Das west-friesische Eiland Texel gehört zur Provinz Nordholland und ist ein Ort, der einfach gut tut, inklusive Lämmerkuscheln nicht nur für Kinder. Zur Idylle trägt traditionelle niederländische Architektur bei. Für Nachhaltigkeit steht nicht nur die Renaturierung von Land für Vögel. Speziell maritim wird es im Strandgutmuseum Flora und beim Krabbenfischen.
Eine Stunde Yoga am Strand läutet den Tag ein. Es ist neun Uhr, der Himmel blau, der Wind frisch. Er treibt trockenen feinen Sand vor sich her. Typisch raues Nordsee-Wetter im hohen holländischen Norden. So bläst es an dem Mai-Morgen an Texel’s Westküste am Strand-Paal 19 im Örtchen De Koog. Die Sonne lässt wie bestellt das hin– und herwogende Meer glitzern. Yoga-Lehrerin Eva turnt bedächtig vor, positioniert sich dabei so, dass die Gruppe sie sieht und unbedingt auch das Meer hinter ihr. „In den Stunden am Strand schalten auch bei mir Geist und Körper um auf Abschalten“, sagt Eva, die mit ihrem Yoga-Studio zur Surfschool Foamball gehört.
Yoga on the Beach ist eher kein typisches Urlaubs-Highlight, das der Texel-Neuling auf der west-friesischen Insel erwartet. Aber als solches entwickelt sich die Stunde, da war sich die Yoga-Gruppe einig – so wie sich ihr sportliches Tun im Sand und davor nur Meer entspannend auswirken; egal dass es bei manchem Teilnehmer im Bewegungsapparat hier und da klemmt. Am Ende fügt sich das Yoga nahtlos ins Wohlfühlgefühl ein, das die Insel seit Ankunft vor einigen Tagen vermittelt, ob am Meer unterwegs, auf Streifzügen im Inselinnern oder im Naturschutzgebiet, ob eingekehrt in schick gemütliche Lokale wie den Strandpavillon Paal 9 in Den Hoorn im Südwesten oder an einer guten Adresse wie De Smulpot in Den Burg im Inselinnern.
Eiland kurzer Wege und stressfreier Abwechslung
Und jenseits von Beach, Baden und Lukullischem wird es auf der kleinen Insel auch nicht langweilig – ohne dass es stressig wird. Klein, weil das Eiland an seiner breitesten Stelle nur acht Kilometer, in der Länge gerade mal 25 Kilometer misst. In der Fläche hat Texel rd. 460 Quadratkilometer, an Einwohnern etwa 14.000, macht spärliche 30 Einwohner pro Quadratkilometer. Ein rein rechnerischer Wert, da sich die Einwohner konzentrieren: mit rd. 7.600 Einwohnern, also mehr als der Hälfte, in Den Burg, Sitz von Verwaltung, Schulen, Ärzten und mit seiner mittelalterlichen Architektur vielerorts malerisch.
Oder De Koog mit 1.525 Einwohnern und die Beachtown Texels mit Lokalen, Boutiquen etc. Gerade mal 50 Locals wohnen im Hafen ‚t Horntje im Süden, wo die Fähren vom Festland ab Den Helder an- und ablegen. Nicht gezählt die Touristen über das ganze Jahr, die sich auf Hotels, Ferienhäuser und Campingplätze verteilen. Aber keine Bettenburgen weit und breit. Stattdessen Örtchen wie Den Hoorn im Süden, einst das Zuhause von Lotsen und Walfängern, wo seit dem 15. Jahrhundert eine Kirche in weiß wie ein Leuchtturm Heimat signalisierte und heuer Blumenzwiebeln gezogen werden.
Nicht langweilig wird es, weil es sogar spezielle maritime Geschichten gibt, kein Seemannsgarn, sondern ganz real, wie sie das Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora erzählt mit Tausenden Artefakten von Strandgut aus den letzten 75 Jahren, inklusive Strandräuberei. Oder der Ausflug auf einem Krabbenkutter, denn einige Fischer nehmen regelmäßig Interessierte gegen Entgelt mit aufs Wasser zum Garnalenvissen. Ein weiteres großes Texeler Thema: der Naturschutz mit bestehenden und neuen Renaturierungsprojekten, die den Ruf der Insel als Vogel-Paradies – mit 350 Vogelarten laut eigener Angaben – stärken. Daran geht auf dem Eiland kein Weg vorbei.
