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Mardi Gras in Mobile – Mystischer Frohsinn

Denn wenn et Trömmelche jeit, dann stonn mer all parat – un mer trecke durch die Stadt. Die kölsche Karnevalshymne der Räuber ertönt am Rhein langsam immer lauter… Denn wenn das Trömmelchen geht, dann stehen wir alle bereit und wir ziehen durch die Stadt… Nach dem Auftakt am 11.11. rückt nämlich der Straßenkarneval immer näher – beginnt heuer am Donnerstag, den 8.2., mit Weiberfastnacht bzw. Altweiber. Da sind die Karnevalisten in der Stadt des ältesten Mardi Gras in USA schon viel weiter. Die Stadt heißt Mobile und liegt im Bundesstaat Alabama am Golf von Mexiko. In ihren Straßen tobt schon seit 26.1. der Karnevals-Bär. Seither gehen hier die Umzüge, genannt Paraden.

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Musik darf nicht fehlen bei Mobile’s Mardi-Gras-Paraden Foto Jamie Martin

Die erste namens Conde Cavaliers Parade startete am Freitag, den 26.1, um 18 Uhr. Am Tag darauf waren drei Paraden unterwegs. So geht es bis zum letzten der tollen Tage, dem Karnevals-Dienstag am 13.2. – danach ist Schluss mit der Narretei hierzulande, aber auch in Mobile. Die Stadt zählt gut 180.000 Einwohner in ihrem Stadtgebiet, 400.000 mitsamt ihrer Greater Area, bietet auch im Winter das milde Klima der Subtropen und liegt zwei Autostunden westlich von New Orleans/US-Staat Louisiana. New Orleans gilt als die Südstaaten-Metropole und ist ob ihrer Partymeile French Quarter in aller Munde – oftmals auch als ältester Mardi-Gras-Hot Spot in USA. „Aber das ist falsch“, so Cart Blackwell, der Kurator des Mobile Carnival Museum. „In Mobile fand der erste Mardi Gras statt. Das war 1703. Natürlich damals in viel bescheidenerer Form als heute.“

Geheim-Gesellschaften geben seit über 300 Jahren Gas

Zum offiziellen Teil gehören seit 1704 zu allererst Karnevalsgesellschaften (KG) und sind auch heutzutage für die Organisation der diversen Paraden zuständig. Die traditionellen KG in Mobile heißen Mystic Societies und geben sich in der Tat geheimnisvoll. Die erste ihrer Art von 1704 nannte sich nach den französischen Siedlern Société de Saint Louis. Die erste, die eine regelrechte Parade abhielt, war 1831 die Cowbellion de Rankin Society. Die KG war so geheimnisvoll und selektiv bei der Mitgliederauswahl, dass die Väter nicht einmal ihre Söhne aufnahmen.

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Kenner des teils Geheimnisvollen: Cart Blackwell, Kurator des Mobile Carnival Museum Foto Ulrike Wirtz

Daraufhin taten die Söhne sich zusammen und gründeten 1842 die Striker’s Independent Society. Museums-Kurator Cart: „Sie gilt heute als die älteste aktive Mystic Society.“ Die erste von Frauen gegründete war die Mobile Women Mystics und hielt 1890 ihren ersten Ball ab. 1894 tat das der Order of the Doves als erste KG von African Americans.

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Jedes Jahr neue Wagen, neue Kostüme bei den Mardi-Gras-Paraden in Mobile Foto Visit Mobile

Mehr als 300 Jahre später gibt es rund 80 Mystic Societies. Und am Ende des Mardi Gras 2024 haben in Mobile 39 Paraden stattgefunden. Dafür wurden – wie jedes Jahr aufs Neue – rund 100 Wagen gestaltet, Kostüme kreiert und geschneidert. Zig Maskenbälle und Empfänge allein der offiziellen Gesellschaften werden stattgefunden haben – ebenso wie alle Jahre wieder. Bis der Dienstag, der Fat Tuesday – 2024 eben der 13.2. – den Höhepunkt markiert, bevor am Tag darauf, am Aschermittwoch, alles vorbei ist und die österliche Fastenzeit beginnt. Also wie bei uns – und doch auch anders. So ist dienstags am Rhein, der Veilchen-Dienstag, zwar noch etwas los. Aber der Höhepunkt ist Geschichte: die Rosenmontags-Züge am 12.2. in Köln, Düsseldorf und Mainz. An dem Montag ziehen in Mobile sieben Paraden durch die Stadt. Und am fetten Dienstag gehen ab zehn Uhr hintereinander sechs Paraden; als letzte ab 18 Uhr die Order of Myths Parade.

