Alcantara Vinyards Arizona

Geheime US-Weinparadiese

Auf den Spuren edler Tropfen geht es in verborgene Gegenden des riesigen Hinterlandes der Vereinigten Staaten, in US-Weinparadiese weitab von Kalifornien und seinem Napa Valley.

Arizona – Überraschung hinterm Canyon

Grand Canyon, Wüste, Westernpferde, Cowboys, Cowgirls, das ist Arizona. Aber Weinberge, Reben, Fässer und ein guter Wein, das vermutet hier zunächst niemand. Dabei wird bereits seit mehr als 50 Jahren direkt in Arizona Wein angebaut. Im Sommer lohnt sich der Besuch bei Sonoita Vinyards in Elgin, eine Autostunde südöstlich von Tucson, der größten Stadt im südlichen Arizona. Eine Tasting Tour zum Weingut Alcantara beginnt im Kayak mit einer Fahrt durch den Verde River im Verde Valley südlich von Flagstaff. Entspannung von Innen und Außen verspricht das Motto bei den benachbarten Page Spring Cellars: Massagen & Merlot oder Vino & Vinyasas. Direkt am Verde River Wine Trail gelegen, lädt das Gut nach einer Entspannungsmassage im Anschluss auf eine Weinprobe ein.

Scottsdale bietet beste Weine Arizonas

In Scottsdale bietet Zoya Vora-Shah in ihrem Wine Collective Scottsdale Weinproben für die besten Weine der Region an. Zusammen mit ihrer Sommelière Melly kredenzt Zoya Vora-Shah Verkostungen mit einer Auswahl aus 40 Arizona-Weinen.

Wine Tasting in Scottsdale
Wine Tasting in Scottsdale

Long Island und der Summer in a Bottle

Long Island liegt im Südosten des Bundesstaats New York, dehnt sich von New York City Richtung Osten aus. Auf der Insel, die nur anfangs nahe New York City dicht besiedelt ist, warten seichte Hügel und Weingüter. Am Horizont schimmert der Ozean und davor mancherorts Weinreben, soweit das Auge reicht. Die „Summer in a Bottle“ Edition des Wölffer Estate Weingutes bekommt seit einigen Jahren Bestnoten. Sie verstehen es, das Beste aus den Trauben zu holen, die Nuancen fein abzustimmen, um den Gaumen ihrer Kunden zu erfreuen. Sommer aus der Flasche – der Name ist hier Programm. Eine Verkostung auf dem Gut gehört zu einem perfekten Sommertag mit Weingenuss.

Louisville – Wein in Kentuckys Weiß-Eiche

Vor den Toren der Stadt Louisville liegt die Brooks Hill Winery. Mit viel Liebe zum Detail wird in familiärem Ambiente besonderer Wein hergestellt. So reift der Cabernet Sauvignon in Fässern der Kentucky Weiß-Eiche. Noch ein kleines Stück weiter hinter Brooks Hill, versteckt hinter Pinien, erstreckt sich das Weingut Wight & Meyer. Ihr Kentucky Diamond hat den Double Gold Award Status; ihre weitere Auswahl an preisgekrönten Weinen ist groß.

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Page-Springs – Moffitt-Weintrauben

Die Wein-Hotspots in Washington State

Washington liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Bordeaux oder Burgund – allerdings am Pazifik. Die bekanntesten Anbaugebiete sind Yakima Valley und Columbia River Basin. Gebirgsketten der Cascade Mountains schützen diese Gebiete vor den kühlen Winden des Meeres. Der Bundesstaat mit der Hauptstadt Olympia betreibt Weinbau erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts, fing damit an nach dem Zweiten Weltkrieg. Als „Approved Viticultural Area“ sind klassifiziert Columbia Gorge (auch Oregon), Columbia Valley (auch Oregon), Horse Heaven Hills, Puget Sound, Rattlesnake Hills, Red Mountain, Wahluke Slope, Walla Walla Valley (auch Oregon) und Yakima Valley.

Insgesamt gibt es 550 Produzenten in Washington State. Damit liegt Washington auf Platz 2 – nach Kalifornien mit über 2000 Betrieben. Beherrschende Weinbau-Gesellschaft ist Ste Michelle Wine Estates.

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Südstaaten-Küste – Teil 2- Louisiana zwischen Sumpf, Marsch und Meer

Der Südstaat war im Südwesten bis zur Golf-Küste einst teilweise Niemands-Land. Heute gefallen am Weg hierher historische Gemäuer und Garten-Zauber. In alten Tanzhallen steppt der Bär, und wer will, tanzt mit. Sümpfe und Marschen sorgen für Begegnungen mit Alligatoren – sicher vom Boot aus. Und am Meer warten Sandstrände ohne Bettenburgen und Beach Boulevards. Ein Road-Trip als Rundkurs mit Rekord.

Erst kurz nach Norden, dann gen Westen

Die Sonne ist untergegangen am Lake Pontchartrain an diesem Mai-Abend. Der See dehnt sich von New Orleans nord-westlich aus. Und sein Wasser droht bei Hurrikans New Orleans im Südosten des Sees zu überfluten, so dass sechs Meter hohe Deiche errichtet wurden. 2005 vergebens, als Hurrikan Katrina Deiche brechen ließ und New Orleans von Flutwellen des Lake Pontchartrain getroffen wurde.

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Typisch an Bayous, Seen und Golf-Ufern – Häuser auf Stelzen, um den Flutwellen zu trotzen Foto Ulrike Wirtz

An dem Mai-Abend ist aber kaum Wind, es sind noch Wochen bis zur Hurrikan-Saison, und am nordöstlichen Seeufer schwappt das Wasser leicht gegen die steinerne Befestigung. Einige Boote sind auf dem Wasser unterwegs. Das ist schön anzusehen vom Logenplatz: der Balkon des Restaurants Rips on the Lake, gelegen am nordöstlichen Ufer im Städtchen Mandeville. Als Sun-Downer gibt‘s Cocktails, vielleicht Vodka Gimlet oder Rips Hurricane, aber dann doch lieber einen Sauvignon Blanc.

# New Orleans – IS 10 West, Pontchartrain Causeway North, LA 1087 East – Mandeville – 50 KM

Der See und Mandeville ist der erste Stopp des Road-Trips mit Rundkurs durch Louisianas Südwesten bis zur Küste des Golfs von Mexiko. Der Trip führt wegen Lake Pontchartrain erst kurz gen Norden – mit Start in New Orleans. In der ikonischen Südstaaten-Metropole stimmte der Trip mit angesagten Musts ein: blaue Stunden mit Jazz und Blues-Musik, mit Entdeckungstouren tagsüber durch das dann ruhige Amüsierviertel French Quarter und seiner berühmten Bourbon Street und illustren alten Häusern im Viertel. Und dazu der absolute Kontrast: der seit dem Civil War (1861-1865) angesagte Garden District von New Orleans mit schattigen Alleen und Villen in alter Südstaaten-Pracht, die unter Denkmalschutz stehen. Einige stammen noch aus dem frühen 19. Jahrhundert, von vor dem Krieg also, und sind schön restauriert. Sehr empfehlenswert: eine Tour mit Guide.

Ultimative Seebrücke

Danach geht es auf dem Weg nach Südwest erst über den Lake Pontchartrain. Es gibt zwei Optionen bei der Route – eine über die Interstate IS 10 East am östlichen Seeufer vorbei und am Ende des Sees links ab auf die IS 12 West. Die zweite Option folgt geradeaus gen Norden dem Lake Pontchartrain Causeway – und ist unsere Wahl, da als Rekordstrecke ultimativ für Road-Trip-Fans. Denn der Causeway ist eine Seebrücke und 38,442 Kilometer (23,75 Meilen) lang, führt die ganze Distanz immer nur über Wasser und ist damit die längste Seebrücke ihrer Art in der Welt. So nachzulesen etwa im Guinness-Buch der Rekorde.

Zum Vergleich: Aktuell entsteht im Ostsee-Bad Prerow eine 720 Meter lange Seebrücke, ist damit die längste über die Ostsee. Oder man stelle sich eine 40 Kilometer lange Brücke über den Bodensee vor. Der hat jedoch nur 536 Quadratkilometer Fläche. Lake Pontchartrain, der vom Mississippi River gespeist wird, misst mit 1839 Quadratkilometer gut das Dreifache. Die Autofahrt über diese Brücke ist mein persönlicher Rekord, da bisher nicht 40 Kilometer im Auto nur über Wasser gefahren. Den Trip begleitet noch dazu das Gefühl, als gleite der Wagen auf dem Wasser dahin wie ein Boot.

Das Gefühl stellt sich ein, weil die Wasseroberfläche zum Greifen nah scheint, da die Brücke so niedrig ist. Und da auch ihre Gelände so niedrig sind, verstellen sie kaum den Blick aufs Wasser. Als i-Tüpfelchen führt die Brücke in der Mitte über den riesigen See, d.h. rechts und links, vorne und hinten vom Auto nichts als Wasser. Kilometer für Kilometer. Nun danach am Abend stellt sich dank Logenplatz eigentlich Entspannung ein. Die Rekordbrücke ist aber am Horizont an Autolichtern erkennbar. Die wirken wie eine Prozession Glühwürmchen, aber mit Lücken je nach Abstand der Autos. Die Lücken werden größer je später der Abend. Bei dem Anblick stellt sich kurz erneut das mulmige Gefühl von der eigenen Fahrt wieder ein.

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Nachts mehr Fata Morgana als Rekordhalter – die längste Seebrücke der Welt über den Lake Pontchartrain Foto Ulrike Wirtz

Gut, dass jetzt Kellner Billie gedünsteten grünen Spargel zu frischer See-Forelle serviert. Der Gang davor war Krebssuppe auf Basis von Senf-Sahnesauce. Derweil kommt Roslyn F. Prieto, die Restaurant-Chefin, auf einige Worte an den Tisch, fragt, ob es schmeckt, erzählt von den Anfängen ihres Lokals.

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Das Rips on The Lake serviert Meeresgetier fangfrisch – hier seine Shrimps Foto Ulrike Wirtz

Zeigt dann in Richtung Brücke. „Die siehst Du im Dunkeln nicht ohne Autos.“ Und weiter: „Manchem unserer Gäste ist die lange Fahrt nur über Wasser nicht angenehm. Sie kommen daher lieber den längeren Weg am östlichen Seeufer entlang. Wie früher.“ Sie meint vor 1956, da wurde die Brücke über die Seemitte erbaut. Roslyn hat ihr Lokal im Jahr 2000 übernommen. „Anfangs bin ich auch nicht gern über den See gefahren. Nun bin ich dran gewöhnt. Und wohin fahrt Ihr als nächstes?“ Ich: „Durch den Südwesten.“ Sie: „Ihr sucht bestimmt nach dem Niemandsland. Da seid Ihr selbst nahe der Golf-Küste auch heute ziemlich allein.“

Noman‘s Land – das Areal lag Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Louisiana und Texas. Hier herrschte Gesetzlosigkeit, was Piraten und windiges Volk anzog. Der Grund für fehlende Regeln waren Streitigkeiten über die Aufteilung des Areals zwischen den USA und Spanien, beide damals die Herrscher in der Region. Die reichte der Länge nach von der heutigen Stadt Shreveport im Binnenland bis zur Golf-Küste im Süden. 1821 beendeten die Kontrahenten den Zustand per Vertrag. Roslyn: „Nun gingen immer mehr europäische Siedler dorthin. Aber die Küste und die Region davor blieben weiterhin fast menschenleer. Da ist es noch wie früher.“ Und meint natürlich nicht die Gesetzlosigkeit, sondern die Natur der Marschen und Sümpfe und die einsame Meeresküste.

# Mandeville – US 190 South, IS 12 East – Honey Island Swamp Tours Crawford Landing – 40 KM

Doch erst locken Marsch- und Sumpfland nahe Lake Pontchartrain. Auch hier ist viel typische Flora und Fauna alter Zeiten zu sehen, weil viel Naturschutz einzog und das, obschon unter Land und Wasser bis hin zum Meer und unter dem Meeresboden Öl gefördert wird. Mit dem Schutz der Natur kam das lizensierte Geschäft für Bootstouren mit Guides durch Sümpfe und Marschen und sind ideale Exkursionen.