Stressfrei wird ein Aufenthalt schon deshalb, weil die Wege kurz sind und wie gewohnt vom niederländischen Festland gut erschlossen: mit Landstraßen, befestigten Feldwegen, mit 146 Kilometer Rad- und 250 Kilometer Wanderwegen und dazu ein Nummernsystem namens Fietsknooppunten, das bei der Orientierung hilft.
Zwei maritim entfernte Welten ganz nah
Was Texel besonders macht: dass die westfriesische Insel zwei Meeres-Welten hat und dazwischen gerade mal maximal acht Kilometer Inselbreite. Das heißt tagtäglich 24/7 Nordsee an der Westküste und an der Ostküste im Rhythmus der Gezeiten weites Wattenmeer. Und tagtäglich die zwei Natur-Phänomene der zwei Welten: im Westen kilometerlange breite Sandstrände, davor immer Meer, dahinter Dünen, alles top für Tage erfüllt mit Schwimmen, Sandburgen bauen, Strandspaziergängen und so weiter. Im Osten dagegen je nach Ebbe und Flut mal Meer, mal Watt und sein nass-sandiges Biotop, das zum Betrachten oder gar Wandern einlädt.
Watt heißt auf Texel auch Deiche auf Kilometer, begrast und daher besiedelt von Schafen und ihren Lämmern, die wie Rasenmäher die Deiche pflegen. Parallel dazu etliche Kilometer zum Radeln und Laufen. Was für ein Kontrastprogramm quasi Tür an Tür, noch dazu morgens den Sonnenaufgang an der Watten-Küste genießen und abends bestaunen, wie die Sonne in der Nordsee versinkt. Ein Stopp dazwischen vielleicht im romantisch-alten Ort Oosterend mit seinen extrem engen Gassen, mit Cafés und dem Insider-Shop Wijnhuis Oosterend, der berühmt ist wegen seiner Kräuterliköre und Kräuterbitter, denen manche wahre Heilkräfte nachsagen.
Doch der Reihe nach, zunächst zu Anreise und ersten Eindrücken. So stellt sich schon auf der 20-minütigen Überfahrt mit der Autofähre ein erholsames Gefühl ein, da einfach schön die Schiffsfahrt übers Meer und das Gefühl, durch die Insellage mehr Abstand zur Hektik Zuhause aufzubauen. Verzichtbar wären auf der Fähre wohl einige Drängler, denen die Fahrt vom Schiff hinunter mit ihren Autos nicht schnell genug ging, die fast Stoßstange an Stoßzange hingen. Dafür kann die Traditions-Reederei Teso nichts, die seit Jahrzehnten die Strecke von Den Helder zum Hafen ‚t Horntje in Texels Süden bedient. „Come on, no stress“, signalisierte der Ordner den Eiligen durch entsprechend abwehrende Handbewegungen.
Die ersten eigenen Erfahrungen nach dem Anlegen sind die zwölf Kilometer Autofahrt zum Strandort De Koog an der Westküste, zum Hotel Strandplevier Suites. Das stellt sich als feines Haus mit schick-zeitlosem Ambiente in den geräumigen Suiten und öffentlichen Räumen heraus und gefällt noch mehr durch guten Service und Toplage: fünf Gehminuten durch die Dünen bis zum Sandstrand. Und schön festzustellen, dass die erste Fahrt über Insel-Land den eigenen Rhythmus umstellt – noch wie von der Hand des Ordners an Bord gesteuert auf langsame Insel-Zeit. Ein Klischee sicher, aber zutreffend.
Tempo nimmt in den Tagen auf Texel immer wieder das Umfeld heraus: Felder, Wiesen und Wald, hier Kanälchen, in deren Ufer-Schilf Bötchen schaukeln. Dort auf dem Acker ein Traktor, der so gleichmäßig seine Bahnen zieht, dass sich beim Zuschauen meditative Momente einstellen. Das Bild erinnert an Spielzeug-Land, aber trügt natürlich. Traktoren begegnen einem nämlich ganz real auch auf Texels Straßen, was auch bedeutet, dass die Insel nicht nur vom Tourismus lebt. Vielmehr prägen das Leben seit Jahrhunderten neben dem Fischfang noch Ackerbau und Schafzucht. Beides brachte zum Glück mit sich, was nun Teil der Texel-typischen Idylle ausmacht.
