Louisiana Steam Boat

Louisiana: vom Bayou bis zum Beach

Der Südstaat Louisiana war im Südwesten bis zur Golf-Küste einst teilweise Niemands-Land. Heute gefallen am Weg hierher historische Gemäuer und Garten-Zauber. In alten Tanzhallen steppt der Bär, und wer will, tanzt mit. Sümpfe und Marschen sorgen für Begegnungen mit Alligatoren – sicher vom Boot aus. Und am Meer warten Sandstrände ohne Bettenburgen und Beach Boulevards. Ein Road-Trip als Rundkurs mit Rekord.

Erst kurz nach Norden, dann gen Westen in Louisiana

Die Sonne ist untergegangen am Lake Pontchartrain an diesem Mai-Abend. Der See dehnt sich von New Orleans nord-westlich aus. Und sein Wasser droht bei Hurrikans New Orleans im Südosten des Sees zu überfluten, so dass sechs Meter hohe Deiche errichtet wurden. 2005 vergebens, als Hurrikan Katrina Deiche brechen ließ und New Orleans von Flutwellen des Lake Pontchartrain getroffen wurde. mehr

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Südstaaten-Küste – Teil 2- Louisiana zwischen Sumpf, Marsch und Meer

Der Südstaat war im Südwesten bis zur Golf-Küste einst teilweise Niemands-Land. Heute gefallen am Weg hierher historische Gemäuer und Garten-Zauber. In alten Tanzhallen steppt der Bär, und wer will, tanzt mit. Sümpfe und Marschen sorgen für Begegnungen mit Alligatoren – sicher vom Boot aus. Und am Meer warten Sandstrände ohne Bettenburgen und Beach Boulevards. Ein Road-Trip als Rundkurs mit Rekord.

Erst kurz nach Norden, dann gen Westen

Die Sonne ist untergegangen am Lake Pontchartrain an diesem Mai-Abend. Der See dehnt sich von New Orleans nord-westlich aus. Und sein Wasser droht bei Hurrikans New Orleans im Südosten des Sees zu überfluten, so dass sechs Meter hohe Deiche errichtet wurden. 2005 vergebens, als Hurrikan Katrina Deiche brechen ließ und New Orleans von Flutwellen des Lake Pontchartrain getroffen wurde.

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Typisch an Bayous, Seen und Golf-Ufern – Häuser auf Stelzen, um den Flutwellen zu trotzen Foto Ulrike Wirtz

An dem Mai-Abend ist aber kaum Wind, es sind noch Wochen bis zur Hurrikan-Saison, und am nordöstlichen Seeufer schwappt das Wasser leicht gegen die steinerne Befestigung. Einige Boote sind auf dem Wasser unterwegs. Das ist schön anzusehen vom Logenplatz: der Balkon des Restaurants Rips on the Lake, gelegen am nordöstlichen Ufer im Städtchen Mandeville. Als Sun-Downer gibt‘s Cocktails, vielleicht Vodka Gimlet oder Rips Hurricane, aber dann doch lieber einen Sauvignon Blanc.

# New Orleans – IS 10 West, Pontchartrain Causeway North, LA 1087 East – Mandeville – 50 KM

Der See und Mandeville ist der erste Stopp des Road-Trips mit Rundkurs durch Louisianas Südwesten bis zur Küste des Golfs von Mexiko. Der Trip führt wegen Lake Pontchartrain erst kurz gen Norden – mit Start in New Orleans. In der ikonischen Südstaaten-Metropole stimmte der Trip mit angesagten Musts ein: blaue Stunden mit Jazz und Blues-Musik, mit Entdeckungstouren tagsüber durch das dann ruhige Amüsierviertel French Quarter und seiner berühmten Bourbon Street und illustren alten Häusern im Viertel. Und dazu der absolute Kontrast: der seit dem Civil War (1861-1865) angesagte Garden District von New Orleans mit schattigen Alleen und Villen in alter Südstaaten-Pracht, die unter Denkmalschutz stehen. Einige stammen noch aus dem frühen 19. Jahrhundert, von vor dem Krieg also, und sind schön restauriert. Sehr empfehlenswert: eine Tour mit Guide.

Ultimative Seebrücke

Danach geht es auf dem Weg nach Südwest erst über den Lake Pontchartrain. Es gibt zwei Optionen bei der Route – eine über die Interstate IS 10 East am östlichen Seeufer vorbei und am Ende des Sees links ab auf die IS 12 West. Die zweite Option folgt geradeaus gen Norden dem Lake Pontchartrain Causeway – und ist unsere Wahl, da als Rekordstrecke ultimativ für Road-Trip-Fans. Denn der Causeway ist eine Seebrücke und 38,442 Kilometer (23,75 Meilen) lang, führt die ganze Distanz immer nur über Wasser und ist damit die längste Seebrücke ihrer Art in der Welt. So nachzulesen etwa im Guinness-Buch der Rekorde.

Zum Vergleich: Aktuell entsteht im Ostsee-Bad Prerow eine 720 Meter lange Seebrücke, ist damit die längste über die Ostsee. Oder man stelle sich eine 40 Kilometer lange Brücke über den Bodensee vor. Der hat jedoch nur 536 Quadratkilometer Fläche. Lake Pontchartrain, der vom Mississippi River gespeist wird, misst mit 1839 Quadratkilometer gut das Dreifache. Die Autofahrt über diese Brücke ist mein persönlicher Rekord, da bisher nicht 40 Kilometer im Auto nur über Wasser gefahren. Den Trip begleitet noch dazu das Gefühl, als gleite der Wagen auf dem Wasser dahin wie ein Boot.

Das Gefühl stellt sich ein, weil die Wasseroberfläche zum Greifen nah scheint, da die Brücke so niedrig ist. Und da auch ihre Gelände so niedrig sind, verstellen sie kaum den Blick aufs Wasser. Als i-Tüpfelchen führt die Brücke in der Mitte über den riesigen See, d.h. rechts und links, vorne und hinten vom Auto nichts als Wasser. Kilometer für Kilometer. Nun danach am Abend stellt sich dank Logenplatz eigentlich Entspannung ein. Die Rekordbrücke ist aber am Horizont an Autolichtern erkennbar. Die wirken wie eine Prozession Glühwürmchen, aber mit Lücken je nach Abstand der Autos. Die Lücken werden größer je später der Abend. Bei dem Anblick stellt sich kurz erneut das mulmige Gefühl von der eigenen Fahrt wieder ein.

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Nachts mehr Fata Morgana als Rekordhalter – die längste Seebrücke der Welt über den Lake Pontchartrain Foto Ulrike Wirtz

Gut, dass jetzt Kellner Billie gedünsteten grünen Spargel zu frischer See-Forelle serviert. Der Gang davor war Krebssuppe auf Basis von Senf-Sahnesauce. Derweil kommt Roslyn F. Prieto, die Restaurant-Chefin, auf einige Worte an den Tisch, fragt, ob es schmeckt, erzählt von den Anfängen ihres Lokals.