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In den Sümpfen fährt man sicherer im Boot mit Captain, hier von Veranstalter Honey Island Swamp Tours Foto Ulrike Wirtz

Ein Anbieter seit 1982: Dr. Wagner’s Honey Islands Swamp Tours in Slidell, ein Nachbarort von Mandeville. Bei Dr. Wagner ist die nächste Generation am Ruder, Paul und Brenda Trahan. Paul: „Wir folgen dem ökologischen Ansatz von Dr. Wagner. Er war Geologe und Naturschützer. Die Boote heute sind aus leichtem Aluminium und flach wie eine Flunder und befahren die seichten Gewässer schonend.“

 Früher menschenfeindliche Wildnis, heute Naturparadies

Während er erzählt, legt Paul mit 15, 16 Leuten an Bord ab, erklärt, dass er zunächst ein Stück über den Pearl River fährt, dann abbiegt in kleinere verzweigte Wasserläufe. „Ihr wisst es wahrscheinlich – die Wasserläufe der Südstaaten heißen Bayous. Die sind überall im Süden von Louisiana. Dazwischen liegen Asphaltstraßen – mal breiter, mal schmal, aber breit genug für ein Auto. Captain Paul danach eher rhetorisch: „Könnt Ihr Euch das frühe Leben hier vorstellen?“ Erst das der First Nations der Indianer, später der Europäer. „Alligatoren, Schlangen, giftige Pflanzen, Sümpfe und kaum Wege. Es war tropisch-heiß, Regen fiel en Masse. Und überall Mücken.“ Dass es heute genügend Straßen gibt, ist auch der Ölindustrie geschuldet, die gute Infrastruktur brauchte.

Dösende Alligatoren

Unterwegs im Boot stellt sich zunehmend als angenehm heraus, dass die Swamp-Tour von der sicheren Position eines Profiboots mit Guide stattfindet. Denn in den Bayous ist alles dicht bewachsen, Ufer sind nicht mehr erkennbar, stattdessen Wasser, Sumpf und Marsch.

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In den Bayous herrscht oft eine Stille, die man zu hören glaubt Foto Ulrike Wirtz

Da bleibt die Orientierung für Fremde schnell auf der Strecke. Und schon blinzelt einen ein Alligator aus wachsamen Augen an. Dabei scheint er zu dösen. Sie leben hier dank des hohen Süßwassergehalts (fresh water). Ebenso Schildkröten, von denen manche stoisch in der Morgensonne auf Baumstämmen ruhen. Nutrias paddeln vorbei. Am Himmel ziehen Vögel aller Art, auch Pelikane, ihre Bahnen. Auch Adler und Eulen sind heimisch. Im Wasser zeigen sich Seelilien im Naturschauspiel in ihrer exotischen Pracht. Bizarr wirken die Sumpf-Zypressen – wegen ihrer fürs nasse Umfeld entwickelten Wurzeln, die wie tote Baumstümpfe aus dem Wasser ragen.

Versteckt leben im Bayou

Dass Sehenswertes aufs Boot und seine Gäste zukommt, merkt man daran, dass der Kapitän den Motor drosselt, bis es lautlos nur noch im Schneckentempo weitergeht. Und so taucht auf einmal ein Häuschen auf hohen Stelzen auf, mit kleinem Bootssteg und Terrasse. Und das mitten im Outback. „Hier wohnten früher sogar Familien mit Kindern, die per Boot zur Schule gebracht wurden“, erklärt Captain Paul. „Heute sind das Wochenenddomizile und gehören meist noch den früheren Siedlerfamilien. Die halten daran fest. Daher können hier Fremde kaum etwas kaufen.“ Früher hier leben hieß kein Strom, Telefon oder TV, bis sich das mit Generatoren und Mobilfunk änderte. „Viele Häuser gibt es in den Bayous aber sowieso nicht.“ Und manche sind sichtlich Ruinen, zerstört durch Hurrikans, wie Paul erklärt.

# Honey Island Swamp Tours – US 190, US 11, Bayou Lane – Restaurant Palemettos on the Bayou – 10 KM

Mit dem Boot ginge es gut weiter zum Lunch im angesagten Palmettos on the Bayou in Slidell. Es liegt im Grünen direkt am Bayou Bonfuca – und hat einen Anleger, da oft Locals den Weg übers Wasser nehmen. Zumal Boote reguläres Verkehrsmittel sind. Wir nehmen das Auto wie viele andere das tun. Der Parkplatz ist gut besucht, das Lokal auch. Es ist in der Tradition der Südstaaten aus Holz und mit diversen Terrassen gebaut. Auf seinen Tischen drinnen liegen feine Stoffservietten.

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Das Restaurant Palmettos on the Bayou serviert fein drinnen und casual draußen Foto Ulrike Wirtz

Die Terrassen haben Böden in rustikalen Holzbohlen und sind ebenso rustikal möbliert. Hier wird casual serviert, ob Lunch, Dinner und am Wochenende Jazz-Brunch. Die Speisekarte führt gegrillte Austern, Fisch fangfrisch oder Rib-Eye, ebenso in Öl frittierten Alligator, sprich fried. Alligator ist typisch in Louisianas Küche, ebenso fried, ob Fleisch oder Gemüse. Ebenso typisch: „pan tossed“ – sprich in der Pfanne Gebackenes.

# Restaurant Palemettos – IS 12 West, IS 10 West, links ab HW 90 Süd – Lafayette – 240 KM

Mit der nächsten Etappe geht es auf einen langen Schlag in den Südwest und das fast immer geradeaus bis zur Stadt Lafayette. Sie hat 120.000 Einwohner, eine Universität mit Campus-Idylle und rund 19.000 Studenten. Am Weg war Baton Rouge, Louisianas Hauptstadt mit 227.000 Einwohnern und alles andere als verträumt wie Lafayette , links liegen geblieben. In Lafayette reist es sich gerade auch auf den Spuren der Acadians, die frühen Siedler mit französischer Abstammung.

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Lafayettes Uni-Campus nach den Graduation-Tagen – etwas Spaß in rotem Talar darf nun sein Foto Ulrike Wirtz

Überall begegnet einem daher der Begriff Acadians. Mit ihnen haben denn auch noch heute Sprache, Kochstil und Kultur viel zu tun. Die ersten Acadians kamen um 1750 in die Region – nach weiten Umwegen, waren sie doch zuerst ins heutige kanadische Nova Scotia emigriert, von dort in die Karibik oder zur Ost-Küste der USA umgezogen und kamen erst danach in Louisianas Südwesten.

Lafayette und die Acadians

Die Acadians fanden hier eine Welt von Bayous, Sümpfen und Marschen vor – ähnlich wie die Siedler im Südosten von Louisiana, wo unser Road-Trip startete. 1820 wurde die Stadt Lafayette gegründet, anfangs unter dem Namen Vermilionville und umgetauft in Lafayette 1823. Das geschah in Erinnerung an den französischen Ahnen  Marquis de la Fayette: dereinst Held der amerikanischen und französischen Revolution und in USA dem General George Washington zu Diensten, der erste Präsident der USA von 1789 bis 1797. Lafayette war Knotenpunkt für Eisenbahn und Handel und Ausgangspunkt vieler Acadians, die weiterzogen ins Noman’s Land, nachdem es gesetzlich geregeltes Terrain wurde.

Kulturelles Erbe

Die University of Louisiana at Lafayette entstand 1898. Ihre Gebäude und ihr Park stammen teils noch aus diesen Anfängen und geben dem Campus eine ansprechend alt-ehrwürdige Atmosphäre. Heuer ist Sonntag, Campus und Park sind fast menschenleer. Betrieb ist dagegen in Downtown mit dem Architektur-Mix aus ansehnlich-alten Gemäuern neben einigen wenigen gesichtslosen Bürohäusern. Große alte Bäume spenden Schatten. Das Wall Street Journal wählte kürzlich Lafayette zur Happiest City in America, das Gallup Institut zur Most Optimistic City. Das ist nachvollziehbar, ist das Flanieren angenehm, die Lokalszene ansprechend und die Auswahl an Boutiquen vielfältig. Ein spezieller Anziehungspunkt ehrt die frühen Siedler: das Acadiana Center for the Arts – kurz ACA – in der Vermilion Street im modernen Glasbau.

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Das Bild The Empress (Öl auf Leinwand) ist eine Leihgabe der Jonathan Ferrara Gallery für das Acadian Center of Arts in Lafayette Foto Ulrike Wirtz

Es ist Location für Meetings, Ausstellungen und Festivals und dient zugleich als Kunst-Galerie, um Maler auch aus der Region zu fördern. Es wird als Non-Profit-Organisation getragen von acht Landkreisen im Südwesten, darunter Parish Acadia und Parish Vermilion (Parish ist so etwas wie ein Landkreis in Deutschland). Ausgestellt sind zeitgenössische Keramiken und Malereien, oft mit Bezug zur afrikanisch-französisch-spanischen Tradition in Louisiana. Dazu passt, dass in Lafayette an fast jeder Ecke das typische Französisch des Staats zu hören ist, wie schon in New Orleans. Und wie schon dort ist dem gesprochenen Wort mit deutschem Schulfranzösisch kaum zu folgen.

# Lafayette – HW 90 South – Vermilionville, Fisher Road – 20 KM

Der alte Name Vermilionville lebt heute fort 15 Autominuten südlich von Lafayette: im anschaulichen Open-Air-Museum namens Vermilionville. Es wurde 1990 als Kopie eines historischen Orts der frühen Acadians am Bayou Vermilion erbaut, um die früheren Lebensumstände der Siedler zu zeigen.

Historisches Dorf mit Tanzpalast

Das geschieht mit original alten Häuschen bzw. hübschen Nachbauten und mit typischen originalen Möbeln. Mit Fotos und Infotafeln, zum Beispiel zu den früheren Baustoffen Schlamm, Moss und Zypressenholz. Mit traditioneller Kleidung, Kochutensilien und Geräten, auch von früheren Fallenstellern, die im Sumpf ihrer Arbeit nachgingen, und von Bootsbauern, die die nötigen Fortbewegungsmittel für die Bayous fertigten.

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Vermilionville bildet die neue Welt für die Siedler im 19. Jahrhundert ab – hier ein Webstuhl Foto Ulrike Wirtz

Das Vermilionville informiert, dass weitere Siedlergruppen in die Region zogen: Briten, Deutsche und einstige Sklaven afrikanischer Herkunft, die sich seit ihrer Befreiung durch den Bürgerkrieg ab 1865 an den Bayous im Südwesten niederließen.

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Vermilionville – der einstige Austritt war mit drei Sitzen nicht intim, aber effizient Foto Ulrike Wirtz

Le Bal du Dimanche

Und was ist da los im hallenartigen Gebäude? Seine Türen gehen ab und an auf, Musik ertönt, wird laut und wieder leise, wenn die Türen wieder zufallen. Performance Center steht am Eingang. Drinnen wird getanzt – „wie früher immer an Sonntagen. Come on, do it“, ruft ein Herr im Vorbeitanzen dem Neuankömmling zu. Alt und Jung schieben sich im Paartanz über das hölzerne Parkett. Andere steppen allein für sich umher – klack, klack, klack. Wer will, tanzt mit. Das mehr oder weniger gekonnte Treiben folgt der Musik von Fideln – live gespielt von einem Duo. Auf Plakaten ist zu lesen, wer bei nächsten Events auftritt: Namen, die unsereins nicht kennt. Die Events heißen traditionell-glamourös Le Bal du Dimanche,  auch der Ball an diesem Sonntag im Mai. Aber statt Robe tun es heuer auch Jeans und T-Shirt.

