Descendants Association, einer Vereinigung, in der die Nachkommen der Sklaven von der Clotida sich zusammengetan haben. „110 unserer Vorfahren überlebten die Überfahrt und gingen in Alabama an Land.“ Seit Juli sind Holzteile vom Rumpf des Wracks mitsamt Gerätschaften und Dokumenten im eigens erbauten Africatown Heritage House in Mobile ausgestellt. Dem gingen archäologische Prüfungen des Wracks voraus, um sicherzustellen, dass es tatsächlich die Clotilda ist.

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Sensationsfund – Artefakte der Clotilda, des letzten Sklavenschiffs nach USA überhaupt Foto Visit Mobile

Genaues Ziel des Schoners war damals die Hafenstadt Mobile im Süden des Südstaats direkt am Golf, der hier auch Mobile Bay heißt. Hier mündet nämlich der Mobile River ins Meer, fließt zuvor durch das Landesinnere von Norden nach Süden und schließt die Region via Übergang des Alabama River in den Mobile River gut ans Meer an. Ob der guten Lage wuchs Mobile als eine zentrale Hafenstadt im Süden der USA heran – und ist es mit ihren heute rund 190.000 Einwohnern noch immer.

Seinerzeit um 1800 bis 1860 gab es in Alabama und weiteren Südstaaten große Plantagen mit vielen Sklaven, die man aus Afrika hierher transportierte. Und das auch dann noch, als der transatlantische Sklavenhandel längst illegal war, verboten seit 1808 durch ein Bundesgesetz mit Wirkung auch in den Südstaaten wie Mississippi und Georgia, wie Louisiana und Florida und eben Alabama. An der illegalen Sklaverei hielten die Staaten des Südens fest, wollten sie gar noch ausbauen, taten sich als Konföderierte Staaten zusammen, lösten den Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 aus und unterlagen.

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Mobile – Hafenstadt mit Toplage an Meer und Fluss und früher wie heute immer was los
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Der Hafen Mobile im Civil War und davor – 1860 legte letztmals das Schiff Clotilda mit Sklaven an Fotos Ulrike Wirtz

Die Clotida hatte 1860 in Mobile ihre „Fracht“ entladen, war flussaufwärts irgendwohin weiter gefahren und brennend versenkt worden. „Um die illegale Aktion zu verbergen“, sagt Darron Patterson. „So die Mythen ums Schiff. Sie sind wahr.“ Bestätigt rund 160 Jahre später – 2019 –, als das Wrack gefunden wurde. Und zwar im Morast des Mobile River nördlich von der Stadt und hier gesunken, nachdem in Brand gesteckt. Die Schiffsreise zuvor von Afrika aus hatte 45 Tage gedauert. „Eine Reise unter menschenunwürdigsten Bedingungen. Man hatte die Menschen zusammenpfercht wie Vieh“, so Darron Patterson, von Haus aus Journalist und beredter Erzähler. Und selbst ein Nachfahre der Sklaven von der Clotida. „Auf dem Schiff kamen 1860 auch Polee und Rose Allen aus dem heutigen Benin. Sie sind meine Urur-Großeltern.“ Das habe seine Familie rund 160 Jahre verschwiegen – „aus Angst vor Repression“.

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Darren Patterson ist Nachfahre der Sklaven, die auf der Clotilda 1860 verschleppt wurden. Er steht in Mobile am neuen Africatown Heritage House, eigens errichtet für den Sensationsfund Clotilda Foto Ulrike Wirtz

Mit Entdeckung der Clotilda und Anerkennung als Original hat sich das geändert. Die Geschichten der Familien müssen erzählt werden, so Urur-Enkel Darron – „damit sich das Miteinander von Schwarz und Weiß weiter zum Besseren wendet“. Alabama State, seine Bürger, die Gesellschaft arbeiten mit der Hebung und Ehrung der Clotilda ein weiteres Mal daran, die Historie der Sklaverei und den Kampf um die gleichen Bürgerrechte für Schwarz und Weiß aufzuarbeiten: mit Mahnmalen, Museen, Initiativen, mit dem Ziel zu erinnern und weiterhin Dinge zu bewegen. „Gegen den latenten Rassismus und die von Unverbesserlichen gefühlte weiße Überlegenheit” (Nachfahre Patterson). Das gilt über Alabama hinaus (siehe Beitrag Mississippi State). Dass der Weg nicht zu Ende gegangen ist, zeigt nicht allein das Schicksal des African Americans George Floyd, der 2020 in Minneapolis im US-Staat Minnesota durch Polizeigewalt zu Tode kam; der Täter sitzt für Jahrzehnte in Haft.