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Das Rips on The Lake serviert Meeresgetier fangfrisch – hier seine Shrimps Foto Ulrike Wirtz

Zeigt dann in Richtung Brücke. „Die siehst Du im Dunkeln nicht ohne Autos.“ Und weiter: „Manchem unserer Gäste ist die lange Fahrt nur über Wasser nicht angenehm. Sie kommen daher lieber den längeren Weg am östlichen Seeufer entlang. Wie früher.“ Sie meint vor 1956, da wurde die Brücke über die Seemitte erbaut. Roslyn hat ihr Lokal im Jahr 2000 übernommen. „Anfangs bin ich auch nicht gern über den See gefahren. Nun bin ich dran gewöhnt. Und wohin fahrt Ihr als nächstes?“ Ich: „Durch den Südwesten.“ Sie: „Ihr sucht bestimmt nach dem Niemandsland. Da seid Ihr selbst nahe der Golf-Küste auch heute ziemlich allein.“

Noman‘s Land – das Areal lag Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Louisiana und Texas. Hier herrschte Gesetzlosigkeit, was Piraten und windiges Volk anzog. Der Grund für fehlende Regeln waren Streitigkeiten über die Aufteilung des Areals zwischen den USA und Spanien, beide damals die Herrscher in der Region. Die reichte der Länge nach von der heutigen Stadt Shreveport im Binnenland bis zur Golf-Küste im Süden. 1821 beendeten die Kontrahenten den Zustand per Vertrag. Roslyn: „Nun gingen immer mehr europäische Siedler dorthin. Aber die Küste und die Region davor blieben weiterhin fast menschenleer. Da ist es noch wie früher.“ Und meint natürlich nicht die Gesetzlosigkeit, sondern die Natur der Marschen und Sümpfe und die einsame Meeresküste.

# Mandeville – US 190 South, IS 12 East – Honey Island Swamp Tours Crawford Landing – 40 KM

Doch erst locken Marsch- und Sumpfland nahe Lake Pontchartrain. Auch hier ist viel typische Flora und Fauna alter Zeiten zu sehen, weil viel Naturschutz einzog und das, obschon unter Land und Wasser bis hin zum Meer und unter dem Meeresboden Öl gefördert wird. Mit dem Schutz der Natur kam das lizensierte Geschäft für Bootstouren mit Guides durch Sümpfe und Marschen und sind ideale Exkursionen.

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In den Sümpfen fährt man sicherer im Boot mit Captain, hier von Veranstalter Honey Island Swamp Tours Foto Ulrike Wirtz

Ein Anbieter seit 1982: Dr. Wagner’s Honey Islands Swamp Tours in Slidell, ein Nachbarort von Mandeville. Bei Dr. Wagner ist die nächste Generation am Ruder, Paul und Brenda Trahan. Paul: „Wir folgen dem ökologischen Ansatz von Dr. Wagner. Er war Geologe und Naturschützer. Die Boote heute sind aus leichtem Aluminium und flach wie eine Flunder und befahren die seichten Gewässer schonend.“

 Früher menschenfeindliche Wildnis, heute Naturparadies

Während er erzählt, legt Paul mit 15, 16 Leuten an Bord ab, erklärt, dass er zunächst ein Stück über den Pearl River fährt, dann abbiegt in kleinere verzweigte Wasserläufe. „Ihr wisst es wahrscheinlich – die Wasserläufe der Südstaaten heißen Bayous. Die sind überall im Süden von Louisiana. Dazwischen liegen Asphaltstraßen – mal breiter, mal schmal, aber breit genug für ein Auto. Captain Paul danach eher rhetorisch: „Könnt Ihr Euch das frühe Leben hier vorstellen?“ Erst das der First Nations der Indianer, später der Europäer. „Alligatoren, Schlangen, giftige Pflanzen, Sümpfe und kaum Wege. Es war tropisch-heiß, Regen fiel en Masse. Und überall Mücken.“ Dass es heute genügend Straßen gibt, ist auch der Ölindustrie geschuldet, die gute Infrastruktur brauchte.

Dösende Alligatoren

Unterwegs im Boot stellt sich zunehmend als angenehm heraus, dass die Swamp-Tour von der sicheren Position eines Profiboots mit Guide stattfindet. Denn in den Bayous ist alles dicht bewachsen, Ufer sind nicht mehr erkennbar, stattdessen Wasser, Sumpf und Marsch.

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In den Bayous herrscht oft eine Stille, die man zu hören glaubt Foto Ulrike Wirtz

Da bleibt die Orientierung für Fremde schnell auf der Strecke. Und schon blinzelt einen ein Alligator aus wachsamen Augen an. Dabei scheint er zu dösen. Sie leben hier dank des hohen Süßwassergehalts (fresh water). Ebenso Schildkröten, von denen manche stoisch in der Morgensonne auf Baumstämmen ruhen. Nutrias paddeln vorbei. Am Himmel ziehen Vögel aller Art, auch Pelikane, ihre Bahnen. Auch Adler und Eulen sind heimisch. Im Wasser zeigen sich Seelilien im Naturschauspiel in ihrer exotischen Pracht. Bizarr wirken die Sumpf-Zypressen – wegen ihrer fürs nasse Umfeld entwickelten Wurzeln, die wie tote Baumstümpfe aus dem Wasser ragen.

Versteckt leben im Bayou

Dass Sehenswertes aufs Boot und seine Gäste zukommt, merkt man daran, dass der Kapitän den Motor drosselt, bis es lautlos nur noch im Schneckentempo weitergeht. Und so taucht auf einmal ein Häuschen auf hohen Stelzen auf, mit kleinem Bootssteg und Terrasse. Und das mitten im Outback. „Hier wohnten früher sogar Familien mit Kindern, die per Boot zur Schule gebracht wurden“, erklärt Captain Paul. „Heute sind das Wochenenddomizile und gehören meist noch den früheren Siedlerfamilien. Die halten daran fest. Daher können hier Fremde kaum etwas kaufen.“ Früher hier leben hieß kein Strom, Telefon oder TV, bis sich das mit Generatoren und Mobilfunk änderte. „Viele Häuser gibt es in den Bayous aber sowieso nicht.“ Und manche sind sichtlich Ruinen, zerstört durch Hurrikans, wie Paul erklärt.

# Honey Island Swamp Tours – US 190, US 11, Bayou Lane – Restaurant Palemettos on the Bayou – 10 KM

Mit dem Boot ginge es gut weiter zum Lunch im angesagten Palmettos on the Bayou in Slidell. Es liegt im Grünen direkt am Bayou Bonfuca – und hat einen Anleger, da oft Locals den Weg übers Wasser nehmen. Zumal Boote reguläres Verkehrsmittel sind. Wir nehmen das Auto wie viele andere das tun. Der Parkplatz ist gut besucht, das Lokal auch. Es ist in der Tradition der Südstaaten aus Holz und mit diversen Terrassen gebaut. Auf seinen Tischen drinnen liegen feine Stoffservietten.

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Das Restaurant Palmettos on the Bayou serviert fein drinnen und casual draußen Foto Ulrike Wirtz

Die Terrassen haben Böden in rustikalen Holzbohlen und sind ebenso rustikal möbliert. Hier wird casual serviert, ob Lunch, Dinner und am Wochenende Jazz-Brunch. Die Speisekarte führt gegrillte Austern, Fisch fangfrisch oder Rib-Eye, ebenso in Öl frittierten Alligator, sprich fried. Alligator ist typisch in Louisianas Küche, ebenso fried, ob Fleisch oder Gemüse. Ebenso typisch: „pan tossed“ – sprich in der Pfanne Gebackenes.

# Restaurant Palemettos – IS 12 West, IS 10 West, links ab HW 90 Süd – Lafayette – 240 KM

Mit der nächsten Etappe geht es auf einen langen Schlag in den Südwest und das fast immer geradeaus bis zur Stadt Lafayette. Sie hat 120.000 Einwohner, eine Universität mit Campus-Idylle und rund 19.000 Studenten. Am Weg war Baton Rouge, Louisianas Hauptstadt mit 227.000 Einwohnern und alles andere als verträumt wie Lafayette , links liegen geblieben. In Lafayette reist es sich gerade auch auf den Spuren der Acadians, die frühen Siedler mit französischer Abstammung.

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Lafayettes Uni-Campus nach den Graduation-Tagen – etwas Spaß in rotem Talar darf nun sein Foto Ulrike Wirtz

Überall begegnet einem daher der Begriff Acadians. Mit ihnen haben denn auch noch heute Sprache, Kochstil und Kultur viel zu tun. Die ersten Acadians kamen um 1750 in die Region – nach weiten Umwegen, waren sie doch zuerst ins heutige kanadische Nova Scotia emigriert, von dort in die Karibik oder zur Ost-Küste der USA umgezogen und kamen erst danach in Louisianas Südwesten.