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Vermilionville – das idyllisches Schulhaus erinnert an harte Zeiten Foto Ulrike Wirtz

Die Musiker demnächst spielen, wie Fotos des Programms zeigen, außer Geige auch Akkordeon – auch das in Tradition der aus Europa stammenden Arcadians. Und ganz anders als die Tradition des Blues, Gospel und Soul in den Südstaaten: das kulturelle Erbe der einst versklavten African Americans. Deren Musik lässt sich gut auf dem Mississippi Blues Trail von Louisiana bis in den östlichen Nachbarstaat Mississippi genießen, also nicht nur in Musik-Venues in New Orleans. Aber nicht zu verwechseln mit dem African American Heritage Trail: Der befasst sich mit dem Leid und Leben der Sklaven. Aber das sind andere Geschichten und Orte (siehe dazu Lebensart-Reise vom yxyx und vom xyxy)

# Vermilionville – HW 90 South (Richtung Morgan City) – New Iberia – 40 KM

Das nächste Ziel ist südlich von Vermilionville und Lafayette das Städtchen New Iberia, gegründet 1765. Hier lässt sich bequem durch mehr als 100 Millionen Jahre Erdgeschichte reisen, nämlich in den Rip van Winkle Gardens mit Villa: das Joseph Jefferson House; und am Lake Peigneur: ein See, der bei einem desaströsen Unfall 1980 auf einmal verschwand. Daran erinnert heute ein aus dem See ragender Kamin. Jeder kann auf diese Zeitreise gehen, da Garten, Villa und See gegen Eintritt offenstehen – anders als früher, als Villa, Jagdgründe und See ein in der Wildnis verstecktes Prachtdomizil für die Ferien waren.

Von der Wildnis zur Idylle

Doch der Reihe nach. Vor rund 165 Mio. Jahren: entstand ein Salt Dome im Innern der Erde nahe New Iberia, so offizielle geologische Zahlen. Hinzu kamen See und Eiland und das alles in Einsamkeit. 1870: Damals baute Joseph Jefferson – der bekannteste Comedian seiner Zeit, weit gereist und verliebt ins Jagen – auf der Insel eine Villa von viktorianischer Opulenz und nutzte sie einige Monate im Jahr vor allem für sein Hobby. Bis heute ist hier alles Idylle. Wie zu Jeffersons Zeiten ruht seine Villa inmitten alter Eichen, thront im ansonsten flachen Land ganz ungewöhnlich auf einer kleinen Anhöhe – wegen des Salz-Doms.

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Die Villa Jefferson stand am Beginn der berühmten Rip Van Winkel Gardens Foto Ulrike Wirtz

Im Haus umgab sich Jefferson mit französischen Empire-Möbeln. „Die sind original aus seiner Zeit. Und hier die Tapeten – sie sind auch original und von Hand gemalt“, so Guide Madeleine bei der Tour durch das Anwesen. Unter dem schattigen Vordach der Villa mit Terrasse laden auch heute Schaukelstühle antiker Art zum Relaxen ein. Madeleine: „Hier tauschte Jefferson mit Gästen Anekdoten von der Jagd oder von seinem Künstlerleben aus. – And so on.“ Viele Jahrzehnte später seien innerhalb des Salz-Doms Minen und ihre Höhlen entstanden, um das Salz abzubauen. „Der Abbau endete 1980. Mit der Jagd war es seit den 1950er Jahren vorbei“ (Madeleine).

Stattdessen entstand auf dem Areal 1950 nämlich ein Zaubergarten, der die Villa auch heute auf mehr als 800 Acres (rund 323 Hektar) umgibt, angelegt vom späteren Eigentümer John Lyle Bayless Junior. Und benannt nach der Erzählung von US-Schriftsteller Washington Irving über einen Bauern namens Rip Van Winkle, der sich aus England emigrierend in den Bergen von New York State sieht und in einen Zauberschlaf fällt und nach 20 Jahren erwacht – nun als freier Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika. Selbiger Joseph Jefferson spielte den Rip Van Winkle als seine Paraderolle in einer Adaption für Schauspielbühnen.

Zurück zu John Lyle Bayless Junior. Der baute in seinem feinen Garten auch ein gläsernes Konservatorium. Madelaine: „Darin wuchsen seinerzeit mehr als 3000 exotisch-tropische Pflanzenspezies.“ Im Garten, besser Park stolzieren heute Pfaue umher, spreizen ihr prächtiges Federkleid, ohne sich vor Jägern fürchten zu müssen. Blumenrabatte, Hecken, Rasen und Bäume – alles ist kunstvoll angelegt.

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Mit Kunstwerken gekonnt gestaltet – die Rip Van Winkle Gardens sind einfach schön Foto Ulrike Wirtz

Skulpturen sind mit Sichtachsen gekonnt in Szene gesetzt. Ein japanisches Teehaus ist zu bewundern, ebenso ein altes Schulgebäude, alte Unterkünfte von Personal der Mine und eine Scheune für alte Kutschen, genannt das Acadian Carriage House. Der Garten reicht bis ans Seeufer. An einer Stelle ragt dann eben besagter Kamin trotz Wellen unübersehbar aus dem See empor.

Aus dem Desaster zu neuer Idylle

Madeleine klärt auf: Dass nämlich der Kamin zu einem von Bayless Junior neu erbauten Haus gehörte. Dass ein Bohr-Rigg der Firma Texaco auf dem See fahrend einen Teil der Mine der Diamond Crystal  Salt Company versehentlich rammte und zwar derart, dass sich ein Loch mit Vakuumeffekt auftat, so dass ein Sog entstand und alles in seiner Nähe in die Tiefe saugte bzw. einstürzen ließ. Dass der See sich in Kettenreaktion des Sogs komplett in die unterirdischen Öffnungen ergoss, dass Boote nun ohne Wasser unterm Kiel trocken fielen, auf dem Boden des Sees zerschellten und das Haus von Bayless Junior in den Krater stürzte, ebenso das Konservatorium.

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Nur ein Kamin blieb – sonst ist vom Desaster nichts mehr zu sehen Foto Ulrike Wirtz

Nach dem Desaster musste der Verursacher den leeren See wieder füllen lassen – zum heute 3.000 Acres (1.200 Hektar) großen Gewässer. Der See trägt viel zur heutigen Idylle bei, jedenfalls oberflächlich betrachtet.

# New Iberia – HW 90 West, HW 14 nach Abbeville, dann HW 82 West – Cameron  – 180 KM

Hinter New Iberia tun sich erneut Bayous, Sümpfe und immer mehr Marschland auf, je näher das Meer kommt. Folgte man nun dem HW 90 East, kämen die Städtchen Houma und Morgan City, wo Werften Schiffe und Bohrinseln bauen, wo von kleinen Marinas Flotten von Shrimp-Fischern ausschwärmen und ebenso Bootstouren durch die Flora und Fauna starten, Alligatoren inklusive (siehe Lebensart-Reise vom 7. Dezember 2023).

Unser Roadtrip folgt aber dem HW 82 West, der auf gut 200 Kilometer an der Golf-Küste vorbeigeht, bis Texas beginnt. Hier war einst das Noman’s Land, von dem Roslyn sprach. Und beschert immer noch eine Einsamkeit und dazu einen scheinbar nicht endenden wollenden Weitblick. Marschland liegt auf der einen Seite des HW 82 West, auf der anderen Straßenseite das Meer. Louisianas Sandstrände hier im Südwesten heißen Constance Beach, Little Florida Beach oder Holly Beach.

Und weit und breit keine Bettenburgen und Beach Boulevards wie andernorts so oft an der Golf-Küste. Wohl gibt es einen kleinen Store, um Beach Toys auszuleihen und etwas für den täglichen Bedarf einzukaufen wie etwa am Holly Beach.

Die Fahrt durch das einstige Noman‘s Land ist mangels Einsamkeit und Verkehr sogar so beschaulich, dass sich die bange Frage stellt: Wieviel Sprit ist im Tank? Der Blick auf die Tanknadel beruhigt, der Tank ist fast voll. Wasser- und Essensvorräte sollten auch immer reichlich an Bord sein. Wie erst mögen sich anno 1821 die Siedler auf ihrer Reise hierher in ihre neue Heimat gefühlt haben. Heute liegen am Weg ab und an Häuschen auf den typischen Stelzen, um damit den Flutwellen bei tropischen Stürmen und den noch stärkeren Hurrikans zu trotzen.

Das Örtchen Pecan Islands

Dann kommt auf einmal eine Ortschaft namens Pecan Islands, zählt laut Ortsschild 300 Einwohner und ist auch Adresse des Rockefeller Wildlife Refuge. In dem Naturschutzgebiet sind Stege ausgelegt, um trockenen Fußes Flora und Fauna bestaunen zu können. Es darf – kontrolliert – gejagt und gefischt werden. Für dieses Wildlife Refuge stiftete der Industrie-Magnat Rockefeller 1919 dem Bundesstaat Louisiana 86.000 Acres (35.000 Hektar). 1955 begann die Organisation des Wildlife Refuge, für den Naturschutz am Ort in Marschen und an Küsten wissenschaftlich zu forschen, tut das nach wie vor und kooperiert dabei zum Wohl der Region auch mit vor Ort tätigen Mineralöl-Gesellschaft. Das und vieles mehr ist auf der Website des Rockefeller Wildlife Refuge nachzulesen.

Das Örtchen Cameron

Der nächste Ort kommt 24 Kilometer weiter, heißt Cameron und hat 315 Einwohner. Gut doppelt so viele Menschen lebten in Cameron, bevor die Hurrikans Rita 2005 und Ike 2008 die Küste malträtierten. Die Region ist als Cameron Parish zusammengefasst, zählt in toto 5600 Bürger und ist damit der menschenleerste Parish in Louisiana. Bei so wenig Volk lässt sich mit einiger Phantasie ausmalen, wie sich Piraten in den Gegenden einst gut verstecken konnten und wie Trapper unbeobachtet ihre Fallen stellten; Museum Vermilionville und manche Western lassen grüßen. Bis ab 1821 Gesetze Einzug hielten und die Landvermesser kamen, um als Vorhut für die nunmehr beginnende Besiedlung Kilometer für Kilometer Grund und Boden und Wasser zu vermessen.

# Cameron – LA 27 West, genannt Creole Nature Trail – bis Holly Beach – 17 KM

Heute gelten Law & Order selbst für Details, wie ich von Shalisa erfahre. Sie steht an einem Bayou nicht weit von Holly Beach, hat einen Käscher in der einen Hand und eine lange Leine mit einem Köder in der anderen.

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Shalisa ködert Blaukrebse mit rohen Hähnchenkeulen Foto Ulrike Wirtz

Sie sieht meinen neugierigen Blick: „Das ist eine rohe Hähnchenkeule. Sie ist ein guter Köder, um Blaukrebse zu fangen.“ Blue Crabs – dafür sei Fangsaison von Mai bis Oktober. „Du brauchst aber eine Lizenz dafür. Die musst Du dabei haben. Hier wird nämlich kontrolliert.“ Das heißt auch: So einsam ist es doch nicht. Lizenzen benötigen auch diejenigen, die zur Entenjagd oder zum Fischen von anderem Getier in der Gegend unterwegs sind. Und woher kommt Shalisa? „Ich bin aus Texas und arbeite jetzt in Lake Charles. Aber nicht bei einer Ölraffinerie, wie das viele hier tun. Die sind hier wichtige Arbeitgeber.“

Holly Beach – LA 108 North, LA 378, US 171 South, US 90, LA 385 South – Lake Charles 100 KM

Lake Charles liegt am gleichnamigen See, zählt 85.000 Einwohner, ist damit die größte Stadt der Region und hat Hotels für jeden Geldbeutel. Daher ist Lake Charles auch der Pit-Stopp zum Übernachten auf dem Rundkurs über Lafayette zurück nach New Orleans, wo der Road-Trip begann. Als Highlights in Lake Charles gelten das Hotel L’ Auberge wegen seiner schick-teuren Suiten und seines Casinos, die historische Downtown unter anderem wegen der Life-Music-Kneipe The Panorama Music House und die Uferpromenade des Sees mit den hübschen Villen.

