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Kulturtrip Belgien – Oostende feiert Anna Boch

Seit 1. Juli stellt das kleine feine Mu.Zee die Malerin Anna Boch (1848-1936) vor. Titel der beeindruckenden Ausstellung, die ich vorab im Museum für Moderne Kunst in Oostende besichtigen konnte: „Anna Boch – eine impressionistische Reise“. Französische Berühmtheiten dieses Mal- und Kunststils sind Paul Gaugin (1848-1903), Pierre Auguste Renoir (1841-1919), Claude Monet (1840-1926) oder Edgar Degas (1834-1917); deutsche Maler des Impressionismus unter anderem Carl Arp (1867-1913), Max Slevoght (1868-1932) oder Max Liebermann (1847-1935). Der Malstil hatte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und ab 1880 bis rund 1930 fortentwickelt zum Neo-Impressionismus. Bei den Belgiern ragt der Impressionist James Ensor heraus (1860-1949). Und Anna Boch?

Eine Frau der Moderne

Beim Namen der Belgierin, die unter anderem in Oostende und in Nachbarorten direkt am Meer lebte, fällt zunächst der Nachname Boch auf. Tatsächlich gehört sie zur Familien-Dynastie der Villeroys und Bochs, der berühmte Porzellan- und Fayence-Produzent mit gut 275 Jahren Firmenhistorie in Frankreich, Deutschland, Luxemburg und Belgien. Anna Boch widmete sich denn auch erst der Fayence-Kunst, malte Entwürfe für Motive auf Porzellanen des Familienunternehmens, darunter einer von rund 1860. Auch der wird vom Mu.Zee gezeigt.

Dann aber machte sich Anna Boch einen Namen in der Kunstszene als Sammlerin und wurde im Metier bekannt, da nur sie schon zu Lebzeiten von Vincent van Gogh ein Werk des selbigen gekauft hatte. Um 1880 aber trat sie selbst mit Pinsel und Ölfarbe vor die Staffelei.

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Anna Boch malte Alltagsszenen wie diesen Strandspaziergang am Sonntag Foto Ulrike Wirtz

Ihrem Oeuvre widmet nun das Mu.Zee eine eigene Ausstellung. „Sie ist um 1900 nicht nur die bedeutendste Künstlerin Belgiens. Sie war geradezu progressiv“, betont Dr. Stefan Huygebaert, der Kurator der Ausstellung. Denn sie sei eine der wenigen Frauen damals gewesen, die sich in der von Männern dominierten Kunstszene etablieren konnte – „erst als Mäzenin und Förderin, später auch als Malerin des Impressionismus“. So war Anna Boch, bevor sie selbst malte, das einzige weibliche Mitglied der Künstlervereinigungen Les XX sowie La Libre Esthétique – “das noch dazu als unverheiratete Frau am Ende des 19. Jahrhunderts“, so Kurator Huygebaert.

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Anna Boch förderte anfangs Kunst und Künstler – malte dann aber auch selbst Porträtfoto Vincent Everarts

Die Künstlervereinigungen hatten sich der Förderung moderner Kunst verschrieben. „Bei den Aktivitäten behandelten ihre männlichen Kollegen sie gleichberechtigt. Das war in den Zeiten ungewöhnlich.“

Erst Sammlerin, dann Mäzenin, dann anerkannte Malerin

Umso mehr müsse man ihre Leistung heute würdigen. „Dabei stand sie dem Leben so positiv gegenüber, wie sie es später auch auf ihren Gemälden rüberbringt“, so Huygebaert. Diese Grundhaltung zeigt sich auch auf Fotos von Anna Boch und ihrem Leben, auch die stellt das Museum aus: Anna Boch bei Reisen nach Menton mit ihrem Auto nebst Chauffeur, Anna Boch beim Servieren eines Kaffees an den Maler Isidore Verheyden, Anna Boch an der Staffelei etc.

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Anna Boch (auf dem Beifahrersitz) war für ihre Zeit progressiv und reiste etwa im eigenen Auto mit Chauffeur – hier ins französische Menton Foto Ulrike Wirtz

Dass sie sich so frei durch Europa bewegte, dass sie einen unabhängigen, eher aufwändigen Lifestyle lebte, konnte sie sich dank des familiären Backgrounds leisten. Daher musste sie auch nicht von ihren Malkünsten leben. Und war später zwar auch nicht so berühmt wie ihre wichtigen Künstler-Kollegen und Weggefährten auch aus den Künstlervereinigungen. „Aber sie wurde respektiert und als talentierte, gute Künstlerin anerkannt“ (Huygebaert).