Lafayette und die Acadians

Die Acadians fanden hier eine Welt von Bayous, Sümpfen und Marschen vor – ähnlich wie die Siedler im Südosten von Louisiana, wo unser Road-Trip startete. 1820 wurde die Stadt Lafayette gegründet, anfangs unter dem Namen Vermilionville und umgetauft in Lafayette 1823. Das geschah in Erinnerung an den französischen Ahnen  Marquis de la Fayette: dereinst Held der amerikanischen und französischen Revolution und in USA dem General George Washington zu Diensten, der erste Präsident der USA von 1789 bis 1797. Lafayette war Knotenpunkt für Eisenbahn und Handel und Ausgangspunkt vieler Acadians, die weiterzogen ins Noman’s Land, nachdem es gesetzlich geregeltes Terrain wurde.

Kulturelles Erbe

Die University of Louisiana at Lafayette entstand 1898. Ihre Gebäude und ihr Park stammen teils noch aus diesen Anfängen und geben dem Campus eine ansprechend alt-ehrwürdige Atmosphäre. Heuer ist Sonntag, Campus und Park sind fast menschenleer. Betrieb ist dagegen in Downtown mit dem Architektur-Mix aus ansehnlich-alten Gemäuern neben einigen wenigen gesichtslosen Bürohäusern. Große alte Bäume spenden Schatten. Das Wall Street Journal wählte kürzlich Lafayette zur Happiest City in America, das Gallup Institut zur Most Optimistic City. Das ist nachvollziehbar, ist das Flanieren angenehm, die Lokalszene ansprechend und die Auswahl an Boutiquen vielfältig. Ein spezieller Anziehungspunkt ehrt die frühen Siedler: das Acadiana Center for the Arts – kurz ACA – in der Vermilion Street im modernen Glasbau.

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Das Bild The Empress (Öl auf Leinwand) ist eine Leihgabe der Jonathan Ferrara Gallery für das Acadian Center of Arts in Lafayette Foto Ulrike Wirtz

Es ist Location für Meetings, Ausstellungen und Festivals und dient zugleich als Kunst-Galerie, um Maler auch aus der Region zu fördern. Es wird als Non-Profit-Organisation getragen von acht Landkreisen im Südwesten, darunter Parish Acadia und Parish Vermilion (Parish ist so etwas wie ein Landkreis in Deutschland). Ausgestellt sind zeitgenössische Keramiken und Malereien, oft mit Bezug zur afrikanisch-französisch-spanischen Tradition in Louisiana. Dazu passt, dass in Lafayette an fast jeder Ecke das typische Französisch des Staats zu hören ist, wie schon in New Orleans. Und wie schon dort ist dem gesprochenen Wort mit deutschem Schulfranzösisch kaum zu folgen.

# Lafayette – HW 90 South – Vermilionville, Fisher Road – 20 KM

Der alte Name Vermilionville lebt heute fort 15 Autominuten südlich von Lafayette: im anschaulichen Open-Air-Museum namens Vermilionville. Es wurde 1990 als Kopie eines historischen Orts der frühen Acadians am Bayou Vermilion erbaut, um die früheren Lebensumstände der Siedler zu zeigen.

Historisches Dorf mit Tanzpalast

Das geschieht mit original alten Häuschen bzw. hübschen Nachbauten und mit typischen originalen Möbeln. Mit Fotos und Infotafeln, zum Beispiel zu den früheren Baustoffen Schlamm, Moss und Zypressenholz. Mit traditioneller Kleidung, Kochutensilien und Geräten, auch von früheren Fallenstellern, die im Sumpf ihrer Arbeit nachgingen, und von Bootsbauern, die die nötigen Fortbewegungsmittel für die Bayous fertigten.

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Vermilionville bildet die neue Welt für die Siedler im 19. Jahrhundert ab – hier ein Webstuhl Foto Ulrike Wirtz

Das Vermilionville informiert, dass weitere Siedlergruppen in die Region zogen: Briten, Deutsche und einstige Sklaven afrikanischer Herkunft, die sich seit ihrer Befreiung durch den Bürgerkrieg ab 1865 an den Bayous im Südwesten niederließen.

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Vermilionville – der einstige Austritt war mit drei Sitzen nicht intim, aber effizient Foto Ulrike Wirtz

Le Bal du Dimanche

Und was ist da los im hallenartigen Gebäude? Seine Türen gehen ab und an auf, Musik ertönt, wird laut und wieder leise, wenn die Türen wieder zufallen. Performance Center steht am Eingang. Drinnen wird getanzt – „wie früher immer an Sonntagen. Come on, do it“, ruft ein Herr im Vorbeitanzen dem Neuankömmling zu. Alt und Jung schieben sich im Paartanz über das hölzerne Parkett. Andere steppen allein für sich umher – klack, klack, klack. Wer will, tanzt mit. Das mehr oder weniger gekonnte Treiben folgt der Musik von Fideln – live gespielt von einem Duo. Auf Plakaten ist zu lesen, wer bei nächsten Events auftritt: Namen, die unsereins nicht kennt. Die Events heißen traditionell-glamourös Le Bal du Dimanche,  auch der Ball an diesem Sonntag im Mai. Aber statt Robe tun es heuer auch Jeans und T-Shirt.

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Vermilionville – das idyllisches Schulhaus erinnert an harte Zeiten Foto Ulrike Wirtz

Die Musiker demnächst spielen, wie Fotos des Programms zeigen, außer Geige auch Akkordeon – auch das in Tradition der aus Europa stammenden Arcadians. Und ganz anders als die Tradition des Blues, Gospel und Soul in den Südstaaten: das kulturelle Erbe der einst versklavten African Americans. Deren Musik lässt sich gut auf dem Mississippi Blues Trail von Louisiana bis in den östlichen Nachbarstaat Mississippi genießen, also nicht nur in Musik-Venues in New Orleans. Aber nicht zu verwechseln mit dem African American Heritage Trail: Der befasst sich mit dem Leid und Leben der Sklaven. Aber das sind andere Geschichten und Orte (siehe dazu Lebensart-Reise vom yxyx und vom xyxy)

# Vermilionville – HW 90 South (Richtung Morgan City) – New Iberia – 40 KM

Das nächste Ziel ist südlich von Vermilionville und Lafayette das Städtchen New Iberia, gegründet 1765. Hier lässt sich bequem durch mehr als 100 Millionen Jahre Erdgeschichte reisen, nämlich in den Rip van Winkle Gardens mit Villa: das Joseph Jefferson House; und am Lake Peigneur: ein See, der bei einem desaströsen Unfall 1980 auf einmal verschwand. Daran erinnert heute ein aus dem See ragender Kamin. Jeder kann auf diese Zeitreise gehen, da Garten, Villa und See gegen Eintritt offenstehen – anders als früher, als Villa, Jagdgründe und See ein in der Wildnis verstecktes Prachtdomizil für die Ferien waren.

Von der Wildnis zur Idylle

Doch der Reihe nach. Vor rund 165 Mio. Jahren: entstand ein Salt Dome im Innern der Erde nahe New Iberia, so offizielle geologische Zahlen. Hinzu kamen See und Eiland und das alles in Einsamkeit. 1870: Damals baute Joseph Jefferson – der bekannteste Comedian seiner Zeit, weit gereist und verliebt ins Jagen – auf der Insel eine Villa von viktorianischer Opulenz und nutzte sie einige Monate im Jahr vor allem für sein Hobby. Bis heute ist hier alles Idylle. Wie zu Jeffersons Zeiten ruht seine Villa inmitten alter Eichen, thront im ansonsten flachen Land ganz ungewöhnlich auf einer kleinen Anhöhe – wegen des Salz-Doms.