Lake Charles- das Luxushotel L' Auberge mit Casino Foto Ulrike Wirtz_8807.jpg
Lake Charles- das Hotel L’ Auberge bietet Luxus und Glücksspiel im Casino Foto Ulrike Wirtz

Ein weiteres Highlight und das nicht nur für Fans alter Vinyl-Schallplatten findet sich genau neben dem Panorama Music House und heißt The Panorama Music Exchange. Der Laden ist nämlich eine wahre Fundgrube für alte Vinyl-Platten in ihren Originalhüllen von Top-Acts aus alten Zeiten. Schmeißt Bam Arceneaux den Laden, spielt er ab und an den DJ, legt in alter Manier auf dem Plattenspieler frühe Meister des Pop und Soul auf, ob Beatles oder Jimi Hendrix. Buy, Sell and Trade sei das Motto, sagt Bam und stöbern erwünscht. “Of course”, sagt Bam.

Lake Charles - Laden für Vinyl-Schallplatten - Bam mit Queen-Platte Foto Ulrike Wirtz
Lake Charles’ verstecktes Kleinod – der Laden für alte Vinyl-Schallplatten; Bam ist sein bester Verkäufer und DJ und stolz auf seine Queens-LP A Night at the Opera

Sunset am Holly Beach

Vorher stehen noch Holly Beach und der Sonnenuntergang in Einsamkeit an. Fürs Bierchen ist im Cooler vorgesorgt. Nur was ist das? Am Strand verlaufen im beige-farbigen Sand mehrere Reifenspuren von Autos. Und tatsächlich – ein, zwei Vehikel fahren irgendwo weiter entfernt über den Holly Beach. Shalisa: „Das darf hier jeder. Besser gesagt, es ist nach wie vor nicht verboten.“

Weitere Info und wichtige Websites

Die offizielle Website für Reisen durch Louisiana finden sich unter www.explorelouisiana.com – auch mit Info zu Regionen und Städten wie Lafayette, Lake Charles oder New Iberia. Mehr zur Seebrücke Lake Pontchartrain Causeway www.worldatlas.com. Zur Bootstour in den Bayous bei Slidell www.honeyislandswamp.com. In und um Lafayette: die Kulturstätte Acadian Center for the Arts https://acadiancenterforthearts.org; die University of Louisiana Lafayette https://louisiana.edu; das Open-Air-Museum Vermilionville, auch die Tanzhalle https:// bayouvermiliondistric.org. In New Iberia: Rip Van Winkle Gardens und Joseph Jefferson Villa https://ripvanwinklegardens.com. Das Parish Cameron https://visitcameronparish.org. Das Rockefeller Wildlife Refuge www.wlf.louisiana. In und um Lake Charles: www.visitlakecharles.org; auch mit Info zum Louisiana Creole Nature Trail und zu den Stränden Holly Beach oder Little Florida Beach. Details zum Hotel L’ Auberge Lake Charles: https://llakecharles.com.

Die Restaurant-Tipps: Rips on the Lake www.ripsonthelake.com. Palmettos on the Bayou www.palmettosonthebayou.com

Cajun und Creole Beide Begriffe begegnen einem immer wieder in Louisiana. Beide finden sich auch auf Speisekarten in vielen Restaurants des Südstaats. Das Wort Cajuns bedeutet Arcadians auf Französisch – siehe oben – und steht für die frühen Siedler mit prägender Rolle für Louisiana. Die spielen sie mit ihrer Herkunft aus Frankreich und ihrem Umweg über die Karibik bis heute bei Louisiana-typischen Speisen, vor allem Gumbo: ein mit dunklem Mehl angedickter Eintopf wahlweise mit Fleisch, Shrimps oder Alligator – und immer mit Gemüse. Und Po’ Boys, die traditionellen Sandwiches und meist riesig. Zur Cajun-Küche gehören auch Würste mit Innenleben von Schwein oder Huhn – genannt Boudoins.

Dazu gesellte sich einst und gesellt sich bis heute die kreolische Küche mit ihren afrikanischen und karibischen Gewürzen und dem Gemüse Okra. Diese lukullische Richtung geht gerade auch auf die Herkunft der früheren Sklaven aus Westafrika zurück.

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Houston/Texas – Stadt der Überflieger

Die Metropole in Süd-Texas ist Stadt des Big Business und reich auch an Kultur und Freizeit-Spaß mitsamt Cowboy-Vibes. Hier geht es oft hoch hinaus – nicht nur weil Houston traditionell Hot Spot für US-Weltall-Missionen der NASA ist. Der Traum und seine Wissenschaft werden in einem Museum erklärt, im Space Center Houston. Die Stadt zählt 2,3 Mio. Einwohner plus fünf Mio. in der Greater Area, ist die größte Stadt in Texas, die viertgrößte der USA und hat den größten Hafen in USA. Subtropisches Klima macht die Winter mild, die Sommer heiß. Das alles zusammen prägt den Lifestyle.

Alles J.R. wie in Dallas oder was? Aber nein

Mein erster Eindruck von Houston entsprach genau dem Bild, das die TV-Serie „Dallas“ über Texas suggeriert – diese Dauerbrenner-Soap, die in den 1970er bis 1990er Jahren gedreht wurde, die in Dallas, der kleineren Nachbarstadt nördlich von Houston, spielt und mit ihren Wiederholungen bis heute unsterblich erscheint. Ebenso ihr Held J.R. Ewing, gespielt von Larry Hagman (+2012). Der gab den Serien-Bösewicht, ging in seiner Rolle gefühlt nie ohne seinen Cowboy-Hut. Da wundert es den Serien-Zuschauer beim ersten Texas- bzw. Houston-Trip nicht, dass schon in den ersten Minuten nach Ankunft in Downtown Damen und Herren im Cowboy-Look den Weg kreuzten. Stilecht mit Hut, Fransenjacke und Stiefel. Das geschah vor dem Check-in ins Hotel Hilton Houston Americas. Sein Doorman sah den Blick des Ankömmlings: „Ja, auch das ist Houston. Aber nicht wirklich. Aber zur Zeit unseres großen Rodeos in der Stadt umso mehr.“

Houston Downtown - Wirtschaftszentrum im Südwesten der USA  Foto Ulrike Wirtz
Houston Downtown – seit fast 200 Jahren Wirtschaftszentrum im Südwesten der USA Foto Ulrike Wirtz

Zum Rodeo bevölkern viele echte Cowboys und Cowgirls die Stadt, fährt der Doorman fort: “Sie kommen von den Ranches, um an den Wettkämpfen ihrer Berufssparte teilzunehmen.“ Reisen an aus den Prärien in Zentral- und Nord-Texas, den Pleins, und aus anderen US-Staaten. Houston’s Rodeo hat Tradition, geht von Ende Januar bis Ende Februar, gilt als eines der größten Rodeos weit und breit, vielleicht weltweit. Zugleich ist das Rodeo Viehmesse und Fest für die ganze Familie: mit Riesenrad und Musik-Events, Streichelzoo für Ferkel und Barbecues mit Wettgrillen. Davon zu unterscheiden die Wettkämpfe der Cow-People. Da dreht sich vieles ums Berufstypische, nämlich Rinder treiben, einfangen usw., besonders der Umgang mit dem Lasso. Und es wird gefightet um Ruhm, Ehre und mehr als eine Handvoll Dollar bei Waghalsigem wie Bullenreiten und Reiten auf Wildpferden ohne und mit Sattel.

Erst Landwirtschaft, später auch Ölhauptstadt, dann Hot Spot zur Eroberung des Alls und mehr

Nun aber ist Mai in Houston und kein Rodeo. Die großen Prärien und ihre Ranches sind weit weg, auch geografisch, wie der Blick aus dem Flugzeug von United Airlines zeigt, das den George Bush Intercontinental Airport (IAH), ein großes Drehkreuz des Flugverkehrs, ansteuert. Unübersehbar sind Schlote der Petrochemie und Raffinerien, Bohranlagen zur Erdöl-und Erdgas-Förderung und Windmühlen für erneuerbare Energien – ein Zeichen, dass Texas nicht mehr nur auf fossile Energien setzt. Und das nicht nur weil bei Abilene 600 Kilometer nordwestlich von Houston einer der größten Windparks der USA steht. Vielmehr schreibt das Handelsblatt aktuell, wie Houston sich wandelt von der Ölhauptstadt in ein neues Zentrum auch für grüne Energie. Doch eins nach dem anderen. Im Landeanflug kommen die Wolkenkratzer von Downtown und Business District näher und sind mit reichlich Grün umgeben – Parks wie Memorial, Discovery Green, Eleanor Tinsley oder Buffalo Bayou Park.

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Houston’s Buffalo Bayou Park – am Wasser des Bayou gingen 1836 die Stadtgründer an Land; heute geht es im Park am Bayou auch zum Yoga Foto Ulrike Wirtz

Aus der Vogelperspektive fällt auf, wie Houston samt Greater Area gen Süden immer mehr maritim wird. Aber weniger weil durch die Stadt Flüsse verlaufen, so genannte Bayous, auf deren idyllischen Teilen auch Kayaks etc. fahren. Bekannt und beliebt: die historische Route über den Buffalo Bayou mit Allen’s Landing, der Platz, an dem Houstons Stadtgründer 1836 an Land gingen. Vielmehr weil es südlich der Stadt nur noch schimmert in Türkisblau: das Meer, der Golf von Mexiko, kaum 60 Kilometer entfernt von Houston. Von oben gut auszumachen ist Galveston Island, das vorgelagerte Eiland mit langen Sandstränden und schnell über eine Autobrücke erreicht. Es ist Teil der texanischen Küste, die wiederum zur „Gulf Coast“ zählt. Man achte auf die Schreibweise. So vermarkten sich die knapp 2.000 Kilometer Küste der US-Südstaaten von Florida bis zur Grenze Mexikos. An der Gulf Coast mit ihrem subtropischen Klima verbringen Millionen Urlauber aus aller Welt ihre Strandurlaube.

Stetiger Weg zur Business-Metropole

Die maritime Lage macht Houston allerdings nicht zu allererst zum Strandparadies. Vielmehr ist die Metropole samt Region Sitz etlicher Headquarter von Großunternehmen, darunter 26 Global Player aus dem Fortune-500-Ranking der größten US-Firmen. Um die vier größten in und um Houston zu nennen: ExxonMobil, Phillips 66, ConocoPhilipps und Sysco. Kaum noch überraschend, dass die Stadt auch den größten Industrie-Hafen in USA hat – nach eingehender Tonnage und Tonnage in toto. Die Frachtschiffe erreichen die Docks vom Meer und retour via Houston Ship Channel, entstanden aus den Naturgewässern Buffalo Bayou, San Jacinto River und Galveston Bay. Die Gewässer hat der Mensch seit Beginn des 20. Jahrhunderts für große und immer größere Lastkähne schiffbar gemacht – zum Transport von Waren des täglichen Bedarfs, zunehmend auch für die Handelsware Vieh und Baumwolle aus den Südstaaten und für Weizen vom Mittleren Westen und immer mehr für Produkte der Raffinerien etc. – bis heute.

Die Lage an Meer und Flüssen war 1836 für die Stadt-Gründer, die Allen Brothers aus New York, daher Allen‘s Landing, der Grund, hier Land zu kaufen und Schiffsdocks anzulegen. Ihnen folgten Siedler auch aus Süd-Deutschland, von denen etliche weiterzogen ins Binnenland von Texas und zum Beispiel Fredericksburg gründeten, wo sie seither Wein anbauen. Klima und Böden geben gute Tropfen her im US-Bundesstaat, der sich wegen seines einzigen Sterns in der Flagge auch Lone-Star-State nennt. 1837 schon bekam Houston, so genannt nach General und Politiker Samuel Houston, die Stadtrechte und ist seither auch Sitz des Harris County, in dem Houston liegt.


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Texas grüßt an seiner Grenze als Bundesstaat mit dem einen Stern in seiner Flagge Foto Ulrike Wirtz

Houston wuchs und wuchs. Zu immer mehr Schulen kamen Universitäten. Unter anderem 1912 die heutige Elite-Universität Rice University. Sie ist seit Ende 1950, als die Erforschung des Alls begann, eng verbunden mit der NASA, der US-Weltraumbehörde. Die siedelte in Houston alles rund um die Mondmissionen an.