Einst Insel der Walfänger, Jahrhunderte alter Polder für Bauern
Zum Beispiel romantisch aussehende Gehöfte aus dem 18./19. Jahrhundert wie etwa die Alexanderhoeve im alten Nordholland-Stil. Das Gehöft liegt beim Ort Den Hoorn abseits der Landstraße und macht neugierig, es aus der Nähe anzusehen. Achtung langsam, der Weg wird schmal, trotzdem Gegenverkehr. Ein Traktor rollt heran, am Steuer fast wie bestellt Jan Bakker, der Chef der Alexanderhoeve, wie sich herausstellt. Bereit für einen Plausch am Feldrand grüßt er erst freundlich, stellt dann den Traktor ab, lässt sein Fenster herunter und erzählt auch: „Meine Familie bewirtschaftet den Hof seit 1919. Erbaut wurde das Gehöft 1848 in der Tradition jener Zeit.“
Das Wohnhaus ist opulent in seinen Maßen, gepflegt und hat ein reetgedecktes Dach in Form einer Pyramide. „Der Stil war bei gut situierten Bauern im Norden der Niederlande angesagt bis nach Texel“, so der Landwirt. Er weiß auch: Fein restauriert in ihrer Pracht zeugen die Alexanderhoeve vom Wohlstand auf der Insel damals noch ohne Feriengäste, damals noch mit viel mehr Schafen als Einwohner. „In den letzten Jahrzehnten hat sich das Verhältnis zuungunsten der Schafe verändert. Das liegt am Naturschutz.“ Das sagt er ganz sachlich, fährt fort, dass er sich mit Agrarpartnern der Auswirkungen von Wetter und Klima auf die Ernten annimmt und auf einer Versuchsfläche auf seinem Land Kartoffelsorten testet.
Forscher und Entwickler auf Texel
Überdies überlässt er ein Hektar seines Grund und Bodens dem kleinen Spezialunternehmen Salt Doctors als Outdoor-Labor, um die Reaktionen landwirtschaftlicher Produkte in salinen, meint salzhaltigen Böden zu untersuchen. Jan Bakker: „Die Böden haben wir hier durch Nordsee und Watt.“ Der leitende Kopf der Salt Doctors ist der Biologe Dr. Arjen de Vos und selbst oft vor Ort. Die Lage: Immer mehr Ackerland auf der Welt ist so salzhaltig, sprich hat so hohe PH-Werte, dass Aussaaten und Pflanzen nicht mehr gedeihen bzw. ihr Ertrag signifikant zurückgeht. Bakker: „Das geht zu Lasten der Versorgung der Weltbevölkerung.“ Die Salt Doctors um Dr. de Vos gehen mit ihrem Know-how, auch gewonnen auf Texel, in betroffene Länder, um der Landwirtschaft zu helfen, ob in Ägypten, Vietnam oder auf Kuba.
Typisch traditonelles Texel und urig-witzig anzusehen sind die seltsamen Scheunen aus Holz und Stein auf manchen Weiden und verdienen mehr als einen flüchtigen Blick. Schließlich sind sie auf alten Ölgemälden verewigt, stehen unter Denkmalschutz und gefallen einfach ob ihrer kleinen Größe und raren Form: Die Scheunen sehen aus wie halbiert, nicht zu Ende gebaut. Sie sind aber genauso fertig, heißen Schapenboeten – übersetzt Schafsscheunen – und scheinen sich irgendwie so ins Land zu kuscheln, dass man sich gleich dazu kuscheln möchte. So würde man es den Schafen nachtun. „Viele Schapenboeten sind schon ein, zwei Jahrhunderte alt und dienen den Bauern seit jeher dazu, um Heu zu lagern etc. Draußen bieten sie den Schafen Schutz vor dem Wetter“, hatte Jan Bakker erklärt. Wie das geht, fragt sich der Laie. Und wieso sehen sie aus wie halbiert?
Form follows function – schon seit langem auf Texel
Beides hat mit ihrem Dach zu tun. Das besteht aus drei Seiten, richtet sich aus nach Nord, Süd und West und trotzt so bestens dem meist aus Westen wehenden Wind. Form follows function – das moderne Design-Prinzip kannten schon die alten Texelaner. Die Ostseite der Scheune liegt nämlich durch die Dachform im Windschatten, auf dass die Schafe genau an der Seite draußen vor den Wetterunbilden Schutz finden. Notfalls kauert man sich auch dran. Texel-Kennerin und Buchautorin Felicitas van Daalen schätzt: „Von den Scheunen gibt es noch gut 50.“ Und weiß, dass diese Schapenboeten ob ihrer einladenden Urigkeit heute auch andere Begehrlichkeiten wecken. „Mancher Besucher möchte eine kaufen und zu Wohnzwecken umbauen. Doch da lassen die Texelaner einen nicht ran.“
Überhaupt die Schafe. Texel ist seit Jahrhunderten ihre Heimat, weit vor Kühen. Heuer gibt es sogar eine eigene Insel-Rasse, genannt Texelaars und bestens ausgerüstet fürs Klima mit ihrer von Wind und Wetter geprägten Wolle. Die Tiere sind große Sympathieträger und für vieles mehr gut, auch als nachhaltiger Lifestyle in Form von Schals, Pullovern und Decken etc. aus ihrer Wolle. Bei Schafsbauer Lennart Witte können Besucher Lämmer knuddeln und tun es, sichtlich egal ob junger oder älterer Gast. Dafür reserviert Lennart Witte Stunden, in denen seine Hütehunde zig Schafe in eine offene Halle treiben, die gemütlich mit Strohballen ausstaffiert ist. Da sitzen die Zweibeiner, während Lennart von diversen Schafsrassen und den Vorzügen von Schafsprodukten erzählt.