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Die Villa Jefferson stand am Beginn der berühmten Rip Van Winkel Gardens Foto Ulrike Wirtz

Im Haus umgab sich Jefferson mit französischen Empire-Möbeln. „Die sind original aus seiner Zeit. Und hier die Tapeten – sie sind auch original und von Hand gemalt“, so Guide Madeleine bei der Tour durch das Anwesen. Unter dem schattigen Vordach der Villa mit Terrasse laden auch heute Schaukelstühle antiker Art zum Relaxen ein. Madeleine: „Hier tauschte Jefferson mit Gästen Anekdoten von der Jagd oder von seinem Künstlerleben aus. – And so on.“ Viele Jahrzehnte später seien innerhalb des Salz-Doms Minen und ihre Höhlen entstanden, um das Salz abzubauen. „Der Abbau endete 1980. Mit der Jagd war es seit den 1950er Jahren vorbei“ (Madeleine).

Stattdessen entstand auf dem Areal 1950 nämlich ein Zaubergarten, der die Villa auch heute auf mehr als 800 Acres (rund 323 Hektar) umgibt, angelegt vom späteren Eigentümer John Lyle Bayless Junior. Und benannt nach der Erzählung von US-Schriftsteller Washington Irving über einen Bauern namens Rip Van Winkle, der sich aus England emigrierend in den Bergen von New York State sieht und in einen Zauberschlaf fällt und nach 20 Jahren erwacht – nun als freier Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika. Selbiger Joseph Jefferson spielte den Rip Van Winkle als seine Paraderolle in einer Adaption für Schauspielbühnen.

Zurück zu John Lyle Bayless Junior. Der baute in seinem feinen Garten auch ein gläsernes Konservatorium. Madelaine: „Darin wuchsen seinerzeit mehr als 3000 exotisch-tropische Pflanzenspezies.“ Im Garten, besser Park stolzieren heute Pfaue umher, spreizen ihr prächtiges Federkleid, ohne sich vor Jägern fürchten zu müssen. Blumenrabatte, Hecken, Rasen und Bäume – alles ist kunstvoll angelegt.

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Mit Kunstwerken gekonnt gestaltet – die Rip Van Winkle Gardens sind einfach schön Foto Ulrike Wirtz

Skulpturen sind mit Sichtachsen gekonnt in Szene gesetzt. Ein japanisches Teehaus ist zu bewundern, ebenso ein altes Schulgebäude, alte Unterkünfte von Personal der Mine und eine Scheune für alte Kutschen, genannt das Acadian Carriage House. Der Garten reicht bis ans Seeufer. An einer Stelle ragt dann eben besagter Kamin trotz Wellen unübersehbar aus dem See empor.

Aus dem Desaster zu neuer Idylle

Madeleine klärt auf: Dass nämlich der Kamin zu einem von Bayless Junior neu erbauten Haus gehörte. Dass ein Bohr-Rigg der Firma Texaco auf dem See fahrend einen Teil der Mine der Diamond Crystal  Salt Company versehentlich rammte und zwar derart, dass sich ein Loch mit Vakuumeffekt auftat, so dass ein Sog entstand und alles in seiner Nähe in die Tiefe saugte bzw. einstürzen ließ. Dass der See sich in Kettenreaktion des Sogs komplett in die unterirdischen Öffnungen ergoss, dass Boote nun ohne Wasser unterm Kiel trocken fielen, auf dem Boden des Sees zerschellten und das Haus von Bayless Junior in den Krater stürzte, ebenso das Konservatorium.

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Nur ein Kamin blieb – sonst ist vom Desaster nichts mehr zu sehen Foto Ulrike Wirtz

Nach dem Desaster musste der Verursacher den leeren See wieder füllen lassen – zum heute 3.000 Acres (1.200 Hektar) großen Gewässer. Der See trägt viel zur heutigen Idylle bei, jedenfalls oberflächlich betrachtet.

# New Iberia – HW 90 West, HW 14 nach Abbeville, dann HW 82 West – Cameron  – 180 KM

Hinter New Iberia tun sich erneut Bayous, Sümpfe und immer mehr Marschland auf, je näher das Meer kommt. Folgte man nun dem HW 90 East, kämen die Städtchen Houma und Morgan City, wo Werften Schiffe und Bohrinseln bauen, wo von kleinen Marinas Flotten von Shrimp-Fischern ausschwärmen und ebenso Bootstouren durch die Flora und Fauna starten, Alligatoren inklusive (siehe Lebensart-Reise vom 7. Dezember 2023).

Unser Roadtrip folgt aber dem HW 82 West, der auf gut 200 Kilometer an der Golf-Küste vorbeigeht, bis Texas beginnt. Hier war einst das Noman’s Land, von dem Roslyn sprach. Und beschert immer noch eine Einsamkeit und dazu einen scheinbar nicht endenden wollenden Weitblick. Marschland liegt auf der einen Seite des HW 82 West, auf der anderen Straßenseite das Meer. Louisianas Sandstrände hier im Südwesten heißen Constance Beach, Little Florida Beach oder Holly Beach.

Und weit und breit keine Bettenburgen und Beach Boulevards wie andernorts so oft an der Golf-Küste. Wohl gibt es einen kleinen Store, um Beach Toys auszuleihen und etwas für den täglichen Bedarf einzukaufen wie etwa am Holly Beach.

Die Fahrt durch das einstige Noman‘s Land ist mangels Einsamkeit und Verkehr sogar so beschaulich, dass sich die bange Frage stellt: Wieviel Sprit ist im Tank? Der Blick auf die Tanknadel beruhigt, der Tank ist fast voll. Wasser- und Essensvorräte sollten auch immer reichlich an Bord sein. Wie erst mögen sich anno 1821 die Siedler auf ihrer Reise hierher in ihre neue Heimat gefühlt haben. Heute liegen am Weg ab und an Häuschen auf den typischen Stelzen, um damit den Flutwellen bei tropischen Stürmen und den noch stärkeren Hurrikans zu trotzen.

Das Örtchen Pecan Islands

Dann kommt auf einmal eine Ortschaft namens Pecan Islands, zählt laut Ortsschild 300 Einwohner und ist auch Adresse des Rockefeller Wildlife Refuge. In dem Naturschutzgebiet sind Stege ausgelegt, um trockenen Fußes Flora und Fauna bestaunen zu können. Es darf – kontrolliert – gejagt und gefischt werden. Für dieses Wildlife Refuge stiftete der Industrie-Magnat Rockefeller 1919 dem Bundesstaat Louisiana 86.000 Acres (35.000 Hektar). 1955 begann die Organisation des Wildlife Refuge, für den Naturschutz am Ort in Marschen und an Küsten wissenschaftlich zu forschen, tut das nach wie vor und kooperiert dabei zum Wohl der Region auch mit vor Ort tätigen Mineralöl-Gesellschaft. Das und vieles mehr ist auf der Website des Rockefeller Wildlife Refuge nachzulesen.

Das Örtchen Cameron

Der nächste Ort kommt 24 Kilometer weiter, heißt Cameron und hat 315 Einwohner. Gut doppelt so viele Menschen lebten in Cameron, bevor die Hurrikans Rita 2005 und Ike 2008 die Küste malträtierten. Die Region ist als Cameron Parish zusammengefasst, zählt in toto 5600 Bürger und ist damit der menschenleerste Parish in Louisiana. Bei so wenig Volk lässt sich mit einiger Phantasie ausmalen, wie sich Piraten in den Gegenden einst gut verstecken konnten und wie Trapper unbeobachtet ihre Fallen stellten; Museum Vermilionville und manche Western lassen grüßen. Bis ab 1821 Gesetze Einzug hielten und die Landvermesser kamen, um als Vorhut für die nunmehr beginnende Besiedlung Kilometer für Kilometer Grund und Boden und Wasser zu vermessen.

