Windmühle Kijkduin

Nordholland: Alte Kraftprotze mit nachhaltigem Charme

Von Ulrike Wirtz

Die Provinz Nordholland verdankt ihren historischen Windmühlen malerische Impressionen und vieles mehr. Denn ohne die Windmolen gäbe es die Felder, Wälder, Wiesen und anderes mehr im Nordwesten nicht. Noch tut manche ihre Arbeit wie vor Jahrhunderten oder fängt damit bald wieder an. Ein nachhaltiges Trio im Nordwesten Hollands nicht weit vom Meer.

Twuyvermolen bei Sint Pacras

Seit 1663 steht sie hier – die Twuyvermolen: hüben Dörfchen mit Kirchturm, direkt vor der Tür ein Kanälchen, drum herum Grün. So vereint sich die Windmühle mit dem platten Land zur urholländischen Idylle. Die Mühle liegt beim Dörfchen Sint Pancras.

Wie sich von nahem zeigt: Ihre Flügel reichen bis zur Erde, ihr Turm ist achteckig, das Dach, Kappe genannt, ist aus Riet. 15 Meter sei es hoch, sagt Rob Basten. „Für die Größe einer Mühle ist aber die Spannweite zweier Flügel entscheidend. Die ist bei der Twuyvermolen 26,3 Meter.“ Rob und seiner Gattin Suzanne gehört die Windmühle seit 2014. Seit 2016 – nach Restauration mit Denkmalschutzvorgaben – wohnen sie drin. Seit 2017 ist Rob auch der Müller – „mit Prüfung durch die Gilde der Müller und Müllerinnen. Unseren Mühlentyp nennen Kenner Erdholländer als Grundsegler“. Nun ist seine Molen in Absprache mit dem Denkmalschutz auch wohlich nach heutigem Komfort. Die technik der Mühle aber blieb die gleiche.

Die Twuyvermolen schöpfte seit 1663 mit Windkraft Wasser aus dem Boden, hob es ins Kanälchen zum Abtransport. Unzählige sogenannter Poldermolen waren seit 1600 im Einsatz und legten im Zusammenspiel unzähliger Kanälchen und Deiche viel Grund und Boden in Noord-Holland trocken. Ingenieur und Pionier Jan A. Leeghwater machte es möglich. Das abgeschöpfte Wasser floss am Ende in die Nordsee im Westen und die Zuiderzee, heute das Ijsselmeer, im Osten.

Twuyvermolen bei Sint Pacras

Poldermühle zur Landgewinnung

So entstand der fruchtbare Polder – auf das hier Ackerbau und Viehzucht, Dörfer und Städtchen prosperierten. Als ab 1880 neue Maschinen den Job des Windes übernahmen, gingen viele Poldermühlen außer Betrieb. Rob: „1924 auch die Twuyvermolen. Aber bald nimmt sie als nachhaltige Energiequelle unserer Zeit ihre Funktion wieder auf. Ich habe kürzlich die Genehmigung erhalten.“

Die Provinz Noord-Holland zählt noch 160 alte Windmolen – so auch die Groenvelder Molen, die seit 1529 Wasser pumpt und damit die älteste Poldermühle Nordhollands ist.

Groenvelder Molen von 1529 - Nordhollands älteste Poldermühle

„Viele haben mehrere hundert Jahre auf dem Buckel und sind als Kulturerbe geschützt“, so Peter Tange, der Vorsitzende der Vereinigung Noord-Hollandse Molenfederatie. Deren Aufgabe, so der pensionierte Direktor einer Technikschule: „Wir sorgen für den Erhalt der alten Windmühlen. Wir beraten bei der Restaurierung und helfen beim Verkauf. Bei Generationswechseln der Müller und Müllerinnen suchen wir Fachkräfte für diese Arbeit und managen die Schulungen, damit die Mühlen fachgerecht laufen.“

Kinetische Energie bringt Kraft

Seit Jahrhunderten nutzt der Mensch Wind und seine kinetische Energie für alle möglichen Kraftakte. Auch in Noord-Holland war sie vielfältig im Einsatz, die Mühlen je nach Job speziell ausgelegt. Experte Tange: „Die einen mahlten Getreide oder Senfkörner und hatten Mahlsteine, die der Wind antrieb. Die anderen pressten Öl oder Fasern, aus denen Papier entsteht. Der Wind bewegte die Pressen. Und so weiter.“ Bis auch hier neue Techniken die Windkraft ablösten.

Kornmühle seit 1772

Doch manche alten Kraftprotzen schaffen nach wie vor wie anno dazumal. Und ihre Besatzungen lassen einen dabei an bestimmten Tagen und gegen geringes Entgelt zusehen. Drei solcher Mühlen liegen im Westen fast nebeneinander. Die eine ist die Korenmolen Kijkduin.