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Bürgerrechtlerin Rosa Parks und andere Kämpfer – in Montgomery

An all das denke ich auf der Autofahrt nach Montgomery, der Hauptstadt des Bundesstaats Alabama und rund 280 Kilometer nördlich von Mobile am Alabama River gelegen. Montgomerys Vergangenheit ist auf immer mit den Namen Rosa Parks und Martin Luther King verbunden – beide die Synonyme historischer Einschnitte in den 1950er/1960er Jahren. Er (1929-1968): weltberühmt und mit seiner in Alabama geborenen Gattin und den Kindern in den 1950ern wohnhaft in Montgomery. Rosa Parks (1913-2005): nur außerhalb der USA wenig bekannt und zeitgleich in Montgomery zu Hause.

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Sweet Home Alabama heißt es auch – aber lange Zeit
war es nur bitter hier für die Sklaven Foto Ulrike Wirtz

In der Stadt mit aktuell 200.000 Einwohnern erwartet einen mehr als das typische Angebot einer Mittelstadt an Lokalen, Geschäften und Restaurants. Denn Montgomery ist die Hauptstadt von Alabama State – hier steht das Alabama State Capitol von 1851 im neoklassizistischen Südstaaten-Stil mit Säulen und Kuppel ganz in Weiß und ist für Besichtigungstouren geöffnet. Hinzu kommen weitere, teils wuchtige Regierungsgebäude neueren Datums. Und Big Business bringt zum Beispiel das seit 2005 vor Ort ansässige Montagewerk des Autoherstellers Hyundai. Montgomery wurde 1819 gegründet, war Drehscheibe für das florierende Geschäft mit der Baumwolle, die auf den fruchtbaren Böden rundum wuchs und gedieh – unter Einsatz von Sklaven auf den Feldern.

Rosa Parks – die mutige Lady in Black

Wie verächtlich einst Politik und Gesellschaft mit den verschleppten African Americans umging, wird an zentralen Orten im Stadtzentrum deutlich sichtbar gemacht. So verbot Alabama State den „Black People“ 1833, im Staat zu leben. Damit war „Sklave“ der einzige gesetzliche erlaubte Status für die African Americans. Die Mahntafel dazu findet sich gut sichtbar am Eingang zu „The Alley“, einem gut besuchten Quartier in Montgomery mit Starbucks etc. Ein weiteres Beispiel in Downtown: eine Statue in Schwarz am Court Square an der Dexter Avenue. Die Statue scheint so, wie sie auf dem Bürgersteig steht, von weitem real: eine zierliche Frau mit Hütchen auf dem Kopf, Brille auf der Nase und Handtasche, die sie mit beiden Händen vor ihren Körper hält. Die Lady in Black ist Rosa Parks – und wie King eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung.

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Statue von Rosa Parks in Montgomery – sie war und ist der Inbegriff einer Bürgerrechtlerin Foto Ulrike Wirtz

Mutig war sie, weil in Alabama in den 1950ern immer noch die Jim Crow Laws galten. Dazu gehörte ein Gesetz, das Schwarze verpflichtete, im hinteren Teil von Busen zu sitzen, der “Colored Section”. Vorne musste für Weiße freibleiben. War es vorne voll, mussten die Schwarzen ihren Platz in der Colored Section für Weiße räumen. So der Fall auch am 1. Dezember 1955, als Rosa Parks wie so oft in der Colored Section eines Buses mitfuhr. Der Bus wurde voll, der Fahrer forderte vier Colored People auf, ihre Sitze zu räumen, auch Rosa Parks. Drei taten es. Rosa Parks tat es nicht. Sie wurde verhaftet und bekam eine Geldstrafe. Weitere Folge – in Absprache mit ihrem guten Freund Pastor E.D. Nixon: Auf Verabredung starteten mutige Mitstreiter nach einer Woche – am 5. Dezember 1955 – den später so genannten Bus-Boycott, der ein Jahr dauern sollte. Dem Boykott schloss sich der 26 Jahre alte, damals nicht berühmte Martin Luther King an.