# Cameron – LA 27 West, genannt Creole Nature Trail – bis Holly Beach – 17 KM

Heute gelten Law & Order selbst für Details, wie ich von Shalisa erfahre. Sie steht an einem Bayou nicht weit von Holly Beach, hat einen Käscher in der einen Hand und eine lange Leine mit einem Köder in der anderen.

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Shalisa ködert Blaukrebse mit rohen Hähnchenkeulen Foto Ulrike Wirtz

Sie sieht meinen neugierigen Blick: „Das ist eine rohe Hähnchenkeule. Sie ist ein guter Köder, um Blaukrebse zu fangen.“ Blue Crabs – dafür sei Fangsaison von Mai bis Oktober. „Du brauchst aber eine Lizenz dafür. Die musst Du dabei haben. Hier wird nämlich kontrolliert.“ Das heißt auch: So einsam ist es doch nicht. Lizenzen benötigen auch diejenigen, die zur Entenjagd oder zum Fischen von anderem Getier in der Gegend unterwegs sind. Und woher kommt Shalisa? „Ich bin aus Texas und arbeite jetzt in Lake Charles. Aber nicht bei einer Ölraffinerie, wie das viele hier tun. Die sind hier wichtige Arbeitgeber.“

Holly Beach – LA 108 North, LA 378, US 171 South, US 90, LA 385 South – Lake Charles 100 KM

Lake Charles liegt am gleichnamigen See, zählt 85.000 Einwohner, ist damit die größte Stadt der Region und hat Hotels für jeden Geldbeutel. Daher ist Lake Charles auch der Pit-Stopp zum Übernachten auf dem Rundkurs über Lafayette zurück nach New Orleans, wo der Road-Trip begann. Als Highlights in Lake Charles gelten das Hotel L’ Auberge wegen seiner schick-teuren Suiten und seines Casinos, die historische Downtown unter anderem wegen der Life-Music-Kneipe The Panorama Music House und die Uferpromenade des Sees mit den hübschen Villen.

Lake Charles- das Luxushotel L' Auberge mit Casino Foto Ulrike Wirtz_8807.jpg
Lake Charles- das Hotel L‘ Auberge bietet Luxus und Glücksspiel im Casino Foto Ulrike Wirtz

Ein weiteres Highlight und das nicht nur für Fans alter Vinyl-Schallplatten findet sich genau neben dem Panorama Music House und heißt The Panorama Music Exchange. Der Laden ist nämlich eine wahre Fundgrube für alte Vinyl-Platten in ihren Originalhüllen von Top-Acts aus alten Zeiten. Schmeißt Bam Arceneaux den Laden, spielt er ab und an den DJ, legt in alter Manier auf dem Plattenspieler frühe Meister des Pop und Soul auf, ob Beatles oder Jimi Hendrix. Buy, Sell and Trade sei das Motto, sagt Bam und stöbern erwünscht. „Of course“, sagt Bam.

Lake Charles - Laden für Vinyl-Schallplatten - Bam mit Queen-Platte Foto Ulrike Wirtz
Lake Charles‘ verstecktes Kleinod – der Laden für alte Vinyl-Schallplatten; Bam ist sein bester Verkäufer und DJ und stolz auf seine Queens-LP A Night at the Opera

Sunset am Holly Beach

Vorher stehen noch Holly Beach und der Sonnenuntergang in Einsamkeit an. Fürs Bierchen ist im Cooler vorgesorgt. Nur was ist das? Am Strand verlaufen im beige-farbigen Sand mehrere Reifenspuren von Autos. Und tatsächlich – ein, zwei Vehikel fahren irgendwo weiter entfernt über den Holly Beach. Shalisa: „Das darf hier jeder. Besser gesagt, es ist nach wie vor nicht verboten.“

Weitere Info und wichtige Websites

Die offizielle Website für Reisen durch Louisiana finden sich unter www.explorelouisiana.com – auch mit Info zu Regionen und Städten wie Lafayette, Lake Charles oder New Iberia. Mehr zur Seebrücke Lake Pontchartrain Causeway www.worldatlas.com. Zur Bootstour in den Bayous bei Slidell www.honeyislandswamp.com. In und um Lafayette: die Kulturstätte Acadian Center for the Arts https://acadiancenterforthearts.org; die University of Louisiana Lafayette https://louisiana.edu; das Open-Air-Museum Vermilionville, auch die Tanzhalle https:// bayouvermiliondistric.org. In New Iberia: Rip Van Winkle Gardens und Joseph Jefferson Villa https://ripvanwinklegardens.com. Das Parish Cameron https://visitcameronparish.org. Das Rockefeller Wildlife Refuge www.wlf.louisiana. In und um Lake Charles: www.visitlakecharles.org; auch mit Info zum Louisiana Creole Nature Trail und zu den Stränden Holly Beach oder Little Florida Beach. Details zum Hotel L‘ Auberge Lake Charles: https://llakecharles.com.

Die Restaurant-Tipps: Rips on the Lake www.ripsonthelake.com. Palmettos on the Bayou www.palmettosonthebayou.com

Cajun und Creole Beide Begriffe begegnen einem immer wieder in Louisiana. Beide finden sich auch auf Speisekarten in vielen Restaurants des Südstaats. Das Wort Cajuns bedeutet Arcadians auf Französisch – siehe oben – und steht für die frühen Siedler mit prägender Rolle für Louisiana. Die spielen sie mit ihrer Herkunft aus Frankreich und ihrem Umweg über die Karibik bis heute bei Louisiana-typischen Speisen, vor allem Gumbo: ein mit dunklem Mehl angedickter Eintopf wahlweise mit Fleisch, Shrimps oder Alligator – und immer mit Gemüse. Und Po‘ Boys, die traditionellen Sandwiches und meist riesig. Zur Cajun-Küche gehören auch Würste mit Innenleben von Schwein oder Huhn – genannt Boudoins.

Dazu gesellte sich einst und gesellt sich bis heute die kreolische Küche mit ihren afrikanischen und karibischen Gewürzen und dem Gemüse Okra. Diese lukullische Richtung geht gerade auch auf die Herkunft der früheren Sklaven aus Westafrika zurück.

Dösender Alligator im Bayou - aber Abstand wahren Foto Ulrike Wirtz _30125_jog

US-Staat Louisiana – Jenseits von New Orleans

Die Südstaaten-Metropole New Orleans steht für Amüsement in Musikkneipen des Jazz, Blues und Soul vor allem im French Quarter, dem Hort alt-französischer Kolonialarchitektur. Das zu erleben ist die eine Seite von Louisiana. Wer nur ein, eineinhalb Stunden rausfährt aus der Stadt in den Südwesten, lernt ganz andere Seiten kennen, die Leben und Flair im Südstaat mit ausmachen.  Hier wartet das Maritime. Hier stellt sich auch heraus, woher bestenfalls die Shrimps auf den großen Sandwiches, den Po‘boys, in New Orleans kommen.

Fischer Rodney’s Garten Eden – Wasser von salzig bis süß

Rodney P. Olander zeigt auf das Profi-Boot vor uns. „Es ist speziell fürs Shrimp-Fischen, das erkennst Du an seinen Aufbauten“, sagt der groß gewachsene Mann mit grauem Mehrtagebart. Wir stehen in der Marina von Morgan City. Hierher führt der US-Highway (HW) 90, die Haupt-Verbindungsstrasse durch Louisiana State an New Orleans vorbei gen Westen.

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Louisiana begrenzt im Süden der Golf von Mexiko, im Osten der Mississippi State, Texas im Westen und Arkansas im Norden Foto Explore-Louisiana

Der HW 90 eröffnet vor allem aber auch den Zugang zum Süden mit den großen Flussdeltas und Sümpfen in Louisiana, bis tief im Süden das Meer, der Golf von Mexiko, beginnt. Ab New Orleans dauert es eineinhalb Autostunden bis zum Städtchen Houma und 30 weitere Minuten im Auto bis zum noch kleineren Städtchen Morgan City. An den Stegen seiner Marina liegen Profi-Boote, aber auch Motor- und Segelboote fürs Privatvergnügen.