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Anna Boch lebte am Meer, liebte es und setzte es in Öl auf Leinwand stimmungsvoll in Szene Foto Ulrike Wirtz

Ihre Schaffenszeit als Malerin reichte von 1880 bis 1930. Bis ins hohe Alter also brachte sie Öl auf Leinwand im Stil des Neo-Impressionismus auf: mit Motiven ihrer Leidenschaft für ihre Umgebung an den belgischen Nordsee-Gefilden und das in hellen ansprechenden Farben und hellem Licht – wie typisch für den Impressionismus. Auch typisch für den Malstil war der Nachdruck aufs Atmosphärische und nicht die realistische Darstellung, auch in Form erdiger dunkler Farben oder gar Schwarz. Auf beides verzichtete der Impressionismus, fing Stimmungen auf, Momentaufnahmen, gerade auch draußen und das alles positiv stimmend.

Pinsel-Punkte statt starrer Linien

Und so zu bewundern im Mu.Zee bei den Ölgemälden von Anna Boch. Darunter das vom Dorf vor den Dünen („village dans les dunes“). Oder das von Frauen und Mädchen in den Dünen beim Reparieren von Fischernetzen („ramendeuses de filets de peche dans les dunes“). Oder das von Männern, Frauen und Kindern beim Spaziergang am Sonntag am Strand vorbei mit dem Segelboot („la promenade du dimanche“). Der Kurator erklärt: „Das alles sind Motive des täglichen Lebens, wie es Anna Boch begegnete. Dafür muss man wissen, dass sie als Frau damals nicht wie etwa ein Toulouse Lautrec malen konnte, der in einschlägigen Etablissements seine Motive fand.“

Bei Anna Bochs Werken fällt zudem selbst Kunst-Laien auf, dass der Pinsel kaum Linien malt, sondern die Farben als Punkte setzt und das mit sanften Übergängen der jeweiligen Einzelmotive ins Gesamtbild.

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Anna Boch tupft – ganz Neo-Impressionistin – mit dem Pinsel Punkte auf anstatt Linien zu malen Foto Ulrike Wirtz

Dieser Stil wird als Pointillismus (steht für Punkte) bezeichnet und gilt als typisch für die Weiterentwicklung vom Impressionismus zum Neo-Impressionismus.

Künstlerprominenz Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert

Auf dem Weg zum Oeuvre von ihrer Hand hatte Anna Boch prominente Begleiter und Lehrer – Neo-Impressionisten wie sie. So etwa Théo van Rysselberghe, Paul Signac oder Georges Seurat. Kurator Huygebaert: „Sie akzeptierten Anna Boch als Kollegin und halfen ihr, sich als Malerin zu entwickeln.“ Das Mu.Zee stellt Werke auch dieser Wegbegleiter aus, so von Georges Seurat „bords de la Seine à l’Ille de la Grande Jatte“ oder von Paul Signac „Saint Tropez, la calanque“. Oder von Isidore Verheyden „la dame à l’ombrelle“. Auch Verheyden war einer ihrer prominenten Lehrer, mit ihm malte sie ab 1876 sogar gemeinsam unter anderem Stillleben und Porträts.

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Anna Boch verehrte ihren Lehrer Verheyden und malte ihn bei der Arbeit Foto Ulrike Wirtz

Aus Anna Bochs Briefen ist ihre Verehrung für den Künstler überliefert: „…Ein charmanter Mann von einer Schlichtheit und Liebenswürdigkeit…“ Auch sei dessen Frau „sehr nett – und wir sehen uns von morgens früh bis abends spät“, so Anna Boch in einem Brief an ihren Bruder Eugène  am 9. März 1873. Wie sehr sie von Verheyden begeistert war, zeigte sich auch daran, dass Anna Boch zwölf Werke in ihrer Kunstsammlung hatte und diese für immer behielt. Die insgesamt zwei Werke von Vincent van Gogh in ihrer Sammlung verkaufte sie später dagegen wieder.

Websites und weitere wichtige Info:

Die Ausstellung„Anna Boch – eine impressionistische Reise“ im Mu.Zee geht bis 5. November 2023. Weitere Details unter www.muzee.be.

Oostende liegt direkt am rauen Meer der Nordsee und hat einen breiten Sandstrand auch direkt vor der Haustür. Der ist Teil der knapp 70 Kilometer langen belgischen Küste mit ihrer sandigen Dünenlandschaft www.visitoosteende.be. Strandbad wurde Oostende zu Zeiten von Leopold II.- König der Belgier von 1865 bis 1909. Aus diesen Zeiten gibt es noch manch architektonisches Kleinod, obschon die deutschen Besatzer von Oostende im 1. und 2. Weltkrieg für große Zerstörungen vor Ort verantwortlich sind. 

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