Nach wie vor nicht wirklich am Ziel

Der war seit 1954 Pastor an der Dexter Avenue Baptist Church in Montgomery. Manche Quelle benennt ihn als Organisator des Boykotts. Jedenfalls hielt er eine Rede. Reporter kamen in die Stadt, die Nachricht vom Boykott verbreitete sich in ganz USA. Rosa Parks erhielt auf Jahre Morddrohungen, wurde aber vom Kongress der Vereinigten Staaten als First Lady of Civil Rights geehrt. Weitere Ehrungen folgten. Später urteilte ein Bundesgericht: Die Rassentrennung in Bussen verstößt laut 14. Amendment der US-Verfassung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Was die Ungleichheiten noch lange nicht beseitigte. Zu Ehren der mutigen Frau wurde später das Rosa Parks Museum & Library errichtet. Hier lässt sich ihre Geschichte en Detail nachverfolgen – anhand von Bildern, Zeitungsartikeln etc.

Bürgerrechtler Martin L. King und andere Kämpfer – in Birmingham

Ikone der Bürgerrechtsbewegung und ermordet 1968 in Memphis/Tennessee von einem mehrfach vorbestraften Rassisten: Reverend Dr. Martin Luther King wirkte in Montgomery und 160 Kilometer weiter nördlich in Birmingham. Er ist heuer in aller Munde, weil sich seine legendäre Rede vor 250.000 Menschen in Washington D.C. soeben zum 60. Mal jährte: am 28. August 1963. Martin Luther Kings Rede machte Geschichte durch einen Satz zu seiner Vision: „I Have A Dream.“ Doch zurück nach Birmingham/Alabama. Auch hier gibt es in diesem Jahr 60. Jahrestage zu begehen. Und erinnern an blutige Schlüsselereignisse vor Ort im Kampf der African Americans für ihre Bürgerrechte.

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Foto von Martin L. King in Birmingham vor einem Protestmarsch1963 – wer wusste damals, dass hier Bürgerrechts-Geschichte geschrieben wurde
Foto vom Foto Ulrike Wirtz

Birmingham ist mit heute 200.000 Einwohnern im Kerngebiet und 1,1 Mio. in ihrer Metropolregion die zweitgrößte Stadt Alabama’s und wurde 1871 als Verladebahnhof der Eisen- und Stahlindustrie gegründet. Beide Branchen sind noch präsent. Hinzu kamen Headquarter von Finanzdienstleistern, Ingenieurbüros und im Jahr 1969 eine Universität ganz ohne Rassentrennung. Einfach idyllisch die Lage der Stadt am Rande der Appalachian-Bergkette. Doch Idylle war hier lange nur vordergründig. So nachzuvollziehen für Besucher noch heute im Birmingham Civil Rights District. Bäume säumen seine Straßen, spenden angenehm Schatten unter der heißen Südstaaten-Sonne. In Vorgärten blüht Rhododendron.

Gräueltaten mahnen, Erinnern und Aufklären hilft

Eng beieinander liegen hier aber auch die 16th Street Baptist Church und der Kelly Ingram Park und sind beide auch Mahnmale. Wie das Birmingham Civil Rights Institute, das am Ort 1992 hinzukam: um zu erinnern und zu mahnen, zu forschen und zu unterrichten, wie es in seinen Statuten en Detail nachzulesen ist. Wer sich Zeit zur Erkundung der Schlüsselmomente rund um Kirche und Park nehmen möchte, sollte zwei, drei Stunden für den Civil Rights District einplanen. Das alles zu sehen bzw. zu lesen macht betroffen, auch die anderen Besucher. Ich sehe in ernste Mienen gleich welcher Hautfarbe. Und geredet wird nur leise.