Ein malerischer Anblick und typisch im tiefen Süden, wo freie Natur und Süßwasser-Gefilde das Leben prägen – bis zum Meer. Die Region südlich des HW 90 heißt Cajun Coast – nach den französischen Siedlern, die Louisiana nach ihrem König Louis benannten. Das Land ist ab Meer salzige Marsch, geht über in Bayous, diese Wasserwege von breit bis schmal, und in Sümpfe, die Swamps.

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Rodney und Familie sind Brown-Shrimp-Fischer in vierter Generation – tief in Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz

Das Süßwasser kommt vom Atchafalaya River, der durchs Binnenland mäandert, bis er ins Meer mündet. Was für ein Unterschied zum Big Easy in New Orleans. Im Meer und in der salzigen Marsch gedeiht Sea-Food aller Art, auch braune Shrimps in großen Mengen. Sie sind eine Spezialität von Rodney, selbst Shrimp-Fischer seit gut 45 Jahren. „Mein Großvater hat angefangen. Nun sind wir Shrimp-Fischer in vierter Generation im St. Mary Parish an der Cajun Coast“. Parish steht im Südstaat für County, eine Verwaltungseinheit ähnlich den deutschen Landkreisen. Die Fläche im Parish besteht zu gut einem Drittel aus Wasser. Das Shrimp-Fischen ist hierzulande traditionell Sache von Familienbetrieben mit Abnehmern bis New Orleans und darüber hinaus – ob Restaurants oder Geschäfte für den Verzehr zu Hause.

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Brown-Shrimps von der Cajun Coast. Die Küste heißt nach den französischen Siedlern, den Cajuns Foto Ulrike Wirtz

Hier wie da munden die Shrimps als Cocktail oder gegrillt oder frittiert auf 15 bzw. 30 Zentimeter langen Sandwiches, die in Louisiana traditionell Po’boys heißen. Rodney ist in seinem Element: „Wir fischen nicht nur, sondern schälen unsere Fänge an eigenen Docks, frieren sie teils ein und verkaufen frisch ab eigenem Dock. So verfahren einige Fischer hier.“ Der Mann um die Sechzig macht eine kurze Pause, fährt fort, nun fast verärgert: „Früher war das Hauptproblem für uns Fischer die Hurrikans und ihre Zerstörungen durch Wind und Wasser. Das letzte Mal Hurrikan Ida im August 2021.“

Der zerstörte Fischereigründe, Boote, Ausrüstung, Docks. „Unser Hauptproblem nun sind Wettbewerber aus Thailand, Indien, Ecuador oder China. „Die werfen ihre Shrimps en Masse zu Dumping-Preisen auf unsere Märkte. Folglich müssen wir Locals auch die Preise senken. Aber von den niedrigen Preisen können wir nicht existieren.“ Viele hätten aufgegeben. Rodney: „Wer weiß das schon in New Orleans.“ Seine treuen Abnehmer wüssten es schon. Die Zahl der beantragten Lizenzen zum Shrimp-Fischen sei von 10.000 im Jahr 2000 auf nur noch 4.000 in 2023 gesunken. „Und das im Staat Louisiana. Wir stellen mit 850 Millionen Pfund Seafood aus heimischen Gewässern pro Jahr die zweitgrößte Fischerei-Industrie der USA und sind ein wichtiger Arbeitgeber“ (Rodney).

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Prägt Louisiana’s Süden – Wasser von salzig im Golf von Mexiko bis süß in den Bayous Foto Ulrike Wirtz

Denn die Gefilde für Meeresgetier sind fruchtbar und riesig in Louisiana. So ist die Küste gut 12.000 Kilometer lang und damit die drittlängste Meeresküste der USA. Die Länge resultiert daraus, dass die Küstenlinie am Golf von Mexiko so kurvig vorbeiführt. Davon sind die wenigsten Kilometer endlos scheinende Sandstrände, vielmehr zerklüftetes Marschland und somit ein Top-Biotop für Shrimps und auch Austern. Ob der Importlage bei Shrimps sei nun aber nicht mehr alles Idylle, so Rodney. Daher betätige er sich bei der Louisiana Shrimp Task Force, die vorstellig wird fürs Anliegen von Baton Rouge, Hauptstadt von Louisiana State, bis Washington DC, Hauptstadt der USA. „Am US-Markt für Shrimps hält Louisiana einen Anteil von 25 Prozent“, hat Rodney aktuelle Zahlen parat. „Aber die Importe aus dem Ausland übertreffen die Nachfrage. Das drückt die Preise. Wenn die Politik einen Mindestpreis festlegte, da wäre uns geholfen.“   


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Captain Caviar’s Garten Edenmit Alligatoren, Adlern und Atchafalaya River

In der maritimen Welt in Louisianas Süden betätigt sich auch Captain Caviar und vermittelt mit stetem Lächeln unter grauem Rauschebart, seinen Job mehr als Hobby zu sehen. Er lebt und arbeitet im östlichen Nachbar-Parish Terrebonne. Der ist ebenfalls ein Teil der Cajun Coast, ebenso Shrimp- und Auster-Region und auch Ort der Kaviar-Produktion von Captain Caviar. Auch hier prägen Meer, Marschland, Bayous und Sümpfe die Art zu leben, wobei Terrebonne gar zu 50 Prozent aus Wasser besteht – als Teil der Flussdeltas von Atchafalaya und Mississippi River.

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Captain Caviar rauscht durch den Atchafalaya River und die Gewässer unzähliger Bayous Foto Ulrike Wirtz

Captain Caviar tourt mit der Miss S, ein Sieben-Meter-Flachbodenboot aus Aluminium, durch seine Cajun Coast, an Bord zahlende Gäste aus nah und fern, maximal fünf pro Tour. Sein Boot liegt in Idlewild nahe Houma, Verwaltungssitz des Parish Terrebonne und teils noch im Wiederaufbau, weil Hurrikan Ida viele Schäden hinterließ. Houmas Downtown lohnt den Abstecher schon wegen seiner filmreifen Architektur der 1950er Jahre. Hier finden sich Gebäude für Verwaltung, Gericht und Anwaltsbüros, die in adretten Villen residieren. Zum Verweilen laden Shops und Boutiquen ein, Lokale und das Café Downtown Jeaux,  das am frühen Morgen regelrecht überlaufen ist von Frühstücksgästen.

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Busy und adrett – im Städtchen Houma sitzt die Verwaltung des Terrebonne Parish Foto Ulrike Wirtz

Das Städtchen, gegründet 1834, profitierte schon früh von seiner zentralen Lage, wurde daher im Lauf des 19. Jahrhunderts Standort von Fabriken, die das Zuckerrohr der Plantagen landeinwärts verarbeiteten, und von Sägemühlen, die das Holz der Wälder zum Weiterverkauf zurechtstutzten. Austern wurden in der Region in einer Menge geerntet, dass Houma Ende des 19. Jahrhunderts größter Hafen zur Austern-Verschiffung war.

Captain Caviars genaues Revier ist das Atchafalaya-Delta – dort, wo die salzige Marsch ins größte Süßwasser-Sumpfgebiet der USA übergegangen ist. Der Kapitän fährt zur Einführung der Tour mit dem Finger über die Landkarte. „Wir fahren erst Bayous, dann den Atchafalaya und retour. Und Vorsicht. Im Süßwasser leben keine leckeren Shrimps, aber Alligatoren. Die mögen es ja süß“, sagt er schelmisch lächelnd, löst die Leinen des Boots, legt ab und erzählt weiter: Der Fluss Atchafalaya bildet ein eigenes Delta, das wiederum Teil des westlichen Mississippi-Deltas ist, weltweit das siebtgrößte Flussdelta.