Aber zuvor hatten Stadt und Bundesstaat schon andere Chancen genutzt, es hoch hinaus zu schaffen. Denn Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich gezeigt, dass Texas‘ Land mehr hergibt als Ackerbau und Viehzucht. Denn darunter lagern Gas und Öl. Das Business boomte und tut es bis heute. Daher die Bohranlagen im Landesinnern und offshore vor der Golf-Küste, dadurch die dazugehörigen Industriezweige. Deshalb war immer mehr Hafengelände in Houston und vor den Toren nötig und erreicht heuer 50 Meilen Länge.

Alles zu schaffen, wenn 72 Stunden vor Ort

Und was tun Locals in ihrer Freizeit – außer, siehe oben, Kayak fahren, sich für Rodeo begeistern und um die Wette grillen? Die Abteilung Leisure & Fun verspricht alles Mögliche. Was Touristen davon schaffen, hängt von Lust, Laune und Dauer des Aufenthalts ab. „In Houston gibt es über 100 Museen, Theater und Orchester“, so Abiy Gebretsadik, eigentlich Front Office Supervisor des Hilton Americas in Downtown, aber immer auch guter Ratgeber für die Gäste. „Die Auswahl bei Restaurants reicht von teuren Texas-Prime-Steaks über asiatische Küche bis zum simplen mexikanischen Barbecue.“ Für jeden Geldbeutel sei etwas dabei. Und an den Kochstilen wird deutlich, dass viele Nationen vor Ort leben: offiziell 86, und145 Sprachen werden gesprochen.

The Houstonian Lifestyle

Wer bei Sport-Events in den texanischen Way of Life eintauchen möchte, hat dazu beste Gelegenheiten gleich in Downtown. Hier haben die angesagten Sport-Profis ihre Arenen. In der Gunst des heimischen Publikums weit vorn liegen Football (NRG Stadium mit gut 70.000 Plätzen) und Baseball (Minute Maid Park; 42.000) sowie das NBA-Team Houston Rockets mit einer Rakete im Logo, das in der weltbesten Basketball-Profiliga spielt (Toyota Center, 18.100). Und wie gelangt man in Houston gut wohin? Hotel-Manager Abi: „Mit Uber oder Tram überirdisch und unterirdisch. Die Metro-Rail ist sehr gut ausgebaut. Aber solange Houston nicht in der Sommerhitze brütet, gehen gerade auch deutsche Besucher gern zu Fuß oder nehmen ein Fahrrad. Bikes to share stehen an fast jeder Ecke in Downtown.“



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Bunte Bikes to share in Houston Downtown Foto Ulrike Wirtz

Angesagter Museums-Distrikt

Gesagt, getan bei milden Mai-Temperaturen. Keine fünf Kilometer zu Fuß bzw. per Bike sind es zum Museums District im angesagten Stadtviertel Montrose mit allein 20 Museen; so etwa das Houston Museum of African American Culture, das Holocaust Museum Houston, das Museum of Fine Arts – kurz MFAH – oder die Menil Collection. Je näher der Distrikt kommt, umso grüner, fast kleinstädtisch wird es. Die Museen verteilen sich großzügig auf gepflegten zwölf Hektar. Bei der Qual der Wahl stechen zwei Museen hervor, da sie internationale und US-Kunst zeigen und da beide als architektonische Meisterwerke gelten; nämlich Menil Collection und MFAH. Letzteres gehört noch dazu zu den zehn größten Museen in USA, während die Menil Sammlung eher familiär wirkt, allerdings auch wahre Schätze beinhaltet.

… das Museum of Fine Arts MAFH

Seine 70.000 Artefakte aus 6.000 Jahren – sie reichen von der westlichen Antike bis zur US-Moderne, umfassen Kunst aus Asien und Latein-Amerika, darunter Computerkunst aus Venezuela. Zu sehen im MFAH sind römische Statuen, Alte Holländische Meister des 17. Jahrhunderts sowie Italienische des 19. Jahrhunderts,

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Großartiger Ritt durch die Epochen im MFAH Museum of Fine Arts Houston mit Guide Jane Foto Ulrike Wirtz

Frankreichs Impressionisten wie die Könner Renoir, Monet, Pissarro. Ebenso Rodin, der Meister moderner Skulpturen. US-Künstler aus der Zeit vor der Moderne wie Frederic Remington und seine Wildwest-Ölbilder. Die US-Ikone der Moderne Andy Warhol und unzählige seiner Fotokunstwerke etc. Nicht zuletzt indianische Kunst und detailreiche Landschaftsgemälde der dafür berühmten Hudson River School aus New York State.

Die besondere Architektur des MFAH: 2008 hat es der renommierte US-Architekt Steven Hall als modern-coolen Komplex dreier Gebäude entworfen und seine Fassenden aus High-Tech-Glas gestaltet. „Das Glas absorbiert die Sonnenstrahlen so, dass die Gebäude sich selbst bei Hitze nicht aufheizen“, erklärt Jane Malashock, die uns durch die weitläufigen Hallen führt. Derweil sorgt die Baukunst von Architekt Hall für gekonnte Blickachsen durch die Räume. „Seht hier und hier“, sagt Guide Jane, auf dass die Gruppe diesen Genuss nicht übersieht.

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Das MFAH und seine Tunnel – die verbinden Gebäude und sind selbst auch Kunst Foto Ulrike Wirtz

Von einem zum anderen Gebäude schickt einen der Architekt über Wege draußen und drinnen und von Gebäude zu Gebäude auch durch Tunnel – „damit im Sommer bei bis zu 50 Grad im Schatten allesamt gut überall hin gelangen“ (Jane). www.mfah.org

… die Menil Collection

Die Menil Collection ist vom MFAH in wenigen Minuten zu Fuß oder per Bike erreicht. Dafür geht es in eine gepflegte Wohnstraße mit Villen aus roten Backsteinen, Bäumen und bunten Vorgärten passend zum Monat Mai. Hier liegt etwas versteckt seit 1987 die Heimat der Sammlung: ein weißes Gebäude in dezenter Eleganz mit viel Glas, das durch Flachdach und mäßige Höhe auf den ersten Blick wie ein Wohnbungalow wirkt. Seine Größe zeigt sich erst, wenn man eintritt.

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Den Museumsbau entwarf Stararchitekt Renzo Piano – die Kunst und den Bau stiftete das Ehepaar Menil als moderne Mäzene Foto Ulrike Wirtz

Konzipiert hat Gebäude und Umfeld der italienische Stararchitekt Renzo Piano – als sein erstes Projekt in USA. Damals hatte er mit Teamkollege Richard Rogers schon den berühmten Pariser Kunsttempel Centre Pompidou entworfen. Das Gebäude der Menil Collection hebt sich in seiner geradlinigen Moderne von der alten Wohnidylle ab, wirkt nicht als Störfaktor, so wie von den Architekten gewollt und vom Laien nachvollziehbar. Das liegt auch daran, dass das Museum wie die Villen umgeben ist von Bäumen, Rasen und Blumenrabatten. Es bekam noch einen Skulpturen-Garten mit großen abstrakten Werken, so etwa „Jack“ von Jim Love.

Drinnen wartet weitere zeitgenössische Kunst, darunter die größte Sammlung von Malereien des berühmten Belgiers René Margritte. Der machte sich einen Namen als Surrealist. Zu sehen sind Vertreter des Minimalismus, des neuen Realismus und der Pop-Art. Werke von Picasso, Max Ernst, Joan Miro, Michael Heizer. Aktuell zählt die Menil Collection 18.000 Werke zeitgenössischer Kunst – und steht schon seit den 1980ern für modernes Mäzenatentum. Denn die Anfänge von Sammlung und Museum liegen beim Ehepaar Dominique und John de Menil, die im 2. Weltkrieg von Frankreich nach Houston auswanderten und mit Öl und Gas ein Vermögen machten. Sie sammelten und sammelten und dachten seit rund 1980 über den Bau eines öffentlichen Museums und die Überführung ihrer Kunst dorthin nach – ein Plan, den Frau Menil Ende 1980 nach dem Tod ihres Gatten in die Tat umsetzte. „Mit garantiertem freien Zutritt für alle“, hatte Guide Jane im MFAH erzählt. „Bei vielen unserer Museen gibt es freien Eintritt, auch beim MFAH.“

Industriedenkmal Post mit Roof-Top-Farm

Hoch hinauf führt auch ein Denkmal der Industrie in der Franklin Street nicht weit vom Memorial Park. Es stammt 1960, ist ein kastenartiger Hochbau, war einst Post mit einem Komplex, der bis 2015 Sortier- und Verteilzentrum von Brief- und Paketsendungen war. Der Annnex wurde entkernt, saniert und stellt jetzt die großen Haupttreppen im Retro-Look der 1960 Jahre in den Blick des Betrachters.

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Retro-Schick der 1960er Jahre – heute Playground der Stadt, zuvor Postverteilzentrum Foto Ulrike Wirtz

In den oberen Etagen liegen Büros auch nach dem Share-Prinzip. Den größten Teil in Parterre nimmt eine Food-Hall ein, mit allem vom Burger bis zu Eiscreme. Hier finden auch Events statt, auch kostenlose Tanzklassen fast jeden Feierabend für jeden, der gerade da ist oder extra in die Post kommt. 

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Einfach mitmachen – Gratis-Events in der Post; hier eine Tanz-Session Foto Ulrike Wirtz

Eine Vortänzerin steht auf einem Podest und motiviert per Micro zum Mitmachen, während die Musik vom Band schon spielt, sie die ersten Moves macht. Immer mehr Leute machen mit, Erwachsene und Jugendliche, 50, 60. Andere tänzeln Richtung Lift weiter. www.posthtx.com

Der bringt zum Höhepunkt der Post – auch buchstäblich ein Highlight der Stadt. Denn hier oben im fünften Stock tut sich ein Flachdach auf, das laut Marketing-Direktor Derrick Diotolevi als die größte Rooftop-Fläche zum Flanieren und Gärtnern in ganz USA gilt. Konkret ist sie fünf Acres bzw. gut 20.000 Quadratmeter groß. Erst kommt ein Areal mit Möbeln im Lounge-Stil zum Relaxen, mit Kunstrasen, Gräsern, Blühendem, Büschen und Bäumen. Der Bereich nennt sich Sky Lawn, und tatsächlich lässt sich flanieren wie in einem Park.

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Optische Täuschung: Der Park der Post – die Skylawn – liegt fünf Etagen über Straßenlevel Foto Ulrike Wirtz
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Weitere optische Täuschung. Die Skyfarm der Post ist auch fünf Etagen über Straßenlevel und als Bio-Garten offizielles Projekt zur nachhaltigen Nutzung von Dächern Foto Ulrike Wirtz

Noch dazu mit 360-Grad-Panorama im Angesicht der Skyline. 4.000 Quadratmeter misst die nachhaltige Skyfarm mit Beeten von Nutzpflanzen – alles biologisch angebaut: Kräuter, Salate, Gemüse und nun im Mai sogar Erdbeeren. Noch dazu mit dem Duft von Rosmarin und Basilikum. “Post-Vertreter Derrick. „Die Skyfarm ist ein Projekt des Blackwood Land Institute als Bildungsinitiative und dient als Modell, wie sich in Städten auf Dächern Gärten kultivieren lassen.“ Während er spricht, wehen heftige Böen übers Dach. “Deshalb haben wir nur kleine Bäume. Große würden vom starken Wind zu sehr angegriffen.“

Men in the Moon und mehr Pioniertaten der NASA

Noch höher hinaus – auch im übertragenen Sinn – geht es im Raumfahrtzentrum der NASA. Es wurde 1961 für die bemannten Weltraumprogramme der Raumfahrtbehörde 40 Kilometer von Stadtmitte angesiedelt – mitsamt berühmtem Mission Control Center, aus dem das TV bei Missionen live sendet. Ältere Generationen erinnern sich: “Das erste auf dem Mond gesprochene Wort war “Houston” – adressiert an das Mission Controll Center”, erklärt Illiane Luna vom Space Center Houston bei einer Besuchertour durch das Official Visitor Center of NASA Johnson Space Center. Es ist als Wissenschaftsmuseum öffentlich. Davon zu unterscheiden der nicht öffentliche Teil hier vor Ort, wo gerade auch an kommenden Mondmissionen gearbeitet wird.