Zunächst der Kelly Ingram Park, der in den 1960ern nicht so hieß. Hier fanden ab Frühjahr 1963 Proteste statt und wurden brutal beendet. Der Park heute konfrontiert seine Besucher anhand von Skulpturen damit, was geschah. Da ist die Skulptur von Martin Luther King: Er protestierte mit und wurde inhaftiert – das geschah im April 1963. Das Civil Rights Institute stellt seine Gefängniszelle nach.

In der Zelle schrieb er seinen Brief „Letter from Birmingham Jail“ und rief darin zu gewaltfreiem zivilem Ungehorsam aufrief. Der Protest ging weiter, die Unterdrückung auch. Dafür steht die Skulptur eines Uniformträgers, der einen großen Hund an einer Kette hält; Der Hund hat sein Maul weitaufgerissen, fletscht die Zähne und springt eine kleine Person an.

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Mahnmal zum Mai 1963 in Birmingham – Polizei ging mit Hunden und Wasserwerfern gegen protestierende Kinder und Jugendliche vor
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In Birmingham saß Martin L. King im April 1963 ein, weil er um gleiche Rechte für alle kämpfte Fotos Ulrike Wirtz

Dann die Skulptur mit Feuerwehrschlauch, der auf zwei Menschen gerichtet ist, die sich an eine Wand kauern. Beides stellt den Mai 1963 nach, als vom Park Kinder und Jugendliche mit Schildern und Freiheitslieder singend zum Büro des Bürgermeisters zogen, zum Protest gegen Rassentrennung und Einschüchterung. Ihre Aktivität schlug die Polizei unter Einsatz von Hunden und Wasserwerfern nieder.

Dann kam der 15. September 1963 in Birmingham: In der Kirche 16th Street Baptist Church am heutigen Kelly Ingram Park explodierte eine Bombe und riss vier schwarze Mädchen in den Tod. Die Bombe legte ein Mitglied des berüchtigten Geheimbunds Ku-Klux-Clan, der schon zuvor Attentate, auch auf Martin Luther King, verübt haben soll und der seit seiner Gründung nach dem verlorenen Bürgerkrieg für die weiße Vorherrschaft mit Gewalt eintrat. An diesen grausamen 15. September 1963 erinnert im Park die Statue der vier Mädchen. Informationstafeln erklären, dass an dem Tag das Grauen noch nicht vorbei war. An seinem Ende war noch ein Jugendlicher von Polizisten und ein weiterer von einem weißen Mob getötet worden.

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Immer Kirche – und am 15. September 1963 Ort des Grauens: Das Bombenattentat in der 16th Street Baptist Church tötet vier Mädchen Foto Ulrike Wirtz

Die 16th Street Baptist Church blieb eine Kirche. Drinnen fällt der Blick zuerst auf den Altar, dann auf ein Schlagzeug und ein Klavier linker Hand. Die Kirchenbänke schmücken knallrote Kissen, bunt sind die Fenster. Alles typisch Kirche – wären nicht draußen die Infotafeln zum Massaker. Außerdem finden in der Kirche auf vorherige Anmeldung Besichtigungstouren statt. Sie starten im Vorraum mit einem Video zum tragischen Tag. Es ist jüngeren Datums und bringt den Betrachtern die jungen getöteten Menschen nahe: was sie an dem Tag getan haben, was aus ihnen hätte werden können. Das fasst die Zuschauer an. Im Video sagt dann noch Arthur Price Jr., heute Reverend der 16th Street Baptist Church: „Hier wurde Geschichte geschrieben. Der Kampf wurde gewonnen.“ Er bezieht sich auf 1964: „Ein Jahr nach dem Tod der vier Mädchen kam mit dem Civil Rights Act der große Durchbruch in ganz USA – nach vielen Jahren vergeblichen Kampfs.“

Muscle Shoals – die kleinste Musik-Hauptstadt der Welt

Cut – nach diesen harten Diskursen geht es um Musik und Musikkultur, die es allerdings ohne die African Americans in Alabama und den Nachbarstaaten so nicht gegeben hätte. Dafür fahre ich von Birmingham 180 Kilometer nordwestlich ins Städtchen Muscle Shoals. Der Name lässt Kenner der Musikszene der 1960er und 1970er Jahre mit der Zunge schnalzen. Nicht weil hier, wo Tennessee State und Mississippi State mit Alabama State zusammentreffen, in Tuscumbia die Alabama Music Hall of Fame wartet. Sie vereint sehens- und hörenswert, was im Dreistaateneck rund um die Flüsse des Südens über Generationen musikalisch kreiert wurde: Blues, Country, Folk, Jazz, Rock, Soul und Dixie, die Musikströmung, die Alabama als Beinamen „Heart of Dixie“ führt.