Das ganze begleitet vom Blöcken der Tiere und manchem Wort der Entzückung aus dem zweibeinigen Plenum, wenn der Bauer ab und an ein Lämmchen greift und selbst knuddelt. Das Entzücken mag auch ihm gelten, sieht er einfach gut aus: hochgewachsen, blauäugig und ein gewinnendes Lächeln im Gesicht. Aber auch die wolligen Tiere sind zu knuffig und mehr als das, liefern sie doch außer Wolle für Naturkleidung auch Milch für leckeren Schafskäse, zu kaufen nicht nur im Hofladen der Schapenboerderij von Schäfer Lennart. Er erklärt auch, dass Schafswolle nach der Schur das typische Fett Lanolin entzogen und zu hautfreundlicher Naturkosmetik verarbeitet wird, zum Beispiel der Kosmetikmarke Noordkroon – made on Texel.
Ein anderes Business mit Texeler Schafswolle betreibt der Betrieb TexelWool der Familie de Veij. Der fertigt im Ort Oudeschild an der süd-östlichen Küste unter anderem kuschelige Bettdecken und Kissen, zeitlos-ansprechend im Design, haptisch überhaupt nicht kratzig und auch gleich vor Ort käuflich zu erstehen.
Oudeschild ist heute eher kleiner Fischereihafen, war vom 16. bis 18. Jahrhundert berühmter Handelshafen, weil hier die Texeler Reede war, wo die Handelsschiffe der berühmten Ostindien-Kompagnie be- und entladen an- und ablegten. Doch die Zeiten sind vorbei, der Hafen wirkt klein, gemütlich und bevölkert nur von Touristen, die Fischkutter besteigen, oder von Yachties, deren Segel- und Motorboote hier dauerhaft oder auf der Durchreise liegen.
Zurück zur Wolle. Damit ließ sich, da nicht kratzig, das schicke Boutique Hotel Texel mit Spa nahe Cocksdorp Folgendes einfallen: eine Wellness-Behandlung, bei der der ganze Körper in gereinigte Schafswolle eingewickelt wird, das ganze warm und wahlweise für 60 bzw. 90 Minuten. In einer Art Holzkiste liegt es sich wie im Schaumbad einer Badewanne. Entspannung pur stellt sich ein, Muskeln und nicht zuletzt die Seele entspannen. Im Anschluss dankt die Haut es mit zartem Glanz und gutem Gefühl, Hautfett und Feuchtigkeit getankt zu haben. „Das kommt vom wolleigenen Fett Lanolin, das in den von uns verwendeten Wollfasern erhalten bleibt“, so Hotelchefin Marianne. Ganz schön trendy der angenehme Nutzen von Schafswolle und nachhaltig, da sie und ihr Fett wieder nachwachsen.
An der Wattseite an den Wind aus Westen denken
Andererseits – siehe oben – müssen Schafe auf Texels Boden im Sinne des Naturschutzes, im Interesse der Artenvielfalt bei Vögeln, Insekten und Wildpflanzen weichen. „Die Zahl der Schafe auf Texel hat sich auf rd. 9.500 reduziert“, schätzt TexelWool-Eigentümer Martijn de Veij. „Daher müssen wir für unsere Produktion Wolle vom Festland dazukaufen.“ Mit Fokus auf die Artenvielfalt ist damit allerdings eine Jahrhunderte geltende Konstante verloren, dass Texel mehr Schafe hat als Einwohner. Trotz Rückgangs aber bleiben die Wolltiere mit ihren süßen Lämmern auf Texel treue Begleiter und typisches Fotomotiv gerade an der Watt-Seite.