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Das NASA Space Center schickte erstmals 1969 Menschen auf den Mond und wird es 2025 wieder tun. Das angeschlossene Museum zeigt die Geschichte vom Traum der Menschheit Foto Ulrike Wirtz

Also das Besucherzentrum: Hier ist alte und neue High-Tech in Sachen Orbit zu bestaunen – draußen und in Riesenhallen. Draußen zum Beispiel der Raketenriese SpaceX 9, eine Boeing 949 mit Raumschiff huckepack oder Antriebe mit Ruß und Kratzspuren vom Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Drinnen Raumfahrtkapseln von Mercury 9, Gemini 5 und Apollo-17-Mission. Anzeigetafeln, Raumanzüge, Testvehikel für Exkursionen auf fernen Planeten. Originalsteine vom Mond, von denen einer sogar berührt werden darf. Und und und. Und hier etwa das Innere einer Raumstation, die dem Zweck diente, darin zu üben, wie die Besatzung in der Schwerelosigkeit an Bord lebt und arbeitet – ein sogenanntes Mockup.

Heilige Hallen nicht nur fürs Astronautentraining

Öffentlich ist heute auch das Mission Control Center im Original von 1969, als der erste Mann auf dem Mond landete. Doch zunächst führt uns Illiane Luna zu einem nicht öffentlichen Teil – für einen kurzen Blick durch Glasscheiben in die Halle, wo die Ausbildung der Astronauten stattfindet. Was für ein Aufwand an Technik. Ebenso spannend, was Illiane Luna über den nicht öffentlichen Teil erzählt, der sich NASA Johnson Space Center nennt. „Der besteht natürlich aus mehr als dieser Trainingshalle.  Es gibt Labore, Montagehallen, Rechenzentren. Hier entstehen alle möglichen High-Tech-Apparaturen. Auch die Mockups, die wir gesehen haben, sind high-tech. Im Center arbeiten 10.000 Beschäftigte, davon die Mehrzahl höchstqualifiziert.”

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Ausstellungsstück von SpaceX, der Weltraumfirma von Elon Musk – eine Falcon-9-Rakete Foto Ulrike Wirtz

Sie bereiten aktuell auch die nächste Mondlandung vor: „Sie ist für 2025 als Artemis-3-Mission geplant und die erste der NASA seit 1972. Damals kamen die Vorhaben aus dem Fokus.“ Nicht zu verwechselnmit den Aktivitäten, um Satelliten etc. ins All zu bringen. Die starten oft vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida. Und werden wenn NASA-Projekt gesteuert in Houston, so Illiana Luna: „Auch Artemis 2025.“

Im Besucher-Zentrum wird für die Mondmission 2025 begeistert nach dem Motto „Back to the Moon“. Und natürlich über die Geschichte der US-Raumfahrt bisher informiert – auch darüber, dass bei den alten Erfolgen „maßgeblich Deutsche beteiligt waren – Wernher von Braun und seine Ingenieure“ (Illiana Luna).  Klar, man erinnere sich, sagen manche in der Besuchergruppe. Von Braun und Team hatten für Hitler an Raketen geforscht und gebaut. Die Amerikaner holten die Experten mit Kriegsende nach deutscher Kapitulation 1945 in die USA und setzten mit deren Know-How ihre Weltraumpläne um, gerade auch die erste Mondlandung im Juli 1969 mit Apollo 11. Und 1970 der dritte Versuch mit Apollo 13. Der klappte nicht, zog eine waghalsige Rettung nach sich und führte 1995 zum Hollywood-Film “Apollo 13” – auf dass es im Film zum legendären Spruch kam, der tatsächlich so nicht fiel: „Houston – we have a problem.“

Déja vu im alten Mission Control Center

Das originale Kontrollzentrum in Houston von damals ist heute außer Betrieb, ist nun offizielles National Historic Landmark und zu besichtigen. Und ist nicht nur für IT-und Mond-Freaks alter Schule ein Déja Vu. Denn als die ersten Menschen auf dem Mond landeten und von Missionen danach, da gingen Life-Bilder aus dem Mission Controll Center in Houston über das Fernsehen in alle Welt. Und was nun im Mission Controll Center an die Pionierzeiten erinnert: Auf Tischen stehen alte Computer mit antiquierten Bildschirmen. Damals alles High-Tech. Dito für die Monitore an den Wänden Auf einem Schreibtisch liegen Papiere mit Kurven und Berechnungen, auf einem anderen Kopfhörer, die im heutigen Retro-Fieber im Look fast en vogue anmuten.

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Im Original zu bestaunen – das berühmte Mission Control Center der NASA. Sie steuerte und überwachte von hier aus ihre ersten bemannten Flüge auf den Mond 1969 und 1970 Foto Ulrike Wirtz

Und Telefone mit Wahlscheiben – wer hat die noch erlebt. Zu sehen sind Fotos mit Männern, von denen einige dicke Zigarren rauchen. Es gab 1969 und am Ende auch 1970 etwas zu feiern. Und Stress gab’s – davon zeugen Aschenbecher voller Kippen. Ob die tatsächlich mehr als 50 Jahre alt sind?

Texas Medical Center Orchestra

Szenenwechsel. Houston hat das größte Klinikum der USA, laut Klinik-Website das größte der Welt. Mit 180.000 Operationen pro Jahr, davon 13.600 Herzoperationen. Mit 106.000 Angestellten, 50.000 Studenten und Tausenden freiwilliger Helfer. Alles in allem ein Campus, der Texas Medical Center heißt, kurz TMC. Patienten kommen auch von weit hierher. Und mancher Tourist wurde hier akut versorgt. Nichtpatienten profitieren anders, nämlich vom Texas Medical Center Orchestra (TMCO). Es ist das klinik-eigene Klassik-Orchester, bestehend vor allem aus Ärzten, Krankenpflegern und anderem medizinischen Personal. Das Orchester, das im Jahr 2000 gegründet wurde, spielt öffentliche Konzerte, so heuer in Houston das Konzert „Beethoven & Bruckner“ im Hobby Center for the Performing Arts oder draußen im Miller Outdoor Theatre „Romantic Masterpieces“ von Ravel, Rossini und Rachmaninoff. Die Einnahmen fließen in gemeinnützige Projekte, die Tickets sind eher günstig, eingeworbene Sponsorengelder eher höher.

Und doch bisher kein Licht am Sterne-Himmel

Nicht zuletzt das, was eine Stadt auf internationalem Level mit hohen Ambitionen sicher schmerzen muss, wenn auch eher versteckt: Zu Houston bzw. Texas gibt es anders als bei Miami oder California State bisher keinen Michelin. Demnach hat die in Sachen Kulinarik international maßgebliche Instanz aus Frankreich vor Ort noch keinen ihrer berühmten Sterne verteilt. Aber immerhin benennt der Michelin einige Restaurants mit der Qualität Sterne-wert (Michelin-worthy): zum Beispiel das Georgia James Steakhouse und die Char Bar für Prime Rib Eye. Das BCN Taste & Tradition von 1920 mit spanischer Küche samt typischem Iberico-Schwein und das Crawfish & Noodles, das vietnamesische Küche mit Cajun-Südstaaten-Kulinarik vereint. Oder Killen’s Barbecue mit Texas-typischen Rippchen, die in Pits, den Holzkohle-befeuerten Eisenungetümen, geräuchert werden (smoked ribs). Da lässt die Assoziation zu Wettgrillen und Rodeo nicht auf sich warten.

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So kommt Fleisch frisch vom Pit – dem typischen gußeisernen Räucherofen der Südstaaten Foto Ulrike Wirtz

Die rustikale Seite von Houston

Ohne Southwestern-Atmosphäre geht es aber auch nicht in der Business-Metropole, auch wenn kein Rodeo. Dafür ist The Rustic in Downtown the place to go. Seine Räumlichkeiten mit sehr hohen Decken erinnern an eine Scheune. Der Tresen ist viel länger als in alten Western, denn aus mehr als 30 Zapfhähnen zischt das Bier.

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Ein bisschen Southwestern-Charme sollte schon sein und ist hinter diesem Entrée garantiert: The Rustic mit Bar und Restaurant mit nicht nur sehr guten Steaks Foto Ulrike Wirtz

Die Wände schmücken Jagdtrophäen in Form felliger Büffelköpfe und gehörnter weißer Rinderschädel. Weil der Raum so groß ist, ist dieser Schmuck nicht zu präsent. Ähnliches gilt beim Mobiliar drinnen und draußen: Das meiste ist zwar aus Holz, aber nicht zu deftig. Zu essen gibt’s Steaks in Topqualität, Meeresfrüchte und vieles mehr.

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The Rustic schmückt sich mit Rinderschädeln und zapft aus mehr als 30 Bierhähnen Foto Ulrike Wirtz

Es ist 18 Uhr an diesem Mai-Abend und voll, der Lärmpegel entsprechend höher, die Stimmung locker-lustig, das Publikum gemischt – von White-Collar-Business-Men bis zu Tischen mit Frauen, die sichtlich vergnügt den Mädel-Abend begehen. Fehlt nur die Gruppe im Cowboy-Look vom Ankunftstag. Was hat der Doorman gesagt: „Die gehen bestimmt zu einem Country-Musik-Konzert. Da tragen Zuschauer oft Western-Hut und Boots. Sie nennt man City Slickers.“ Übersetzt Großstadthelden, die Cowboy nur spielen wie einst Larry Hagman den J.R.. Oder waren die Cow-People doch von einer Ranch? In Houston weiß man das nie.

Websites und wichtig zu wissen

Top-Info für Touristen: www.visithouston.com; www.visittexas.com

Die genannten Attraktionen. Das Rodeo www.rodeohouston.com. Das Museum of Fine Arts www.mfah.org. Die Menil Collection www.menil.org. Die Post Houston www.posthtx.com. Das Klassikorchester des Texas Medical Center https://tmcorchestra.org. Das Space Center Houston www.spacecenter.org.

Hotels. Zentral in Downtown liegen zwei gute Adressen: das Hilton Americas Houston www.hilton.com; sowie das Westin Galleria Houston www.marriott.com/hougw

Nicht wundern, wenn in Downtown keine Fußgänger zu sehen sind. Houston hat im Stadtzentrum ein zehn Kilometer langes Tunnelsystem nur für Fußgänger. Es verbindet in sechs Meter Tiefe 95 Häuserblocks. Die Idee entstand in den 1930er Jahren im Theater-Distrikt, bekam in den 1960 richtig Schwung, als sich eine Bank mit einer Garage via Tunnel verband. Die Tunnel im Theater-Distrikt umfassen 17 Blocks, wo sich Grand Opera, Houston Ballet oder Kino AMC Houston 8 versammeln, dazu Kneipen, Restaurants etc. Die restlichen Tunnel verbinden Bürogebäude und größere Geschäfte und sind via Rolltreppe und/oder Lift erreichbar, auch von den Bürogebäuden aus. Unten gibt es Diners für schnelles Lunch und early Dinner, Friseure, Blumenläden, Schuster, Geschäfte des täglichen Bedarfs. Das System verwirrt zunächst. Daher macht eine geführte Tour zum Kennenlernen Sinn, wenn länger in der Stadt. Die Tunnel sollen gerade sommers vor Hitze und den tropischen Regenschauern schützen. Daher wirkt Downtown dann oft leer. www.downtownhouston.org.

Dösender Alligator im Bayou - aber Abstand wahren Foto Ulrike Wirtz _30125_jog

US-Staat Louisiana – Jenseits von New Orleans

Die Südstaaten-Metropole New Orleans steht für Amüsement in Musikkneipen des Jazz, Blues und Soul vor allem im French Quarter, dem Hort alt-französischer Kolonialarchitektur. Das zu erleben ist die eine Seite von Louisiana. Wer nur ein, eineinhalb Stunden rausfährt aus der Stadt in den Südwesten, lernt ganz andere Seiten kennen, die Leben und Flair im Südstaat mit ausmachen.  Hier wartet das Maritime. Hier stellt sich auch heraus, woher bestenfalls die Shrimps auf den großen Sandwiches, den Po‘boys, in New Orleans kommen.