Aber die wahren Musik-Kenner dieser Zeiten wissen, dass sich hier in der äußersten Ecke von Alabama legendäre „Firsts“ abspielten: Welthits, aufgenommen von Weltstars des Blues, Rock und Pop.

Kreative Gegend - am Weg nach Muscle Shoals_Foto_Ulrike_Wirtz
Vorbote frecher Kreativität – am Weg nach Muscle Shoals wie einst die Rolling Stones Foto Ulrike Wirtz

Das geschah in zwei Studios: im FAME in Muscle Shoals direkt, gegründet 1959 und damit das erste vor Ort; sowie im Muscle Shoals Sound in Sheffield, Ort gleich nebenan, das 1969 entstand. Beide Studios galten international in den 1960ern/1970ern als top für Aufnahmen, lockten solche, die noch Stars werden wollten und sollten, und andere, die schon Stars waren.

Das Who ’s’ Who heutiger Ikonen

Welthits spielten hier im Outback Alabamas ein: die Rolling Stones, Aretha Franklin, Wilson Pickett, Otis Redding, Eric Clapton, Rod Stewart und andere mehr, darunter Bob Dylan und Paul Simon. Hier kreierte Hits locken noch heute auf die Dance Floors, heißen Mustang Sally von Wilson Pickett, Respect von Aretha Franklin, Brown Sugar von den Stones (den Song will die Mega-Band selbst nun nicht mehr spielen) oder nicht zuletzt ihr Hit Wild Horses. Auch Weltstar Cher kam her. Zugang haben heute Besucher für Touren und ansonsten zahlende Musiker, da beide Studios weiterhin arbeiten.

Die Tour im FAME führt am Fenster des – nicht zugänglichen – Kontrollraums vorbei ins Studio B. „Hier ist das Equipment teils noch von 1956“, so der Guide. Und zeigt auf das Schlagzeug, das silbrig wie auf Hochglanz poliert schimmert, und auf etliche Mikrofone, aufgesteckt auf Ständern.

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Im FAME-Studio – im Outback von Alabama – spielten Top-Acts Welthits ein Foto Ulrike Wirtz

Alles scheint fertig für die nächsten Aufnahmen, auch Flügel und Elektro-Piano von Wurlitzer, dereinst Kultmarke für Jazz, Soul- und Countrymusik. Das gleiche im Studio A, das wir als nächstes sehen. Seine Decke ist rund acht Meter hoch, die Wände sind mit Holz und Leder ausgelegt – alles für die Akustik, alles für den Sound. Eine kleine Tanzfläche aus Holz durfte nicht fehlen, ansonsten ist der Boden mit Teppichboden ausgelegt – „wie früher – wegen der Akustik. Auch Elvis Presley hat hier Platten aufgenommen“, so der Guide, ergänzt schmunzelnd: „Der King ließ sich dabei die Haare machen.“ Dann erklärt er uns Besuchern noch: „Ihr müsst bedenken – damals war hier an sich nur Sumpfgebiet. Hier gab es nichts, auch nichts, was ablenkte.“

Szenenwechsel ins Muscle Shoals Sound Studios in Sheffield. Hier erinnern Bilder von Cher und Sonny von anno dazumal, als sie vereint waren. Die zwei nahmen 1969 als erste Künstler Songs im Muscle Shoals Sound Studios auf. Und erst die Fotos vom jungen Mick Jagger bei der Aufnahme der Percussions zu Brown Sugar. Was für ein Typ, was für Zeiten, was für eine Band – und heute nach mehr als 50 Jahren immer noch Weltstars.