Mal laben sich Schafe am Gras auf den Deichen. Mal dösen Artgenossen liegend vor sich hin, während manche Jungtiere spielerische kleine Fights austragen. Andere blicken erwartungsvoll nahenden Touristen entgegen, ob eine Streicheleinheit rausspringt. Füttern aber verboten, warnen manchmal Schilder. Gen Osten zum Watt radelt es sich übrigens leicht, weil der Wind meist ja von Westen weht. Daher ist das Wetter an der Watt-Seite überhaupt gern etwas milder, nutzt die dem Wind abgewandte Seite, wie das die Bauern für ihre Schapenboeten tun. In umgekehrter Richtung entpuppt sich der Wind dann aber als steife Brise gegenan, selbst wenn per E-Bike unterwegs.
Während die Schafe weniger werden, nimmt die Zahl der Vögel und ihrer Schutzgebiete auf Texel zu. Was gewollt ist und vermehrt Hobby-Vogelkundler anlockt, die mit speziellen Ferngläsern hantieren. Die Attraktion der Vogelvielfalt auf Texel ruft ins Bewusstsein, dass Vögel hier ganz leben, andere nur zum Brüten herkommen und wieder andere auf ihren langen Flügen im Herbst gen Süden, nach Norden im Frühjahr nur einen Zwischenstopp einlegen. Die Insulaner stellen eigens Posten mit lohnendem Ausguck bereit und halten dort viele Informationen vor, so etwa am nordöstlichen Zipfel vor dem Leuchtturm, dem Vuurtoren in De Cocksdorp. Hier klärt das Vogelinformatiecentrum übers Watt und seine Vögel auf, die zu Hauf bei Ebbe dabei zu beobachten sind, wie sie im Steilflug in den vom Wasser befreiten Sandboden picken, um Würmer und so weiter zu fassen und zu verspeisen.
Ein weiterer Ausguck liegt im Südosten, wo jüngst das Gebiet Ottersaat genau vorm Deich bei Oudeschild renaturiert wurde und anschließt ans alte Naturschutzareal Dijkmanshuizen. Am Ottersaat ermöglichen nun kleine Haltebuchten schnelle Stopps und lange Blicke über Dijkmanshuizen mit seiner altniederländischen Naturidylle von Wiesen und Windmühlen. Zur Renaturierung im Ottersaat wurde eigens eine Zufuhr zum Meer angelegt, auf dass, was lange nicht gewünscht war, nun wieder Salzwasser ins Gebiet gelangt und sich mit süßem Regenwasser zu Brackwasser vereinigt. Auf dass sich wieder traditionelle Vögel und Wildblumen ansiedeln. Soweit gelungen: Vögel versammeln sich zu Zig am neuen Hotspot, vom neuen Ambiente angelockt, als wäre Futter ausgelegt.
Das Ottersaat erweitert den schon um 1970 angelegten Vogelboulevard an der Ostküste, der inzwischen vom Fährhafen im Süden bis zum Leuchtturm im hohen Norden reicht. Unübersehbar ist also das Engagement auf der Insel, die zum einen intensiv Landwirtschaft betreibt, zum anderen heuer zu einem Drittel aus zugänglichen Schutzgebieten besteht und die Natur hegt und pflegt. Wie das auf dem Festland der Niederlande auch geschieht mit inzwischen mehr als 20 Nationalparks – vom Lauwersmeer Nationalpark bei Groningen/Friesland bis Van Gogh Nationalpark in Brabant. Dabei zieht Texel nicht nur nach, sondern ist auch Pionier.
Gut ein Drittel Insel-Land für den Naturschutz
Zum Beispiel entstand Anfang des 20. Jahrhunderts bereits das Naturschutzgebiet Waalenburg im Inselinnern und mutierte zum Paradies für See-, Weide- und Singvögel – von der Uferschnepfe über die Lerche, die so schön singen kann, bis zum räuberischem Wanderfalken. Plus weniger bekannte Arten und Gewächse, deren Namen wenig dem Laien, umso mehr Hobby-Botanikern und Profis etwas sagen. Schmetterlinge, Insekten usw. hielten auf Texel wieder Einkehr, wo früher Salzwiesen waren, wo 1645 durch die Eindeichung Polder trockengelegt wurde.
Das Gebiet Waalenburg liegt nördlich vom Ort De Waal und wurde seinerzeit von der holland-weiten Vereinigung Natuurmonumenten initiiert. Das Paradies darf per Rad oder zu Fuß erkundet werden, ist aber auch an mancher Stelle nicht zugänglich und stellt sich als Ort mit viel Ruhefaktor auch für den Besucher heraus. Empfehlenswert ist es, sich bei Ankunft im liebevoll gestalteten Naturzentrum De Marel zu informieren, wo einem beim Betreten gefiederte Wesen extrem nahe kommen – als ausgestopfte Exemplare. Am Zentrum starten gebuchte Exkursionen. Im Café lohnt die Verschnaufpause bei einem guten Kopje Koffie.