Bunte Ketten für mehr als nur Frohsinn

Un mer trecke durch Mobile: Die Paraden ziehen über festgelegte Routen, bestehen aus Fußgruppen in Kostümen und phantasiereich geschmückten Wagen, den Floats; an Bord kostümierte Menschen und Schilder mit lustigen bis zotigen Sprüchen zu Politik und Gesellschaft auch mit Lokalkolorit. Beladen sind die Floats mit Wurfmaterial, den Throws, für die Zigtausenden Zuschauer am Weg der Paraden. Die Menschen kommen aus nah und fern, machen sich meist früh auf, um gute Plätze am Zochweg zu ergattern – um gut zu sehen und natürlich zu fangen, was geworfen wird.

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Mardi-Gras-Ketten zum Werfen und Tragen – hier zu kaufen im Mobile Carnival Museum Foto Ulrike Wirtz

Throws sind zum einen Beads – sprich Ketten aus bunten Perlen. Je mehr davon später um den Hals baumeln, umso besser. Sie kommen traditionell in Violett, Grün und Gold oder alle Farben im Mix an einer Kette – Farben, die für folgendes stehen: Violett für Gerechtigkeit und entliehen dem Purpur der katholischen Kirche in der Zeit bis Ostern; Grün für Vertrauen und Glauben; Gold für Macht bzw. Kraft. En Masse wird außerdem Süßes werfend unters Volk gebracht, verpackt natürlich; speziell diese Mobile‘s Moon Pies. Das sind Kekse aus je zwei dunkelbraunen Teig-Talern, dazwischen weiße Masse, die nach Marsh Mellows schmeckt.

Frack und Abendkleid die Gäste – Maske und Kostüm die Mitglieder

Nach den Paraden geht das Feiern weiter bei offiziellen Empfängen und Bällen, aber auch in Kneipen und anderen Örtlichkeiten. Letztere sind wichtig nicht nur für Fremde in der ältesten Mardi-Gras-Metropole jenseits des Atlantiks. Denn Eintrittskarten zu Empfängen und Bällen bekommt noch längst nicht jedermann. Zugang ist oft nur mit Einladung möglich: by invitation only. Auf solchen Festen ist nur Offiziellen das Tragen von Kostümen und Masken erlaubt. Für die anderen Besucher heißt es: die Herren in Frack (white tie), die Damen in langer Robe (long goan). Das macht offensichtlich, dass auch der Mardi Gras teils durchorganisierter Spaß an der Freud‘ ist – wie in unseren Gefilden auch. In Mobile kommt die Aura des Mystischen hinzu und wird kultiviert.

Top Secret wie bei 007

Was extrem geheimnisvoll abläuft: die Aufnahme in eine Mystic Society. „Davon zu unterscheiden ist, ob jemand die Teilnahme an einer Parade auf einem Wagen kauft” (Kurator Cart). Bei der Mitgliedschaft dagegen gilt strikt die Devise: „Nicht wer möchte, kann eine Aufnahme in eine Gesellschaft beantragen und beitreten. Vielmehr finden die Mystic Societies diejenigen, die sie aufnehmen möchten. Nur die können sich Hoffnung machen. Und Wartelisten gibt‘s.“ Was Interessierten hilft, weiß Cart auch: „Die gute Vernetzung in der Gesellschaft und das Engagement für gesellschaftliche Anliegen. Manche Familien stellen schon seit sieben, acht Generationen Mitglieder.“

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Einst Kostüme der Mystic Societies – nun öffentlich zu bewundern im Mobile Carnival Museum Foto Ulrike Wirtz