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Mick Jagger im Muscle Shoals Sound Studios bei den Aufnahmen von Brown Sugar Foto vom Foto Ulrike Wirtz

Die Stones im Muscle Shoals Sound Studios damals bei Aufnahmen – das ist sogar in der aktuellen Rolling-Stones-Dokumentation verewigt und zu finden in der ZDF-Mediathek. Wie sich doch die Bilder vom Original im Film und das Studio heute ähneln. Kein Wunder – fast alles blieb erhalten samt Originalinstrumenten. Der Guide: „Das Studio wurde natürlich restauriert, aber so, wie es in den Jahren 1969 bis 1978 war – mitsamt Teppichboden in Orange.“ Und wen wundert’s – einen Party-Hotspot gab es im Outback Alabamas trotzdem. Der verbirgt sich damals wie heute hinter einer eher schäbigen, unauffälligen Tür des Muscle Shoals Sound Studios. Denn dahinter kommt ein kleiner Raum mit Ledercouch und Tresen. Der Guide: „Hier war alles Rock’n’Roll.“ Alles sichtlich fast versteckt – ganz im Stil der berühmten Speak Easy in der Prohibition etwa in New York. Damals war Alkohol verboten, wurde heimlich in versteckten Kneipen konsumiert. Als die Rolling Stones und andere in Muscle Shoals aufschlugen, war der Alkohol längst wieder legal.

Wernher von Braun – deutscher Raketenpionier in Huntsville

Weiter geht’s von Muscle Shoals 100 Kilometer gen Osten nachHuntsville. Die Stadt ist mit knapp 220.000 Einwohnern im Kerngebiet und 1,2 Mio. in ihrer Metropolregion die größte Alabama‘s und wirkt nur auf den ersten Blick verschlafen. Hier ganz im Norden wirkt nämlich fort, was der Deutsche Wernher von Braun (1912-1977), der berühmteste Raketen-Entwickler des 20. Jahrhunderts, wie die US-Weltraumagentur NASA schreibt, in Huntsville auf die Rampe geschoben hat. Wernher von Braun und sein Team vollbrachten hier ihre Pioniertaten für die Weltraum-Technik, machten den Standort zu einer High-Tech-Schmiede. Und die ist er noch heute. Der Physiker von Braun hatte im 2. Weltkrieg die sagenhafte V-2-Rakete für Hitler entwickelt, fand aber dann in den USA – auf Wunsch der Amerikaner – ein neues Zuhause.

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Raketen-Entwickler Wernher von Braun – vom Kriegsgefangenen zum High-Tech-Pionier in USA; hier ein Plakat im US Space & Rocket Center in Huntsville, dem Ort, wo er auf Jahre wirkte Foto Ulrike Wirtz

Dem war vorausgegangen, dass Von Braun und Team sich spät im Jahr 1944 in den Alpen den Amerikanern ergeben hatten. Der gesamte Trupp, alles in allem 125 kluge Köpfe, wurde daraufhin nach Texas gebracht und sollte hier 15 Jahre Waffen für die US-Armee entwickeln. Aber schon 1950 ging es weiter nach Huntsville. Die neue Aufgabe: High-Tech fürs All, sprich Satelliten und wieder Raketen zu entwickeln. Dafür hatte der Staat die National Aeronautics und Space Administration – die heute nur noch kurz NASA genannte Unternehmung – gegründet. Was für Pioniertaten. Von Braun & Team entwickelten in Huntsville insbesondere auch die Apollo 11 – das High-Tech-Vehikel, das unter der Regierung von Präsident Kennedy 1969 den ersten Menschen zum Mond brachte. Alles mit dem Ziel, das Weltall zu bereisen und zu erforschen.

Forschung und Entwicklung nicht nur in geheimer Mission

Das alles – na ja, fast alles – wird in Huntsville der Öffentlichkeit gezeigt und erklärt und zwar im US Space & Rocket Center. Es lenkt schon von weitem die Blicke durch eine senkrecht stehende Rakete auf sich. Beim US Space & Rocket Center handelt sich um ein Museum mit Artefakten aller Art rund um die Anfänge und Fortschritte der Amerikaner im Weltraum bis heute – mit echten Raketen und Raumfahrtkapseln, die schon im All unterwegs waren. Aber was verbirgt sich draußen am Center hinter dichten hohen Hecken und Zäunen? „Das Militärgebiet Red Stone Arsenal mit diversen Kommandozentralen“, so Pat Ammons vom US Space & Rocket Center. „Dort war einst auch die erste Wirkungsstätte von Wernher von Braun in Huntsville. Dort ist fast alles geheim.“