Trotz schönem Strandleben auf langen, breiten Sandstränden an der Westküste ist auch hier viel Raum für Naturschutz. So wurde 2002 die Dünenlandschaft hinter den Sandstränden zum Nationaal Park Duinen van Texel erkoren – auf 22 Kilometer Länge Land, das nicht bebaubar ist, schon gar nicht mit hohen Apartment-Häusern. Die Dünenlandschaft ist zum Wandern auf ihren Pfaden frei zugänglich und zieht im Herbst speziell in ihren Bann, wenn Heidefelder rosa-bunt blühen. Mit Informationen zu Flora, Fauna und Geologie versorgt bei De Kog das Naturkundemuseum und Aquarium Ecomare. Hier ist auch Europas älteste Seehundauffangstation zu Hause und hält öffentliche Fütterungen der Seehunde ab.
Bei Koog findet sich noch eine Rarität, geht es doch in den Wald, den Dennen. Wald an Nordsee-Küsten ist selten. Den Dennen legten um 1912 umtriebige Texelaner als Nutzwald an, indem sie eigens Strandkiefern anpflanzten. Später kamen Laubbäume hinzu, da war der Dennen aber schon als reines Erholungsgebiet deklariert worden.
Wofür eine Kerbe in der Düne gedacht ist
Nicht weit ist der Paddje 14 im Südwesten im geschützten Dünennationalpark. Hier wurde jüngst die Düne mit Bagger auf einer Länge von 150 Meter nach innen um zwei Meter geöffnet, bekam quasi eine Kerbe, aber so, dass Salzwasser nicht eindringt. Mittels Öffnung sollen nun bestenfalls Pflanzen und Tiere früherer Zeiten wieder Zugang zu den Dünen finden, die inzwischen verschwunden sind, weil von Sträuchern und Gräsern überwuchert, die besser mit dem hohen Stickstoffgehalt im Boden zurechtkamen. Eigens wurden jenseits der Kerbe in den Dünen die Störenfriede gerodet und entfernt, auf dass sich die ursprüngliche empfindliche Dünenvegetation, die Graudünenvegetation mit ihren Kräutern und Dünenveilchen, wieder ausbreiten kann. Auftraggeber der Kerbe ist der Staatsbosbeheer als oberste Behörde im Staat für die Verwaltung und Überwachung von Wäldern und Landschaften mitsamt Naturschutzgebieten.
Bis die Maßnahme wirke, dauere Jahre, in denen „wir das Dünengebiet an der Kerbe beobachten und bewirtschaften müssen“, erklärt Thomas van der Es, Förster für Ökologie vom Staatsbosbeheer Texel. Der Stickstoff sei mit der Rodung nicht weg, die invasiven Sträucher könnten wieder wachsen. „Wir mähen die Bereiche daher regelmäßig und setzen gezielt Schafe zur Druckbeweidung ein.“ Wo die Wolltiere doch überall nützlich sind, echt zum Knuddeln die Viecher. Hätten die ihre Arbeit getan, würde das Gebiet wieder für Kaninchen geeignet sein, so Förster van Es: „Die siedeln wir hierher um aus anderen Arealen, lassen sie grasen und ihre Höhlen graben. Dort können dann Steinschmätzer wieder brüten. Und vielleicht kommen Kräuter und Schmetterlinge wie der Große Perlmuttfalter zurück.“ Die Begeisterung von Fachmann van der Es spricht für Außergewöhnliches.
Wo kein Seemannsgarn gesponnen wird
Als einmalig weltweit sogar ordnet sich das Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora in De Koog ein. Es widmet sich Strandräubereien, was Niederländer jutten nennen, und versetzt einen einfach ins Staunen. Zunächst wegen der rechtlichen Regeln, dass Strandgut dem Strandvogt der Gemeinde übergeben werden muss, der den rechtmäßigen Eigentümer sucht und das Gefundene zugunsten der Gemeinde versteigern lässt, wenn der sich nicht findet. Die Jutter aber jutten, heißt behalten Gefundenes. Ob das sich lohnt, liegt im Auge des Jutters.
Und was so alles verloren geht und gefunden wird: alte Bojen in bunten Farben, die draußen am Museum wie Zierkugeln an einem Baum hängen oder zur Pyramide gestapelt sind. Leuchtfeuer und sogar die verrostete Spitze eines Leuchtturms, die ins Meer flogen. Und dann rostige kleine Anker, ordentlich nebeneinander in ein altes Ruderboot drapiert. Mehr noch: Hunderte von Flip Flops, von Turnschuhen, Arbeitsschuhen, Schutzhelmen, ob weiß, blau, rot oder gelb, wie von technischem Personal der Berufsschifffahrt oder auf Plattformen auf hoher See getragen.