Fischer Rodney’s Garten Eden – Wasser von salzig bis süß

Rodney P. Olander zeigt auf das Profi-Boot vor uns. „Es ist speziell fürs Shrimp-Fischen, das erkennst Du an seinen Aufbauten“, sagt der groß gewachsene Mann mit grauem Mehrtagebart. Wir stehen in der Marina von Morgan City. Hierher führt der US-Highway (HW) 90, die Haupt-Verbindungsstrasse durch Louisiana State an New Orleans vorbei gen Westen.

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Louisiana begrenzt im Süden der Golf von Mexiko, im Osten der Mississippi State, Texas im Westen und Arkansas im Norden Foto Explore-Louisiana

Der HW 90 eröffnet vor allem aber auch den Zugang zum Süden mit den großen Flussdeltas und Sümpfen in Louisiana, bis tief im Süden das Meer, der Golf von Mexiko, beginnt. Ab New Orleans dauert es eineinhalb Autostunden bis zum Städtchen Houma und 30 weitere Minuten im Auto bis zum noch kleineren Städtchen Morgan City. An den Stegen seiner Marina liegen Profi-Boote, aber auch Motor- und Segelboote fürs Privatvergnügen.

Ein malerischer Anblick und typisch im tiefen Süden, wo freie Natur und Süßwasser-Gefilde das Leben prägen – bis zum Meer. Die Region südlich des HW 90 heißt Cajun Coast – nach den französischen Siedlern, die Louisiana nach ihrem König Louis benannten. Das Land ist ab Meer salzige Marsch, geht über in Bayous, diese Wasserwege von breit bis schmal, und in Sümpfe, die Swamps.

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Rodney und Familie sind Brown-Shrimp-Fischer in vierter Generation – tief in Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz

Das Süßwasser kommt vom Atchafalaya River, der durchs Binnenland mäandert, bis er ins Meer mündet. Was für ein Unterschied zum Big Easy in New Orleans. Im Meer und in der salzigen Marsch gedeiht Sea-Food aller Art, auch braune Shrimps in großen Mengen. Sie sind eine Spezialität von Rodney, selbst Shrimp-Fischer seit gut 45 Jahren. „Mein Großvater hat angefangen. Nun sind wir Shrimp-Fischer in vierter Generation im St. Mary Parish an der Cajun Coast“. Parish steht im Südstaat für County, eine Verwaltungseinheit ähnlich den deutschen Landkreisen. Die Fläche im Parish besteht zu gut einem Drittel aus Wasser. Das Shrimp-Fischen ist hierzulande traditionell Sache von Familienbetrieben mit Abnehmern bis New Orleans und darüber hinaus – ob Restaurants oder Geschäfte für den Verzehr zu Hause.

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Brown-Shrimps von der Cajun Coast. Die Küste heißt nach den französischen Siedlern, den Cajuns Foto Ulrike Wirtz

Hier wie da munden die Shrimps als Cocktail oder gegrillt oder frittiert auf 15 bzw. 30 Zentimeter langen Sandwiches, die in Louisiana traditionell Po’boys heißen. Rodney ist in seinem Element: „Wir fischen nicht nur, sondern schälen unsere Fänge an eigenen Docks, frieren sie teils ein und verkaufen frisch ab eigenem Dock. So verfahren einige Fischer hier.” Der Mann um die Sechzig macht eine kurze Pause, fährt fort, nun fast verärgert: „Früher war das Hauptproblem für uns Fischer die Hurrikans und ihre Zerstörungen durch Wind und Wasser. Das letzte Mal Hurrikan Ida im August 2021.“

Der zerstörte Fischereigründe, Boote, Ausrüstung, Docks. „Unser Hauptproblem nun sind Wettbewerber aus Thailand, Indien, Ecuador oder China. „Die werfen ihre Shrimps en Masse zu Dumping-Preisen auf unsere Märkte. Folglich müssen wir Locals auch die Preise senken. Aber von den niedrigen Preisen können wir nicht existieren.“ Viele hätten aufgegeben. Rodney: „Wer weiß das schon in New Orleans.” Seine treuen Abnehmer wüssten es schon. Die Zahl der beantragten Lizenzen zum Shrimp-Fischen sei von 10.000 im Jahr 2000 auf nur noch 4.000 in 2023 gesunken. „Und das im Staat Louisiana. Wir stellen mit 850 Millionen Pfund Seafood aus heimischen Gewässern pro Jahr die zweitgrößte Fischerei-Industrie der USA und sind ein wichtiger Arbeitgeber“ (Rodney).

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Prägt Louisiana’s Süden – Wasser von salzig im Golf von Mexiko bis süß in den Bayous Foto Ulrike Wirtz

Denn die Gefilde für Meeresgetier sind fruchtbar und riesig in Louisiana. So ist die Küste gut 12.000 Kilometer lang und damit die drittlängste Meeresküste der USA. Die Länge resultiert daraus, dass die Küstenlinie am Golf von Mexiko so kurvig vorbeiführt. Davon sind die wenigsten Kilometer endlos scheinende Sandstrände, vielmehr zerklüftetes Marschland und somit ein Top-Biotop für Shrimps und auch Austern. Ob der Importlage bei Shrimps sei nun aber nicht mehr alles Idylle, so Rodney. Daher betätige er sich bei der Louisiana Shrimp Task Force, die vorstellig wird fürs Anliegen von Baton Rouge, Hauptstadt von Louisiana State, bis Washington DC, Hauptstadt der USA. „Am US-Markt für Shrimps hält Louisiana einen Anteil von 25 Prozent“, hat Rodney aktuelle Zahlen parat. „Aber die Importe aus dem Ausland übertreffen die Nachfrage. Das drückt die Preise. Wenn die Politik einen Mindestpreis festlegte, da wäre uns geholfen.“   


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Captain Caviar’s Garten Edenmit Alligatoren, Adlern und Atchafalaya River

In der maritimen Welt in Louisianas Süden betätigt sich auch Captain Caviar und vermittelt mit stetem Lächeln unter grauem Rauschebart, seinen Job mehr als Hobby zu sehen. Er lebt und arbeitet im östlichen Nachbar-Parish Terrebonne. Der ist ebenfalls ein Teil der Cajun Coast, ebenso Shrimp- und Auster-Region und auch Ort der Kaviar-Produktion von Captain Caviar. Auch hier prägen Meer, Marschland, Bayous und Sümpfe die Art zu leben, wobei Terrebonne gar zu 50 Prozent aus Wasser besteht – als Teil der Flussdeltas von Atchafalaya und Mississippi River.

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Captain Caviar rauscht durch den Atchafalaya River und die Gewässer unzähliger Bayous Foto Ulrike Wirtz

Captain Caviar tourt mit der Miss S, ein Sieben-Meter-Flachbodenboot aus Aluminium, durch seine Cajun Coast, an Bord zahlende Gäste aus nah und fern, maximal fünf pro Tour. Sein Boot liegt in Idlewild nahe Houma, Verwaltungssitz des Parish Terrebonne und teils noch im Wiederaufbau, weil Hurrikan Ida viele Schäden hinterließ. Houmas Downtown lohnt den Abstecher schon wegen seiner filmreifen Architektur der 1950er Jahre. Hier finden sich Gebäude für Verwaltung, Gericht und Anwaltsbüros, die in adretten Villen residieren. Zum Verweilen laden Shops und Boutiquen ein, Lokale und das Café Downtown Jeaux,  das am frühen Morgen regelrecht überlaufen ist von Frühstücksgästen.

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Busy und adrett – im Städtchen Houma sitzt die Verwaltung des Terrebonne Parish Foto Ulrike Wirtz

Das Städtchen, gegründet 1834, profitierte schon früh von seiner zentralen Lage, wurde daher im Lauf des 19. Jahrhunderts Standort von Fabriken, die das Zuckerrohr der Plantagen landeinwärts verarbeiteten, und von Sägemühlen, die das Holz der Wälder zum Weiterverkauf zurechtstutzten. Austern wurden in der Region in einer Menge geerntet, dass Houma Ende des 19. Jahrhunderts größter Hafen zur Austern-Verschiffung war.

Captain Caviars genaues Revier ist das Atchafalaya-Delta – dort, wo die salzige Marsch ins größte Süßwasser-Sumpfgebiet der USA übergegangen ist. Der Kapitän fährt zur Einführung der Tour mit dem Finger über die Landkarte. „Wir fahren erst Bayous, dann den Atchafalaya und retour. Und Vorsicht. Im Süßwasser leben keine leckeren Shrimps, aber Alligatoren. Die mögen es ja süß“, sagt er schelmisch lächelnd, löst die Leinen des Boots, legt ab und erzählt weiter: Der Fluss Atchafalaya bildet ein eigenes Delta, das wiederum Teil des westlichen Mississippi-Deltas ist, weltweit das siebtgrößte Flussdelta.

Hurrikan-erprobte Brücke hinter Houma, Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz_3696.JPG
Hurrikan-erprobte Brücke hinter Houma, Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz

Den Namen bekam der Atchafalaya River von den First Nations. Die spezielle Flora im Atchafalaya Delta sind neben seinem Gebüsch-Dickicht seine Zypressen-Wälder. „Einzelne Zypressen sind bis zu 1000 Jahre alt. Mit etwas Glück sehen wir auch Bald Eagles.“ Der Kapitän kennt sein Revier, steuert nämlich auf eine Baumgruppe zu, hält dazu Distanz und zeigt auf eine ausladende Baumkrone. Mittig thront ein Adlernest mit zwei Jungen, wie der Blick durch das Fernglas zeigt. Die strecken ihre Köpfchen den fütternden Eltern entgegen. Der Kapitän zeigt sich darüber so begeistert wie seine Gäste – „wie ein Wunder“ -, dreht langsam ab, späht immer wieder rechts und links ins Dickicht, hält dann auf umgekippte Baumstämme zu, die im Wasser schwojen.

Auch hier hält er Abstand. „Seht Ihr den Alligator auf dem einen Stamm. Der döst. Den erkennt Ihr an der Erhebung, seinem Nasenhöcker.“ Mit Fernglas sieht selbst das ungeübte Auge das Reptil und – oha – seine Länge. „Gut zwei Meter“, meint der Kenner, „also besser nicht schwimmen gehen.“ Fleisch und Häute der “Gators” seien auch traditionell ein Produkt der Region – „früher durfte sie jedermann fangen und verarbeiten. Heute ist das nur noch lizensierten Alligator-Farmen erlaubt“. Eine ist die Greenwood Gator Farm in Gibson südlich von Houma, die bei Touren den unblutigen Teil ihres Geschäfts zeigt.

In der Gator Farm Greenwood einen Mini-Alligator kuscheln - Guide Kevin assistiert  Foto Ulrike Wirtz
In der Gator Farm Greenwood einen Mini-Alligator kuscheln – Guide Kevin assistiert Foto Ulrike Wirtz

Der Bootsführer fährt weiter, hinein in eine Schleuse, welche die Miss S samt Passagieren einen Meter nach oben trägt. Hier ist augenfällig, dass Wasser und Land zwar so aussehen wie nur von der Natur gemacht. Doch hat auch der Mensch Hand angelegt, Schleusen, Wehre, Deiche, Kanäle, Pumpen etc. gebaut: „Damit die Füße trocken bleiben bis New Orleans und darüber hinaus, wenn unsere tropischen Stürme und Hurrikans das Wasser steigen lassen“ (der Kapitän). Nach der Schleuse gibt er Gas, sagt: „Führen wir den Fluss weiter hinauf, gingen die Sümpfe über in trockenes Land mit Plantagen. Wir biegen hier ab in den Bayou.“ Dem folgt die Miss S auf Kilometer. Sein Verlauf ist mal einige Bootslängen breit, mal vielleicht gerade mal zwei Meter. Alles scheint unbewohnt.