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Auch per Video geht es im US Space & Rocket Center auf ferne Reisen ins All Foto Ulrike Wirtz

Zunächst aber drängt sich mir das Bild „grüner Männchen“ auf. So könnten Wernher von Braun und seine Leute in Sachen Reisen zum Mond bei ihrer Ankunft in Huntsville gewirkt haben. Damals war nämlich hier „plattes“ Land mit Ackerbau und Viehzucht. Noch heute herrscht Idylle. Das liegt daran, wie alles Leben mitsamt Industrie weitläufig in die Ausläufer des Appalachians Gebirges mit Wald, Wiesen und Feldern eingebettet ist. Wie gemalt fließt noch der Tennessee River vor der Haustür vorbei. Man fühlt sich an die ländliche Seite von Bayern und Baden-Württemberg erinnert. Freizeitwert und Lebensqualität sind hoch, hat denn auch Charles Winter vom CVB County Convention & Visitors Bureau in Huntsville betont. Das hohe Niveau gelte auch für die Jobs, so Winter „Mehr als zehn Prozent der Arbeitskräfte in der Region sind Ingenieure. Solche Qualifikationen verlangen die NASA und die weiteren Space-Firmen vor Ort. So auch die Tech-Firma von Elon Musk hier in Huntsville.“ Das gelte überdies in ihren Disziplinen für die Autohersteller Toyota und Mazda. „Die sind seit Jahren bei uns ansässig.“

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Space Camps im Space Center für Kids und Erwachsene – auch um Talentierte zu finden Foto Ulrike Wirtz

Dementsprechend sind die Universität und angeschlossene Institute in Huntsville vor allem technisch und weltraumtechnisch ausgerichtet, erzählt Pat, während wir im US Space & Rocket Center auf ein großes Schild mit den Aufschriften „Spacecamp“ und „Dream big“ zusteuern. Das passt zum High-Tech-Standort. Denn die Rede ist von Camps, die in einer Woche in Kursen und Simulationen rund ums Weltall in die Materie einführen; das ganze samt Übernachtungen und Verpflegung. Die Camps sind für Kinder und Erwachsene. „So wollen wir Menschen für Physik, Mathematik, etc. begeistern. Daraus entstehen vielleicht berufliche Karrieren. Wir suchen immer talentierten Nachwuchs. Hier machen auch deutsche Kids mit“ (Pat). Es geht weiter – vorbei an kurzen und längeren Raketen, an Astronautenanzügen und Kommandokapseln wie die von der Mission Apollo 16. Die Infotafel besagt: „Damit kam die Crew der vorletzten bemannten Mission mit Landung auf dem Mond zurück zur Erde. Sie landete planmäßig im Meer und wurde dort aufgesammelt.“

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Komplex – die Tür einer Astronautenkapsel von innen Foto Ulrike Wirtz

Das Kapseläußere sieht aus, als hätte es Rost angesetzt. „Das ist kein Rost. Das kommt von der harten Reibung beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre“, erklärt uns ein Mann mit weißem Kittel. Der Kittel weist ihn als einen der Freiwilligen aus, die Besuchern Fragen zur komplexen Materie erklären – allesamt Ingenieure im Ruhestand. Er zeigt nun auf den Verschlussbolzen der Kapseltür, bewegt ihn. „So einfach kann die Crew die Tür notfalls selbst öffnen. Das ging bei früheren Kapseln nur von außen.“ Frage ich: „Und was war im Notfall?“ Er: „Genau. Das war learning by doing – eine simple, echte Optimierung.“ Pat stellt laut für sich fest: „Wieder was gelernt.“ Ausgestellt sind auch Artefakte zu schlimmen Misserfolgen – wie die Weltraum-Mission Apollo 1: Bei deren Vorbereitung fanden drei Astronauten den Tod. Große Fotos zeigen die Toten in voller Astronauten-Montur.