In einer Halle schmücken Rettungsringe aller Art die Wände. Daneben alte Taue, zerbeult-rostige Warnschilder, gar Teile alter Funktechnik von Booten und eine Kiste mit Druckplatten, anno 2000 aus dem Meer gefischt. Zu sehen sind überdies Relikte aus kriegerischen Zeiten auch auf und um Texel herum – alles zufällig als Strandgut angeschwemmt oder Beifang aus Fischernetzen, auch alte Waffentechnik wie Seeminen, Teile eines Torpedos, der Rolls-Royce-Motor eines Militärflugzeugs. Mehr zu Texels alter Militärgeschichte erklärt das Luchtvaart- und Oorlogsmuseum am kleinen Flughafen, der mitten im Polder Eijerland liegt.
Zurück zum Jutter-Museum, wo Fotos gestrandeter Fischerboote wie von der Emma von 1919 und Texte dazu erzählen, dass manche Funde für gefährliche, traurige, sogar tödliche Schicksale stehen, von Drogenfunden ganz zu schweigen. Regelrecht beklemmende Gefühle lässt das Exponat mit der Kennung JB114 entstehen: eine echte Rettungskapsel, deren Inneres auch besichtigt werden kann. Da war es gut, vorher auf der Infotafel zu lesen, dass sie nicht im Rettungseinsatz verloren ging. Was für eine Enge und Kargheit innen, alles nur auf ihren Zweck zugeschnitten, Leben zu retten.
Fast 100 Menschen finden im Ernstfall Platz, angeschnallt auf schmalsten Sitzen. Per Miniruderanlage wird der Lebensretter gesteuert. Seine Maße: 3,60 Meter hoch, 9,35 Meter lang, 6,5 Tonnen schwer. Laut Infotafel gehörte sie im Jahr 2011 zu einer Ölbohr-Plattform in der Nordsee bei IJmuiden, wo ihre Befestigung bei einem orkanartigen Sturm riss, sie ins Meer stürzte und abtrieb. Bis sie am Strand von Noordwijk an Land gespült und dem Juttersmuseum Flora gestiftet wurde.
Garnalenvissen im Wattenmeer vor Texel
Eine ganz andere Erfahrung: eine Tour mit einem originalen Kutter zum Krabbenfischen. Diverse Boote starten zu festen Tageszeiten am Hafen Oudeschild an der Wattseite. So auch das Boot TX 10 Emmie. Es ist zwei Stunden unterwegs, vermittelt einen Eindruck, wie das leckere kleine Meeresgetier namens Nordsee-Garnalen es vom Meeresboden in den Handel und auf den Essteller schafft. „Wir verkaufen unsere Fänge auf dem Festland“, sagt Kapitän Herman, 51 Jahre. Sein Deck-Hand ist Roland, 61. Die zwei haben die Arbeit aufgeteilt: Herman steuert das Boot, Roland verteilt die großen und kleinen Gäste so, dass sie bestens sehen können. Dann betätigt er die Winschen und Winden für ein Netz, jeweils acht Meter breit und 16 Meter lang. jeweils eines pro Bootsseite.
Roland bereitet sie vor, lässt dann die Technik ihre Arbeit tun, überwacht alles, während die Netze suzessive ins Wasser gleiten. Bis sie der fahrende Kutter über den Sandboden zieht. Roland: „Das Wasser hier ist zehn Meter tief. Seht die Vögel, die freuen sich schon.“ Sie kennen das, schwärmen um die Netze herum, die teils aus dem Wasser ragen, warten auf den Moment, wo sie aus den hochfahrenden Netzen den einen oder anderen Fang klauben können. Wie gesagt, so getan. En masse sind kleine Nordsee-Krabben ins Netz gegangen, die in ihrem Rohzustand grauschwarz sind. Plus kleinere Fische und irgendwelches Gewürm und Gewächs. Bevor die Netze hochfahren, hat Roland Töpfe mit Wasser zum Erhitzen auf einen Ofen gestellt und Behälter bereit gestellt, in die der Fang dann hineingleitet.