Hurrikan-erprobte Brücke hinter Houma, Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz_3696.JPG
Hurrikan-erprobte Brücke hinter Houma, Süd-Louisiana Foto Ulrike Wirtz

Den Namen bekam der Atchafalaya River von den First Nations. Die spezielle Flora im Atchafalaya Delta sind neben seinem Gebüsch-Dickicht seine Zypressen-Wälder. „Einzelne Zypressen sind bis zu 1000 Jahre alt. Mit etwas Glück sehen wir auch Bald Eagles.“ Der Kapitän kennt sein Revier, steuert nämlich auf eine Baumgruppe zu, hält dazu Distanz und zeigt auf eine ausladende Baumkrone. Mittig thront ein Adlernest mit zwei Jungen, wie der Blick durch das Fernglas zeigt. Die strecken ihre Köpfchen den fütternden Eltern entgegen. Der Kapitän zeigt sich darüber so begeistert wie seine Gäste – „wie ein Wunder“ -, dreht langsam ab, späht immer wieder rechts und links ins Dickicht, hält dann auf umgekippte Baumstämme zu, die im Wasser schwojen.

Auch hier hält er Abstand. „Seht Ihr den Alligator auf dem einen Stamm. Der döst. Den erkennt Ihr an der Erhebung, seinem Nasenhöcker.“ Mit Fernglas sieht selbst das ungeübte Auge das Reptil und – oha – seine Länge. „Gut zwei Meter“, meint der Kenner, „also besser nicht schwimmen gehen.“ Fleisch und Häute der „Gators“ seien auch traditionell ein Produkt der Region – „früher durfte sie jedermann fangen und verarbeiten. Heute ist das nur noch lizensierten Alligator-Farmen erlaubt“. Eine ist die Greenwood Gator Farm in Gibson südlich von Houma, die bei Touren den unblutigen Teil ihres Geschäfts zeigt.

In der Gator Farm Greenwood einen Mini-Alligator kuscheln - Guide Kevin assistiert  Foto Ulrike Wirtz
In der Gator Farm Greenwood einen Mini-Alligator kuscheln – Guide Kevin assistiert Foto Ulrike Wirtz

Der Bootsführer fährt weiter, hinein in eine Schleuse, welche die Miss S samt Passagieren einen Meter nach oben trägt. Hier ist augenfällig, dass Wasser und Land zwar so aussehen wie nur von der Natur gemacht. Doch hat auch der Mensch Hand angelegt, Schleusen, Wehre, Deiche, Kanäle, Pumpen etc. gebaut: „Damit die Füße trocken bleiben bis New Orleans und darüber hinaus, wenn unsere tropischen Stürme und Hurrikans das Wasser steigen lassen“ (der Kapitän). Nach der Schleuse gibt er Gas, sagt: „Führen wir den Fluss weiter hinauf, gingen die Sümpfe über in trockenes Land mit Plantagen. Wir biegen hier ab in den Bayou.“ Dem folgt die Miss S auf Kilometer. Sein Verlauf ist mal einige Bootslängen breit, mal vielleicht gerade mal zwei Meter. Alles scheint unbewohnt.

Bis ein Holzhaus auftaucht – im Dickicht auf Stelzen im Wasser stehend. Wie romantisch und irgendwie auch ungut-einsam.

Auch wenn etliche Meter weiter ein an Bäumen vertäutes Hausboot mit Terrasse auftaucht. Der Kapitän: „Es gibt nicht viele Häuser hier. Teils sind sie privat nur für die Ferien. Teils leben Familien hier seit Generationen. Die separate Hütte ist typisch – wegen Brandgefahr. Da steht nämlich der eigene Generator. Der produziert Strom für Herd, Mobiltelefon und TV. Für Dauerbewohner geht es per Boot zur Schule, Arbeit usw.“ Ein weiteres Haus kommt näher und entpuppt sich als Ruine – zerfetzt von einem Hurrikan, der übers Atchafalaya-Gebiet zog. Zurück in Idlewild meint Captain Caviar: „Stay safe.“ Ein guter Abschied.

Hausboot in einem der vielen Bayous Foto Ulrike Wirtz_3091.JPG
Wohnen in einem der Bayous – ein Hausboot und im Dickicht versteckt eine Hütte daneben mit dem Generator Foto Ulrike Wirtz

Mr. Charlie – ein Symbol für noch mehr Früchte aus dem Meer

Am den Wasserwegen liegen ab und an kleinere Werften und die eine oder andere moderne Fertigungshalle, wo sichtlich Equipment für Ölbohrungen hergestellt wird. Sie stehen für den weiteren wichtigen Wirtschaftszweig in Louisiana: Erdöl und Erdgas. Beides liegt unter dem Meeresboden des Golfs, wird mit Bohr-Plattformen hoch befördert und per Pipelines an Land verbracht. Ein alter Vertreter der Branche ist Mr. Charlie: eine Bohr-Plattform, erbaut 1954, im eigentlichen Job seit 1986 außer Dienst und vertäut zwischen Morgan City und Houma. Heute nutzen Petro-Firmen die Plattform für Sicherheitstrainings zur Arbeit auf See. Ansonsten ist sie gegen Eintritt zu besichtigen. Mr. Charlie – was für ein Moloch: 5000 Tonnen schwer, bis zu 15 Meter hohe Aufbauten plus Beine, die unter Wasser auf 13 Meter ausgefahren wurden.

Mr. Charlie - ausgemustert und nun Museum. Die Bohr-Plattform diente der Suche nach Öl Foto Ulrike Wirtz_2889.JPG
Mr. Charlie – einst Bohr-Plattform zur Ölsuche, nun auch Museum; hier Teile der Bohrtechnik Foto Ulrike Wirtz

Virgil Allen kennt die Plattform in- und auswendig und stellt sich als altgedienter Sicherheits- und Umweltingenieur vor: „Ich schule hier Crews für die Arbeit auf See, mache aber auch Touren.“ Und er sei der Präsident des Rig Museums für Mr. Charlie. „Der war 1954 das erste mobile Rig. Das heißt – es war wie ein Boot selbstversorgend und fuhr selbst von Bohrort zu Bohrort. Mr. Charlie diente zur Erforschung neuer Ölfelder, aber nicht zur Ölförderung.“ Anders als auf heutigen Plattformen hätten die zig Mann starken Crews damals noch viel körperliche Arbeit verrichtet – „ein Knochenjob bei Wind und Wetter. Keine Frauen an Bord hieß es damals und heißt es heute. Heute arbeiten Bohr-Plattformen bis zu 200 Seemeilen offshore. Einsätze dauern mindestens zwei Wochen. Nach Hause zwischendurch geht nicht“.