Pat geht weiter, verweist auf ein Modell des James Webb Teleskops: “Sieh‘ hier, die Solarpanelen für das Teleskop. Die wurden in Huntsville entwickelt.“ Apropos – was ist mit Mission Control? Pat: „Die sitzt in Houston in Texas.“ Und zitiert sogleich den oft gehörten legendären Funkspruch: „Houston – we have a problem.“ So angeblich gefunkt von der Crew der Apollo 13 im April 1970, als sie ein Problem aus dem All meldete. Pat: „Der Spruch stimmt so nicht ganz, kam so aber im Hollywood-Film Apollo 13 vor.“ – Und dann erhebt sich vor mir auf einmal ganz real ein Riese – füllt die riesige Halle komplett aus. Allerdings steht er – besser sie – nicht, sondern liegt: die Saturn V-Trägerrakete.

Nationalmonument Saturn V-Trägerrakete

Klar, dass sie im Center nicht aufrecht steht – mit ihren 110 Meter Länge. Dagegen wirkt ihr Durchmesser von 10,1 Meter eher klein. Heute als Nationalmonument geehrt, war die Saturn V-Trägerrakete von 1967 bis 1973 im Einsatz: für das Apollo-Programm der NASA für Mondlandungen. Sie startete 13 Mal ins All, brachte neun Crews auf den Weg zum Mond und zurück, transportierte mit dem Skylab auch die erste Raumstation der USA. Was für ein Gigant – und entwickelt von Wernher von Braun und Team. Was für ein Leuchtturm in Alabama.

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Früher Raketengigant fürs Weltall – heute Nationalmonument Foto Ulrike Wirtz

Website und weitere wichtige Info

Flug Alabama ist bequem ab München, Frankfurt oder Stuttgart mit nur einmal Umsteigen aus Deutschland zu erreichen. Sowohl die Lufthansa als auch Carrier wie United und Delta fliegen über ihre Hubs Alabama an.

Mietwagen Den gibt es als All In-Paket bei Alamo – www.alamo.de – oder über den deutschen Vermittler Sunnycars www.sunnycars.de.

Reise-Details für Alabama State Die finden sich auf www.alabama-usa.de sowie www.alabama.travel. – Alabama gehört zu den Südstaaten der USA und liegt direkt am Golf von Mexiko – wie sein Nachbarstaat Mississippi im Westen und Florida im Südosten. Alabama richtet sich – siehe Karte oben – vom Meer gesehen langgestreckt von Süden nach Norden aus. Der Südstaat hat aktuell gut fünf Mio. Einwohner und steht mit 136.000 Quadratkilometer Fläche auf dem 30. Platz der US-Bundesstaaten. Die Route zu den oben genannten Reisezielen führt von Süden immer nach Norden bis Huntsville, das malerisch in den Ausläufern der Appalachian Mountains liegt.

Websites zu den oben genannten Reisezielen:

Mobile im Süden – an der Golf-Küste: www.mobile.org. Konkret zum Sklaven-Schiff Clotilda https://clotilda.com. Hotel-Tipp: The Battle House Renaissance Mobile Hotel & Spa, weil ein ansprechender Mix aus Südstaaten-Charme und Moderne und mitten in der Stadt www.marriott.com

Montgomery im Landesinnern www.alabama.travel. Zu Rosa Parks www.womenshistory.org. Zu Martin Luther King in der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de

Birmingham weiter nördlich www.birminghamal.org. Zur Kirche und Tourenreservierung www.16thstreetbaptist.org. Zum Civil Rights District National Monument www.bcri.org. Zum Civil Rights Trail www.civilrightstrail.com. Hoteltipp: Tutwiler Hotel-Hampton Inn & Suites, da stilecht im historischen Gebäude und zentral gelegen www.thetutwilerhotel.com

Muscle Shoals, Sheffield und Tuscumbia hoch im Norden www.colbertcountytourism.org. FAME Studio https://famestudios.com. Muscle Shoals Sound Studios www.muscleshoalssoundstudio.org

Huntsville https://huntsville.org. Speziell zum US Space & Rocket Center, auch zum Space Camp www.rocketcenter.com

Die Ziele am Meer Gulf Shores und Orange Beach: www.gulfshores.com; www.orangebeach.com. Hotel-Tipp: The Lodge at Gulf State Park in ruhiger Lage am Strand und mit unverbaubarem Meerblick www3.hilton.com

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