Molen Kijkduin

Sie steht seit 1772 im Nordsee-Ort Schoorl am Molenweg zwischen Bäumen. „Ihr Vorgänger datierte von 1570 und brannte ab – wie so viele Mühlen“, sagt Fred Prins, einer der drei Müller der Kijkduin und seit 1998 an Bord. „Das Mauerwerk ist original von 1772, ebenso die verbauten Hölzer. Die Mühlsteine zum Mahlen sind 130 Jahre alt.“

Der Mühlenladen bietet Roggenmehl, Vollkornmehl etc. feil – alles selbst produziert. Zum Job von Müller Fred gehört es, stetig die Mahlsteine zu säubern und zu schärfen.

Mühlsteine der Molen Kijkduin

Und er muss als Getreide-Müller wissen, wie die Windkraft und ihre Übersetzung zum Mahlen zusammengehen. „Dafür braucht es Windstärke vier bis sieben Beaufort.“ Darüber sei Schluss – „sonst drehen die Steine zu schnell, die Mehlqualität leidet“.

Beaufort ist die für Wind übliche Maßeinheit: Ab vier bis sieben weht eine Brise mäßig bis steif. Ab acht wird‘s stürmisch, bis bei zwölf ein Orkan tobt. Und weht es zum Mahlen zu wenig bzw. zu viel? „Trotzdem lassen wir die Flügel drehen, das sieht so romantisch aus.“

Anders als Windturbinen

Oberste Regel: „Dreht sich was, muss ein Müller da sein. Unsere alten Windmühlen sind ja keine Windturbinen“. Und meint damit ihre High-Tech-Nachfolger. Die gut 100 Meter hohen Kolosse aus Stahl nutzen Nordhollands Winde on- und offshore und erzeugen damit grünen Strom. Ob sie es aber wie ihre charmanten Vorgänger auf wertvolle Gemälde schaffen wie die Windmolen von Claude Monet, Jan Brueghel d. Ä. und Rembrandt van Rijn?

Seit rund 1776 sägt De Eenhoorn bei Haarlem am Ufer des Spaarne Holz. Außen ist sie schwarz, innen zweckmäßig  fürs Zerteilen von Baumstämmen. Zum Team gehört Joyce Beneker, im Hauptberuf Pharmazeutin. Als Müllerin ist sie eine Freiwillige und ebenso von der Gilde zertifiziert. „Mühlen sind mein Kindheitstraum. Es ist toll, wenn sich die Flügel drehen. Aber wenn die Säge arbeitet – das ist phantastisch.“ Gesägt werden zum Beispiel Eichen und Ulmen. Joyce: „Die Stämme dürfen drei bis fünf Meter lang sein und 50 bis 80 Zentimeter dick. Wir sägen für Privatleute und Firmen, zum Beispiel Möbelbauer.“ Gegen Bezahlung an den Eigentümer der Mühle, die Gemeinde Haarlem.

Eenhoorn Molen von 1776 - am Fluss Spaarne

Müllerin Joyce: „Das Geld fließt in den Erhalt der Mühle. Ihr Unterhalt ist teuer. Und eine Sanierung kostet schnell zig tausend Euro.“ Zu Joyce‘ Arbeit gehört immer auch das Segelsetzen: „Fürs Sägen braucht es die Power der Segel.“ Dafür klettert sie je Flügel, also vier Mal, 13 Meter hinauf und setzt jeweils ein zehn Meter langes Tuch. Alles ist harte Arbeit. Genauso der Transport der Stämme quasi bis unters Messer. Die Säge muss eingestellt, die Sägeblätter müssen geschliffen werden. „Und alles erfordert Sorgfalt und Vorsicht. Denn wir arbeiten mit scharfem Gerät und schwerem Holz.“

Nachhaltige Energiebilanz

Die Twuyvermolen soll bis 2022 wieder ans Kanalnetz des staatlichen Wassermanagements zur Trockenhaltung des Polders gehen, hofft Eigner und Müller Rob. „Dafür braucht unser Kanal wieder den Zufluss ans Kanalnetz der Polder. Der wurde nach Außerbetriebsstellung verschlossen.“ Kosten der Öffnung:  „420 000 Euro. Das ganze wird als nachhaltiges Projekt gefördert. Die Förderung habe ich beantragt.“ Als reaktivierte Poldermühle wird sie dann eine der CO2-lastigen Motorpumpen ablösen – zugunsten der Energiebilanz des ganzen Landes.

Wichtige Websites und Fluisterende Molens

+ zu den Windmühlen oben: www.twuyvermolen.nl; http://molen-kijkduin.nl; http://smzk.nl/m.eenhoorn.html

+ zur Noord-Hollandse Molenfederatie: https://molensnh.nl

+ zum Mühlenmuseum in Nord-Holland: www.zaanschemolen.nl

+ zu den Fluisterende Molens in Noord-Holland: www.odeaanhetlandschap-nh.nl

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