Mr. Charlie und Ingenieur Virgil Foto Ulrike Wirtz_2872.JPG
Mr. Charlie’s neuer Roboter – Ingenieur Virgil trainiert daran Teams für den Einsatz auf See Foto Ulrike Wirtz

Zwei Stunden dauert die Tour mit Virgil. Startet über steile Metalltreppen außen hinauf zu den Bohr-Vorrichtungen samt Robotern; führt innen über Treppen tief hinab zu Motoren und Ballasttanks. Was für eine Unterwelt. Was für alte Computer zur Steuerung. Virgil: „Heute läuft auf Bohrinseln fast nichts mehr ohne Algorithmen.“ Stufen wieder hoch – zu Technikräumen, Büros und Gruppen-Ruheräumen der technischen Crew und derjenigen, die fürs leibliche Wohl sorgten. Als es wieder an die frische Luft geht, weht eine kräftige Brise. Virgil: „Je nach Wind und Regen sagen wir Touren ab. Zu gefährlich, obschon wir nicht auf See sind.“ Zum Abschluss lädt er ein ins dazugehörige International Petroleum Museum & Exposition. Es ist mini, aber voller Artefakte zur Branche. Virgil: „Auf den Touren erzählen relativ viele Besucher, dass sie selbst auf einer Bohr-Plattform gearbeitet haben. Die interessiert jedes Detail.“  

Und wie verhält sich die Öl-Branche zur Meeresfrüchte-Branche? Kulturell kommt beides zusammen im Shrimp & Petroleum Festival mit kleinem Museum, beides in Morgan City, vereint unter Direktive von Hailee Thomas: „Seit 1960 feiern wir am Labour Day Weekend unser gemeinsames Festival. Denn Öl und Shrimps sind beides Ernten aus dem Meer. Beides brachte unsere Region auf die Landkarte der Topbranchen in Louisiana.“

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Gibt’s wohl nur in Louisiana – ein gemeinsames Shrimp & Petroleum Festival Foto Ulrike Wirtz

Und wie verhält sich das umwelttechnisch? Ingenieur Virgil: „Ein großes Thema. Zumal es im April 2010 das Unglück der Deepwater Horizon im Golf gab.“ Die Bohr-Plattform explodierte mit tödlichen Folgen, auch weil Millionen Liter Öl ins Meer vor den Südstaaten flossen und Fauna und Flora desatrös schädigten. Der Betreiber bekam eine Milliarden-Strafe. Virgil: „Heute ist das Umweltbewusstsein natürlich viel größer.“ Und Bohrlizenzen? „Das ist hochpolitisch.“

Big easy im Delta – per Boot und Auto durch Bayous und Sumpfgebiete

Je mehr man in die Sphären der Cajun Coast eintaucht, je weiter es hineingeht in die südwestlichen Delta-Gefilde, je näher es Richtung Meer geht, umso mehr scheint die Fahrt übers Wasser zu gehen, selbst wenn im Auto unterwegs. Dabei werden die Straßen deutlich weniger und schmal. Hier und da kommt eine Tankstelle mit Supermarkt-Charakter, kommen ab und an mal eine Handvoll Wohnhäuser. Sonst nur Gewässerlandschaft und Weite bis zum Horizont. Die Häuser sind hübsch anzusehen, besonders wenn in zarten Bonbonfarben gestrichen. Sie sind aus Holz und stehen meist wie die auf der Tour mit Captain Caviar auf Stelzen, damit bei Land unter das eindringende Wasser unterhalb durchfließt. Gefühlt vor jedem Haus parkt ein Boot fürs Vergnügen – unter dem freien Raum unterm Haus oder ruhend auf Trailern an Autos, startklar für den nächsten Trip durch Sümpfe und Bayous bis hinaus aufs Meer.

Chauvin Sculpture-Garden - religiöse Figuren modern interpretiert von kenny Hill Foto Ulrike Wirtz_3510.JPG
Zu bestaunen im Chauvin Sculpture-Garden – religiöse Figuren interpretiert von Kenny Hill Foto Ulrike Wirtz

Ein Örtchen heißt Chauvin am Sträßchen LA 56. Hier leben die jungen Kunststudentinnen Raegan und Madison, die durch den Chauvin Sculpture Garden führen. Dessen rund 100 bunt-bizarre religiöse Figuren schuf um 1990 der bis dato unbekannte Künstler Kenny Hill. Deren Restauration betrieb die renommierte Kohler Stiftung. An einem Langzeit-Parkplatz für Camper kommen Menschen wie Dale auf einen zu. „Hey, how are you? Wie geht’s?“ Der Rentner lebt mit Gattin in einem Wohnmobil auf dem Parkplatz. Zuhause sind sie Hunderte Kilometer nördlich vom Delta und fahren jedes zweite Wochenende hin: „Zum Rasenmähen, Wäsche waschen und so.“ Hier am Wasser cruisen beide täglich mit dem Boot durch die Bayous. „Dafür sind wir hier. Ich bin Angler. Meistens fange ich Forellen.“

Boot, Truck, Camper - mehr braucht es nicht im Garten Eden der Bayous Foto Ulrike Wirtz_3571
Truck, Camper und kleines Boot – viel mehr braucht es nicht im Garten Eden der Bayous Foto Ulrike Wirtz

Hier trifft man auf Menschen wie Tony. Ihm gehört das Sandpiper Inn am LA 57 mit simple-rustikalen Gästezimmern. Die Nacht kostet pro Person ab 60 $. „Einige Zimmer haben mehr Gäste als Betten. Denn die Leute sind nachts mit ihren Booten angeln und duschen hier nur. Die Boote bringen sie am Haken ihrer Autos mit.“ Tony lebt schon länger hier, hat mitsamt Familie und Inn selbst Hurrikan Ida überstanden und möchte nicht weg. „Das liegt an der Weite und am freien Leben hier am Wasser.“ Ob er die Island Marina kennt – „na klar. Ist einige Meilen dahin“. Das Gewässer an der Marina nennt sich Lake Catherine. Schilder annoncieren Touren für Hobby-Fischer zum Shrimp-Fishing. In gebührendem Abstand zur Marina geht es an ansehnlichen Refugien direkt am Wasser vorbei. Kaum Nachbarn – und wenn ja, lassen sie sich an einer Hand abzählen.

Ferienhaus-Idylle am HW 90 South Foto Ulrike Wirtz_3729.JPG
Ferienhaus-Idylle an der Cajun Coast – und garantiert kein Night-Life Foto Ulrike Wirtz

Hinter den Häusern ist nur Wasser weit und breit. Die Sonne beschert ein tolles Licht. „Tony: „Solche Häuser gehören Leuten aus der Stadt – gerade auch aus New Orleans oder Baton Rouge. Sie suchen das Gegenteil vom Leben dort.“ Der Rhythmus der Cajun Coast ist Wasser, Natur, Stille – „also alles andere als night life“, sagt Tony. Da ist New Orleans natürlich ganz anders.

Weitere wichtige Info und Websites

Der US-Südstaat Louisiana gehört wie Mississippi und Alabama zur Region, die sich als Deep South versteht. Das stand im 19. Jahrhundert für die Staaten der Plantagen und Sklaverei im Süden, im 20. Jahrhundert für die Cotton States, in denen wie in Louisisana Baumwolle wuchs. In den 1950er/1960er Jahren fanden in den Südstaaten harte Kämpfe um die gleichen Bürgerrechte für die einstigen Sklaven statt: die African Americans, die aus Afrika in die Südstaaten verschleppt worden waren. Der US-Staat zählt aktuell 4,7 Mio. Einwohner, die sich vor allem auf die zwei Zentren konzentrieren: New Orleans als internationale Metropole und größte Stadt, gegründet 1718 mit nun 1,27 Mio. Einwohnern im Einzugsgebiet der Metro-Region, sowie Baton Rouge, die Verwaltungshauptstadt, gegründet 1699 mit nun 870.000 Einwohnern in der Metro-Region. Louisiana grenzt im Norden an Arkansas, im Osten an Mississippi, im Westen an Texas und im Süden an den Golf von Mexiko.

Alle offiziellen Tourismus-Informationen www.explorelouisiana.com.
Die Cajun Coast, auch Morgan City www.cajuncoast.com.
Das Shrimp & Petroleum Festival in Morgan City www.shrimpandpetroleum.org.
Im Boot durch Sümpfe und Bayous mit Captain Caviar www.captaincaviar.com.
Von hier ins sehenswerte Wedell-Williams Flugzeug-Museum www.louisianastatemuseum.org.
Das Städtchen Houma www.explorehouma.com.
Das Rig Mr. Charlie www.rigmuseum.com.
Die Gator Farm www.greenwoodgatorfarmtours.com.
Der Chauvin Sculpture Garden https://nicholls.edu.
Shrimp-Tour mit Down the Bayou Shrimp https://shrimptours.com.