Wer tiefer in die Historie des Mardi Gras in Mobile einsteigt, kommt bei ihren Anfängen 1703 zu Brüdern französischer Abstammung: Pierre Le Moyne d’ Iberville und Jean-Baptiste Le Moyne de Bienville. Laut Überlieferung kamen sie Rosenmontag 1699 in die Region nördlich der heutigen Stadt Mobile, hatten an einem Ort bzw. Fluss geruht, zogen am Tag darauf, am Fat Tuesday, weiter. Ort bzw. Fluss nannten sie Point du Mardi Gras bzw. Bayou Mardi Gras – im Gedenken an die katholisch-kulturelle Prägung aus ihrer Heimat, in der just Mardi Gras begangen wurde. Die Brüder samt Tross zogen weiter gen Süden auf der Suche nach einem Ort, wo ihre Stadt entstehen konnte. Der war 1702 gefunden – ein Jahr später feierten Franzmänner ihren ersten Mardi Gras.


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Königliche Wahl

Und was wäre auch Mobile’s Karneval ohne seinen traditionellen offiziellen Regenten: ein König – nicht nur ein Prinz -, erstmals 1872 als Felix I. inthronisiert. Der König kommt seit 1872 über die im gleichen Jahr ins Leben gerufene Mobile Carnival Association MCA ins Spiel, die dem Festkomitee Kölner Karneval von 1823 e.V. ähnelt. Zu unterscheiden von der 1938 gegründeten Colored Carnival Association, der Vorläufer der heutigen MAMGA (Mobile Area Mardi Gras Association) und mit eigenem Regenten-Paar unterwegs. Die MCA beruft ihren König inzwischen alljährlich als Felix III., aber er ist jedes Jahr besetzt durch eine andere Person.

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King Felix III. anno 2021 – alias Martin Horst Cunningham Jr. Foto Ulrike Wirtz

Und was wären die Herren ohne ihre Königin. Museums-Kurator Cart: „Als Royal ausgewählt zu werden, das ist eine Riesenehre. Noch dazu gibt es Junior-Regenten-Paare. Die Juniors profitieren besonders, weil ihnen neben gesellschaftlicher Anerkennung die Förderung ihrer beruflichen Karriere winkt.“

Königliche Pracht

Nicht zuletzt die Kostüme der Royalen – was für eine Pomp: Sie sind von Hand auf Maß geschneidert, mit edlen Steinen, Stickereien und Pelz verziert, gerade auch die meterlangen Schleppen, genannt Train. Krone und Zepter gehören bei ihm zum Kostüm, bei ihr Krone und Schmuck. Und was noch schön ist und keinesfalls selbstverständlich: Das Carnival Museum stellt etliche prächtige royale Gewänder aus. Dazu kommen Kostüme von Zugteilnehmern, von Pagen, Plakate früherer Bälle etc. – insgesamt 50.000 Artefakte. Dass dies nicht selbstverständlich ist, liegt an der Region und den Hurrikans, die sie heimsuchen. Denn die gehen oft einher mit zerstörerischen Überflutungen. Museums-Experte Cart: „Im Jahr des schrecklichen Hurrikan Katrina 2005 wurde das Museum gegründet. Und es ist so abgesichert, dass die prachtvollen Kostüme und Artefakte des Mardi Gras möglichst sicher gelagert bzw. ausgestellt werden.” Der Kurator weiß, wovon er spricht – er ist von Anfang an im Museum als Kurator an Bord.

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Prächtig bis ins Detail und teuer, aber über Geld spricht man nicht in Mobile’s Mardi Gras – Robe der Queen 2023 Foto Ulrike WIrtz

So kann jeder, der nicht zum Karneval an den Mobile River reist, im Mobile Carnival Museum das ganze Jahr über Mardi-Gras-Luft atmen. Und überhaupt: Zum Mardi Gras vor Ort in Mobile zu sein – das geht für echte rheinische Karnevalisten sowieso nicht. Warum? Ja weil in Kölle dann dat Trömmelche jeit – und mer trecke durch die Stadt.

Weitere Info und wichtige Websites

www.mobile.org; www.alabama-usa.de; www.mobilecarnivalmuseum.com; www.alabama.travel; www.deep-south-usa.de

Flug: Mobile ist bequem ab München, Frankfurt oder Stuttgart mit nur einmal Umsteigen aus Deutschland zu erreichen. Mietwagen: Attraktive All-In-Pakete bietet Alamo an www.alamo.de

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