In den Behältern sortiert der kräftige Mann mit gekonnt-schnellen Handbewegungen aus, was nicht taugt. Der gute Rest wandert in die Töpfe, köchelt im Wasser kurz vor sich hin, nimmt dabei die rosa Farbe verzehrfertiger Nordsee-Krabben an. „Die werden immer an Bord gekocht, auch wenn wir unsere üblichen Fangfahrten ohne Gäste machen“, so Kapitän Herman. Die Touristen-Touren finden Sonntag bis Donnerstag statt. „Seit 30 Jahren bin ich Garnalenvisser. Ich bin auf Texel geboren wie meine Vorfahren“ (Herman). Sein Tipp vom Fachmann, wie die kleine, feine Meeresfrucht am besten verzehrbereit poulen? „Leicht drauf drücken, drehen und den Kopf abziehen“, so Herman. Wie er sie am liebsten isst: „Abkühlen lassen und ganz ohne Zutaten. Dazu einen Weißwein, egal welcher.“ Hmm, lekker.
So reiht sich auf Texel eine Erfahrung an die andere, stressfrei und schön ergänzt ums Yoga am Strand. Während des relaxenden Tuns fährt eine Flottille Fischkutter in Sichtweite vorbei. Sie haben ihre Netze ausgefahren wie zuvor die Emmie von Kapitän Herman. Ob er schon mal Yoga on the Beach gemacht hat? Ob er die Frage belächelt hätte? Nun ist es zu spät, ihn zu fragen. Er könnte jedenfalls spontan mitmachen, sähe er die Yoga-Gruppe zufällig in Action. Sagt nämlich Eva: “Walk Ins welcome.“
Websites und noch wichtig zu wissen
Informationen zu Insel und Unterkünften www.texel.net/de; hier können direkt Unterkünfte gebucht werden. Hier auch Details zum Naturschutzgebiet Waalenburg. Mehr zum Dünennationalpark Texel www.npduinenvantexel.nl; zu Ottersaat und Vogelboulevard www.natuurmonumenten.nl, zu Wald und Dünen auf Texel www.staatsbosbeheer.nl
Details zum Yoga on the Beach https://surfschoolfoamball.com. Zum Schafsbauernhof von Lennart www.schapenboerderijtexel.nl/de. Zu Aquarium Ecomare www.ecomare.nl/de; zu Seefahrt- und Strandgutmuseum Flora www.juttersflora.nl; zu Garnelenfischen https://garnalenvissenoptexel.nl/de
In Wolle eingewickelt entspannen, essen und trinken plus Extra-Tipp: Das Boutiquehotel Texel bietet im Spa nicht nur die Ganzkörperbehandlung in Wraps aus gereinigter Schafswolle. Top auch sein Restaurant, auch vegetarische Genüsse www.hoteltexel.nl. Das Restaurant Smulpot kredenzt gute niederländische Küche. Und sein Boutiquehotel im gleichen Haus vermietet schick-moderne, geräumige Zimmer www.smulpot.nl. Im Strandlokal Paal 9 sitzt es sich immer fein und besonders, wenn abends stimmungsvoll die Sonne in der Nordsee versinkt www.paal9.nl. Mehr zu Strandplevier Suites Texel www.strandplevier.nl.
Extra-Tipp: Pastorie de Waal Hier kochen Profi Wessel Holleman und die Teilnehmer seiner Koch-Workshops, was die Insel an saisonalen Zutaten hergibt. Das Haus heißt Pastorie de Waal, weil lange das Pfarrhaus. Es wurde 1650 erbaut und ist nun das Zuhause von Wessel und Partnerin. Top die geräumige professionell ausgestattete Küche. Für Gemütlichkeit später beim gemeinsamen Essen sorgen ein massiver Holztisch, eine Vitrine mit altniederländischem Porzellan und jede Menge Bücher. Maximal acht Leute können teilnehmen. „Ich mache auch Catering und koche bei anderen Zuhause. Familien in ihren Ferienwohnungen buchen mich gern, gerade dann, wenn sie mit kleinen Kindern reisen, weil sie dann nicht so einfach ausgehen können.“
Was bei meinem Koch-Workshop im Mai Texels Land und Meer saisonal hergaben, was der Kochprofi für den Workshop einkaufte, wie wir es unter seiner Anleitung zubereiteten, zauberte am Ende ein köstliches Viergang-Menu auf den Tisch: Krabben-Pannacotta zu Algensalat; Herzmuscheln; Lammsteak mit Texelse Spargel und zum Nachtisch Merengue mit Gelee von Sanddorn aus den Dünen am Ort. Wessel ist Selfe-Made-Cook: „Oma und Mutter waren gute Schule. Meine Mutter hat auch Kochbücher geschrieben.“ Was Texel bietet: „So viele gute Produkte, ob Meeresfrüchte, Fleisch oder Wild zur Jagdzeit.“ Und dann gewusst wie kochen www.pastoriedewal.nl
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