Bis ein Holzhaus auftaucht – im Dickicht auf Stelzen im Wasser stehend. Wie romantisch und irgendwie auch ungut-einsam.

Auch wenn etliche Meter weiter ein an Bäumen vertäutes Hausboot mit Terrasse auftaucht. Der Kapitän: „Es gibt nicht viele Häuser hier. Teils sind sie privat nur für die Ferien. Teils leben Familien hier seit Generationen. Die separate Hütte ist typisch – wegen Brandgefahr. Da steht nämlich der eigene Generator. Der produziert Strom für Herd, Mobiltelefon und TV. Für Dauerbewohner geht es per Boot zur Schule, Arbeit usw.” Ein weiteres Haus kommt näher und entpuppt sich als Ruine – zerfetzt von einem Hurrikan, der übers Atchafalaya-Gebiet zog. Zurück in Idlewild meint Captain Caviar: „Stay safe.“ Ein guter Abschied.

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Wohnen in einem der Bayous – ein Hausboot und im Dickicht versteckt eine Hütte daneben mit dem Generator Foto Ulrike Wirtz

Mr. Charlie – ein Symbol für noch mehr Früchte aus dem Meer

Am den Wasserwegen liegen ab und an kleinere Werften und die eine oder andere moderne Fertigungshalle, wo sichtlich Equipment für Ölbohrungen hergestellt wird. Sie stehen für den weiteren wichtigen Wirtschaftszweig in Louisiana: Erdöl und Erdgas. Beides liegt unter dem Meeresboden des Golfs, wird mit Bohr-Plattformen hoch befördert und per Pipelines an Land verbracht. Ein alter Vertreter der Branche ist Mr. Charlie: eine Bohr-Plattform, erbaut 1954, im eigentlichen Job seit 1986 außer Dienst und vertäut zwischen Morgan City und Houma. Heute nutzen Petro-Firmen die Plattform für Sicherheitstrainings zur Arbeit auf See. Ansonsten ist sie gegen Eintritt zu besichtigen. Mr. Charlie – was für ein Moloch: 5000 Tonnen schwer, bis zu 15 Meter hohe Aufbauten plus Beine, die unter Wasser auf 13 Meter ausgefahren wurden.

Mr. Charlie - ausgemustert und nun Museum. Die Bohr-Plattform diente der Suche nach Öl Foto Ulrike Wirtz_2889.JPG
Mr. Charlie – einst Bohr-Plattform zur Ölsuche, nun auch Museum; hier Teile der Bohrtechnik Foto Ulrike Wirtz

Virgil Allen kennt die Plattform in- und auswendig und stellt sich als altgedienter Sicherheits- und Umweltingenieur vor: „Ich schule hier Crews für die Arbeit auf See, mache aber auch Touren.“ Und er sei der Präsident des Rig Museums für Mr. Charlie. „Der war 1954 das erste mobile Rig. Das heißt – es war wie ein Boot selbstversorgend und fuhr selbst von Bohrort zu Bohrort. Mr. Charlie diente zur Erforschung neuer Ölfelder, aber nicht zur Ölförderung.“ Anders als auf heutigen Plattformen hätten die zig Mann starken Crews damals noch viel körperliche Arbeit verrichtet – „ein Knochenjob bei Wind und Wetter. Keine Frauen an Bord hieß es damals und heißt es heute. Heute arbeiten Bohr-Plattformen bis zu 200 Seemeilen offshore. Einsätze dauern mindestens zwei Wochen. Nach Hause zwischendurch geht nicht“.

Mr. Charlie und Ingenieur Virgil Foto Ulrike Wirtz_2872.JPG
Mr. Charlie’s neuer Roboter – Ingenieur Virgil trainiert daran Teams für den Einsatz auf See Foto Ulrike Wirtz

Zwei Stunden dauert die Tour mit Virgil. Startet über steile Metalltreppen außen hinauf zu den Bohr-Vorrichtungen samt Robotern; führt innen über Treppen tief hinab zu Motoren und Ballasttanks. Was für eine Unterwelt. Was für alte Computer zur Steuerung. Virgil: „Heute läuft auf Bohrinseln fast nichts mehr ohne Algorithmen.“ Stufen wieder hoch – zu Technikräumen, Büros und Gruppen-Ruheräumen der technischen Crew und derjenigen, die fürs leibliche Wohl sorgten. Als es wieder an die frische Luft geht, weht eine kräftige Brise. Virgil: „Je nach Wind und Regen sagen wir Touren ab. Zu gefährlich, obschon wir nicht auf See sind.“ Zum Abschluss lädt er ein ins dazugehörige International Petroleum Museum & Exposition. Es ist mini, aber voller Artefakte zur Branche. Virgil: „Auf den Touren erzählen relativ viele Besucher, dass sie selbst auf einer Bohr-Plattform gearbeitet haben. Die interessiert jedes Detail.“  

Und wie verhält sich die Öl-Branche zur Meeresfrüchte-Branche? Kulturell kommt beides zusammen im Shrimp & Petroleum Festival mit kleinem Museum, beides in Morgan City, vereint unter Direktive von Hailee Thomas: „Seit 1960 feiern wir am Labour Day Weekend unser gemeinsames Festival. Denn Öl und Shrimps sind beides Ernten aus dem Meer. Beides brachte unsere Region auf die Landkarte der Topbranchen in Louisiana.“

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Gibt’s wohl nur in Louisiana – ein gemeinsames Shrimp & Petroleum Festival Foto Ulrike Wirtz

Und wie verhält sich das umwelttechnisch? Ingenieur Virgil: „Ein großes Thema. Zumal es im April 2010 das Unglück der Deepwater Horizon im Golf gab.“ Die Bohr-Plattform explodierte mit tödlichen Folgen, auch weil Millionen Liter Öl ins Meer vor den Südstaaten flossen und Fauna und Flora desatrös schädigten. Der Betreiber bekam eine Milliarden-Strafe. Virgil: „Heute ist das Umweltbewusstsein natürlich viel größer.“ Und Bohrlizenzen? “Das ist hochpolitisch.”

Big easy im Delta – per Boot und Auto durch Bayous und Sumpfgebiete

Je mehr man in die Sphären der Cajun Coast eintaucht, je weiter es hineingeht in die südwestlichen Delta-Gefilde, je näher es Richtung Meer geht, umso mehr scheint die Fahrt übers Wasser zu gehen, selbst wenn im Auto unterwegs. Dabei werden die Straßen deutlich weniger und schmal. Hier und da kommt eine Tankstelle mit Supermarkt-Charakter, kommen ab und an mal eine Handvoll Wohnhäuser. Sonst nur Gewässerlandschaft und Weite bis zum Horizont. Die Häuser sind hübsch anzusehen, besonders wenn in zarten Bonbonfarben gestrichen. Sie sind aus Holz und stehen meist wie die auf der Tour mit Captain Caviar auf Stelzen, damit bei Land unter das eindringende Wasser unterhalb durchfließt. Gefühlt vor jedem Haus parkt ein Boot fürs Vergnügen – unter dem freien Raum unterm Haus oder ruhend auf Trailern an Autos, startklar für den nächsten Trip durch Sümpfe und Bayous bis hinaus aufs Meer.

Chauvin Sculpture-Garden - religiöse Figuren modern interpretiert von kenny Hill Foto Ulrike Wirtz_3510.JPG
Zu bestaunen im Chauvin Sculpture-Garden – religiöse Figuren interpretiert von Kenny Hill Foto Ulrike Wirtz

Ein Örtchen heißt Chauvin am Sträßchen LA 56. Hier leben die jungen Kunststudentinnen Raegan und Madison, die durch den Chauvin Sculpture Garden führen. Dessen rund 100 bunt-bizarre religiöse Figuren schuf um 1990 der bis dato unbekannte Künstler Kenny Hill. Deren Restauration betrieb die renommierte Kohler Stiftung. An einem Langzeit-Parkplatz für Camper kommen Menschen wie Dale auf einen zu. „Hey, how are you? Wie geht’s?“ Der Rentner lebt mit Gattin in einem Wohnmobil auf dem Parkplatz. Zuhause sind sie Hunderte Kilometer nördlich vom Delta und fahren jedes zweite Wochenende hin: „Zum Rasenmähen, Wäsche waschen und so.“ Hier am Wasser cruisen beide täglich mit dem Boot durch die Bayous. „Dafür sind wir hier. Ich bin Angler. Meistens fange ich Forellen.“

Boot, Truck, Camper - mehr braucht es nicht im Garten Eden der Bayous Foto Ulrike Wirtz_3571
Truck, Camper und kleines Boot – viel mehr braucht es nicht im Garten Eden der Bayous Foto Ulrike Wirtz

Hier trifft man auf Menschen wie Tony. Ihm gehört das Sandpiper Inn am LA 57 mit simple-rustikalen Gästezimmern. Die Nacht kostet pro Person ab 60 $. „Einige Zimmer haben mehr Gäste als Betten. Denn die Leute sind nachts mit ihren Booten angeln und duschen hier nur. Die Boote bringen sie am Haken ihrer Autos mit.“ Tony lebt schon länger hier, hat mitsamt Familie und Inn selbst Hurrikan Ida überstanden und möchte nicht weg. “Das liegt an der Weite und am freien Leben hier am Wasser.” Ob er die Island Marina kennt – „na klar. Ist einige Meilen dahin“. Das Gewässer an der Marina nennt sich Lake Catherine. Schilder annoncieren Touren für Hobby-Fischer zum Shrimp-Fishing. In gebührendem Abstand zur Marina geht es an ansehnlichen Refugien direkt am Wasser vorbei. Kaum Nachbarn – und wenn ja, lassen sie sich an einer Hand abzählen.

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Ferienhaus-Idylle an der Cajun Coast – und garantiert kein Night-Life Foto Ulrike Wirtz

Hinter den Häusern ist nur Wasser weit und breit. Die Sonne beschert ein tolles Licht. „Tony: „Solche Häuser gehören Leuten aus der Stadt – gerade auch aus New Orleans oder Baton Rouge. Sie suchen das Gegenteil vom Leben dort.” Der Rhythmus der Cajun Coast ist Wasser, Natur, Stille – “also alles andere als night life”, sagt Tony. Da ist New Orleans natürlich ganz anders.

Weitere wichtige Info und Websites

Der US-Südstaat Louisiana gehört wie Mississippi und Alabama zur Region, die sich als Deep South versteht. Das stand im 19. Jahrhundert für die Staaten der Plantagen und Sklaverei im Süden, im 20. Jahrhundert für die Cotton States, in denen wie in Louisisana Baumwolle wuchs. In den 1950er/1960er Jahren fanden in den Südstaaten harte Kämpfe um die gleichen Bürgerrechte für die einstigen Sklaven statt: die African Americans, die aus Afrika in die Südstaaten verschleppt worden waren. Der US-Staat zählt aktuell 4,7 Mio. Einwohner, die sich vor allem auf die zwei Zentren konzentrieren: New Orleans als internationale Metropole und größte Stadt, gegründet 1718 mit nun 1,27 Mio. Einwohnern im Einzugsgebiet der Metro-Region, sowie Baton Rouge, die Verwaltungshauptstadt, gegründet 1699 mit nun 870.000 Einwohnern in der Metro-Region. Louisiana grenzt im Norden an Arkansas, im Osten an Mississippi, im Westen an Texas und im Süden an den Golf von Mexiko.

Alle offiziellen Tourismus-Informationen www.explorelouisiana.com.
Die Cajun Coast, auch Morgan City www.cajuncoast.com.
Das Shrimp & Petroleum Festival in Morgan City www.shrimpandpetroleum.org.
Im Boot durch Sümpfe und Bayous mit Captain Caviar www.captaincaviar.com.
Von hier ins sehenswerte Wedell-Williams Flugzeug-Museum www.louisianastatemuseum.org.
Das Städtchen Houma www.explorehouma.com.
Das Rig Mr. Charlie www.rigmuseum.com.
Die Gator Farm www.greenwoodgatorfarmtours.com.
Der Chauvin Sculpture Garden https://nicholls.edu.
Shrimp-Tour mit Down the Bayou Shrimp https://shrimptours.com.